Theorie der institutionellen Anomie

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Die 1994 von Steven Messner und Richard Rosenfeld in ihrem Buch "Crime and the American Dream" entwickelte Theorie der Institutionellen Anomie (TIA) - im Original: Institutional Anomie Theory (IAT) - ist eine makro-soziologische Kriminalitätstheorie, welche die Anomietheorie von Robert K. Merton um Aspekte des Ungleichgewichts auf der Ebene gesellschaftlicher Institutionen ergänzt. Gegenstand der Erklärung ist die hohe Kriminalitätsrate in den USA am Ende des 20. Jahrhunderts. Es handelt sich also wie bei Mertons Anomietheorie um eine Theorie mittlerer Reichweite.

Die Theorie

Die Autoren sehen ein Problem in der (Über-) Betonung materiellen (finanziellen) Erfolgs - dem "Amerikanischen Traum", den sie definieren als “commitment to the goal of material success, to be pursued by everyone in society, under conditions of open, individual competition” (Messner and Rosenfeld, 1994:69). Wie Merton sehen sie diese Zielorientierung als Teil eines Werte-Syndroms, zu dem auch noch die Betonung von Individualismus, Universalismus, Leistung und Materialismus gehören. Sie erweitern Mertons Theorie durch Elemente einer strukturellen Kontrolltheorie und sehen eine Kriminalitätsursache in der Fehlfunktion der Institutionen. Anstatt ihre drei Funktionen zu erfüllen, nämlich Individuen zu helfen, zu

  • (1) Devaluation (Abwertung nicht-oekonosmicher institutioneller Funktionen und Rollen (z.B. Bildung als Selbstentfaltung; Elternschaft; Hilfsbereitschaft)
  • (2) Accomodation (die Institutionen passen sich wirtschaftlichen Erfordernissen an; z.B. Familienleben wird der Arbeit geopfert)
  • (3) Penetration (Durchdringung der Institutionen durch wirtschaftliche Normen und Werte (Messner and Rosenfeld, 1994:72-73)


sind die vier zentralen Institutionen - nämlich die Wirtschaft, die Politik, die Familie und das Bildungssystem in Unordnung geraten. Normalerweise würde die Wirtschaft die Produktion und Verteilung von Gütern in der Gesellschaft organisieren, die Familie würde die sexuellen Aktivitäten und die Fortpflanzung regulieren - darüber hinaus aber auch Pflege und Unterstützung hilfsbedürftiger Personen - und das Bildungssystem würde der jeweils nachwachsenden Generation kulturelle Standards und Fähigkeiten vermitteln. Schließlich und endlich wäre die Politik verantwortlich für die Mobilisierung und Verteilung von Macht, um kollektive Ziele zu erreichen. Messner und Rosenfeld (1994:76) stellen fest, dass die kapitalistische Ökonomie mit ihrer Betonung des Privateigentums und der freien Marktwirtschaft eine enorme Bedeutung gewonnen habe, und dass diese Bedeutung einhergehe mit einer Schwächung sonstiger institutioneller Kontroll-Leistungen. Es kommt zu einem Ungleichgewicht zugunsten der Ökonomie und damit zu Bedingungen, die "nutzenorientierte Kriminalität" fördern.

Die Autoren argumentieren, dass diese ökonomische Dominanz sich manifestiere in

  • (1) Devaluation (Abwertung nicht-oekonosmicher institutioneller Funktionen und Rollen (z.B. Bildung als Selbstentfaltung; Elternschaft; Hilfsbereitschaft)
  • (2) Accomodation (die Institutionen passen sich wirtschaftlichen Erfordernissen an; z.B. Familienleben wird der Arbeit geopfert)
  • (3) Penetration (Durchdringung der Institutionen durch wirtschaftliche Normen und Werte).

Der Amerikanische Traum trägt zu hohen Kriminalitätsraten in den USA sowohl direkt als auch indirekt bei (Messner & Rosenfeld 1999:175): durch die Schaffung normativer Leere und/oder Desorientierung und dadurch, dass er zu einem institutionellen Ungleichgewicht beitraegt, das die Entwicklung starker Mechanismen externer sozialer Kontrolle verhindert.

Literatur

  • Messner, Steven & Rosenfeld, Richard (1994). Crime and the American Dream. Belmont: Wadsworth.

Weblinks

  • Bjerregaard, Beth & John K. Cochran (2008) A Cross-National Test of Institutional Anomie Theory: Do the Strength of Other Social Institutions Mediate or Moderate the Effects of the Economy on the Rate of Crime? Western Criminology Review 9(1): 31–48. [[1]]