Theorie der institutionellen Anomie: Unterschied zwischen den Versionen

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Die 1994 von [[Steven Messner]] und [[Richard Rosenfeld]] in ihrem Buch "Crime and the American Dream" entwickelte '''Theorie der Institutionellen Anomie''' (TIA) - im Original: '''Institutional Anomie Theory (IAT)''' - ist eine makro-soziologische [[Kriminalitätstheorie]], welche die [[Anomietheorie]] von [[Robert K. Merton]] um Aspekte des Ungleichgewichts auf der Ebene gesellschaftlicher Institutionen ergänzt. Gegenstand der Erklärung ist die hohe Kriminalitätsrate in den USA am Ende des 20. Jahrhunderts. Es handelt sich also wie bei Mertons Anomietheorie um eine Theorie mittlerer Reichweite.  
 
=='''theoretische Implikationen der Theorie'''==
 
 
Die 1994 von Steven Messner und Richard Rosenfeld in ihrem Buch "Crime and the American Dream" entwickelte '''Theorie der Institutionellen Anomie''' (TIA) - im Original: '''Institutional Anomie Theory (IAT)''' - ist eine makro-soziologische Kriminalitätstheorie, welche die Anomietheorie von Robert K. Merton um Aspekte des Ungleichgewichts auf der Ebene gesellschaftlicher Institutionen ergänzt. Gegenstand der Erklärung ist die hohe Kriminalitätsrate in den USA am Ende des 20. Jahrhunderts. Es handelt sich also wie bei Mertons Anomietheorie um eine Theorie mittlerer Reichweite.  
 
 
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==theoretische Implikationen der Theorie==


Die Autoren sehen ein Problem in der (Über-) Betonung materiellen (finanziellen) Erfolgs - dem "Amerikanischen Traum", den sie definieren als “commitment to the goal of material success, to be pursued by everyone in society, under conditions of open, individual competition” (Messner and Rosenfeld, 1994:69). Wie Merton sehen sie diese Zielorientierung als Teil eines Werte-Syndroms, zu dem auch noch die Betonung von Individualismus, Universalismus, Leistung und Materialismus gehören. Sie erweitern Mertons Theorie durch Elemente einer strukturellen Kontrolltheorie und sehen eine Kriminalitätsursache in der Fehlfunktion der Institutionen. Anstatt ihre drei Funktionen zu erfüllen, nämlich Individuen zu helfen,
Die Autoren sehen ein Problem in der (Über-) Betonung materiellen (finanziellen) Erfolgs - dem "Amerikanischen Traum", den sie definieren als “commitment to the goal of material success, to be pursued by everyone in society, under conditions of open, individual competition” (Messner and Rosenfeld, 1994:69). Wie Merton sehen sie diese Zielorientierung als Teil eines Werte-Syndroms, zu dem auch noch die Betonung von Individualismus, Universalismus, Leistung und Materialismus gehören. Sie erweitern Mertons Theorie durch Elemente einer strukturellen Kontrolltheorie und sehen eine Kriminalitätsursache in der Fehlfunktion der Institutionen. Anstatt ihre drei Funktionen zu erfüllen, nämlich Individuen zu helfen,
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Der Amerikanische Traum trägt zu hohen Kriminalitätsraten in den USA sowohl direkt als auch indirekt bei (Messner & Rosenfeld 1999:175): durch die Schaffung normativer Leere und/oder Desorientierung und dadurch, dass er zu einem institutionellen Ungleichgewicht beitraegt, das die Entwicklung starker Mechanismen externer sozialer Kontrolle verhindert.
Der Amerikanische Traum trägt zu hohen Kriminalitätsraten in den USA sowohl direkt als auch indirekt bei (Messner & Rosenfeld 1999:175): durch die Schaffung normativer Leere und/oder Desorientierung und dadurch, dass er zu einem institutionellen Ungleichgewicht beitraegt, das die Entwicklung starker Mechanismen externer sozialer Kontrolle verhindert.


