Stalking

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Etymologie

Stalking (engl. „to stalk“) ,

  1. stolzieren
  2. (Jagd) pirschen, sich heranpirschen an, sich anschleichen.

Der Ausdruck „Stalking“ entstammt der englischen Jagdsprache und kann mit „anschleichen“ oder „anpirschen“ übersetzt werden. Der Begriff meint ursprünglich das Anschleichen und Anpirschen eines Jägers an das Wild. Inzwischen bezeichnet der Begriff „Stalking“ fortgesetztes (zwanghaftes) Verfolgen, Belästigen und Terrorisieren eines Menschen. Diese (pathologische) Verhaltensweise zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers geschieht. In den USA wird der Begriff in diesem Zusammenhang seit den 80er Jahren angewandt, in der Bundesrepublik Deutschland seit einigen Jahren.

Definitionen

Verhaltensweisen die sich dadurch auszeichnen, dass sie auf die Beeinträchtigung des Verhaltens einer anderen Person abzielen, die von den Geschädigten als unerwünscht wahrgenommen werden und Angst, Sorge und Panik auslösen. Der Begriff Stalking beschreibt die wiederholte Belästigung und Verfolgung einer anderen Person über einen längeren Zeitraum hinweg. Typische Verhaltensweisen eines Stalkers sind z.B. ausdauernde Kontaktversuche via Telefon, Brief oder E-Mail, physisches Auflauern und Verfolgen. Darüber hinaus kann der Stalker sein Opfer auch durch Sachbeschädigungen, wie etwa das Demolieren des PKW, terrorisieren.
Die erste spezielle polizeiliche Arbeitsgruppe über Stalking überhaupt wurde 1990 beim Los Angeles Police Department installiert („Threat Management Unit“). Hintergrund waren Morde an der Schauspielerin Rebecca Schäfer, die von einem Fan ermordet wurde, der ihr im Vorfeld Fan-Briefe geschickt und Versuche unternommen hatte, an ihrem Arbeitsplatz mit ihr in Kontakt zu treten. Auch die Morde an vier nicht prominenten Frauen, die von ihren Ex-Partnern getötet wurden, führten zur Einrichtung dieser Arbeitsgruppe.
Am 1. Januar 1991 wurde Stalking in Kalifornien zum Straftatbestand erklärt. Zunächst bearbeitete die „Threat Management Unit“ Fälle von Hollywood-Stars, es stellte sich aber rasch heraus, dass Stalking ein Problem ist, das vor allem auch Normalbürger betraf. Bei den ca. 200 betreuten Fällen jährlich handelt es sich mittlerweile nur noch bei weniger als einem Drittel um Prominenten-Stalking. Seit 1992 wurden in allen Bundesstaaten der USA Anti-Stalking Gesetze eingeführt.
Stalking ist in Deutschland ein relativ neuer Begriff, der allerdings zunehmend in den polizeilichen Alltag rückt. So hat die wissenschaftliche Erforschung von Stalking in der Bundesrepublik erst vor kurzem begonnen. Ein Fall von Prominenten-Stalking machte 1993 in Deutschland Schlagzeilen: die Tennisspielerin Monica Seles wurde von einem Mann mit einem Messer attackiert, der über Jahre die Seles-Konkurrentin Steffi Graf verehrt hatte. Sein Ziel war es, Monica Seles als Widersacherin von Steffi Graf auszuschalten, um dieser wieder an die Spitze der Tennis-Weltrangliste zu verhelfen. Doch auch innerhalb nicht prominenter Kreise kam es in der Vergangenheit zu derartigen Vorkommnissen: Der 36-Jährige Sven B. erschoss in Hamburg-Wilhelmsburg im August 2000 seine ehemalige Lebensgefährtin und zwei ihrer Kinder. Der Tat waren monatelenge Belästigungen und Bedrohungen vorausgegangen. B. hatte seinem Opfer Tag und Nacht aufgelauert, per SMS Liebesschwüre geschickt oder drohende Symbole an der Windschutzscheibe ihres Autos befestigt. Die Frau wandte sich zwar an die Polizei, erhielt jedoch keine wirksame Unterstützung.
In jüngster Vergangenheit gelangte in Deutschland auch der Fall der Sängerin Jeanette Biedermann in die Schlagzeilen. Ein 44-Jähriger hatte ihr über einen langen Zeitraum nachgestellt. Er war der Vorstellung verfallen, die 23-Jährige teile seine Zuneigung, sei jedoch nicht in der Lage, dies öffentlich zu machen. So war er beispielsweise davon überzeugt, sie habe ihm anonym über das Fernsehen Botschaften zukommen lassen oder ihm sehnsüchtige Blicke während ihrer Konzerte zugeworfen. Schließlich drang er im Dezember 2003 in die Wohnung seines Opfers ein, schlief im Bett der Sängerin. Im Rahmen einer Hauptverhandlung im November 2004 wurde der Täter zu einer Geldstrafe wegen Hausfriedensbruch und Diebstahl verurteilt. Das Gericht erklärte, er sei von einem Wahn getrieben und vermindert schuldfähig. Diese fortwährende, teilweise jahrelang andauernden Belästigungen und Bedrohungen zählen zu den typischen Verhaltensweisen des Stalking. Im einzelnen können hierzu auch das Stehlen und Lesen von Post, das Ausfragen von Nachbarn oder das unerwünschte Bestellen bei Versandhäusern im Namen der Opfer zählen. Jedoch auch explizite Beschimpfungen und Gewaltandrohungen, bis hin zu tatsächlichen körperlichen und sexuellen Übergriffen gehören zu kennzeichnenden Handlungsweisen. In 20% der Stalking-Fälle kommt es zu faktischer körperlicher Gewaltanwendung, jeder vierhundertste Fall endet mit der Tötung des Opfers. Eine australische Forschungsgruppe um Paul Mullen unterscheidet hinsichtlich der Motivation der Täter fünf Typen:

  1. „Rejected stalker“- zurückgewiesene Typen - verfolgen meistens einen ehemaligen Partner (auch nach kurzen Beziehungen), um die Beziehung wieder herzustellen und/oder sich zu rächen. Sie möchten durch das Stalking Kontakt zum Opfer herstellen oder erhalten, auch wenn sie dadurch das Opfer quälen.
  2. „Resentful stalker“ - ärgerlich/wütende Typen – möchten durch ihre Stalking-Aktivitäten dem Opfer Angst und Qual zufügen, geleitet von dem Wunsch nach Vergeltung. Die Stalker glauben von der betroffenen Person, dass sie selbst oder als Repräsentant einer Gruppe ihnen Unrecht zugefügt hätten. Die Macht und Kontrolle, die durch die Belästigung der Opfer erreicht wird, befriedigt die Täter. Sie fühlen sich in ihrem Tun gerechtfertigt, sehen sich selbst als Opfer, die gegen eine überwältigende Ungerechtigkeit kämpfen.
  3. „Predatory Stalker“ – räuberisch/habgierige Typen – sind fast immer männlich. Ihre Stalking-Verhaltensweisen dienen der Vorbereitung eines meist sexuellen Angriffs. Die Opfer können Männer wie Frauen, Erwachsene wie Kinder sein. Das Stalking wird zu einer Kombination des Sammelns von Informationen, des Durchspielens der Möglichkeiten der Tat, der Belästigung durch ununterbrochene Beobachtung und der Ausübung von Macht. Die Stalker habe keine Absicht, das Opfer vorab zu stören und so vor der fantasierten oder geplanten Attacke zu alarmieren. Diese Gruppe von Tätern ist sehr klein.
  4. „Intimicy seekers“ – Typen, die Intimität begehren – wollen eine Beziehung mit ihrem „Traumpartner“ oder dem Menschen, von dem sie glauben, dass er sie bereits liebe, realisieren. Sie beharren auf ihren Annäherungen und Kontaktgesuchen, ungeachtet negativer Resonanz. Viele dieser Stalker fallen in das Krankheitsbild der Erotomanie (Liebeswahn). Gerichtliche Sanktionen helfen hier nicht. Es könnte sogar sein, dass ein Stalker dieser Gruppe stolz darauf wäre, dass sich seine Liebe nicht einmal durch einen Gefängnisaufenthalt unterbinden lasse.
  5. „Incompetent suitors“ – inkompetente Verehrer – drängen sich einer Person ihres Interesses geradezu auf. Sie glauben, einen berechtigten Anspruch an ihr zu haben. Viele dieser Täter reagieren schnell auf gerichtliche Sanktionen. Sie suchen sich jedoch auch häufig neue Zielobjekte.

Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit benutzt?

Wie schon der Etymologie zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem Begriff um einen Ausdruck aus der Jagdsprache. Somit ergibt sich eine Verwendung in der Vergangenheit auch lediglich in diesem Bereich, bis es zur Anwendung für das dargestellte Phänomen kam. Allerdings wurden ähnliche Verhaltensmuster bereits vor mehr als 100 Jahren in der psychiatrischen Literatur beschrieben. Diese Verhaltensmuster zeigten meist Frauen, die die wahnhafte Überzeugung entwickelt hatten, eine andere Person, meist ein sozial höher gestellter Mann, liebte sie. Im Rahmen eines solchen Liebeswahns (Erotomanie) konnten solche Personen dann auch ihren vermeintlichen Liebhaber belästigen, bedrohen oder sogar körperlich attackieren, d.h. sie konnten ein typisches Stalking-Verhalten entwickeln. Dieses Syndrom wurde bereits1927 von dem französischen Psychiater Gatian de Clerambault beschrieben (daher auch de Clerambault-Syndrom).

Zusammenhänge mit anderen Begriffen

Aufenthaltsverbot: Das Aufenthaltsverbot verbietet dem Adressaten, für einen festgelegten Zeitraum, einen genau bezeichneten örtlichen Bereich aufzusuchen (dauerhafter Platzverweis), sich darin aufzuhalten oder sich darin zu bewegen ( Betretungsverbot)
Cyber-Stalking: Eine in neuerer Zeit aufgetretene Sonderform des Stalkings, bei welcher das Internet zur systematischen Belästigung nutzbar gemacht wird. Dem Täter gelingt es in vielen Fällen, anonym zu bleiben. Das Opfer wird mit E-Mails überflutet oder ihm werden Computerviren zugespielt.
Erotomanie w. (gr.): Auch Clerambault - Syndrom, Liebeswahn, die Betroffenen sind überzeugt davon, dass eine andere Person in sie verliebt ist. Der Liebeswahn kann auf eine vorgesetzte Person, eine Person des öffentlichen Lebens oder eine ganz fremde Person gerichtet sein. Der Begriff findet sich bereits in der römischen Literatur, wo er aber als moralisch abzuwertende, unersättlicher sexuelle Begierde galt. Im 18. Jahrhundert wurde das Verhaltensmuster als krankhafte Liebe erkannt.
Gewaltschutzgesetz: Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zu Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennungen. Der Bundestag hat am 11. Dezember 2001 dieses Gesetz beschlossen, es trat am 1. Januar 2002 in Kraft.
Platzverweis: Gebot, einen bestimmten Ort vorübergehend zu verlassen (Entfernungsverbot) oder nicht zu betreten (Betretungsverbot). Gewahrsam zur Durchsetzung des Platzverweises ist in der Mehrzahl der Polizeigesetze möglich.
Risikoanalyse: Da es sich bei dem Phänomen Stalking um individuelle Vorgänge handelt, ist auch eine Einzelfallprognose notwendig, dennoch existieren grundlegende Verhaltensempfehlungen. Eine individuelle Gefahreneinschatzung kann durch eine systematische Betrachtung der unterschiedlichen Aspekte eines Stalking-Falles, also der Betrachtung des Opfers, des Täterverhaltens, der Situation und der Dynamik gewonnen werden. So kann eine Grundlage für Handlungsstrategien des Opfers geschaffen werden. Sie dienen ebenso dem Schutz des Opfers wie auch dessen psychischer Entlastung. Stalkingforschung: Arbeitsgruppe am Institut für Psychologie der Technischen Universität Darmstadt
Wegweisung: Die Freie und Hansestadt Hamburg hat das „Gesetz zum Schutz de öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (SOG) in § 12a Abs. 2 dahingehend geändert, dass bereits der Polizei bei Vorliegen einer dringenden Gefahr für Leib oder Leben des Opfers häuslicher Gewalt ermöglicht wird, die gewalttätige Person für 10 Tage aus der Wohnung zu verweisen (Wegweisungsrecht). Für die Fälle, in denen das Zivilgericht innerhalb dieser Frist nicht zu einer Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz gelangt, wird eine zusätzliche Frist von maximal 10 weiteren Tagen geschaffen, die mit Antragstellung beim Familiengericht beginnt. So ist der Polizei in Hamburg ein Instrument in die Hand gegeben.

