Boot Camps

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Definition

"Boots" ist die englische Bezeichnung für schwere Stiefel. Mit "boot" wird aber auch der Rekrut in der Grundausbildung bezeichnet. Das Verb "to boot" heißt "jemanden einen Fußtritt geben", aber auch "nützen" und "bereichern". "Camp" ist das englische Wort für Lager. Ein Boot Camp ist - jedenfalls in den USA - ein Trainingslager für Rekruten, die dort eine Grundausbildung erhalten. Nach deren Vorbild wurden in vielen Staaten der USA auch Lager zur Erziehung von jugendlichen Delinquenten eingerichtet. Im Jahre 2007 gab es in den USA insgesamt etwa 400 solcher Lager, in denen Jugendliche durch eine Art militärischen Drills - einschließlich des Anbrüllens und anderer Degradierungsmethoden - sowie durch hartes körperliches Training diszipliniert werden sollen.

Erziehungs-Konzept

Zwischenfälle

Im Jahre 2001 erklärte die New York Times, dass seit 1980 in 11 Bundesstaaten der USA mindestens 30 Teenager in Boot Camps umgekommen seien. Am 1. Juli 2001 starb z.B. der 14-jährige Anthony Haynes in einem westlich von Phoenix (Arizona) gelegenen Boot, "nachdem er offenbar stundenlang der intensiven Wüstenhitze ausgesetzt und dazu gezwungen worden war, Sand zu essen. Laut Berichten ehemaliger Beschäftigter des Camps waren Schläge, Tritte und der Befehl, Schmutz zu essen, an der Tagesordnung.

Die Ermittler fanden heraus, dass zwei Männer aus dem Camp den Jungen orientierungslos aufgefunden und in ein Motel gebracht hatten, wo sie ihn in eine Badewanne mit laufendem Wasser gelegt hätten. Als man Anthony später mit dem Gesicht unter Wasser fand, wurde er zurück ins Camp gebracht, weil der Leiter der Erziehungsanstalt, Charles F. Long II, glaubte, der Junge habe seinen Zustand lediglich vorgetäuscht.

Heute hält Mister Long, Mitglied der "America's Buffalo Soldiers Re-Enactor's Association", diesen Vorfall für "tragisch und eine traurige Sache". Er ist allerdings fest entschlossen, seine Camps weiter zu betreiben, und zwar "bis zu dem Tag, an dem ich sterbe". (...)

In Deutschland steht man den amerikanischen Erziehungslagern von jeher skeptisch gegenüber. Nicht nur die mögliche Verletzung von Menschen- und Persönlichkeitsrechten steht hier im Vordergrund, sondern auch die Ineffizienz der angewandten Methoden.

Der niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer hat die Entwicklung der Boot Camps in den Vereinigten Staaten verfolgt. "Es gibt ganz klare empirische Beweise dafür, dass Boot Camps überhaupt nichts bringen, sondern lediglich viel Geld kosten", betonte er gegenüber SPIEGEL ONLINE und verwies auf Forschungsergebnisse aus den USA, die dazu geführt hätten, dass sich viele Experten und ehemalige Befürworter der staatlichen Boot Camps völlig von der Idee solcher Erziehungslager abgewandt hätten. "Der militärische Drill erhöht die Anpassungsbereitschaft der Jugendlichen nur vorübergehend. Die Persönlichkeit kann man damit im Kern nicht verändern" (http://www.spiegel.de/sptv/themenabend/0,1518,159017,00.html).

