Etymologie

Der Begriff Strafe bedeutet ´Tadel, Schelte, Sühne für ein begangenes Delikt, Züchtigung´. Mittelhochdeutsch: strãfe. Das Verb strafen (mhd. strãfen) bedeutet ´mit tadelnden Worten zurechtweisen, schelten, züchtigen, mit Leibes- oder Geldstrafe belegen´, die Herkunft ist jedoch unbekannt. Das Verb erscheint um 1200 im Mittelhochdeutschen und löst das althochdeutsche refsen ´schelten, scharf tadeln, schlagen, strafen´ ab. Eine Beziehung zum altfriesischen straf(f)ia ´bestreiten, schelten´ bietet sich an, so dass das Verb auch aus dem Friesischen ins Hochdeutsche gelangt sein kann. Älter als die Verwendung im Sinne des körperlichen Züchtigens ist die des Scheltens und Tadelns mit Worten. (Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Stichwort „strafen“, S. 1372)


Definitionen

Allgemein wird Strafe definiert als ein Übel, das jemand einem anderen mit Absicht zufügt, weil dieser eine missbilligte Handlung begangen hat. Das Ziel des Strafens besteht hier darin, die Wahrscheinlichkeit künftiger missbilligter Handlungen herabzusetzen. (Brockhaus-Enzyklopädie, Stichwort „Strafe“, S. 268) In der Erziehung (Pädagogik und Psychologie) sollen Strafen zur Unterdrückung von Verhaltensweisen und Einstellungen dienen, die mit dem Erziehungsziel nicht übereinstimmen (Brockhaus-Enzyklopädie, Stichwort „Strafe“, S. 268). Sie stellen somit negative Sanktionen dar, im Gegensatz zu positiven Sanktionen wie Belohnungen (s. dazu auch Kerner in: Kleines Kriminologisches Wörterbuch, Stichwort „Sanktionen“, S. 438f.). Strafen sind als Erziehungsmittel jedoch umstritten, da ihre Wirkung nicht sicher ist, sie andererseits aber eine bloße Scheinanpassung, Angst, Hass und Trotzhaltungen hervorrufen, sowie die Selbstachtung und das Selbstgefühl verletzen und dauerhaft schädigen können. Die Psychologie steht dem Strafen heute meist ablehnend gegenüber, insbesondere wird die körperliche Züchtigung scharf kritisiert (Brockhaus-Enzyklopädie, Stichwort „Strafe“, S. 268). Juristisch wird die Strafe als eine durch Strafgesetz für eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung angedrohte Rechtsfolge definiert. (Kriminal-)strafe wird hier verstanden als eine absichtliche Übelzufügung durch staatliche Organe als Reaktion auf „kriminelle“ Taten. (vgl. Ostendorf, S. 14)

