Baxstrom-Fall

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Der Fall "Baxstrom v. Herold" wurde 1966 vom Obersten Gerichtshof der USA entschieden. Er führte zu einem ungeplanten Experiment, das die Möglichkeit eröffnete, die prognostizierte Gefährlichkeit von Psychiatriepatienten mit ihrer tatsächlichen Gefährlichkeit zu vergleichen und damit eine Vorstellung von der Häufigkeit von "falsch Positiven" (d.h. irrtümlich für gefährlich Gehaltenen und aufgrund dieses Irrtums in Unfreiheit gehaltenen Personen) zu erlangen.

Johnny Baxstrom "wurde zu 3 Jahren Haft wegen eines Gewaltdelikts verurteilt. Ohne besonderes Verfahren wurde er später als gefährlicher Geisteskranker für unbestimmte Zeit im State Hospital für geistesgestörte Straftäter untergebracht. Nach Ablauf seiner regulären Strafzeit stellte er einen Antrag auf Haftentlassung. Diesem mußte stattgegeben werden, weil kein förmliches Verfahren zur weiteren Unterbringung erfolgt war. Aufgrund dieser Entscheidung wurden weitere 967 als gefährlich eingestufte Täter entlassen. Lediglich 20 % dieser Täter wurden wieder gewalttätig. Viereinhalb Jahre nach ihrer Entlassung befand sich 50% in nichtstrafrechtlichen Kliniken, 33% in Freiheit, 14% waren gestorben, weniger als 1% im Gefängnis, 2,7% waren wieder in der Psychiatrie. - Bei einer Nachfolgeentscheidung mit 483 Entlassenen wurden nach vier Jahren 14% wieder gewalttätig. 86% waren ungefährlich" (Woynar 1995)

Thomas Mosmann schreibt dazu im Kriminologie-Lexikon ONLINE: "Als Ergebnis dieses ungewollten Experiments ließ sich feststellen, dass die Rückfallquote jener Freigelassenen äußerst gering war. Dies warf die Frage auf, inwieweit man die Personen ungerechtfertigterweise in jene Anstalten einwies, beziehungsweise inwieweit die Prognosemöglichkeiten versagt hatten. Folgern lässt sich hieraus die Notwendigkeit einer besonderen Beachtung einer eventuell nicht gerechtfertigten Überschätzung des Kriminalitätsrisikos aufgrund negativer Legalprognosen".(1)

Gerhard Möllhoff (1982) wies darauf hin, dass bei den Einweisungen in die psychiatrische Klinik keine Psychiater beteiligt gewesen waren. Insofern sei der Fall nicht geeignet für eine fundierte Psychiatrie-Kritik.


Anmerkungen

(1) http://www.krimlex.de/artikel.php?BUCHSTABE=M&KL_ID=214

Literatur

Möllhoff, Gerhard (1982) Die "Baxström-Affäre". Z Rechtsmed. 1982;88(3):213-9.


Links

Die Baxstrom-Entscheidung des US Supreme Court (1966): http://supreme.justia.com/us/383/107/

Woynar, Ines (1995) Das Risiko von Gefährlichkeitsprognosen. In: KrimInfo Heft 1. http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/publish/IKS/quellenundlinks/ki1-95.htm