Boko Haram

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Die von Ustaz Mohammed Yusuf aus in Nordnigeria (Maiduguri) gegründete Gruppe Boko Haram, die sich selbst seit 2010 als Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati wal-Jihad (= Verband der Sunniten für die Einladung zum Islam und für den Dschihad) bezeichnet - wurde durch terroristische Überfälle u.a. auf christliche Kirchen und durch die Entführung von Schülerinnen im Jahre 2014 bekannt.

Die Gruppe bezeichnet sich selbst seit Ende 2010 als . Bei den wenigen bekannten Forderungen der Gruppe geht es immer nur um die Freilassung der inhaftierten Mitglieder, darunter Ehefrauen und Kinder (vgl. Scheen 2012).

Name

Die Bezeichnung "Boko Haram" stammt aus der Hausa-Sprache. Haram bedeutet "Sünde" und "Boko" bezeichnet die Haustranskription mit lateinischen Buchstaben, die aus der Zeit der europäischen Kolonisation stammt und das ältere Ajami, d.h. die im frühen 17. Jahrhundert erfolgte Hausatranskription mittels arabischer Schriftzeichen, im Laufe der Zeit weitgehend überlagert hatte. Das Ajami steht für die traditionelle Orientierung am Islam im privaten wie im öffentlichen Leben und damit auch für die Ablehnung der modernen westlichen Lebensart, die als sündhaft, dekadent und korrupt wahrgenommen wird.

Gründung

Boko Haram entstand um das Jahr 2002 im Zuge der politischen Liberalisierung in Nigeria. Damit wurde die Diskriminierung des Nordens zum Thema. Der Gründer der Gruppe vertrat damals die im Norden allgemein verbreitete Ansicht, dass die allgegenwärtige Korruption eine Folge der sozio-ökonomischen und -kulturellen Überlagerung Nigerias durch den Westen sei (Ölgelder, Verwaltungsstrukturen, Nepotismus). Beleg dafür war zunächst einmal nur die erstaunliche Tatsache, dass Nigeria trotz seines immensen Reichtums auch ein halbes Jahrhundert nach der formalen Unabhängigkeit immer noch ein Armenhaus darstellte. Eine Rückkehr zu ethischem Verhalten und präkolonialen Strukturen wurde als Perspektive von vielen geteilt, die sich für die Sache gewinnen ließen.

"Die Lage eskalierte, als die Polizei 2009 in Borno mit roher Gewalt gegen Sektenmitglieder vorging, die sich weigerten, beim Motorradfahren einen Helm zu tragen, weil sie die Autorität des Staates nicht anerkannten. Dann wurde ein Beerdigungszug der Sektenmitglieder gewaltsam aufgelöst. Es gab Tote. Als Reaktion darauf überfiel Boko Hamram noch im gelichen Jahr zahlreiche Polizeistationen in der Stadt Maiduguri. Es folgten schlimme Straßenschlachten, un deren Verlauf mehr als 800 Menschen starben, darunter auch der Gründer von Blko Haram, Mohamed Yusuf, der in Polizeigewahrsam gelyncht wurde" (Scheen 2014).

Um 2004 richtete die Gruppe ein Trainingslager an der Grenze zu Niger ein.

Mobilisierung

Mitte 2009 begann die aufsehenerregende Serie von Anschlägen. Ein Ereignis, das die Radikalisierung beschleunigte, scheint die Tötung des Sektengründers und -oberhaupts durch die Polizei gewesen zu sein.

Thomas Scheen (2012) schreibt dazu: "Die Sache lief aus dem Ruder, als die Polizei 2009 mit roher Gewalt gegen Sektenmitglieder vorging, die sich weigerten, beim Motorradfahren einen Helm zu tragen. Dann wurde ein Beerdigungszug der Sekte gewaltsam aufgelöst. Es gab Tote. Als Reaktion darauf überfiel die Sekte noch im gleichen Jahr zahlreiche Polizeistationen in der Stadt Maiduguri, wo sie entstand. Es folgten Straßenschlachten, in deren Verlauf mehr als 800 Menschen umkamen, darunter auch der Gründer von Boko Haram, Mohammed Yusuf, der in Polizeigewahrsam gelyncht wurde. Seither läuft die Sekte Amok."