Vergangenheit

Im Altertum wurde auf ein Verbrechen mit der Zufügung eines gleichwertigen Übels reagiert. (auch als sog. „Spiegelstrafen“ bezeichnet. Bsp.: einem Dieb wurde die Hand abgehackt) Diese primitive Form der Reaktion auf Kriminalität nach dem Vergeltungs- oder Talionsprinzip (Ausgleichsgedanke) findet sich beispielsweise in dem alttestamentarischen Zitat „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (Fünftes Buch Moses 19, 21). Insbesondere bei Tötungsdelikten spielte jedoch das Vergeltungsstreben durch Blutrache gegenüber dem Talionsprinzip die größere Rolle. Die Frühzeit der Strafe wurde durch den Rachegedanken mitbestimmt. Dabei ist aber zu beachten, dass die Rache im eigentlichen Sinne nur die Beziehungen zwischen einzelnen Sippen beherrschte und einen fließenden Übergang zwischen Strafe und Wiedergutmachung darstellte. Mit dem Zerfall der Sippenverbände und der Herausbildung eines Staatssystems veränderte sich der Ausgleichscharakter der Strafsanktionen. Die Trennung von Zivil- und Strafrecht setzte sich mehr und mehr durch, die Verletzten mussten ihre privaten Schadensersatzansprüche zunehmend selbst durchsetzen, wobei die obrigkeitliche Strafe noch lange Zeit durch Bußzahlungen abgewendet werden konnte. Die Strafen wurden somit zu einer Einnahmequelle der Könige und Landesherren. Im Mittelalter wurde die Strafgewalt stärker institutionalisiert und ausgebaut; die Geldstrafen entwickelten sich zunehmend zu Leibesstrafen, zumal die Verbrecher aus den unteren Klassen die Geldstrafe nicht zahlen konnten. Als die immer wieder verkündeten Landfrieden – Ausschluss von Fehden (eine Art Privatkrieg, um begangenes Unrecht zu sühnen) für bestimmte gottgeweihte Bezirke – und selbst der ewige Landfrieden von 1495 nicht gehalten wurden, entstanden die ersten staatlichen Strafgesetze. Das bedeutsamste Strafgesetz war die 1532 erlassene „Peinliche Gerichtsordnung“ (Carolina genannt). Die hier bestimmten Strafen waren auf Schmerzen und Pein ausgerichtet, wie z.B. die Prügelstrafe, Verstümmelungen, Rädern, Pfählen, Ertränken, öffentliche Zurschaustellung am Pranger und Teeren und Federn. Erst im 16. und 17. Jahrhundert entwickelten sich von England und Holland ausgehend die modernen Freiheitsstrafen. Im Zuge dessen traten zunächst die verstümmelnden Leibesstrafen, dann die verschärften Todesstrafen (Schleifen, Rädern, etc.) und schließlich die körperliche Züchtigung aus dem Strafensystem zurück. Dennoch wurden die verschärften Todesstrafen in Deutschland z.T. noch bis etwa zur Mitte des 19. Jhd ausgesprochen, wobei später dem Scharfrichter häufig angeordnet wurde, die Delinquenten bereits vor der Durchführung auf eine den Zuschauern unmerkliche Art zu erdrosseln. (vgl. bei Ostendorf, S. 34f., mwN)


Strafe heute

Eine (Kriminal-)Strafe darf ausschließlich vom Staat durch richterliches Urteil oder richterlichen Strafbefehl wegen einer Straftat verhängt werden. (Staatliches Strafmonopol seit der Carolina -> Offizialmaxime – Selbstjustiz durch Bürger sollte damit ausgeschlossen werden.) Durch den Grundgesetzgeber in Deutschland endgültig abgeschafft wurde die Todesstrafe durch Art. 102 GG als Reaktion auf die Justizmorde in der NS-Diktatur. In Abhängigkeit von Verbrechenszu- oder -abnahmen und ihrer jeweiligen publizistischen Vermarktung wechselt jedoch auch heute noch die Anzahl der Anhänger einer Todesstrafe. Körperstrafen sind in Deutschland verboten, explizit erfolgt dieses Gebot aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. (vgl. Ostendorf, S. 35) Das deutsche Strafsystem ist vornehmlich durch das Strafgesetzbuch (StGB), teilweise aber auch in Nebengesetzen geregelt (z.B. Betäubungsmittelgesetz (BtmG)); besondere Regelungen für Jugendliche/Heranwachsende im Jugendstrafgesetzbuch (JGG)). Das StGB beinhaltet ein zweispuriges System, es unterscheidet zwischen Strafen für rechtswidrig und schuldhaft begangene Taten und Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§61 ff. StGB), die auch angeordnet werden können, wenn die Tat schuldlos begangen wurde. (Als dritte Spur wird heute teilweise noch der Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a StGB) hinzugezogen (mehr bei Meier, S. 309).) Die Strafen unterteilen sich in Hauptstrafen (§§ 38 ff. StGB) und Nebenstrafen (z.B. § 44 StGB); an die Hauptstrafen können Nebenfolgen (§§ 45 ff. StGB) angeknüpft werden. (Kindhäuser, StGB-Kommentar, Vorbem. zu den §§ 38-45b, Rn. 1ff.) Die härteste Hauptstrafe ist die lebenslange Freiheitsstrafe (z.B. für Mord, § 211 StGB), deren Dauer 1977 durch das Bundesverfassungsgericht begrenzt wurde, weil aus verfassungsrechtlicher Sicht auch dem zu lebenslanger Haft Verurteilten eine Chance auf Wiedereingliederung in Freiheit und Gesellschaft zu ermöglichen ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht nunmehr die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung aussetzen, wenn 15 Jahre der Strafe verbüßt sind. Als weitere Hauptstrafen sind die zeitige Freiheitsstrafe (§ 38 II StGB: mindestens ein Monat, höchstens 15 Jahre), die zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wenn nicht mehr als zwei Jahre Freiheitsstrafe ausgesprochen wurden, sowie die Geldstrafen (geregelt in § 40 ff. StGB) vorgesehen. Keine Strafen im eigentlichen Sinne sind die Maßregeln der Besserung und Sicherung, die zum Schutz vor weiteren Straftaten auch im Falle von Schuldlosigkeit angeordnet werden können. (Ostendorf, S. 36f.) Grundlage für die jeweilige Zumessung der Strafe (geregelt in § 46 ff. StGB) ist die Schuld des Täters. Daneben sind die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, zu berücksichtigen. Zusätzlich sollen für und gegen den Täter sprechende Umstände, seine Beweggründe und Ziele, die Gesinnung, die aus der Tat spricht und der bei der Tat gezeigte Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sowie sein Verhalten nach der Tat (z.B. Reue, Bemühungen um Schadenswiedergutmachung) in eine Abwägung mit einbezogen werden. (vgl. Naucke, S. 200 f.) In Fällen, in denen die Folgen einer Tat den Täter selbst so schwer getroffen haben, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre, besteht für das Gericht die Möglichkeit eines Strafverzichts (§ 60 StGB), sofern die verwirkte Freiheitsstrafe nicht mehr als ein Jahr betragen hätte. (Ostendorf, S. 37.)


