Tätertypologien

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Typologien (v. griech. typos „Urbild, Vorbild“) sind die Lehren von der Zuordnung bzw. Zugehörigkeit von Einzelnen (Individuen oder Sachverhalten) zu Gruppen, deren Teilmengen ebenfalls die wesentlichen Merkmale der Einzelnen aufweisen. So gibt es Sprachtypologien, mit denen man aufgrund gemeinsamer Merkmale Gruppen von Sprachen bildet (Finnisch und Ungarisch gehören aufgrund bestimmter gemeinsamer Merkmale in die kleine Spezialgruppe der "finnugrischen Sprachen"). Solche Zuordnungen zu Typen erlauben dann die Aufstellung von weiteren Hypothesen über andere Gemeinsamkeiten (z.B. über den Ursprung beider Sprachen). Tätertypologien dienen ebenfalls der Ordnung und damit der Orientierung und der weiteren Hypothesenbildung und Erklärung von Zusammenhängen. Täter können z.B. im Hinblick auf die von ihnen begangenen Taten klassifiziert werden. Differenzierungskriterien können aber auch die Motivation, die Vorgehensweise bei der Tatbegehung (Modus Operandi) oder die Gefährlichkeit des Täters im Hinblick auf das Risiko weiterer Taten sein.

Tätertypologien erlauben die Zuordnung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Straftäter zu Gruppen. Typologien können verschiedene Zwecke verfolgen und bergen zugleich verschiedene Risiken. Wer eine Allgemeine Kriminalitätstheorie für zu komplex (oder unmöglich) hält, wird sich auf eine Theorie geringerer Reichweite beschränken und dafür eine Reduktionsformel benötigen. So könnte man z.B. eine Theorie der Jugend- oder der Eigentums- und Vermögenskriminalität entwickeln. Dafür bedürfte es dann einer Tätertypologie nach Alter oder nach Deliktsform. Es wäre genau zu beschreiben, wie sich Jugendkriminalität von derjenigen der Erwachsenen "im Prinzip" unterscheidet - und dafür wäre eine nach dem Merkmal "Alter" konstruierte Tätertypologie eine nützliche Vorbedingung.

Auch könnten die Straftaten einer Gruppen von Personen mit besonderen psychischen Schwierigkeiten zu erklären sein, während diese Erklärung für andere Personen und ihre Delikte nicht von Belang wäre. Um eine solche Hypothese zu überprüfen, wäre eine Tätertypologie nach psychischen Merkmalen unabdingbar, denn man will ja wissen, um welche Gruppe von Tätern es sich handelt und wie sie von anderen Tätern zu unterscheiden wäre.

Tätertypologien können auch für Präventionsprogramme und für die (Sozial-) Therapie im Strafvollzug von Interesse sein. Der Erfolg solcher Bemühungen beruht ja nicht zuletzt auf dem Wissen darüber, welche spezifischen Probleme welchen Taten zugrundeliegen.

Andererseits sind die Zuordnungen zu Typen nicht ohne Informationsverlust bezüglich der einzigartigen Merkmale jedes einzelnen Falles zu haben. Die Gefahr der Vereinfachung, der "falschen Abstraktion" (Hegel) oder des Schubladen-Denkens ist mit Typologien aller Art verknüpft, ist aber im Hinblick auf die Folgen für die Betroffenen im Bereich von Überwachung, Kontrolle und Bestrafung von besonderer Bedeutung.



Geschichte

Die Vielfalt der Unterschiede zwischen den Gefängnisinsassen - die man lange Zeit für gleichbedeutend hielt mit der Vielfalt der Unterschiede zwischen Straftätern insgesamt - hat seit dem Beginn kriminologischer Erklärungsversuche zu Typenbildungen geführt. Cesare Lombroso unterschied gegen Ende des 19. Jahrhunderts zwischen "geborenen Kriminellen", "Kriminaloiden" und "Schwachsinnigen". Als einer der großen Gegenspieler Lombrosos unterschied Franz v. Liszt zwischen den "Besserungsfähigen", den "Abschreckbaren" und den "Unverbesserlichen", wobei zu den letzteren insbesondere die "unverbesserlichen Gewohnheitsverbrecher" zu zählen seien. In Deutschland gehörte die Einteilung der Täter in bestimmte Gruppen ("Typen") bis zur Entstehung der kritischen Kriminologie zu den Pflichtübungen eines jeden lehrenden oder lehrbuchschreibenden Kriminologen, so z.B. von Franz Exner und Edmund Mezger. In anderen Ländern, wo es sich während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenso verhielt, wurden Tätertypologien nach 1945 nicht in demselben Maße desavouiert wie in Deutschland. Speziell in den USA waren etwa die Typologien der Gluecks und ihrer Nachfolger nach 1945 von großer praktischer Bedeutung - und erlebten zudem nach einer Phase der Relativierung eine Renaissance im Rahmen der Sexualtäter-Typologien nach Robert K. Ressler bzw. der Vergewaltigungs-Täter-Typen in den 1990er Jahren.


Drittes Reich

USA

Von 1980 bis heute


Kriterien der Typenbildung

Typenbildung ist besonders problematisch und unzuverlässig, wenn sie lediglich der Intuition einer Person oder den vorherrschenden Vorurteilen in einer Gesellschaft folgt. Daher wäre es für eine wissenschaftliche oder wissenschaftlich fundierte Zwecksetzung der Typologie von Nutzen, wenn sie bestimmten Vorgaben entspräche. Erstens sollte eine Typologie klar genug sein. Zweitens sollte sie nach Möglichkeit klare Zuordnungen ermöglichen, d.h. ein Täter sollte nur einer und nicht zwei Kategorien zugeordnet werden. Drittens ist Sparsamkeit wünschenswert, d.h. eine möglichst geringe Anzahl von Typen. Viertens sollten Typologen nach Möglichkeit keine (große) Residualkategorie für die nicht zuordnungsfähigen Fälle vorsehen müssen.


Literatur

Kluge, Susann (1999) Empirisch begründete Typenbildung. Zur Konstruktion von Typen und Typologien in der qualitativen Sozialforschung. Opladen: Leske & Budrich 1999.

Links