Scheen befragte auch einen Menschenrechtsanwalt namens Ahmad Suleiman, der seinerseits erklärt: "'Nigeria hat alle Konventionen zur Wahrung der Menschenrechte ratifiziert, alle ohne Ausnahme, und dennoch wird in diesem Land eine Politik des 'Zuerst schießen, danach fragen' praktiziert.' Genau das sei damals in Maiduguri passiert. 'Statt das spirituelle Oberhaupt der Sekte vor ein Gericht zu stellen, wird der Mann einfach von der Polizei in der Haft erschossen. Wie sollen seine Annhänger darauf reagieren?', fragt er und verortet das Grundübel für diese menschenverachtende Haltung in der politischen Klasse Nigerias" (Scheen 2012).

Verlauf

  • 2010: Nachdem die Konflikte zwischen Polizei und Boko Haram im Laufe des Jahres 2010 weitere 12 Todesopfer gefordert hatten - darunter 7 Polizisten - intervenierte das Militär. Es kündigte Patrouillen in Maiduguri an und verbot das nächtliche Motorradfahren als Vorbeugungsmaßnahme gegen Drive-by-Shootings. Im September 2010 griff Boko Haram ein Gefängnis an und ermöglichte 732 Häftlingen die Flucht (darunter 150 mutmaßlichen Boko-Haram-Mitgliedern, von denen die meisten während der Unruhen von 2009 verhaftet worden waren). Ein anschließendes Feuergefecht forderte das Leben eines Polizisten, eines Soldaten und zweier Anwohner. Eine Serie von Anschlägen auf Christen am 24.12.2010 kostete in der Nähe der Stadt Jos mindestens 38 Personen das Leben und hatte schwere Unruhen zur Folge.
  • 2011: Auf den Wahlerfolg eines christlichen Kandidaten reagierte die Gruppe nach den Präsidentschaftswahlen mit einer Reihe von Bombenanschlägen. Schon in der ersten Jahreshälfte kam es trotz des Verbots nächtlichen Motorradfahrens wieder zu Drive-By-Shootings, zu Anschlägen auf Polizeistationen (einschließlich des Polizeihauptquartiers in Abuja) sowie auf eine Kirche. Am 26. Juni 2011 griffen Mitglieder der Boko Haram drei Bierlokale in Maiduguri mit Schusswaffen und Sprengkörpern an und töteten mindestens 25 Personen. Im Juli 2011 veranlasste die zunehmende Gewalt in Maiduguri die örtliche Universität, ihre Pforten zu schließen und die Studenten nach Hause zu schicken. Die Militärpräsenz in und um Maidiguri wurde verstärkt und es kam zu vermehrten Vorwürfen, das Militär misshandele Zivilisten. Tausende flohen vor den sich verstärkenden Kämpfen. Am 26. August 2011 wurden bei einem Autobombenanschlag auf ein Gebäude der Vereinten Nationen in der Hauptstadt Abuja 23 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt. - Nach einer Reihe von Bombenanschlägen, unter anderem auf das Hauptquartier der Polizei im Bundesstaat Yobe im nordöstlichen Nigeria, zogen am Abend des 4. November 2011 in Yobes Hauptstadt Damaturu und im nahegelegenen Städtchen Potiskum bewaffnete Boko-Haram-Anhänger anderthalb Stunden lang durch die Straßen: sie attackierten Polizeistationen und Kirchen und töteten mindestens 63 Personen. Zuvor hatten Selbstmordattentäter am selben Tag ein militärisches Hauptquartier in Maidiguri angegriffen. Boko Haram verkündete, seine „Angriffe auf Truppen der Bundesregierung“ so lange fortzuführen, bis die Sicherheitskräfte „ihre Exzesse gegen unsere Anhänger und verletzliche Zivilisten“ beendeten. Weihnachten verübte Boko Haram mehrere Bombenanschläge auf christliche Kirchen. Bei einer Explosion vor der St.-Theresa-Kirche in Madalla, einem Vorort Abujas, starben 35 Menschen und 50 wurden verletzt. Im Bundesstaat Yobe, in dem Kämpfe zwischen Boko Haram und Sicherheitskräften in der Woche vor Weihnachten mehr als 60 Menschenleben gefordert hatten, gab es zwei Anschläge in Damaturu (einer davon richtete sich gegen einen Konvoi des Staatssicherheitsdienstes). Boko Haram kündigte an, die Anschlagsserie, die in den Tagen vor Weihnachten bis zu einhundert Leben gekostet hatte, fortzusetzen. Im Jahr 2011 wurde die Gruppe für den Tod von mindestens 510 Menschen verantwortlich gemacht.
  • 2012: Am 1. Januar 2012 gab Boko Haram den im Norden Nigerias lebenden Christen 3 Tage Zeit, den muslimisch geprägten Norden des Landes zu verlassen, und kündigte an, nach Ablauf der Frist gezielt Christen anzugreifen. Am 5. Januar 2012 wurden bei einem Feuerüberfall auf eine Kirche in der Stadt Gombe mindestens sechs Menschen getötet. Bei einem Angriff auf ein Gemeindehaus in der Stadt Mubi am 6. Januar 2012 wurden mindestens 20 christliche Händler getötet, die sich dort getroffen hatten, um die Überführung der Leiche eines Gemeindemitglieds zu planen, das am Vortag einem Drive-By-Shootings zum Opfer gefallen war. In Yola kamen bei einem Angriff auf eine apostolische Kirche acht Menschen ums Leben, drei weitere Menschen starben, als ein nahegelegener Schönheitssalon angegriffen wurde. Am 20. Januar 2012 verübte die Gruppe eine Reihe von Terroranschlägen unter Einsatz von Sprengstoff und Schusswaffen auf mehrere Polizeistationen in Kano im Nordosten Nigerias. Dabei kamen mindestens 191 Menschen ums Leben. Der nigerianische Präsident Jonathan erklärte, der ganze Staat Nigeria sei von dem Terror-Netzwerk unterwandert.
  • New York Times, 8.5.2014: Clashes between Muslims and Christians, common in Nigeria, radicalized the group, as did frictions with local authorities that escalated into retaliatory attacks. After the group’s founder was killed by the Nigerian police in 2009, his followers went underground, swearing vengeance.

