Wirtschaftskriminalität: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Wirtschaftskriminalität''' ist eine Bezeichnung für Straftaten, die wirtschaftliche Bezüge aufweisen und sich entweder gegen Privatpersonen, Wirtschaftsunternehmen oder den Staat richten.  
 
Wirtschaftskriminalität ist eine Bezeichnung für Straftaten, die wirtschaftliche Bezüge aufweisen und sich entweder gegen Privatpersonen, Wirtschaftsunternehmen oder den Staat richten.  
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'''[[Hellfeld]]'''
'''[[Hellfeld]]'''
Quellen für Hellfelddaten in Deutschland sind im wesentlichsten die [[Polizeilichen Kriminalstatistik]] (PKS), die Rechtspflegestatistik und die „Bundesweite Erfassung von Wirtschaftsstraftaten nach einheitlichen Gesichtspunkten“ (BWE). Aber auch die Strafverfolgungsstatistik, und die Strafsachenstatistik der Finanzverwaltung beinhalten relevante Falldaten.
Quellen für Hellfelddaten in Deutschland sind im Wesentlichsten die [[Polizeiliche Kriminalstatistik]] (PKS), die Rechtspflegestatistik und die „Bundesweite Erfassung von Wirtschaftsstraftaten nach einheitlichen Gesichtspunkten“ (BWE). Aber auch die Strafverfolgungsstatistik und die Strafsachenstatistik der Finanzverwaltung beinhalten relevante Falldaten.
Im Jahr 2008 wurden in der PKS  insgesamt 35.493 Tatverdächtige und 84.550 Fälle der Wirtschaftskriminalität erfasst. Das sind ca 1,4 % aller erfassten Fälle, die jedoch mit 3,43 Mrd. Euro ein Drittel des in der PKS registrierten Gesamtschadens ausmachen. In 39% der Fälle handelt es sich um Vermögensdelikte wie Betrug und Unterschlagung gefolgt von Wettbewerbsdelikten (39%) und Korruption (13%).
Im Jahr 2008 wurden in der PKS  insgesamt 35.493 Tatverdächtige und 84.550 Fälle der Wirtschaftskriminalität erfasst. Das sind ca 1,4 % aller erfassten Fälle, die jedoch mit 3,43 Mrd. Euro ein Drittel des in der PKS registrierten Gesamtschadens ausmachen. In 39% der Fälle handelt es sich um Vermögensdelikte wie Betrug und Unterschlagung, gefolgt von Wettbewerbsdelikten (39%) und Korruption (13%).