Am 10. Oktober 2007 berichtete die Nachrichtenagentur UPI unter der Überschrift "U.S. youth boot camps deadly": "A U.S. federal audit of so-called boot camps for troubled teenagers released Wednesday found hundreds of incidents of abuse in 33 states. The Government Accountability Office presented the study to the U.S. House of Representatives Committee on Education and Labor based on 2005 data, USA Today reported. The audit said there had been 1,619 incidents of abuse and recounted 10 deaths at boot camps and wilderness programs since 1990. Committee Chairman U.S. Rep. George Miller, D-Calif., requested the investigation and said in a statement that Congress had to move swiftly to require states to enact regulations for the industry. Among the fatalities cited was one of a 14-year-old boy in 2001 at the American Buffalo Soldiers boot camp in Arizona. (http://www.upi.com/NewsTrack/Top_News/2007/10/10/report_us_youth_boot_camps_deadly/1114/)

"Im Oktober 2007 kam es zu einem Freispruch von sieben Aufsehern, die ein Jahr zuvor in einem Erziehungslager in Panama City im Bundesstaat Florida auf einen schwarzen Jugendlichen eingeprügelt hatten; er starb einen Tag später im Krankenhaus. Der 14 JUahre alte Junge hatte sich in den Augen der Aufseher geweigert, an einem Geländelauf teilzunehmen. Nach Darstellung der Anklage litt der Junge aber an Atemnot und war dann kollabiert" (FAZ 02.01.08: 4).

Nach einem Bericht des Government Accountability Office (G.A.O.) kam es in den praktisch unregulierten Boot Camps vor, "dass Teenager zur Strafe keine Nahrung erhielten, dafür ihr Erbrochenes wieder herunterwürgen mussten. Ein dehydrierter Junge verschlang Erde, weil er nichts zu trinken bekam. Mehrere Todesfälle haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt, und wie in Amerika üblich, blieben Schadenersatzklagen nicht aus. Der Bundesstaat Florida zahlte 2007 einer Familie, deren vierzehn Jahre alter Sohn in einem vom lokalen Sheriff geleiteten Bootcamp umkam, fünf Millionen Dollar. Die meisten dieser Einrichtungen werden unter privatwirtschaftlicher Regie geführt. Der Staat schießt Geld zu, denn pro Tag und jugendlichen Sträfling können sich die Kosten auf mehr als vierhundert Dollar belaufen. Eine staatliche Kontrolle gibt es indes so gut wie nicht. Mit gut hunderttausend Jugendlichen in Verwahrung drüften die jährlichen Einnahmen der Betreiber die Milliardengrenze längst überschritten haben. Bootcamps erweisen sich als glänzendes Geschäft, das trotz aller Kontroversen seit Mitte der neunziger Jahre auf Wachstumskurs ist und mit einer Fernseh-Reality-Serie namens 'Brat Camp' auch schon seine pop-kulturelle Würdigung erfahren hat" (Mejias 2008).


Evaluationen

Das Government Accountability Office (G.A.O.) - die Untersuchungsbehörde des amerikanischen Kongresses - veröffentlichte im Herbst 2007 eine ernüchternde Studie. Boot Camps und ihrem militärischen Drill wurde jede Eignung abgesprochen, kriminelle Jugendliche wieder auf den Pfad der Tugend zu bringen. Die Lager könnten das Problem eher noch verschlimmern. Auch strengere Gesetze würden oft nur alles schlimmer machen. In Boot Camps wurden sich gewalttätigte Minderjährige zudem gegenseitig in ihren Einstellungen eher noch verstärken. "Tough love", Erniedrigung und Angsterzeugung würden ins Leere laufen. Die Behörde schlägt als Alternative zu Boot Camps vor: Interventionsprogramme, die gemeinsame Beratungen für Jugendliche und ihre Familien einschließen und regelmäßig über mehrere Monate hinweg stattfinden sollten. Auch die bisherigen Ergebnisse von gezielten therapeutischen Behandlungen seien viel versprechend.


Die Centers for Disease Control in den USA (C.D.C.), die Jugendkriminalität als ernstes öffentliches Gesundheitsproblem ansehen, nennen in einem "fact sheet" als Risikofaktoren: antisoziales Verhalten, ungenügende ökonomische Aufstiegschancen, erste Lebenserfahrungen in einer gewaltbereiten Umgebung und in einem engbegrenzten Personenkreis mittelloser Bezugspersonen.

Literatur

Mejias, Jordan (2008) Weich heißt die Lösung. FAZ 17.01.08: 31.