Wirtschaftskriminalität

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Wirtschaftskriminalität ist eine Bezeichnung für Straftaten, die wirtschaftliche Bezüge aufweisen und sich entweder gegen Privatpersonen, Wirtschaftsunternehmen oder den Staat richten.

Begriff

Wirtschaftskriminalität wird häufig als White-Collar-Kriminalität (Weiße-Kragen-Kriminalität) bezeichnet. Dieser Begriff stammt von Edwin H. Sutherland, der ihn im Dezember 1939 in seiner "Presidential Address" für die Amerikanischen Soziologischen Gesellschaft prägte.

Eine grundlegende juristische Bestimmung von Wirtschaftskriminalität erfolgt über den § 74c GVG. Sie folgt arbeitsorganisatorischen Kriterien und soll sicherstellen, dass Straftaten dieser Zuordnung von speziellen Wirtschaftsstrafkammern der Gerichte bearbeitet werden. Eine weitere juristische Bestimmung erfolgt im 2. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG), wobei die deliktische Zuordnung von Wirtschaftskriminalität Differenzen zu den vom § 74 c GVG erfassten Straftatbeständen aufweist. Die sozialwissenschaftliche Betrachtung der Wirtschaftskriminalität orientiert sich nicht an einer bestimmte juristisch definierte Deliktgruppe und geht über die im § 74c GVG erfassten Delikte hinaus. Hier werden die unterschiedlichsten Normverstöße sozial hoch stehender und an sich geachteter Personen, jedoch teilweise auch jegliche Devianz im legalen beruflichen Umfeld verstanden. Einige sozialwissenschaftlichen Ansichten betrachten auch die Regierungskriminalität (Governmental Crime) und das organisierte Verbrechen als Unterarten der Wirtschaftskriminalität. Allgemein üblich ist es, den Oberbegriff der Wirtschaftskriminalität zumindest in zwei Deliktgruppen zu trennen: Die ein Unternehmen begünstigende „Unternehmens- und Verbandskriminalität“ (Corporate Crime) sowie die Gruppe der Delikte, bei der sich ein Mitarbeiter im beruflichen Umfeld persönlich bereichert und die als „berufliche Kriminalität“ (Occupational Crime) bezeichnet werden.

Geschichte

Die historische Entwicklung der Wirtschaftskriminalität ist vor allem mit der Entdeckung und der Entwicklung der weltweiten Verkehrswege, aber auch mit der wachsenden Bedeutung der Werkspionage verbunden. Schon weit vor Christi Geburt prägte ein Fall von Wirtschaftskriminalität die weltweite Ökonomie. Als erstes großes Verbrechen im globalem Handel gilt der Schmuggel von Seidenraupen von China nach Indien im Jahre 500 v. Chr. Im Mittelalter betraf kriminelles Wirtschaftsgebaren auch die Hanse, die bis zum 15. Jahrhundert in ganz Europa sehr einflussreich war. Gerade die intensiven internationalen Kontakte des Hansebundes beförderten auch eine verstärkte Ausbreitung der Auskundschaftungen in den verschiedenen Betrieben und Unternehmen. Nachdem ein Gewürzhändler 1389 die Rezeptur, die zur Herstellung von Papier benötigt wurde, aus dem arabischen Andalusien nach Hause geschmuggelt hatte, entstand schnell die erste Papiermühle in Deutschland. Einige weitere spektakuläre Fälle wirtschaftkrimineller Art prägten die Historie wie z. B. die Wirtschaftsspionage des Barbier und Perückenmacher Richard Arkwright (1732-1792), welcher mittels ausspioniertem Wissen die erste Spinnmaschine Englands baute. Der Sohn des Gussstahlfabrikgründers Friedrich Krupp, Alfred Krupp, gelang es 1839 in englischen Stahlwerken das Rezept des englischen Stahl auszuspionieren. 1841 entdeckte der US-Amerikaner Charles Goodyear eine innovative Verarbeitungsmöglichkeit des Kautschuks und ließ sie sich vier Jahre später als Vulkanisieren patentieren. Die Technik des Vulkanisierens wurde sehr häufig - und zunächst vor allem in England - kopiert. Trotz Geheimhaltung, Patentanmeldung und zahlreicher Prozesse, die er gegen die Konkurrenzspionage anstrengte, war Charles Goodyear kein finanzieller Erfolg beschieden.