Straf(zweck)theorien

Von besonderer kriminologischer Relevanz ist die Frage nach dem Sinn und Zweck des Strafens. Seit Jahrhunderten wird nach einer Antwort gesucht, höchst umstritten bleiben die Überlegungen dazu jedoch bis heute. Im Folgenden seien kurz die Haupttendenzen der anhaltenden Diskussion aufgezeigt: Nach der absoluten Straftheorie kann Strafe nur um des reinen Strafens willen verhängt werden, sie erfolgt also zweckfrei. Ihr wichtigster Vertreter, Immanuel Kant (1724-1804), formulierte dies so: „Richterliche Strafe (...) muß jederzeit nur darum wider ihn (den Verbrecher) verhängt werden, weil er verbrochen hat.“ Nach dieser Auffassung bedeutet Strafe nicht mehr die Befriedigung persönlicher Rache- oder Genugtuungsbedürfnisse, sondern dient der Verwirklichung von Gerechtigkeit. Strafe muss allein zur Wiederherstellung des Rechts, zur Aufhebung der verbrecherischen Störung der Rechtsordnung verhängt werden, indem sie dem Gesetz Genugtuung verschafft. So meint auch Hegel, dass die Weltordnung als solche nach Strafe verlange, sie sei Vergeltung von Übel mit Übel. (vgl. bei Benda, S. 23 f., hier auch zur (verfassungsrechtlichen) Kritik an dieser Theorie; vgl. auch Schmidhäuser, S. 18 ff., ausführliche Kritik zu dieser Theorie S. 43 ff.; Kritik auch bei Meier, S. 20f.) Die relativen Straftheorien (wichtigste Vertreter: P.J.A. Feuerbach (1775-1833) und F. v. Liszt (1851-1919)) sehen dagegen die Strafe zweckgebunden, Strafe soll verhängt werden, um künftige Verbrechen zu verhindern. Hier werden verschiedene Konzepte unterschieden: Nach der positiven Generalprävention soll durch die Strafe das Vertrauen der Gesellschaft in die Rechtsordnung gestärkt werden, nach der negativen Generalprävention soll die Gesellschaft durch die Strafe vor der Begehung einer Tat abgeschreckt werden. Die für den jeweiligen Täter verhängte Strafe soll demnach der Allgemeinheit ins Bewusstsein rufen, welche Strafen folgen können. Die Spezialprävention hingegen stellt auf den Täter ab. Auch sie unterteilt sich wieder in eine positive Spezialprävention, wonach die Strafe zur Besserung des Täters und zu seiner Resozialisierung führen soll, und die negative Spezialprävention, welche die Allgemeinheit vor dem Täter schützen will, indem er durch die Strafe zumindest zeitweilig davon abgehalten werden soll, weitere Taten zu begehen (vgl. bei Benda, S. 25ff., hier auch zur (verfassungsrechtlichen) Kritik; vgl. Schmidhäuser, S. 24 ff., ausführliche Kritik zu diesen Theorien S. 53 ff.; Kritik auch bei Meier S. 23f. und 26f.). Nach heute herrschender Auffassung ist der straftheoretische Rigorismus Kants überwunden, Strafe darf kein Selbstzweck sein und findet ihre Legitimation in der Zweckhaftigkeit für die Zukunft (Vereinigungstheorie). Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21.06.1977 ist oberstes Ziel des Strafens „die Gesellschaft vor sozialschädlichem Verhalten zu bewahren und die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen.“ Welche Zwecke der Strafe innerhalb der Vereinigungstheorie vorherrschend sein sollen ist nach wie vor umstritten. Nach der erwähnten BVerfG-Entscheidung haben Strafrecht und Rechtsprechung der deutschen Gerichte weitgehend der Vereinigungstheorie zu folgen, welche „versucht, sämtliche Strafzwecke in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen. Dies hält sich im Rahmen der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zukommenden Gestaltungsfreiheit, einzelne Strafzwecke anzuerkennen, sie gegeneinander abzuwägen und miteinander abzustimmen. Es (das BVerfG) hat als allgemeine Aufgabe des Strafrechts bezeichnet, die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung des Täters, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht werden als Aspekte einer angemessenen Strafsanktion bezeichnet.“ (vgl. Meier, S. 33 f.; vgl. auch Schmidhäuser, S. 28)


