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Entstehung

Set-Free wurde 2008 von Conny Schöllkopf (Erzieherin), Angelika Lang (Dipl. Sozial.-päd.) und Pedro M. J. Holzhey (Dipl.-Ing., noch in Haft) in einer bayrischen Justizvollzugsanstalt gegründet. Alle drei genannten Personen gehören der EMMAUS-Bewegung Deutschland an. Sie kommen selbst aus dem Hintergrund einer früheren Zugehörigkeit zu einer Subkultur bzw. Inhaftierung. Inspiriert wurde die Gründung vom Besuch einer Strafvollzugseinrichtung der christlichen Gefangenenhilfsorganisation APAC (Associação de Proteção e Assistência aos Condenados, übersetzt Vereinigung zum Schutz und zur Unterstützung von Strafgefangenen) in Itaúna, Brasilien, einem selbsverwalteten Gefängnis. Anliegen der Gründung von Set-Free war es, soziale Arbeit aus dem christlichen Glauben zu praktizieren und damit die Gefängnisarbeit der Emmaus-Bewegung, einer rein ehrenamtlichen Arbeit, zu erweitern und zu professionalisieren. 2006 startete ein Projekt in einem Gefängnis, das für die Gründung von Set-Free Pilotfunktion hatte. Erstmals wurden die verschiedenen Elemente des Resozialisierungsprogramms in einem Gefängnis entfaltet. Im Herbst 2008 erschien das Konzept von APAC in dem Buch „Straftäter verändern – Eine Einführung in das APAC-Programm“ von Dr. Mário Ottoboni ins Deutsche übersetzt im Buchhandel. Ebenfalls 2008 startete das Projekt in der JVA Straubing, das inzwischen eine Art "Leuchtturmfunktion" hat, weil dort das Ziel der verantwortlichen Beteiligung von Gefangenen am Projekt am stärksten umgesetzt ist.


Wurzeln

SET-FREE hat seine Wurzeln in der EMMAUS-Bewegung Deutschland, die von Jan Rainer Hermanns gegründet wurde. Jan Hermans war Journalist. Eine geplante Reportage über die Jesus People (die Überschrift der Reportage stand bereits fest: "Religion wieder Opium für das Volk"), führte ihn zur Auseinandersetzung mit sich selbst und seinem Glauben. Jan Hermans war geprägt von der 68er Bewegung, von südamerikanischen Basisgemeinden und der Befreiungstheologie. 1971 erschien sein Buch "Revolution zur Befreiung des Menschen", das nach seinen eigenen Worten sein linkes Coming-Out darstellte. Die darauffolgende Begegnung mit den Jesus People, die vielfach aus der Drogenszene kamen, hinterließ einen so tiefen Eindruck in seinem Leben, dass er seinen journalistischen Beruf aufgab und Sozialarbeit studierte. Er übte seinen Beruf 1976 bis 1983 in der Jugendstrafanstalt Ebrach aus. Hier ging er mit jungen Gefangenen neue Wege der Resozialisierung. Aktivierung statt Versorgung war eines seiner Leitgedanken, sowie die Übertragung von Verantwortung an Gefangene. In der JVA Ebrach begann er auch seine soziale Arbeit mit geistlichen Elementen zu verbinden. Dananch führte ihn seine Arbeit in ein bundesweites Engagement mit Gefangenen und Menschen vom Rand, aus der die EMMAUS-Bewegung Deutschland hervorging.


Programm

Das Resozialisierungsrogramm von Set-Free setzt sich zusammen aus sechs Aspekten, die nachfolgend erläutert werden. Es wird sehr stark betont, dass die unteschiedlichen Elemente sich gegenseitig bedingen und sie ihre Kraft nur in einem Miteinander entfalten. Unter "Set-Free Projekt" wird das Zusammenwirken verschiedener Gruppenangebote verstanden. Die Arbeit von SET-FREE versteht sich als fachlich begleitete Selbsthilfearbeit. Darunter wird einerseits die Arbeit mit Laien verstanden (Ehrenamtliche, Gefangene, Haftetlassene), die für ihre jeweilige Aufgabe fachlich geschult werden. Andererseits wird darunter ein Aspekt verstanden, den alle 12-Schritte Selbsthilfegruppen betonen, nämlich einander auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. Das setzt voraus, dass auch die Mitarbeiter sich selbst als "Betroffene" (als Mensch der selbst an Punkten Probleme hat) wahrnehmen.


Hineinwirken in die Subkultur - "Die Kompetenz der Betroffenen"

In sog. "Begegnungswochen oder -tagen" wird versucht, in die Subkultur eines Gefängnisses zu wirken und Gefangene zu einem Neuanfang ohne Straftaten zu motivieren. Dies geschieht vor allem durch die Beteiligung von Haftentlassenen, die von ihrem eigenen Weg berichten. Angestrebt werden damit Identifikationsprozesse, die bei den Gefangenen eine Offenheit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben erzeugen, sowie Perspektiven für ein straffreies Leben vermitteln sollen. Zudem wird versucht, Insassenführer für das Resozialisierungsprogramm zu gewinnen, begründet durch die Annahme, dass Resozialisierungsangebote im Gefängnis umso erfolgreicher sein werden, je mehr sie von Führungspersonen der Subkultur mitgetragen werden.