Erscheinungsformen

Insolvenzdelikte Unter Insolvenzdelikten werden die Straftaten im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren eines Unternehmens verstanden. Eine nicht nur vorübergehende Illiquidität führt zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Unternehmens. In dieser Situation haben die persönlich haftenden Gesellschafter oder Geschäftsführer bzw. Vorstände klare Pflichten, wie beispielsweise eine fristgemäße Insolvenzanmeldung beim zuständigen Amtsgericht vorzunehmen. Strafbare Handlungen ergeben sich u. a. durch das Entnehmen von Betriebsvermögen gemäß des Bankrotts nach § 283 StGB und durch das nicht oder nicht fristgemäßen Anmeldens der Insolvenz gemäß der Insolvenzverfahrensverschleppung nach §§ 64, 84 GmbHG.

Finanzierungsdelikte Finanzierungsdelikte sind alle Straftaten im Zusammenhang mit der Vermittlung, Erlangung und Gewährung von Krediten, sämtliche Erscheinungsformen der Scheck- oder Wechselreiterei sowie der Fälschung von Geldmarktinstrumenten wie z. B. kurzfristige Schuldscheindarlehen. Die Straftaten werden in der Regel von den Tatbeständen des Betruges § 263 StGB als Varianten des Kreditvermittlungsbetruges, Umschuldungsbetruges und des Warenkreditbetruges erfasst.

Kapitalanlagedelikte Unter Kapitalanlagedelikten werden der Anlagebetrug, der Beteiligungsbetrug, Betrug bei Börsenspekulationen, Wertpapierbetrug, Prospektbetrug nach § 263 STGB, die Untreue bei Kapitalanlagegeschäften nach § 266 StGB sowie Verstöße nach dem Kreditwesengesetz (KWG) verstanden.

Wirtschaftsspionage ist die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Ausforschung im Zielbereich Wirtschaft. Häufige Wirtschaftsspionagetechniken sind das unerlaubte Kopieren von Daten über offene und ungeschützte USB-Ports auf Wechselspeichermedien, wie z. B. dem USB-Memory-Stick, das Fotografieren von Schriftstücken, Fertigungsanlagen, Fertigungstechniken oder Prototypen mittels der heute schon sehr hochauflösenden Fotohandys, das Abfangen von Briefen und E-Mails, das Abhören von Telefonen und Internetverbindungen sowie das Einbringen von Informanten oder Aufkaufen anderer Informanten der Gegenpartei.

Korruption Korruption bezeichnet die Aktivitäten des „Gebenden“ wie des „Empfängers“ (vgl. die Definition von Myrdal 1989: 405). In vielen Gesetzbüchern wird dementsprechend von aktiver Bestechung und passiver Bestechung (Bestechlichkeit) gesprochen. Mindestens einer der Kooperationspartner missbraucht eine Macht- bzw. Vertrauensposition und gerät deshalb in einen Normkonflikt zwischen offiziellen, universalistischen Normen und partikularistischen Normen. Die Beteiligten müssen abwägen, ob sie den erzielbaren Vorteil durch Korruption höher gewichten als die erwartbaren negativen Sanktionen bei einer möglichen Aufdeckung. Korruption bezeichnet Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung. In Deutschland sind dies Straftatbestände. Sie sind geregelt in den §§ 331 ff. StGB[1], wenn so genannte Amtsträger betroffen sind. Im geschäftlichen Verkehr sind insoweit die §§ 298 ff. StGB[2] einschlägig.

Statistik

Hellfeld Quellen für Hellfelddaten in Deutschland sind im wesentlichsten die Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), die Rechtspflegestatistik und die „Bundesweite Erfassung von Wirtschaftsstraftaten nach einheitlichen Gesichtspunkten“ (BWE). Aber auch die Strafverfolgungsstatistik, und die Strafsachenstatistik der Finanzverwaltung beinhalten relevante Falldaten. Im Jahr 2008 wurden in der PKS insgesamt 35.493 Tatverdächtige und 84.550 Fälle der Wirtschaftskriminalität erfasst. Das sind ca 1,4 % aller erfassten Fälle, die jedoch mit 3,43 Mrd. Euro ein Drittel des in der PKS gegistrierten Gesamtschadens ausmachen.