Kriminologische Relevanz

Der Themenbereich Strafe ist Untersuchungsgegenstand der unterschiedlichsten Disziplinen. So befassen sich die Sozial-, die Rechts- und die Erziehungswissenschaften, die Theologie, die Psychologie und insbesondere die Philosophie mit Fragen nach Herkunft und Sinn und Zweck von Strafe, um nur einige der Disziplinen und Fragestellungen zu nennen. Kriminologie bezieht diese Disziplinen mit ein und fragt weiter, wie „sinnvoll“ die bestehenden Theorien vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse sind, sie forscht, kritisiert und zweifelt an, sucht Erklärungen und neue Wege für den Umgang mit abweichendem Verhalten. Die (sozialwissenschaftliche) Kriminologie beschäftigt sich mit der Strafe als der härtesten Reaktion (sie berührt in jedem Falle die Grundrechtssphäre - vgl. Benda, S. 17) die dem Staat für eine Kontrolle und Reglementierung abweichenden, bzw. unerwünschten Sozialverhaltens zur Verfügung steht, sowohl auf theoretischer Ebene durch Theorienbildung und –kritik, als auch durch empirische Forschung zur personalen und sozialen Wirklichkeit von Verbrechen und Strafe (vgl. Kerner in: Kleines Kriminologisches Wörterbuch, Stichwort „Sanktionen“, S. 439). Sie setzt sich intensiv mit den oben bereits erwähnten Strafzwecktheorien auseinander, viel mehr aber noch sucht sie durch qualitative und quantitative Forschungen nach empirischen Erkenntnissen zur Strafe, deren Sinngehalt, Effektivität und vor allem Folgen für Täter, Opfer und Gesellschaft. Sie sucht dabei diziplinübergreifend nach Ursprüngen und der Entwicklung von Kriminalität sowohl makro-, als auch mikroperspektivisch. Durch bisherige Untersuchungen wurde bereits belegt, dass die Verhängung von Strafe erhebliche negative Folgen für den Bestraften mit sich bringt (vgl. Müller-Dietz, S. 73ff., „Die Strafe in empirischer Sicht“; Naegeli, S. 35ff., „Die negativen Aspekte der Strafe“). „Dissozialisierung und Isolierung innerhalb der Gesellschaft lassen sich als Stereotypen sozialer Entfremdung nach der Entlassung ausmachen. (...) Finanzielle Lasten infolge von Tat und Strafverbüßung, Verlust des Arbeitsplatzes, Trennung von der Familie, u.U. sogar Scheidung der Ehe markieren die Stufenleiter möglicher Straffolgen.“ (Müller-Dietz, S. 96, mwN) Dies sind nur einige wenige der negativen Folgen, die eine Bestrafung nach sich ziehen kann. Vor diesem Hintergrund sollte man annehmen können, dass aber zumindest die Strafziele der Prävention (positive und negative General- und Spezialpräventionen) erreicht werden und dies empirisch nachgewiesen werden kann. Doch sogar die positiven Wirkungen und die Effektivität von verhängter Strafe im allgemeinen und den einzelnen Strafformen im Speziellen können auf Grundlage empirischer Forschungen stark bezweifelt werden. (Eine kurze Übersicht und Einführung in die kriminologische Sanktionsforschung mit Ergebnissen findet sich z.B. bei Meier, S. 27ff.) Zu befürchten sind durch die Strafe verstärkte negative Einstellungen des Bestraften zu Staat, Gesellschaft und Rechtsnormen durch Isolierung des Täters, seine Ausgrenzung aus der Gesellschaft, fehlende Aufarbeitung der Ursachen für das „abweichende Verhalten“, etc.. So kann z.B. auch der „Zerfall menschlicher Bindungen und Vereinsamung durch Freiheitsentzug (...) Ursache für das erneute Versagen des Verurteilten nach der Entlassung sein“ (Müller-Dietz, S. 96). V. d. Leye sieht die Ursache für eine nicht mögliche Besserung des Täters u.a. in der Gefängnisatmosphäre: „Von der Strafe selbst ist auch keine Besserung zu erwarten. Die Gefängnisatmosphäre bietet dafür in der Regel keine Gewähr.