'''[[Dunkelfeld]]'''
'''[[Dunkelfeld]]'''
Die individuelle Begehenshäufigkeit (Inzidenz) und die verursachten Schäden sind qualitativ intensiv, aber die geringe personale Verbreitung (Prävalenz) werden weder in den Statistiken, noch in repräsentativen Dunkelfelderhebungen qualitativ bedeutsam aufgezeigt Sog. „klassische Normaldelikte“ werden in der Regel von Privatpersonen angezeigt; im Rahmen von Wirtschaftsstraftaten beruhen die Ermittlungen diesbezüglich auf eigenen Ermittlungen der Strafverfolgungs- oder auch der Finanzbehörden (sog. „Überwachungs- und Kontrolldelikten“), dies ist wiederum abhängig von der den Kontrollorganen zur Verfügung stehenden Schwerpunktsetzung und den vorhandenen Ressourcen. Offizielle Statistiken erfassen Wirtschaftsdelikte nur unvollständig und wenig differenziert. Delikte, die von den Staatsanwaltschaften/Finanzbehörden und nicht von der Polizei ermittelt wurden, fehlen zum Teil. Täterbefragungen sind schwer oder gar nicht möglich. Opferbefragungen sind auch nicht unproblematisch, was zumeist an der Anonymität der Opfer oder daran liegt, dass sie sich z.B. aus Scham, nicht äußern wollen. Den Erkenntnissen der Dunkelfelderhebungen zufolge wird nahezu jedes zweite deutsche Unternehmen Opfer von wirtschaftskriminellen Handlungen, wobei  62 Prozent aller Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern Opfer waren, was auf ein Risiko der geringen Entdeckungswahrscheinlichkeit in größeren Unternehmen hinweist (vgl. [[PricewaterhouseCoopers]] (PwC) 2009). Die Schätzungen für Schäden liegen zwischen 5 und 75 Mrd. Euro jährlich, können sich jedoch nicht auf eine valide Datenbasis berufen. Immaterielle Schäden, wie z. B. der Reputationsverlust werden kaum erfasst.
Die individuelle Begehenshäufigkeit (Inzidenz) und die verursachten Schäden sind qualitativ intensiv, aber die geringe personale Verbreitung (Prävalenz) werden weder in den Statistiken, noch in repräsentativen Dunkelfelderhebungen qualitativ bedeutsam aufgezeigt. Sog. „klassische Normaldelikte“ werden in der Regel von Privatpersonen angezeigt; im Rahmen von Wirtschaftsstraftaten beruhen die Ermittlungen diesbezüglich auf eigenen Ermittlungen der Strafverfolgungs- oder auch der Finanzbehörden (sog. „Überwachungs- und Kontrolldelikten“), dies ist wiederum abhängig von der den Kontrollorganen zur Verfügung stehenden Schwerpunktsetzung und den vorhandenen Ressourcen. Offizielle Statistiken erfassen Wirtschaftsdelikte nur unvollständig und wenig differenziert. Delikte, die von den Staatsanwaltschaften/Finanzbehörden und nicht von der Polizei ermittelt wurden, fehlen zum Teil. Täterbefragungen sind schwer oder gar nicht möglich. Opferbefragungen sind auch nicht unproblematisch, was zumeist an der Anonymität der Opfer oder daran liegt, dass sie sich z.B. aus Scham nicht äußern wollen. Den Erkenntnissen der Dunkelfelderhebungen zufolge wird nahezu jedes zweite deutsche Unternehmen Opfer von wirtschaftskriminellen Handlungen, wobei  62 Prozent aller Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern Opfer waren, was auf ein Risiko der geringen Entdeckungswahrscheinlichkeit in größeren Unternehmen hinweist (vgl. [[PricewaterhouseCoopers]] (PwC) 2009). Die Schätzungen für Schäden liegen zwischen 5 und 75 Mrd. Euro jährlich, können sich jedoch nicht auf eine valide Datenbasis berufen. Immaterielle Schäden, wie z. B. der Reputationsverlust werden kaum erfasst.
Empirische Studien mit massenstatistischen Daten kennzeichnen ein homogenes Bild des Wirtschaftsstraftäters. Im Gegensatz zu den meisten anderen Straftaten handelt es sich bei den Tätern um Männer deutscher Staatsangehörigkeit, die gesellschaftlich voll integriert sind und über einen überdurchschnittlichen Bildungsstand verfügen. Ein Viertel der Täter ist vorbestraft und das durchschnittliche Alter bei Begehung der ersten registrierten Straftat liegt bei über 40 Jahren. Wirtschaftskriminelle sind demnach „latecomer to crime“. Neuere qualitative Studien durchbrechen das homogene Bild und zeigen den Wirtschaftsstraftäter mit unterschiedlichen sozialen Bezügen, Lebenswegen und Präferenzen und typisieren ihn in Hinblick auf die Stellung zur Tat in „Tätern mit  wirtschaftskriminologischen Belastungssyndrom“, „Krisentäter“, „Abhängigen“ und „Unauffälligen“ (vgl. Schneider, H. 2009), oder auch "Visionäre" und "Naive" (vgl. PwC 2009).
Empirische Studien mit massenstatistischen Daten kennzeichnen ein homogenes Bild des Wirtschaftsstraftäters. Im Gegensatz zu den meisten anderen Straftaten handelt es sich bei den Tätern um Männer deutscher Staatsangehörigkeit, die gesellschaftlich voll integriert sind und über einen überdurchschnittlichen Bildungsstand verfügen. Ein Viertel der Täter ist vorbestraft und das durchschnittliche Alter bei Begehung der ersten registrierten Straftat liegt bei über 40 Jahren. Wirtschaftskriminelle sind demnach „latecomer to crime“. Neuere qualitative Studien durchbrechen das homogene Bild und zeigen den Wirtschaftsstraftäter mit unterschiedlichen sozialen Bezügen, Lebenswegen und Präferenzen und typisieren ihn in Hinblick auf die Stellung zur Tat in „Täter mit  wirtschaftskriminologischen Belastungssyndrom“, „Krisentäter“, „Abhängigen“ und „Unauffälligen“ (vgl. Schneider, H. 2009), oder auch "Visionäre" und "Naive" (vgl. PwC 2009).


