Subkulturtheorie

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Definition

Unter einer Subkultur werden Lebensformen verstanden, die sich innerhalb einer gesellschaftlichen, in sich geschlossenen Teilkultur entfalten. Dabei unterscheiden sich die Normen, Werte, Verhaltensweisen sowie Bedürfnisse von denjenigen der dominierenden Gesamtkultur. Somit lassen sich Subkulturen als Gesellschaften in einem kleineren Rahmen beschreiben und schließen in einem gewissen Teil an die jeweilige Gesamtgesellschaft an.

Kultur

Der Ausgangspunkt der Kultur einer Gesellschaft oder Gruppe lässt sich auf eine fortwährende Kontaktierung und Konfrontation mit anderen Gesellschaften zurückführen. Die Aufarbeitung und Bewältigung dieser Kontakte, die verbunden sind mit bestimmten Verhaltensmustern und Lebensweisen, die der eigenen Kultur nicht unbedingt ähneln, stellt die eigentliche Idee der Kultur dar.

An dieser Stelle muss allerdings auch ein Bewusstsein darüber geschaffen werden, dass diese abweichenden Verhaltens- und Lebensweisen trotz allem in einer gewissen Ordnung und Regelmäßigkeit strukturiert sind. Durch diesen Gedanken, dass auch außerhalb der eigenen Gesellschaft Stabilität besteht, entsteht eine Plattform, auf der Überlegungen und reflektierende Gedanken zu der Idee der Kultur entstehen können.

Daraus ergeben sich konkrete Konsequenzen. Durch das Bewusstwerden einer anderen Kultur, wird auch das Bewusstsein der eigenen Kultur gestärkt. Der Blick auf die andere Seite, mit den gesellschaftliche Werten und Normen, wird zurückgeworfen auf sich selbst und auf die eigene Kultur.

Subkultur

Von der Idee der Kultur lässt sich nun ein Übergang zu dem Bereich der Subkultur schaffen. Dabei wird deutlich, dass die Subkultur ihren Ursprung und die Ressourcen aus Bereichen und Funktionen gewinnt, die sich auch für den Gedanken der Kultur zeigen. Diese Funktionen, die die Subkultur für das Verhalten von Menschen innerhalb einer Gesellschaft hat, entsprechen denjenigen der Kultur, die diese für das Verhalten von Menschen zwischen verschiedenen, kulturell unterschiedlichen Gesellschaften einnimmt.

Der Subkulturansatz geht von einer Norm- und Wertdifferenz im sozialen System aus. Dabei besteht einerseits Konformität von Seiten der Mitglieder einer Subkultur bezüglich der Normen und Werte der herrschenden und übergeordneten Kultur, andererseits lassen sich auch konkrete Abweichungen feststellen, durch die sich die Subkultur von der dominanten Kultur abgrenzt.

An dieser Stelle ist ein Bereich zu benennen, zu dessen Erklärung häufig die Theorie der Subkultur verwendet wird. Dabei handelt es sich um die Kriminalität von Jugendlichen. Meistens zeigt sich beim kriminellen Verhalten der Jugendlichen ein kulturell sich außerhalb der Normen und Werte der Gesamtgesellschaft befindliches Phänomen.

Die Anfänge der Subkulturtheorie mit Trasher (1926)

Der Ansatz von Trasher bezüglich der Subkultur geht zurück auf seine Beobachtungen und Feststellungen zu Gangs. Diese bezeichnet er als sogenannte "Zwischengruppen", die zurückgehen auf gewisse soziale Umstände, die sich als unbefriedigend bezeichnen lassen und den einzelnen Mitgliedern Möglichkeiten vorenthalten. Das veranlasst sie wiederum, sich Gangs anzuschließen, um im Rahmen dieser Gemeinschaftsbedürfnisse zu befriedigen. Darüber hinaus bieten Gangs häufig die einzige Chance auf den Statuserwerb. Selbst wenn dieser innerhalb der Gang als gering ausfällt, so ziehen die meisten Mitglieder den niedrigen Status innerhalb der Gang einem Leben ohne jeglichen Status außerhalb der Gang vor.

Zu den Zukunftsaussichten eines Gangmitglieds lassen sich Gegensätze feststellen. Die von Trasher benutzte Bezeichnung einer Gang als "Zwischengruppe" ist zurückgehend auf die Tatsache gewählt, dass die meisten Mitglieder es schaffen, sich von der Gang loszulösen und den Anschluss an die gesamtgesellschaftlichen Normen und Erwartungen finden. Trotz dieser Feststellung darf allerdings die Problematik nicht übersehen werden, dass die Sozialisation in der Gang, die verbunden ist mit der außerhalb nicht stattfindenden Bedürfnisbefriedigung, auch dazu führen kann, eine Laufbahn des "Berufs- Kriminellen" zu begünstigen.