==Verortung der Theorie==
=='''Verortung der Theorie'''==


 
=='''Empirische Überprüfungen der Theorie'''==
 
==='''Darstellung der Operationalisierungsansätze'''===
==Empirische Überprüfungen der Theorie: Darstellung der Operationalisierungsansätze==


Bislang vorliegende empirische Studien zur Prüfung und Integration der IAT sind in begrenzter Anzahl vorzufinden und von divergierenden Ergebnissen gekennzeichnet.  Empirische Überprüfungen, die alle durch die Theorie implizierten Annahmen mit einbezieht liegen kaum vor.  
Bislang vorliegende empirische Studien zur Prüfung und Integration der IAT sind in begrenzter Anzahl vorzufinden und von divergierenden Ergebnissen gekennzeichnet.  Empirische Überprüfungen, die alle durch die Theorie implizierten Annahmen mit einbezieht liegen kaum vor.  
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Darüber hinaus unterscheiden sich die Studien hinsichtlich ihrer Explananda kriminogener Handlungen: Homizidraten, Viktimisierungsraten, Gewaltkriminalität, Eigentumskriminalität, Wirtschaftskriminalität und abweichendes Verhalten in Form von ethisch verwerfliche Praktiken von Managern und Mogeln von Studierenden im universitären Kontext.   
Darüber hinaus unterscheiden sich die Studien hinsichtlich ihrer Explananda kriminogener Handlungen: Homizidraten, Viktimisierungsraten, Gewaltkriminalität, Eigentumskriminalität, Wirtschaftskriminalität und abweichendes Verhalten in Form von ethisch verwerfliche Praktiken von Managern und Mogeln von Studierenden im universitären Kontext.   




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Institutionelle Struktur:
Institutionelle Struktur:
*Wirtschaft; wird häufig abgebildet durch den Gini- Index für Einkommensungleichheit als Maß für eine relative Deprivation (Messner & Rosenfeld (1997), Savolainen (2000), Maume & Lee (2003), Hirtenlehner et al (2010)). Eine absolute Deprivation wird gemessen durch den prozentualen Anteil von Familien unter der Armutsgrenze (Chamlin & Cochran (1995). Eine weitere Art der Operationalisierungen ist über die ökonomische Diskriminierung sozialer Gruppen (Messner & Rosenfeld (1997), Savolainen (2000)) oder/ und das Bruttoinlandsprodukt (Bjerregaard & Cochran (2008). Auf mirkotheoretischer Ebene anhand der Einbindung in dieses System durch Nachgehen einer Erwerbstätigkeit (Muftic (2006)) oder/ und durch individuelle Werthaltung zu ökonomischen Zielen (Burkatzi (2007).
*Wirtschaft; wird häufig abgebildet durch den Gini- Index für Einkommensungleichheit als Maß für eine relative Deprivation (Messner & Rosenfeld (1997), Savolainen (2000), Maume & Lee (2003), Hirtenlehner et al (2010)). Eine absolute Deprivation wird gemessen durch den prozentualen Anteil von Familien unter der Armutsgrenze (Chamlin & Cochran (1995). Eine weitere Art der Operationalisierungen ist über die ökonomische Diskriminierung sozialer Gruppen (Messner & Rosenfeld (1997), Savolainen (2000)) oder/ und das Bruttoinlandsprodukt (Bjerregaard & Cochran (2008). Auf mirkotheoretischer Ebene anhand der Einbindung in dieses System durch Nachgehen einer Erwerbstätigkeit (Muftic (2006)) oder/ und durch individuelle Werthaltung zu ökonomischen Zielen (Burkatzi (2007).


