Verderbnis: Unterschied zwischen den Versionen

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Zentral für die Konstruktion des
Als Verderbnis (engl. perdition, corruption, depravity) wird ganz allgemein eine wesensverändernde negative Abweichung vom guten Zustand einer Person oder einer Sache bezeichnet. Bei Lebensmitteln wird Verderbnis zum Beispiel durch Fäule hervorgerufen. Solche Lebensmittel sind dann verdorben. Seit dem späten 18. Jahrhundert spielte der Begriff der (moralischen) Verderbnis eine wichtige Rolle bei Erklärungsversuchen von Devianz. Zu diesem Begriffskomplex gehörten auch noch die Termini der Verlockung ("einer Verlockung erliegen"), des "verderbten Hangs" (Immanuel Kant) und des moralischen Falls ("gefallene Menschen, gefallene Mädchen"). Der "gefallene Mensch" war durch moralische Verderbnis gekennzeichnet.
Verbrechers als eines 'gefallenen Menschen' ist das moralphilosophische Konzept der
Während das Denkmodell des gefallenen Menschen auf die Bedeutung des individuellen Entschlusses zum Verlassen des Pfades der Tugend aufbaute und so eine moralische und auch strafjuristische Verurteilung rechtfertigte, gewann gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein anderes Denkmodell an Popularität, das eher die biologische Determiniertheit des Verbrechers in den Vordergrund rückte und dazu tendierte, statt der Schuld und moralischen Verantwortung des Kriminellen seine genetische Minderwertigkeit und soziale Gefährlichkeit zu postulieren. Danach waren Kriminelle nicht so sehr "gefallene" als vielmehr biologisch defizitäre "verhinderte Menschen" (Peter Becker).  
Gesinnung und der biblische Mythos vom Sündenfall: Der Verbrecher hatte sich
 
willentlich vom moralisch-sittlichen Lebensentwurf des Bürgers abgewandt; er besaß
 
eine "verkehrte Gesinnung" (60). Dem Erzählmuster des 'gefallenen Menschen'
== Literatur ==
entspricht der Begriff 'Verderbnis' im Buchtitel, worunter Becker eine "Veränderung der
 
sittlich-moralischen Handlungsleitlinie" (30) versteht.
Becker, Peter (2002) Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der Kriminologie des 19. Jahrhunderts als Diskurs und Praxis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Version vom 15. Dezember 2007, 21:24 Uhr

Als Verderbnis (engl. perdition, corruption, depravity) wird ganz allgemein eine wesensverändernde negative Abweichung vom guten Zustand einer Person oder einer Sache bezeichnet. Bei Lebensmitteln wird Verderbnis zum Beispiel durch Fäule hervorgerufen. Solche Lebensmittel sind dann verdorben. Seit dem späten 18. Jahrhundert spielte der Begriff der (moralischen) Verderbnis eine wichtige Rolle bei Erklärungsversuchen von Devianz. Zu diesem Begriffskomplex gehörten auch noch die Termini der Verlockung ("einer Verlockung erliegen"), des "verderbten Hangs" (Immanuel Kant) und des moralischen Falls ("gefallene Menschen, gefallene Mädchen"). Der "gefallene Mensch" war durch moralische Verderbnis gekennzeichnet. Während das Denkmodell des gefallenen Menschen auf die Bedeutung des individuellen Entschlusses zum Verlassen des Pfades der Tugend aufbaute und so eine moralische und auch strafjuristische Verurteilung rechtfertigte, gewann gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein anderes Denkmodell an Popularität, das eher die biologische Determiniertheit des Verbrechers in den Vordergrund rückte und dazu tendierte, statt der Schuld und moralischen Verantwortung des Kriminellen seine genetische Minderwertigkeit und soziale Gefährlichkeit zu postulieren. Danach waren Kriminelle nicht so sehr "gefallene" als vielmehr biologisch defizitäre "verhinderte Menschen" (Peter Becker).


Literatur

Becker, Peter (2002) Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der Kriminologie des 19. Jahrhunderts als Diskurs und Praxis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.