Since then, Boko Haram has carried out a number of increasingly lethal attacks on villages, government buildings, police stations, prisons, churches and even mosques. By 2011, the heavily armed group had expanded its attacks to other parts of the country, carrying out audacious strikes in the capital, Abuja, where a car bomb detonated at the United Nations headquarters killed nearly two dozen people in August 2011.

In early 2012, Boko Haram conducted a series of attacks in Kano, northern Nigeria’s largest city, killing more than 100 people, then the group’s deadliest strike. The group continued to engage in mounting battles with the Nigerian military. Earlier this year in Maiduguri, more than 500 people were killed when security forces responded to what the military portrayed as a jailbreak attempt by Boko Haram.

Beendigungsversuche

"Der letzte Versuch, mit Boko Haram ernsthaft ins Gespräch zu kommen und die Spirale der Gewalt zu beenden, geht auf den ehemaligen Präsidenten Olusegun Obasanjo zurück. Der war im September vergangenen Jahres nach Maiduguri zur Familie des getöteten Anführers Mohammed Yusuf gereist und hatte 'Entschädigung' in Form von Blutgeld angeboten. Wenige Tage später wurde der Schwager von Yusuf erschossen, woraufhin der Deal platzte. Wer den Mann ermordete, ist bis heute nicht geklärt. Fest steht nur, dass irgendjemand ein handfestes Interesse an einer Radikalisierung von Boko Haram hat. Das können nigerianische Politiker sein. Das kann aber auch Al Qaida sein" (Scheen 2012).

Weblinks

  • Scheen, Thomas (FAZ 8.5.2014: 3) Wie vom Erdboden verschluckt.

Modifizierter Artikel aus Boko Haram in: de.wikiedia