*Politik; wird häufig auch als Indikator der Machtbalance angesehen und über den von Messner und Rosenfeld (1997), in Anlehnung an Esping-Andersons (1990) Typologie, der drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus entwickelten Proxy-Index zur Dekommodifikation gemessen (Messner & Rosenfeld (1997), Savolainen (2000), Jensen (2002), Hirtenlehner et al (2010)). Die politische Institution wird darüber hinaus operationalisiert über die Wahlbeteiligung, als Indikator der politischen Teilhabe (Chamlin & Cochran (1995), Kim & Pridemore (2005), Maume & Lee (2003) (Bjerregaard & Cochran (2008)) oder/ und die Ausgaben für Sozialleistungen in prozentualen Angaben des Bruttoinlandsproduktes (Cullen et al (2004) Hirtenlehner et al (2010) oder/ und über staatliche Einnahmen und Ausgaben, als prozentuale Angaben des Bruttoinlandprodukts (Hirtenlehner et al (2010)). Auf mirkotheoretischer Ebene durch das Ausüben einer ehrenamtlichen Tätigkeit (Muftic (2006)) oder/ und durch individuelle Werthaltung zu kummunitären Zielen (Burkatzi (2007).
*Politik; wird häufig auch als Indikator der Machtbalance angesehen und über den von Messner und Rosenfeld (1997), in Anlehnung an Esping-Andersons (1990) Typologie, der drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus entwickelten Proxy-Index zur Dekommodifikation gemessen (Messner & Rosenfeld (1997), Savolainen (2000), Jensen (2002), Hirtenlehner et al (2010)). Die politische Institution wird darüber hinaus operationalisiert über die Wahlbeteiligung, als Indikator der politischen Teilhabe (Chamlin & Cochran (1995), Kim & Pridemore (2005), Maume & Lee (2003) (Bjerregaard & Cochran (2008)) oder/ und die Ausgaben für Sozialleistungen in prozentualen Angaben des Bruttoinlandsproduktes (Cullen et al (2004) Hirtenlehner et al (2010) oder/ und über staatliche Einnahmen und Ausgaben, als prozentuale Angaben des Bruttoinlandprodukts (Hirtenlehner et al (2010)). Auf mirkotheoretischer Ebene durch das Ausüben einer ehrenamtlichen Tätigkeit (Muftic (2006)) oder/ und durch individuelle Werthaltung zu kummunitären Zielen (Burkatzi (2007).


* Bildungseinrichtungen; gemessen durch die durchschnittlich absolvierten Jahre im Bildungssystem ((Cullen et al (2004), Hirtenlehner et al (2010)) oder/ und durch öffentliche Ausgaben für Bildung in Prozent am Bruttoinlandsprodukt (Hirtenlehner et al (2010)) oder/ und anhand der durchschnittlichen Kosten für Bildung pro Person (Maume & Lee (2003) oder/ und die Rate der Personen im höheren Bildungssystem (Kim & Pridemore (2005) oder/ und der Rate der Erwachsenenweiterbildung (Cullen et al (2004).  Auf mirkotheoretischer Ebene durch die Einbindung in das Bildungssystem gemessen über einen Fragenkatalog zu nicht-ökonomischen Zielen (Muftic (2006)).
* Bildungseinrichtungen; gemessen durch die durchschnittlich absolvierten Jahre im Bildungssystem ((Cullen et al (2004), Hirtenlehner et al (2010)) oder/ und durch öffentliche Ausgaben für Bildung in Prozent am Bruttoinlandsprodukt (Hirtenlehner et al (2010)) oder/ und anhand der durchschnittlichen Kosten für Bildung pro Person (Maume & Lee (2003) oder/ und die Rate der Personen im höheren Bildungssystem (Kim & Pridemore (2005) oder/ und der Rate der Erwachsenenweiterbildung (Cullen et al (2004).  Auf mirkotheoretischer Ebene durch die Einbindung in das Bildungssystem gemessen über einen Fragenkatalog zu nicht-ökonomischen Zielen (Muftic (2006)).


*Familie; gemessen über das Verhältnis von Scheidung zu Eheschließung (Chamlin & Cochran (1995), (Cullen et al (2004), Hirtenlehner et al (2010) oder/ und Scheidungsraten (Maume & Lee (2003), Bjerregaard & Cochran (2008)) oder/ und den Anteil der Alleinerziehenden (Kim & Pridemore (2005), Hirtenlehner et al (2010). Auf mirkotheoretischer Ebene durch die Wichtigkeit der Meinung von Familienmitgliedern (Muftic (2006)).
*Familie; gemessen über das Verhältnis von Scheidung zu Eheschließung (Chamlin & Cochran (1995), (Cullen et al (2004), Hirtenlehner et al (2010) oder/ und Scheidungsraten (Maume & Lee (2003), Bjerregaard & Cochran (2008)) oder/ und den Anteil der Alleinerziehenden (Kim & Pridemore (2005), Hirtenlehner et al (2010). Auf mirkotheoretischer Ebene durch die Wichtigkeit der Meinung von Familienmitgliedern (Muftic (2006)).


* Religion; gemessen über die Mitgliedschaft in einer Kirche (Chamlin & Cochran (1995), Maume & Lee (2003)).
* Religion; gemessen über die Mitgliedschaft in einer Kirche (Chamlin & Cochran (1995), Maume & Lee (2003)).