Dunkeldeld Die individuelle Begehenshäufigkeit (Inzidenz) und die verursachten Schäden sind qualitativ intensiv, aber die geringe personale Verbreitung (Prävalenz) werden weder in den Statistiken, noch in repräsentativen Dunkelfelderhebungen qualitativ bedeutsam aufgezeigt Sog. „klassische Normaldelikte“ werden in der Regel von Privatpersonen angezeigt; im Rahmen von Wirtschaftsstraftaten beruhen die Ermittlungen diesbezüglich auf eigenen Ermittlungen der Strafverfolgungs- oder auch der Finanzbehörden (sog. „Überwachungs- und Kontrolldelikten“), dies ist wiederum abhängig von der den Kontrollorganen zur Verfügung stehenden Schwerpunktsetzung und den vorhandenen Ressourcen. Offizielle Statistiken erfassen Wirtschaftsdelikte nur unvollständig (Delikte, die von den Staatsanwaltschaften / Finanzbehörden ermittelt wurden, und nicht etwa von der Polizei, fehlen zum Teil) und wenig differenziert. Täterbefragungen sind schwer oder gar nicht möglich (weil die Erforschung des so genannten Hellfeldes sich als problematisch gestaltet und kaum ein gefasster Täter sich äußern möchte) Opferbefragungen sind auch nicht unproblematisch (was zumeist an der Anonymität der Opfer oder daran liegt, dass sie sich – z.B. aus Scham, nicht äußern wollen) Mittlerweise wird den Ergebnissen der Dunkelfelderhebungen zufolge jedes zweite deutsche Unternehmen Opfer von wirtschaftskriminellen Handlungen, wobei 62 Prozent aller Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern Opfer waren, was das Risiko der geringen Entdeckungswahrscheinlichkeit in größeren Unternehmen unterstreicht (vgl. PricewaterhouseCoopers 2007). Empirische Studien mit massenstatistischen Daten kennzeichnen ein homogenes Bild des Wirtschaftsstraftäters. Im Gegensatz zu den meisten anderen Straftaten handelt es sich bei den Tätern der Wirtschaftskriminalität um Männer deutscher Staatsangehörigkeit, die gesellschaftlich voll integriert sind und über einen überdurchschnittlichen Bildungsstand verfügen. Nur jeder Vierte Täter ist vorbestraft und das durchschnittliche Alter bei Begehung der ersten registrierten Straftat liegt bei über 40 Jahren. Wirtschaftskriminelle sind demnach „latrcomer to crime“. Neuere qualitative Studien durchbrechen das homogene Bild und zeigen den Wirtschaftsstraftäter mit unterschiedlichen sozialen Bezügen, Lebenswegen und Präferenzen und typisieren ihn in Hinblick auf die Stellung zur Tat in „Tätern mit wirtschaftskriminologischen Belastungssyndrom“, „Krisentäter“, „Abhängigen“ und „Unauffälligen“ (vgl. Rölfs WP Partner AG 2009).

Bekämpfung

Die staatliche Verfolgung der nach den § 74c GVG und im 2. WiKG bestimmten Delikte obliegen arbeitsorganisatorisch den speziellen Wirtschaftsstrafkammern der Gerichte. Für die Verfolgung und Ermittlungen umfangreicherer Wirtschaftsdelikte sind die Schwerpunktdezernate und –abteilungen der Staatsanwaltschaften zuständig. Die Polizeibehörden der Länder und das Bundeskriminalamt halten ebenfalls Fach- und Sondereinheiten vor. Die mit den Ermittlungen betrauten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaften und Polizei verfügen in der Regel über Spezialkenntnisse des Wirtschaftsrechts und werden von Wirtschaftsinspizienten und kaufmännisch geschulten Mitarbeitern unterstützt. Konzepte der bundesweiten Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität sehen eine verstärkte behördenübergreifende Zusammenarbeit der Kontrollinstanzen wie z. B. Polizei, Staatsanwaltschaften, Arbeitsämter, Hauptzollämter und Finanzämter vor.

Prävention

Akteure staatliche und nichtstaatliche Akteure Strategien

Links

Literatur

  • Sutherland, Edwin H.