Subkulturtheorie nach Cohen (1955)

Die Idee der Subkultur nach Cohen geht auf seine Beobachtungen jugendlicher Subkulturen (Gangs) zurück und definiert diese als eine Reaktion auf ungleich verteilte Situationen, aufgrund derer Anpassungsprobleme entstehen. Cohen beschreibt eine "Basis- Subkultur", in deren Rahmen abweichendes Verhalten nicht als zielgerichtet und geplant auftritt, sondern sich zurückführen lässt auf eine Widersprüchlichkeit innerhalb der gesellschaftlich herrschenden Ideologien, aufgrund derer Anpassungs- und Statusprobleme entstehen, auf die wiederum mit Devianz reagiert werden kann.

Der von Cohen beschriebene Spannungszustand, der sich auf die Probleme der Anpassung zurückführen lässt, kann verschieden bewältigt werden. Zunächst gibt es die Möglichkeit diesen Zustand mit Hilfe einer legalen Vorgehensweise zu überwinden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit einen Wechsel der Bezugsgruppe vorzunehmen. Als letzten Weg beschreibt Cohen die Zusammenschlüsse, im Rahmen derer gemeinsame Normen und Verhaltensweisen entwickelt werden, die sich im Ergebnis als Subkultur beschreiben lassen. Diese gemeinsam entwickelten Normen und Werte können im Gegensatz zur herrschenden Norm stehen und deviante Handlungen rechtfertigen.

Die Unterschichtthese (1958)

Miller stellt einen Gegensatz zu den bisherigen Ansätzen dar, in dem er die Subkultur (beispielsweise diejenige jugendlicher Banden) nicht als eine Reaktion auf Anpassungsschwierigkeiten und nicht erreichte Möglichkeiten beschreibt, sondern als das Festmachen einer eigenständigen Unterschichtkultur. Die Verhaltensweisen zielen nicht darauf ab, die Normen der Mittelschicht explizit zu verletzen, sondern sich konform zu den Normen der Unterschicht zu verhalten. Dieser Konformitätsdruck kann das Abweichen von Mittelschichterwartungen zwangsläufig mit sich bringen.

Kontrakultur (1960)

Die von Yinger beschriebene Kontrakultur ist das Ergebnis des Konflikts einer Gruppe mir der Gesamtgesellschaft. Es werden folgende Kriterien für das Vorliegen einer Kontrakultur benannt: Die Existenz eines Konfliktthemas zwischen der Gesamtgesellschaft und einer Gruppe, die konkrete Beteiligung von Persönlichkeitsvariablen im Hinblick auf die Gruppenwerte und das daraus resultierende Konfliktthema sowie das Verständnis der Gruppennorm unter Bezugnahme des Verhältnisses zwischen der Gruppe und der herrschenden sie umgebenden Kultur.

Somit lässt sich eine Abgrenzung der Kontrakultur zur Subkultur feststellen. Diese Abgrenzung lässt sich einerseits auf die Entstehung der Normen zurückführen. Im Falle der Kontrakultur wird deutlich, dass Normen aus Erfahrungen entstehen, die sich auf Frustration und Konflikt zurückführen lassen. Andererseits spielt die sozialpsychologische Komponente eine entscheidende Rolle bei der Normfestsetzung.

Das Konzept der "Near-Group" (1963)

Yablonskis Konzept der "Near- Group" bietet eine Ergänzung zu den bisherigen Ansätzen der Subkultur. Die Idee der Near- Group stellt einen Mittelweg dar zwischen einer nicht definierten und unstrukturierten Grupppe einerseits sowie einer hoch strukturierten, von Zusammenhalt geprägten Gruppe andererseits.Das Konzept einer Near- Group definiert sich durch lose Strukturierung in einer spezifischen Organisationsform. In dieser findet eine spontane Interaktion statt.

Diese Form der Gruppenorganisation beschreibt Yablonski in ihrer Funktion als flexibel gegenüber den jeweiligen Bedürfnissen der Gruppe und kann eine vorübergehende Befreiung von den herrschenden Normen der Gesamtgesellschaft darstellen, insbesondere für Jugendliche, die aufgrund von Defiziten in ihrer Sozialisation zur Unfähigkeit an der Teilnahme von strukturierten Gruppen neigen.

Social Disability (1965)

Die These der Social Disability äußert die Annahme, dass im Rahmen ihrer Sozialisation Jugendliche einer Unterschicht ein defizitäres Rollenverhalten erlernen. Dieses führt zu der Unfähigkeit, sich an komplexe und ständig wechselnde Situationen anzupassen. Die daraus entstehende Unsicherheit wird durch den Anschluss an eine Gang bzw. Bande kompensiert.

Literatur

  • Lamnek, Siegfried: Theorien abweichenden Verhaltens. Eine Einführung für Soziologen, Psychologen, Pädagogen, Juristen, Politologen, Kommunikationswissenschaftler und Sozialarbeiter, Wilhelm Fink Verlag, München, 3.Aufl., 1988.
  • Sack, Fritz: Die Idee der Subkultur: eine Berührung zwischen Anthropologie und Soziologie, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Westdeutscher Verlag, Opladen, 23. Jahrgang 1971.