“ (v. d. Leye, S. 139) Auch eine Abschreckung durch Strafe konnte bisher nicht nachgewiesen werden - weder des Täters vor neuen Taten, noch der Allgemeinheit – (wenngleich dies in der Literatur strittig ist und solche „Präventionsaspekte“ allgemein noch am ehesten als Strafzweck anerkannt sind). Nicht einmal eine abschreckende Wirkung durch die Todesstrafe (z.B. USA) konnte durch empirische Untersuchungen bestätigt werden (Meier, S. 28). Teilweise wird die Strafe sogar als „Zufügung eines nichtfunktionalen Übels“ bezeichnet. (Scheerer zitiert nach Kunz, S. 75.; zur Wirkungslosigkeit von Strafe im Hinblick auf die in den Straftheorien unterstellten Präventivzwecke s. auch v. d. Leye, S. 138ff.; kritisch zur Erfüllung der „Aufgaben von Strafe“, Buchholz/Dähn, S. 32ff.) Die theoretischen und empirischen Untersuchungen, die zu diesen Ergebnissen und Stellungnahmen geführt haben, zeigen bereits einige Anknüpfungspunkte auf, in welcher Weise sich die Kriminologie mit dem Thema Strafe beschäftigt. Abschließend sei hier Günther Kaiser erwähnt, der zur kriminologischen Forschung im Zusammenhang mit Strafe folgendes schreibt: „Die Fortschritte in der pönologischen Forschung und der kriminologischen Wirkungsanalyse überhaupt haben uns mit reichen und vielfältigen Erkenntnissen versehen. In den zentralen Fragen freilich haben sie uns nicht sicherer werden lassen. Bereits seit Mitte der sechziger Jahre wird auf die begrenzten Sanktions- und Behandlungserfolge sowie unter dem Blickfeld der Effektivität auf den nachdenklich-melancholisch stimmenden Befund der weiten Austauschbarkeit von Kriminalsanktionen hingewiesen. Dieser Sachverhalt erlaubt allerdings unterschiedliche Folgerungen zu ziehen. Die mitunter erwogene Verwerfung des Resozialisierungsgedankens zugunsten gerechter Tatvergeltung erscheint keineswegs als alleinige denknotwendige Folgerung, ganz abgesehen von der unauflösbaren Schwierigkeit, nicht rational bestimmen zu können, was gerechte oder minimale Vergeltung sei. Ferner ist zu bedenken, dass es Strafe als einheitliche Erscheinung, losgelöst von Zeit und Raum, von Institution und sozialer Wirklichkeit, nicht gibt. Vielmehr ist sie in ein konkretes Umfeld, in soziale Beziehungen, bestimmte Situationen und Strafsysteme eingebunden. Daher eröffnet die Pönologie, die sich der Strafwirklichkeit zuwendet, neben der herkömmlichen Theorie der Strafe (...) einen weiteren Zugang zur Theorie der Verbrechenskontrolle. Es handelt sich hierbei um den empirisch einlösbaren Ansatz zu den Strafzwecken, insbesondere zu den messbaren Wirkungen, die sich mit Individual- und Generalprävention sowie ganz konkret mit den Erfolgen einzelner Kriminalsanktionen verknüpfen.“'' (Kaiser, S. 70f.)