Erscheinungsformen und Häufigkeit

Einer amerikanischen Studie zur Folge sind die Mehrzahl der Täter Männer, in der Bundesrepublik Deutschland wird der Tatbestand des Stalkings, im Gegensatz z.B. zu den USA oder Großbritannien, bisher statistisch nicht erfasst. Man ist daher auf Schätzungen angewiesen, was das Vorkommen dieses Phänomens in der Bundesrepublik Deutschland betrifft. Im Rahmen einer Telefonbefragung in den USA, bei der 8000 Frauen und 8000 Männer interviewt wurden, kam man zu dem Ergebnis, dass 8,1 % aller Frauen und 2,2% aller Männer zum Zeitpunkt der Befragung bereits in ihrem Leben einmal „gestalkt“ worden waren. Der Großteil der Geschädigten war zwischen 18 und 39 Jahren alt, vier von fünf Stalking –Opfern waren weiblich, 87 der identifizierten Täter waren männlich. Zu einer direkten Bedrohung der Opfer kam es bei etwa 50% der Betroffenen. Vier Fünftel der weiblichen Opfer wurden körperlich angegriffen, 31 % wurden sexuell attackiert. Klar ist, dass die Verbreitung von Stalking auch in der Bundesrepublik zunimmt.

Interventionsmöglichkeiten: Recht und Rechtswirklichkeit

Der Rechtsschutz gegen Stalker wurde allmählich verbessert. Vor dem Inkrafttreten spezieller Bestimmung konnten sich Verfolgte beim Amtsgericht um eine 'normale' Einstweilige Verfügung bemühen. Das taten sie aber nicht häufig. Zwar konnte man den Tätern verbieten, sich dem Opfer zu nähern. Doch wenn sich die Stalker nicht daran hielten, war das nur eine Ordnungswidrigkeit. Die Polizei sprach eine Wegweisung aus und bei deren Missachtung gab es eine Geldstrafe. Das beeindruckte die Täter oft nicht sehr stark.

Seit dem 1.1.2002 gibt es die Möglichkeit einer "Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz" (= Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie der Überlassung der Ehewohnung bei Trennungen; ""GewSchG""). Ein Verstoß gegen diese spezielle Verfügung wurde zur Straftat. Dies wiederum ermöglicht der Polizei ein härteres Vorgehen - insbesondere die Verhängung von Untersuchungshaft mit dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr gegenüber hartnäckigen Tätern.

Zudem ist Stalking als "Unbefugtes Nachstellen" seit dem 31.3.2007 ein Straftatbestand (§ 238 StGB), der Stalking - etwa in der Form des Herumlungerns vor der Wohnung des Opfers, von SMS-Sendungen oder Anrufen - mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Bringt der Täter das Opfer in Lebensgefahr, droht das Gesetz drei Monate bis fünf Jahre Haft an. Verursacht der Täter den Tod des Opfers - wenn z.B. das Opfer flieht und dabei vor ein Auto läuft - beträgt die Strafandrohung ein bis zehn Jahre Freiheitsentzug.

Nach den Polizeigesetzen der Länder sind Platzverweise möglich, um StalkerInnen z.B. an fortwährendem Aufenthalt vor der Wohnung der beschwerdeführenden Person zu hindern. Als erste Polizei in Deutschland begann die Bremer Polizei 2001 ein Stalking-Projekt. Das Projekt sah eine Sonderkennzeichnung aller Stalking-Fälle vor. Es wurden fünf Stalking-Beauftragte der Polizei benannt. Bei der Staatsanwaltschaft wurde eine Sonderzuständigkeit „Stalking“ installiert. Diesem Projekt liegen „Handlungshinweise für polizeiliche Maßnahmen in Fällen von Stalking“ zu Grunde. Auch die Hamburger Polizei bemüht sich. Über dies hinaus ist auch Folgendes durchführbar: stellt der Täter für sich oder andere eine Gefahr dar, ist eine Unterbringung nach dem ""PsychKG"" möglich. Dieser Schritt kann jedoch nur von vorübergehender Dauer angewandt werden und ist in der Praxis bislang selten.

Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen Stalker (oder sogar gegen deren Arbeitgeber) können nach § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) begründet sein. Danach ist, wer "in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt", diesem zum Ersatz des Schadens verpflichtet (vgl. Keiser 2007).


Kriminologische Relevanz

Die kriminologische Relevanz der Thematik ergibt sich zu einen daraus, dass das Phänomen auf bundesdeutscher Ebene wenig erforscht ist, zum anderen aus der Tatsache, dass sich die angezeigten Fälle häufen. Die Verbreitung von Stalking in der Bevölkerung steigt und das Thema gewinnt an Brisanz, auch in den Medien. Projekte wie das der TU Darmstadt oder der Bremer Polizei machen deutlich, dass Handlungsbedarf besteht, und zwar auch in kriminologischer Sicht.


Erklärungsmodelle

Es sind zwar noch keine gesicherten ‚Theorien des Stalkings’ vorhanden, dennoch gehen Experten davon aus, dass viele unterschiedliche Einflussfaktoren dieses Verhalten begünstigen. Besonders wichtig sind dabei folgende Faktoren:

Technische Entwicklung

Durch technologische Modernisierung und Entwicklung von neuen Kommunikationsmitteln wird das Stalkingverhalten begünstigt. Handy, Fax und E-Mails geben dem Täter effektive Möglichkeiten, schnellen Kontakt zu seinem Opfer herzustellen, ohne dabei selbst in Erscheinung zu treten. Das Internet hilft dem Täter, an wichtige Informationen zu gelangen und gleichzeitig anonym zu operieren. Eine verbesserte Infrastruktur und die größere Mobilität der Gesellschaft erleichtern es einem Stalker, sein Opfer uneingeschränkt verfolgen zu können.

Enttraditionalisierung

Enttraditionalisierung meint den Verlust von unstrittig akzeptierten Lebenskonzepten, übernehmbaren Identitätsmustern und normativen Koordinaten in der westlichen Gesellschaft. Damit der Mensch in einem Umfeld der Orientierungslosigkeit sein Leben zur eigenen Zufriedenheit gestalten kann, muss er über gut funktionierende soziale Netzwerke verfügen. Damit diese erreicht werden können, benötigt er zentrale Fähigkeiten („soziale Beziehungsfähigkeit“, „kommunikative Kompetenzen“). Ob diese Fähigkeiten ausreichend bei einer Person vorhanden sind, bemisst sich an dem Kriterium der Anerkennung durch das Umfeld. Es ist davon auszugehen, dass Stalker zu denjenigen Menschen gehören, die nicht über diese Qualifikationen und Ressourcen verfügen, deren Identitätsarbeit fehlerhaft verlaufen ist und die deswegen ihren Wunsch nach sozialen Beziehungen und Kontakten durch anderes, auffälliges Verhalten zu erreichen versuchen. Wissenschaftlich erwiesen ist bislang nicht, ob ein chronisches Versagen in sozialen und sexuellen Beziehungen im frühen Erwachsenenalter eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen von Stalking ist. (weiterführende Literatur zu Enttraditionalisierung / Individualisierung u.a. Ulrich Beck, Georg Simmel)

Entritualisierung

Unter Ritualen versteht man standardisierte, immer in ähnlicher Form ablaufende, soziale Verhaltensweisen. Sie sind kollektiv formulierte Bewältigungsmechanismen für Bedrohliches oder Unbekanntes. Fallen sie weg oder verändern sie sich zu sehr, entsteht beim Mensch Unsicherheit und Desorientierung (Ritualunsicherheit). Stalking scheint mit diesem Entritualisierungsprozess verbunden zu sein. Insbesondere die Rituale zum Knüpfen von zwischenmenschlichen Kontakten, Partnerwahl und zum Werben für das andere Geschlecht haben sich stark verändert. Auf Grund dieser starken Verunsicherung kann es dazu kommen, dass geschlechtsspezifische Hemmschwellen wegfallen und sich so eine Stalkerpersönlichkeit herauskristallisiert. Stalker sind Personen, die das Wechselspiel der taktvollen, erotischen Beziehungsaufnahme nur beschränkt beherrschen.