*Dominanz der Ökonomie, wird häufig indirekt über die Wechselwirkung ökonomischer und nicht-ökonomischer Institutionen gemessen.  
*Dominanz der Ökonomie, wird häufig indirekt über die Wechselwirkung ökonomischer und nicht-ökonomischer Institutionen gemessen.  


 
*kulturelle Struktur; werden beispielsweise durch den Altruismusgrades, welche gemessen wird durch Spendengelder (Chamlin &Cochran (1997) oder/ und durch Abbildung der Subdimensionen des American Dreams ((Cullen et al (2004), Muftic (2006), anhand des World Value Surveys (Jensen(2002), Cao (2004), Chamlin & Cochran (2007) oder/ und durch partiale Abbildung des American Dreams über die Human Value Skala des European Social Surveys (Hirtenlehner et al (2010).<br />
 
*kulturelle Struktur; werden beispielsweise durch den Altruismusgrades, welche gemessen wird durch Spendengelder (Chamlin &Cochran (1997) oder/ und durch Abbildung der Subdimensionen des American Dreams ((Cullen et al (2004), Muftic (2006), anhand des World Value Surveys (Jensen(2002), Cao (2004), Chamlin & Cochran (2007) oder/ und durch partiale Abbildung des American Dreams über die Human Value Skala des European Social Surveys (Hirtenlehner et al (2010).
 
 
 
 
Nach Messner und Rosenfeld (2006) kristallisieren sich, je nach Modelspezifikation der erklärenden Variablen drei verschiedene Vorgehensweisen heraus:
Nach Messner und Rosenfeld (2006) kristallisieren sich, je nach Modelspezifikation der erklärenden Variablen drei verschiedene Vorgehensweisen heraus:


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*Haupteffektansatz; indem der Einfluss der institutionellen Dynamik auf kriminogene Verhaltensweisen  geprüft wird. (u.a. Messner &Rosenfeld (1997), Savolainen (2000), Jensen (2002), Bjerregaard & Cochran (2008))
*Haupteffektansatz; indem der Einfluss der institutionellen Dynamik auf kriminogene Verhaltensweisen  geprüft wird. (u.a. Messner &Rosenfeld (1997), Savolainen (2000), Jensen (2002), Bjerregaard & Cochran (2008))


*Interventionsansatz; durch die Prüfung der ökonomische Dominanz über medierende Einflüsse von nicht- ökonomischen Institutionen auf kriminogene Verhaltensweisen.
*Interventionsansatz; durch die Prüfung der ökonomische Dominanz über medierende Einflüsse von nicht- ökonomischen Institutionen auf kriminogene Verhaltensweisen.(u.a. Maume &Lee (2003), Bjerregaard & Cochran (2008))
(u.a. Maume &Lee (2003), Bjerregaard & Cochran (2008))
 




==='''Darstellung der Ergebnisse'''===
==Empirische Überprüfungen der Theorie: Darstellung der Ergebnisse==


==Anmerkungen==
=='''Anmerkungen'''==


==Literatur==
=='''Literatur'''==




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== Weblinks ==
== Weblinks ==
*Bjerregaard, Beth & John K. Cochran (2008) A Cross-National Test of Institutional Anomie Theory: Do the Strength of Other Social Institutions Mediate or Moderate the Effects of the Economy on the Rate of Crime? Western Criminology Review 9(1): 31–48. [[http://wcr.sonoma.edu/v09n1/bjerregaard.pdf]]
*Bjerregaard, Beth & John K. Cochran (2008) A Cross-National Test of Institutional Anomie Theory: Do the Strength of Other Social Institutions Mediate or Moderate the Effects of the Economy on the Rate of Crime? Western Criminology Review 9(1): 31–48. [[http://wcr.sonoma.edu/v09n1/bjerregaard.pdf]]
*[http://lse.academia.edu/JonathanJackson/Papers/238809/Kultur_Institutionen_und_Kriminalitat_Eine_Prufung_der_Institutionellen_Anomietheorie_mit_Viktimisierungsdaten_aus_Europa Kultur, Institutionen und Kriminalität. Eine Prüfung der Institutionellen Anomietheorie ...2010]

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