Zur Komplexität von Entscheidungssituationen

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Im Nachlass von Niklas Luhmann befand sich das Manuskript zum Aufsatz Zur Komplexität von Entscheidungssituationen, das er bereits 1973 verfasst hatte, das aber erst 2010 veröffentlicht wurde. Zur Theorie der rationalen Wahl merkte er an:

  • Erstens blicke sie nur auf die Entscheidung selbst, nicht aber auf die Entscheidungssituation. In komplexen Situationen bemesse sich die Rationalität einer Entscheidung nicht nach der Zweck-Mittel-Relation (Aufwand zur Zielerreichung), sondern nach der Zahl der herangezogenen Entscheidungskriterien. "Wer sich für den Polizeidienst als Beruf entscheidet, weil es ihm eben einleuchtet oder weil auch schon die Eltern bei der Polizei waren, entscheidet weniger rational, als wer Kriterien heranzieht, die Berufe vergleichbar machen: Einkommen, Arbeitsplatzsicherheit, Selbständigkeit, Karrierechancen" (Kaube 2010).
  • Zweitens sollte eine Entscheidungstheorie auch erklären können, warum häufig nicht rational entschieden werde. Je höher die Komplexität und je größer der Mangel an Entscheidungshilfen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man sich von einem Impuls leiten lässt, der erstens den Entscheidungsdruck gewissermaßen wegentscheidet und zweitens auch die Wahl realisiert. Ernsthafte Investionen in Informationsbeschaffung, um eine Entscheidung rational treffen zu können, lohnen sich wiederum erst ab einer gewissen Relevanz und Komplexität. Fragen, die Luhmann auf die Tagesordnung setzt, sind zudem: "Wann reagiert der Entscheider mit Inanspruchnahme von längerer Überlegung, wann genießt er die Zunahme von Alternativen, wann belastet sie ihn? Und wie ändert sich das Verhalten, wenn der Entscheider sich mit der gewählten Alternative stark identifiziert, etwa weil er sie gegen Widerstände hat durchsetzen müssen?" (Kaube 2010).


Literatur

  • Kaube, Jürgen (2010) Impulstheorie. Ein Aufsatz aus dem Nachlass Niklas Luhmanns. FAZ 17.02.2010: N 4.
  • Luhmann, Niklas (1973/2009) Zur Komplexität von Entscheidungssituationen. In: Soziale Systeme 15. Jg., Heft 1.