Brokdorf-Beschluss

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Der Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (auch: Brokdorf-Urteil) gilt als richtungsweisend für die Grenzen der Versammlungsfreiheit in Deutschland.

Das Urteil

Das Brokdorf-Urteil beschreibt ein gerichtliches Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1985. Es gilt als Vorreiter des heutigen Verständnisses von Versammlungsfreiheit. Das Urteil brachte eine Wende in der Vorstellung demonstrativer Muster, sowohl politisch, gerichtlich und polizeilich. In diesem Urteil fällte das Bundesverfassungsgericht erstmals eine Grundsatzentscheidung zur Versammlungsfreiheit.

Hintergrund des Urteils

Hintergrund waren Demonstrationen im Zuge der Planungs- und Bauphase des Kernkraftwerkes Brokdorf seit 1976. Der Höhepunkt des Bürgeraufstandes war am 28. Februar 1981, zu welchem mehr als 50.000 Bürger kamen. Ein zuvor durchgebrachter juristischer Beschluss in letzter Instanz führte jedoch zu einem Verbot der Großdemonstration. Obwohl die Demonstration weitgehend friedlich verlief, wurde sie vor Ort daher aufgelöst. Das Gericht begründete das Demonstrationsverbot mit einer nicht rechtzeitig erfolgten Anmeldung und der Gefahr, dass es zu Ausschreitungen kommen könnte. Nachdem die Demonstration folglich aufgelöst wurde, zog der Veranstalter daraufhin erneut vor Gericht. Im Mai 1985 entschied das Bundesverfassungsgericht schließlich erneut über den Umgang mit Großdemonstrationen.


Grundlegende Inhalte des Brokdorf- Beschlusses

Grundlegend beinhaltete der Beschluss schließlich folgende Richtlinien, die noch heute gelten:

Keine Anmeldepflicht bei Spontandemonstrationen

Sollte eine Demonstration mehr oder weniger spontan stattfinden, sich die Menschenmasse also spontan zusammenschließen, ist eine Anmeldung im Vorhinein nicht zwingend notwendig. Das Gericht beruft sich auf das Grundgesetz und konkret auf den Artikel 8, Absatz 1 im Grundgesetz. Dieser beinhaltet den Wortlaut „ohne Anmeldung oder Erlaubnis“. Da das Grundgesetz in diesem Fall das Versammlungsgesetz aufhebt, beziehungsweise hier führend ist, hätte die Demonstration in Brokdorf nicht angemeldet werden müssen.

Berücksichtigung der Kooperation des Veranstalters

Je bereitwilliger der Veranstalter einer Demonstration im Vorfeld war, sich mit den Behörden oder Verantwortlichen auseinander zu setzen, desto höher sollte die Einschreitschwelle des Staates angesiedelt sein. Im Falle der Demonstration in Brokdorf, versuchte der Veranstalter alles Mögliche, um die Behörden im Vorfeld über die geplante Demonstration zu informieren.

Schutz der Versammlungsfreiheit friedfertiger Teilnehmer

Die Versammlungsfreiheit bleibt auch dann erhalten, wenn einzelne oder mehrere Demonstranten sich gewalttätig oder ausschreitend verhalten. Erst wenn die gesamte Veranstaltung einen gewalttätigen Verlauf nimmt, kann ein Verbot ausgesprochen und durchgesetzt werden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn im Vorfeld gewalttätige Absichten des Veranstalters offensichtlich sind. Diese waren jedoch in Brokdorf nicht zu erkennen.

Anforderungen an die Gefahrenprognose bei Verboten

Ein Verbot oder die Auflösung einer Versammlung darf nicht einfach willkürlich verhängt werden. Vielmehr muss eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erkennbar sein. Eine Gefahrenprognose muss außerdem auf Grundlage von Tatsachen, Sachverhalten oder Einzelheiten aufgestellt werden.


Kriminologische Relevanz

Konsequenzen für die polizeiliche Praxis

Der Brokdorf- Beschluss hat vor allem Konsequenzen für das polizeiliche Vorgehen im Zuge einer Demonstration. Polizisten richten sich bei ihren Maßnahmen im Zuge einer Demonstration grundlegend nach dem Versammlungsgesetz. Daran orientieren sie ihr Vorgehen und ihre Handlungen. Das Auflösen einer Versammlung ist daher an strenge und konkrete Tatbestände geknüpft. Eine Versammlung kann nur dann aufgelöst werden, wenn die Möglichkeiten zu kooperativem und deeskalierenden Strategien sowie zu Auflagen ausgeschöpft sind. Im Falle einer Auflösung der Versammlung muss die Polizei diese außerdem in Form einer Fristsetzung ankündigen. Eine Abweichung von Standartmaßnahmen des polizeilichen Handelns sind nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn eine strenge Tatbestandsvoraussetzung vorliegt. Diese Ausnahmen liegen vor, wenn sie dem Schutz der Versammlung dienen, oder sich als milderes Mittel gegenüber einer Versammlungsauflösung darstellen.

Literatur

Komitee für Grundrecht und Demokratie (Hrsg.) (2005): Demonstrationsrecht – zum politisch-polizeilichen Umgang mit einem „störenden“ Grundrecht. Köln: hbo-druck.

Links

Bäuerle, Michael (o.J.): Polizei- und Verwaltungsrecht. Versammlungsrecht. Verwaltungsfachhochschule Wiesbaden, Fachbereich Polizei / Abteilung Gießen. [1] Tschenscher, Axel (2010): Brokdorf- Beschluss des Bundersverfassungsgerichtes. Lehrstuhl für Staatsrecht, Rechtsphilosophie, Verfassungsgeschichte. Universität Bern. [2]