Chrislicher Glaube als Angebot

Der christliche Glaube nimmt in allen Angeboten mehr oder weniger Einfluss und wird als Möglichkeit der persönlichen Lebensgestaltung angeboten. Es wird davon ausgegangen, dass Spiritualität bei der Resozialisierung von Gefangenen einen wesentlichen Beitrag leisten kann und dass durch einen Bezug zu einer Höheren Macht oder Gott eine Stärkung des Selbstbewusstseins und damit eine Stabilisierung des Lebens erreicht werden kann, durch Erfahrungen etwa von Liebe, Geborgenheit und Vergebung der Schuld. Zudem werden mit dem christlichen Glauben verbundene Wertvorstellungen vermittelt, die den Prozess der Resozialisierung weiter unterstützen sollen.


Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte

Mithilfe eines Programms für psychosoziale Selbsthilfegruppen (Endlich-Leben Programm) soll versucht werden an sog. "schädlichen Verhaltensmustern" oder "Überlensstrategien" zu arbeiten und "neue Verhaltensmuster" einzuüben. Die Gruppen sind auf der Tradition der 12-Schritte der Anonymen Selbsthilfegruppen augebaut. Sie werden unter dem Aspekt, Vertrauen untereinander aufzubauen, als geschlossene Gruppen angeboten. Langfristiges Ziel dieser Gruppen ist auch der Aufbau einer positiven Gruppenkultur als Kontrapunkt zum Lebensumfeld der Subkultur im Gefängnis. Durch die Gruppe(n) soll ein Schutzraum entstehen, der es möglich macht, dass sozial anerkannte Normen und Werte praktiziert und internalisiert werden können.


Aktivierung statt Versorgung - Übertragung von Verantwortung

Es wird darauf hingearbeitet, dass Gefangene im Set-Free Projekt Verantwortung übernehmen und dass sie nach dem Vorbild der Anonymen Selbsthilfegruppen an ihre Mitgefangenen weitergeben, was sie selbst als "heilend" und verändernd in ihrem Leben erfahren haben. Dadurch soll eine Identifikation mit der Arbeit und damit mit den Zielen der Resozialisierung erreicht werden. Zum anderen soll diese Vorgehensweise der Muliplikation dienen. Mit der verantwortlichen Beteiligung von Gefangenen soll zudem eine Möglichkeit geschaffen werden, weiter in die Subkultur zu wirken.


Patenschaft und "Familie" als Leitmodell der Integration

Mit Patenschaft und christlicher Gemeinde oder Gemeinschaft als Familie ist eine umfassende Lebensbegleitung gemeint, die weit über eine fachliche Zuständigkeit hinausreicht. Damit soll dem ständigen Wechsel von fachlichen Zuständigkeiten und Bezugspersonen entgegengewirkt werden. Ziel ist auch der Aufbau eines neuen Bekanntenkreises bereits während der Haft und darüber hinaus eine Art Erstzfamilie. Mit dem Versuch möglichst starke menschliche Bindungen zu knüpfen soll auch eine Wiedereingliederung nach der Haft vorbereitet werden. Zugleich sollen durch den Einfluss der Patenschaften, die Zugangschancen zu Bildung und Arbeitsplätzen für die Gefangnen verbessert werden.


Öffentlichkeitsarbeit und Kriminalprävention mit Haftentlassenen

Zusammen mit Haftentlassenen werden Drogen- und Gewaltpräventionen an Schulen, sowie Einsätze in der Öffenlichkeit und in christlichen Gemeinden durchgeführt. Diese Einsätze sollen einerseits Haftentlassene in ihrem Selbstbewusstsein und in ihrer Entscheidung straffrei zu leben stärken. Andererseits soll auf die Problematik von Menschen, die straffällig wurden, aufmerksam gemacht werden. Durch Beispiele gelungener Resozialisierung sowie öffentliches und soziales Engegement von Haftentlassenen wird versucht auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit Eifluss zu nehmen.


Gesellschaftspolitische Ziele

Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit dahingehend, dass Resozialisierung die beste Kriminalprävention darstellt.

Möglichst starke Beteiligung der Bevölkerung am Prozess der Resozialisierung

Anerkennung der "Kompetenz der Betroffenen" im Bereich Strafvollzug und Resozialisierung

Schaffen von Ausbildungsmöglichkeiten und Anstellungen für Haftentlassene in sozialen und christlichen Bereichen

Politische Anerkennung von christlichen Projekten im Gefängnis als alternative "Methode" der Resozialisierung


Kooperationspartner und Unterstützerkreis

Emmaus-Bewegung Deutschland:Christliche Gefängnisarbeit, die in ca. 20 Haftanstalten bundesweit Gruppen anbietet, in denen etwa hundert ehrenamtliche Mitarbeiter engagiert sind.