Bindungstheorie

Die Bindungstheorie beschreibt die außerordentliche Wichtigkeit des emotionalen Verhältnisses, das zwischen einem Säugling/Kind und dessen primärer Bezugsperson herrscht. Eine stabile und liebevolle Bindung zu einer Person ist für das Kind wesens- und handlungsbestimmend im Hinblick auf eine ‚gesunde’ emotionale, soziale Entwicklung und für die spätere eigene Bindungsfähigkeit und – qualität. Bekommt ein Kind nicht die nötige Sicherheit und Stabilität, kann dies zu emotionalen Fehlbildungen führen. Man geht davon aus, dass Stalker in diesem Lebensabschnitt, in dem die Bindungs- und Beziehungsfähigkeit erlernt wird, negative Erfahrungen gemacht haben. Über die Hälfte der Stalker weisen starke Bindungsproblematiken auf. Der Stalker ist auf der Suche nach einer festen Bindung, bei der er immer wieder versucht, einer Elternfigur ähnlichen Person nahe zu kommen und gleichzeitig Abstand hält aus Angst vor Zurückweisung und Enttäuschung. Diese Theorie erklärt, warum Stalking in vielen Fällen zu einer gewalttätigen Eskalation führt. Die negativen Gefühle der Trauer, Wut und Angst, die ein Stalker durch die gestörte Bindung seit seiner Kindheit verinnerlicht hat, brechen bei dem geringsten Gefühl der Zurückweisung massiv aus.

Psychodynamische Theorie

Bei der psychodynamischen Theorie (entwickelt von Meloy) handelt es sich um ein Modell, das in sechs Stufen die psychischen Beweggründe und das innere Erleben des Stalkers beschreibt und dadurch die Folgeaspekte der Verfolgung und Belästigung zu erklären versucht. Die sechs Stufen sind: narzisstische Vereinigung, Umsetzung der Fantasie in die Tat, narzisstische Wut, Ausleben der Wut, wiederholtes Idealisieren des Opfers. Besonders gefährlich, sieht Meloy, bei einer Stalkinghandlung den extremen Realitätsverlust beim Täter.

Psychopathologie

Eine weitere Ursache, für die Erklärung von Stalking, sind psychiatrische Grunderkrankungen beim Täter. Neben den beim Stalker vermehrt vorkommenden Krankheitsbildern, narzisstische Persönlichkeits- und Borderlinestörung, sind andere Störungen wie Psychosen, Neurosen oder Depressionen nicht auszuschließen.


Literaturhinweise

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  • Hoffmann, J.: „Polizeiliche Prävention und Krisenmanagement“ in Kriminalistik 12/2003, S.726-731
  • Keiser, Th.: ... Stalking ... Neue Juristische Wochenschrift 60. Jg., H. 47/2007, S.
  • Knecht, T. : “Stalking” in Kriminalistik 6/2003, S. 364-368
  • Meloy, J., Reid., The psychology of stalking, clinical and forensic perspectives. San Diego. Acad. Press (1998)
  • Meloy, J.R., Rivers, L., A Replication Study of Obsessional Followers and Offenders with Mental Disorders, Journal of Forensic Sciences, 2000, 45
  • Mullen, P.E., Pathe, M., Purcell, R., Stuart, G.W., Astudy of stalkers, American Journal of Psychiatry, 1999, 156
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  • von Pechstaedt, V.: “Stalking und das deutsche Recht” in Polizei und Wissenschaft 4/2002, S. 45-52
  • Ritter-Witsch, S.: „Liebesterror im Vorfeld von Kapitaldelikten“ in Hamburger Polizeijournal 12/2002, S. 4-6
  • Voß,W. und Hoffmann, J.: „ Zur Phänomenologie und Psychologie des Stalkings“ in Polizei und Wissenschaft 4/2002, S. 4-14
  • Voß, H-G., Stalking in einer Normalpopulation. Polizei & Wissenschaft 04. Frankfurt. S. 60 -72 (2002)
  • Zimbardo, P.: „Wahnhafte Störungen“ in Psychologie, 5. Auflage, Springer Verlag 1992, S. 518-520
  • Zona, M.A., Sharma, K.K., Lane, J.C., A comparative study of erotomanic and obsessional subjects in a forensic sample, Journal of Forensic Sciences, 1993, 38

Weiterführende Literatur

  • Schuhmacher, S. : "Liebeswahn-geliebt, verfolgt, gehetzt", Verlagsgesellschaft Köln, 2000
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