== Bekämpfung und Prävention ==
== Bekämpfung und Prävention ==
Die staatliche Verfolgung obliegt arbeitsorganisatorisch den speziellen Wirtschaftsstrafkammern der Gerichte. Für die  Ermittlungen umfangreicherer Wirtschaftsdelikte sind die Schwerpunktdezernate und –abteilungen der Staatsanwaltschaften zuständig. Die Polizeibehörden der Länder und das Bundeskriminalamtes halten ebenfalls Fach- und Sondereinheiten vor. Die mit den Ermittlungen betrauten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaften und [[Polizei]] verfügen in der Regel über Spezialkenntnisse des Wirtschaftsrechts und werden von Wirtschaftsinspizienten und kaufmännisch geschulten Mitarbeitern unterstützt. Konzepte der bundesweiten Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität sehen eine verstärkte behördenübergreifende Zusammenarbeit der Kontrollinstanzen wie z. B. Polizei, Staatsanwaltschaften, Arbeitsämter, Hauptzollämter, Finanzämter und weitere Aufsichtsämter unter Mitwirkung nichtstaatlicher Akteure wie beispielsweise der Task Force's der Krankenkassen und der Gesellschaft gegen Unlauteren Wettbewerb (GVU) vor. Jedoch sind die Wirkungsmöglichkeiten der staatlichen Instanzen und ihrer rechtlicher Initiativen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und damit zu einem nachhaltigen Schutz eines wirtschaftlichen Systemvertrauens und einer freien Wettbewerbswirtschaft trotz ihres stetigen Ausbaus begrenzt. Immer mehr Handels- und Konsumgüterunternehmen ergreifen flankierende Maßnahmen für eine effektivere Prävention wirtschaftskriminellen Handelns mit dem Ziel einer selbstbindenden Steuerung wirtschaftlicher Aktivitäten zum Schutz kollektiver Güter „von unten her“ (vgl. Löhr 2005). Dabei erzielen nachgenannte Maßnahmen neben präventiven auch repressive Effekte.
Die staatliche Verfolgung obliegt arbeitsorganisatorisch den speziellen Wirtschaftsstrafkammern der Gerichte. Für die  Ermittlungen umfangreicherer Wirtschaftsdelikte sind die Schwerpunktdezernate und –abteilungen der Staatsanwaltschaften zuständig. Die Polizeibehörden der Länder und das Bundeskriminalamt halten ebenfalls Fach- und Sondereinheiten vor. Die mit den Ermittlungen betrauten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaften und [[Polizei]] verfügen in der Regel über Spezialkenntnisse des Wirtschaftsrechts und werden von Wirtschaftsinspizienten und kaufmännisch geschulten Mitarbeitern unterstützt. Konzepte der bundesweiten Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität sehen eine verstärkte behördenübergreifende Zusammenarbeit der Kontrollinstanzen wie z. B. Polizei, Staatsanwaltschaften, Arbeitsämter, Hauptzollämter, Finanzämter und weitere Aufsichtsämter unter Mitwirkung nichtstaatlicher Akteure wie beispielsweise der Task Force's der Krankenkassen und der Gesellschaft gegen Unlauteren Wettbewerb (GVU) vor. Jedoch sind die Wirkungsmöglichkeiten der staatlichen Instanzen und ihrer rechtlichen Initiativen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und damit zu einem nachhaltigen Schutz eines wirtschaftlichen Systemvertrauens und einer freien Wettbewerbswirtschaft trotz ihres stetigen Ausbaus begrenzt. Immer mehr Unternehmen ergreifen flankierende Maßnahmen für eine effektivere Prävention wirtschaftskriminellen Handelns mit dem Ziel einer selbstbindenden Steuerung wirtschaftlicher Aktivitäten zum Schutz kollektiver Güter „von unten her“ (vgl. Löhr 2005). Dabei erzielen nachgenannte Maßnahmen neben präventiven auch repressive Effekte.


'''[[Ombudsmann]]'''  
'''[[Ombudsmann]]'''  
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'''[[Anti-Fraud-Management-Konzepte]]'''
'''[[Anti-Fraud-Management-Konzepte]]'''
haben das Ziel der Identifikation und Analyse von Risiken sowie die Ableitung von (Optimierungs)Maßnahmen für die Organisation und das operative Tagesgeschäft z. B. durch Ethische Kodizes, Policies & Procedures und Sensibilisierungsmaßnahmen.
haben das Ziel der Identifikation und Analyse von Risiken sowie die Ableitung von (Optimierungs-) Maßnahmen für die Organisation und das operative Tagesgeschäft, z. B. durch Ethische Kodizes, Policies & Procedures und Sensibilisierungsmaßnahmen.


==Links==
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*Schneider,Hendrick, "Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen" Universität Leipzig 2009
*Schneider,Hendrick, "Der Wirtschaftsstraftäter in seinen sozialen Bezügen" Universität Leipzig 2009
*Zirpins, W.; Terstegen, O.: „Wirtschaftskriminalität. Erscheinungsformen und ihre Bekämpfung“, Verlag Max Schmidt-Römhild, Lübeck, 1963, S. 18 f., 20, 45
*Zirpins, W.; Terstegen, O.: „Wirtschaftskriminalität. Erscheinungsformen und ihre Bekämpfung“, Verlag Max Schmidt-Römhild, Lübeck, 1963, S. 18 f., 20, 45
[[Kategorie:Wirtschaftskriminalität]]
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