Vertrag von Prüm

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Der Vertrag von Prüm ist ein am 27. Mai 2005 in dem Eifelort Prüm (Rheinland-Pfalz) vereinbartes zwischenstaatliches Abkommen mit der amtlichen Bezeichnung "Vertrag über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration". In Österreich wird das Vertragswerk auch Schengen-III-Vertrag genannt. Den ursprünglichen Signatarstaaten Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden und Österreich schlossen sich später Finnland, Slowenien und Ungarn an. Italien, Portugal, Bulgarien, Rumänien, Schweden und Griechenland tragen sich mit Beitrittsabsichten (es besteht das Recht, nicht aber eine Pflicht der EU-Staaten zum Beitritt).

Inhalt

Der Vertrag sieht den direkten Zugriff von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden auf bestimmte Datenbanken anderer Vertragsstaaten vor:

  • DNA-Analyse-Dateien (in Deutschland: die DNA-Datenbank des Bundeskriminalamts)
  • Datenbanken mit elektronisch gespeicherten Fingerabdrücken (in Deutschland: das Automatisierte Fingerabdruckidentifizierungssystem AFIS)
  • elektronische Register mit Kraftfahrzeug- und Kraftfahrzeughalterdaten (in Deutschland: das Zentrale Fahrzeugregister des Kraftfahrt-Bundesamts)
  • "Nationale Kontaktstelle" ist in Deutschland das BKA (für DNA und Fingerabdrücke) sowie das Kraftfahrt-Bundesamt (für Kfz-Daten).

Der Vertrag enthält darüber hinaus Einigungen über

  • Maßnahmen zur Verhinderung terroristischer Straftaten (Informationsübermittlung, Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern/"sky marshalls")
  • Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration (Einsatz von Dokumentenberatern, Unterstützung bei Rückführungen)
  • weitere Formen der Zusammenarbeit (gemeinsame Polizeieinsätzen, Nacheile, Hilfe bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen mit transnationalen Auswirkungen, Zusammenarbeit auf Ersuchen) und
  • Bestimmungen zum Datenschutz.

Es handelt sich unter europarechtlicher Perspektive um Bestimmungen, die dem Gemeinschaftsrecht (1. Säule, u. a. Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern, Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration) zuzurechnen sind - und um Bestimmungen zur zwischenstaatlichen Zusammenarbeit (3. Säule, u. a. grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit).

Praxis

Als erste Staaten der Welt können mittlerweile Deutschland, Österreich, Belgien, Luxemburg und Spanien ihre DNA-Datenbanken abgleichen und binnen weniger Minuten über die angeforderten Informationen verfügen. Nach dem aus Datenschutzgründen gewählten sog. erhält die abfragende Polizeidienststelle die Mitteilung, ob bei den Partnern zu dem gesuchten Profil passende Daten existieren. Um bei einem "Hit" die Person identifizieren zu können, müssen sodann die Dienststellen in Kontakt treten bzw. ein Rechtshilfeersuchen einleiten. Nach demselben "Hit-/No-Hit-Verfahren" gewähren sich außerdem Deutschland, Luxemburg und Österreich seit Februar 2008 im automatisierten Modus wechselseitigen Zugriff auf ihre nationalen Fingerabdruckdateien.

Überführung in europäisches Recht

Im Jahr 2007 wurde damit begonnen, den Prüm-Vertrag in europäisches Recht zu überführen. Grundlage war ein Beschluss der Justiz- und Innenminister der EU-Staaten (sog. JI-Rat) vom 15. Februar 2007. Um juristische Kompetenzprobleme zu umgehen, verabschiedete der JI-Rat am 12./13. Juni 2007 einen

  • Ratsbeschluss zu den Regelungen der 3. Säule,
  • während für die der 1. Säule zugehörigen Bestimmungen auch weiterhin der Vertrag von Prüm Anwendung finden soll (da nicht abzusehen ist, ob und wann die Kommission von ihrem nur ihr zustehenden Initiativrecht Gebrauch machen würde).

Damit wurden vor allem die für die polizeiliche Zusammenarbeit relevanten Inhalte (DNA-, Fingerabdruck- und Zentrale Fahrzeugregister-Datenaustausch, Austausch von Informationen im Zusammenhang mit Großveranstaltungen und Informationsaustausch über terroristische Gefährder sowie wesentliche Vertragsteile bzgl. der Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit) in den Rechtsrahmen der EU überführt.

Aufgrund der besonderen Situation zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland konnte die kontrovers diskutierte Überführung von Art. 25 des Prümer Vertrags (Maßnahmen bei gegenwärtiger Gefahr: Beamte einer Vertragspartei hätten in dringenden Eilfällen ohne vorherige Zustimmung der anderen Vertragspartei die gemeinsame Grenze überschreiten dürfen, um im grenznahen vorläufige Maßnahmen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben zu treffen) nicht umgesetzt werden. Damit fand diese erstmals im Deutsch-Österreichischen Polizei- und Justizvertrag festgeschriebene und im Prümer Vertrag "kopierte" Regelung auf europäischere Ebene (noch) keine allgemeine Zustimmung. Für alle Prüm-Vertragsstaaten ist diese Regelung jedoch in vollem Umfang anwendbar.

Kritik

Die Methode, außerhalb der EU einen Vertrag zu schließen und diesen Vertrag dann anschließend in EU-Recht zu überführen, kann als Umgehung des EU-Parlaments aufgefasst werden.

Literatur

  • Thilo Weichert: Wo liegt Prüm? – Der polizeiliche Datenaustausch in der EU bekommt eine neue Dimension. In: Datenschutz Nachrichten 1/2006, S. 12–15. [2]

Links