Literatur

Benda, Ernst; Vom Sinn menschlichen Strafens, in: Gareis, Balthasar; Wiesnet, Eugen (Hrsg.), Hat Strafe Sinn?, Freiburg, Basel, Wien 1974, S. 16ff..

Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 21, 19. Aufl., Mannheim 1993.

Buchholz, Erich; Dähn, Ulrich; Strafe – wozu?, Berlin 1968.

Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 7. Aufl., dtv München 2004.

Kaiser, Günther; Kriminologie, 10. Aufl., Heidelberg 1997.

Kerner, Hans-Jürgen; Sanktionen, in: Kleines Kriminologisches Wörterbuch, 3. Aufl., Heidelberg 1993, S. 437ff..

Kindhäuser, Urs; Strafgesetzbuch Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2005.

Kunz, Karl-Ludwig; Muss Strafe wirklich sein? Einige Überlegungen zur Beantwortbarkeit der Frage und zu den Konsequenzen daraus, in: Radtke, Henning; Müller, Egon; Britz, Guido; Koriath, Heinz; Müller-Dietz, Heinz; Muss Strafe sein?, 1. Aufl., Baden-Baden 2004, S. 71ff..

Meier, Bernd-Dieter; Strafrechtliche Sanktionen, Berlin, Heidelberg 2001.

Müller-Dietz, Heinz; Strafbegriff und Strafrechtspflege, Berlin 1968.

Naegeli, Eduard; Aspekte des Strafens, in: Gareis, Balthasar; Wiesnet, Eugen (Hrsg.), Hat Strafe Sinn?, Freiburg, Basel, Wien 1974, S. 32ff..

Naucke, Wolfgang; Strafrecht – Eine Einführung, 7. Aufl., Neuwied, Kriftel, Berlin 1995.

Ostendorf, Heribert; Vom Sinn und Zweck des Strafens, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Informationen zur politischen Bildung, Kriminalität und Strafrecht, Heft 248, München 1999, S. 14ff..

Ostendorf, Heribert; Sanktionensystem, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Informationen zur politischen Bildung, Kriminalität und Strafrecht, Heft 248, München 1999, S. 34ff..

Schmidhäuser, Eberhard; Vom Sinn der Strafe, 2. Aufl., Göttingen 1971.

von der Leye, Ostman; Vom Wesen der Strafe - Studien zur Rechtsethik, Bonn 1959.