Alpha Deutschland:Glaubensgrundkurs, der aus England stammt, dort in etwa 70% der Haftanstalten stattfindet und von der englischen Regierung gefördert wird.

Endlich-Leben Netzwerk:Kleingruppenarbeit auf der Basis von psychosozialen Selbsthilfegruppen, die auf der Tradition der 12-Schritte aufgebaut sind.

Aufbruch-Leben:Seelsorgeprogramm zu den Themen "Gottesbeziehung und Reifung der Person", "Lebenskonflikte verstehen und vergeben", "Beziehungsfähigkeit aufbauen und aktiv leben".

x-pand Deutschland:internationale Organisation, die Seminare im Bereich Persönlichkeitsentwicklung, Leiterschaft und Kommunikation auf der Basis von christlichen Werten und Überzeugungen durchführen.

BFU (Bibelfernunterricht):Fernkurse aus den Bereichen Bibelkunde, Glaubenslehre, praktische Theologie, Sprachen usw. BFU bietet für Gefangene Stipendien an.

APAC Brasilien:APAC (Associação de Proteção e Assistência aos Condenados, übersetzt Vereinigung zum Schutz und zur Unterstützung von Strafgefangenen)ist eine christliche Gefangenenhilfsorganisation, die einige Strafvollzugsabteilungen betreibt ohne Wachpersonal.

Tabor e. V. München:Verein zur ganzheitlichen Unterstützung Strafentlassener und anderweitig sozial belasteter Menschen. Der Verein unterhält ein Haus in Moosach bei München, in dem Haftentlassene Aufnahme finden können.

Arche e. V. Arnstein:Verein, der in einem Secondhand-Laden und in einem Möbelgeschäft schwervermittelbaren Menschen u. a. auch Haftentlassenen einen Arbeitsplatz anbietet.

CVJM Hochschule:Geplante Zusammenarbeit in den Bereichen Ausbildung von Gefangenen und Haftentlassen im sozial/christlichem Bereich und Ausbildung von Projektleitern für geplante APAC-Vollzugsabteilungen und Set-Free-Projekten im Gefängnis.


Literatur

Bucher A. (2007): Psychologie der Spiritualität. Weinheim, Basel: Beltz Verlag

Forum Strafvollzug - Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe FS 4/2008 S. 159 Artikel über "Die Wohngruppe `Suchtfrei leben´ des Blauen Kreuzes in der JVA Brandenburg, Verfasser: Robert Holzenkamp

Harbordt, S. (1972): Die Subkultur des Gefängnisses. Eine soziologische Studie zur Resozialisierung. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag

Hermanns, J.-R. (1971): Revolution zur Befreiung des Menschen - ein Plädoyer. Limburg: Lahn Verlag

Hermanns, J.-R. (2003): Ansätze christlicher Sozialarbeit - Soziale Arbeit aus dem Glauben. Freiburg im Breisgau: Lambertus Verlag,

Hürlimann, M. (1992): Führer und Einflussfaktoren in der Subkultur des Strafvollzugs. Pfaffenweiler: Centaurus-Verlagsgesellschaft

Maelicke, B.; Simmedinger, R. (1987): Sozialarbeit und Strafjustiz. Untersuchungen und Konzeption zur Reform der Straffälligenhilfe. Weinheim und München: Juventa Verlag

Ottoboni, M. (2008): Straftäter verändern. Eine Einführung in das APAC-Programm. Norderstadt: Books on Demand

Zehr, H. (2010): Fairsöhnt: Restaurative Gerechtigkeit. Wie Opfer und Täter heil werden können. Schwarzenfeld: Neufeld Verlag

Weblinks

SET-FREE - Das Netzwerk für Gefangene: http://www.set-free-network.de

EMMAUS-Bewegung Deutschland: http://www.emmausbewegung.de

Alpha im Gefängnis: http://www.alphakurs.de/gast/gefaengnis

Alpha for Prisons: http://www.alpha.org/prisons

Endlich-Leben Netzwerk: http://www.endlich-leben.net

Leitfden für Endlich-Leben Gruppen in Gefängnissen http://www.endlich-leben.net/Angebote/Jahreskonferenz/files/block_0/Gefaengnis-Gruppen.pdf

APAC: http://www.apacitauna.com.br/index.php?pagina=principal

Ex-Zuhälter liest in der JVA Luckau-Duben http://www.lr-online.de/regionen/luckau/Ex-Zuhaelter-liest-in-der-JVA-Luckau-Duben;art1062,2522680,0

Mein Leben ist ein Drahtseilakt http://www.stimme.de/heilbronn/nachrichten/kocher-jagst/sonstige;art1908,1225077

Wohngruppe "Suchtfrei leben" des Blauen Kreuzes in der JVA Brandenburg http://www.lr-online.de/regionen/luckau/Fuer-ein-suchtfreies-Leben-nach-dem-Strafvollzug;art1062,1761771