Beendigung terroristischer Konflikte

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Die Beendigung terroristischer Konflikte ist ganz allgemein besser erforscht als deren Entstehung. Nachdem eine Gruppe inaktiv wird, erlischt schnell das Interesse - auch und gerade an einer genaueren Befassung mit den Gründen für ihr Verschwinden.

Formen

Terroristische Konflikte können mit einem Sieg der Angegriffenen, einem Sieg der Angreifer oder einem Kompromiss beendet werden, der entweder die eine oder die andere Seite begünstigt.

Sieg der Herausforderer

Diese Beendigungsform besteht in der Machtübernahme durch die Angreifer: aus terroristischen Gruppen werden Regierungen.

  • Beispiel: Vietcong übernimmt die Macht in Vietnam nach einer langwierigen, aber missglückten militärischen Kampagne der USA, die den Widerstand noch vergrößerte.

Krieg

Die Kriegslösung besteht aus dem erfolgreichen Einsatz der Land-, See- und Luftstreitkräfte eines Landes (oder mehrerer Länder) zur Niederschlagung der terroristischen Gruppe(n).

  • Beispiel: Niederringung der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) imd Tötung ihres Anführers Velupillai Prabhakaran im Mai 2009.
  • Risiken: Ausländische Truppen können dazu führen, dass die Bevölkerung sich eher mit den Terroristen als mit den Bekämpfern solidarisiert. Terroristen können sich mit politischen Protestbewegungen und Aufständischen verbünden. Zudem können Kollateralschäden militärischer Aktionen das Militär zu einer ungenauen und kontraproduktiven Waffe machen: indem flächendeckende Attacken Unbeteiligte in Mitleidenschaft ziehen, treibt es den militanten Gruppen neue Rekruten in die Arme.

Policing

Diese Lösung besteht aus dem Einsatz von Polizei und Geheimdiensten zur erfolgreichen Unschädlichmachung der Anführer ("Enthauptung" der Organisation) und dem darauffolgenden Zusammenbruch der Organisation.

  • Beispiel: Aum Shinriko: Agenten, Abhören, Anti-Terror-Gesetze.

Politische Integration

Diese Lösung besteht aus Verhandlungen mit dem Ziel der Integration der (nicht mehr bewaffneten) Gruppe in das politische System. Das kann auch die Transformation in eine politische Partei mit Chancen auf Wahlsiege und Regierungsübernahme bedeuten.

  • Beispiel: FMLN gibt bewaffneten Kampf in El Salvador auf und wird zu einer politischen Partei. Begünstigt durch die relativ isolierte Stellung der salvadorianischen Oligarchie, die bescheidenen Forderungen der FMLN und das Ende des Kalten Krieges, der dem Konflikt den Stellvertretercharakter nahm.

Empirie

Jones & Libicki (2008) stellten nach der Untersuchung von 268 Beendigungsfällen für 1968-2006 folgende Häufigkeitsverteilung fest:

  • 43% (114 Gruppen): Verhandlungslösung mit der Regierung und Transformation in legale politische Partei
  • 40% (107 Gruppen): Zusammenbruch der Gruppen durch Unschädlichmachung des Führungspersonals per Polizei und Geheimdiensten
  • 10% (27 Gruppen): Sieg der Terrorgruppe und Übernahme der Regierungsgewalt
  • 7% (20 Gruppen): Militärisches Niederringen der Terrorgruppe.

Konfliktart und Beendigungsform

  • Religiöse Gruppen in armen Gegenden tendieren zu besonders verbreiteten Rückhalt in der Bevölkerung und zu besonderer Zähigkeit trotz Erfolglosigkeit: seit 1968 stellten 62% aller militanten Gruppen den bewaffneten Kampf ein, aber nur 32% der religiösen - und dies, obwohl keine religiöse Gruppe ihre Ziele erreicht hatte.
  • Wo Terrorgruppen sich mit Aufständischen zusammen tun, wird die Beendigung von Kampfhandlungen erschwert (Verhandlungen beenden Kämpfe in 50% der Fälle; in 25% der Fälle kommt es zum Sieg der Terrorgruppe; in 19% dieser Terror/Aufruhr-Kombination schlägt das Militär die Aktionen nieder.
  • Die Reichweite der Forderungen ist eine verhandlungsbehindernde Variable: Eine Al Qaida, die ein Kalifat fordert und sich sowohl gegen die Machthaber im Orient als auch diejenigen im Okzident prinzipiell ablehnend verhält, kann man sich schlecht in einem Beendigungsgespräch vorstellen. Bleibt das Policing, insbesondere durch indirect rule - also nicht selbst in Erscheinung zu treten, sondern die Eliten vor Ort beeinflussen und für sich arbeiten lassen.
  • Eigentor der Kriegsrhetorik: wertet Terroristen zu Helden auf, legitimiert den Dschihad.
  • Schon 2003 hatte Jeffrey Record im Auftrag des Army War College ein Papier publiziert, in dem er den Einsatz von Militär gegen Terrornetzwerke als "strategischen Irrtum der übelsten Sorte" ("strategic error of the first order") bezeichnete.
  • Jones and Libicki: "Al Quaida war in den ersten sechs Jahren nach dem 11. September 2001 an mehr terroristischen Anschlägen beteiligt, als in all den vorangegangenen sechs Jahren."

Kritik

  • Vereinfachung: Für Jones und Libicki sind soziale Bewegungen, die aufgrund extrem harter Repression in die bewaffnete Abwehr genötigt worden sind, wie z.B. die salvadorianische FMLN oder die südafrikanische ANC, nach den selben Kriterien untersucht worden wie psychotisch wirkende Minigruppen in der Art von Aum Shinriko oder vom Ausland inszenierter Terrorgruppen wie der angolanischen UNITA. Sie alle sind für die RAND-Forscher in gleichem Maße Terroristen.
  • Terrorismus ist ein Medium zur Mobilisierung von Massenakklamation, aber es ist auch insofern ein riskanter Begriff, als er unter Umständen blind macht für berechtigte Forderungen nach politischer Unabhängigkeit, sozialer Gerechtigkeit oder Demokratie.


Literatur

  • Jones, Seth G. & Martin C. Libicki (2008) How Terrorist Groups End. Lessons for Countering al Qa'ida. Washington, D.C. RAND Corporation. auch:

http://www.rand.org/pubs/monographs/2008/RAND_MG741-1.sum.pdf (31.05.09)

Weblinks

  • Etzioni, Amitai (2008) How Terrorism Ends ...

http://blog.amitaietzioni.org/2008/09/how-terrorism-ends.html (29.05.09)

  • Ploppa, Hermann (2008) Antiterrorismuskampf statt Bomben?, in:

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28459/1.html (29.05.09)