Stalking: Unterschied zwischen den Versionen

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'''von Bärbel Bongartz und Daniela Wagner'''
====Etymologie====
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====Definitionen====
====Definitionen====
erhaltensweisen die sich dadurch auszeichnen, dass sie auf die Beeinträchtigung des Verhaltens einer anderen Person abzielen, die von den Geschädigten als unerwünscht wahrgenommen werden und Angst, Sorge und Panik auslösen. Der Begriff Stalking beschreibt die wiederholte Belästigung und Verfolgung einer anderen Person über einen längeren Zeitraum hinweg. Typische Verhaltensweisen eines Stalkers sind z.B. ausdauernde Kontaktversuche via Telefon, Brief oder E-Mail, physisches Auflauern und Verfolgen. Darüber hinaus kann der Stalker sein Opfer auch durch Sachbeschädigungen, wie etwa das Demolieren des PKW, terrorisieren.<br>
Verhaltensweisen die sich dadurch auszeichnen, dass sie auf die Beeinträchtigung des Verhaltens einer anderen Person abzielen, die von den Geschädigten als unerwünscht wahrgenommen werden und Angst, Sorge und Panik auslösen. Der Begriff Stalking beschreibt die wiederholte Belästigung und Verfolgung einer anderen Person über einen längeren Zeitraum hinweg. Typische Verhaltensweisen eines Stalkers sind z.B. ausdauernde Kontaktversuche via Telefon, Brief oder E-Mail, physisches Auflauern und Verfolgen. Darüber hinaus kann der Stalker sein Opfer auch durch Sachbeschädigungen, wie etwa das Demolieren des PKW, terrorisieren.<br>
Die erste spezielle polizeiliche Arbeitsgruppe über Stalking überhaupt wurde 1990 beim Los Angeles Police Department installiert („Threat Management Unit“). Hintergrund waren Morde an der Schauspielerin Rebecca Schäfer, die von einem Fan ermordet wurde, der ihr im Vorfeld Fan-Briefe geschickt und Versuche unternommen hatte, an ihrem Arbeitsplatz mit ihr in Kontakt zu treten. Auch die Morde an vier nicht prominenten Frauen, die von ihren Ex-Partnern getötet wurden, führten zur Einrichtung dieser Arbeitsgruppe.<br>
Die erste spezielle polizeiliche Arbeitsgruppe über Stalking überhaupt wurde 1990 beim Los Angeles Police Department installiert („Threat Management Unit“). Hintergrund waren Morde an der Schauspielerin Rebecca Schäfer, die von einem Fan ermordet wurde, der ihr im Vorfeld Fan-Briefe geschickt und Versuche unternommen hatte, an ihrem Arbeitsplatz mit ihr in Kontakt zu treten. Auch die Morde an vier nicht prominenten Frauen, die von ihren Ex-Partnern getötet wurden, führten zur Einrichtung dieser Arbeitsgruppe.<br>
Am 1. Januar 1991 wurde Stalking in Kalifornien zum Straftatbestand erklärt. Zunächst bearbeitete die „Threat Management Unit“ Fälle von Hollywood-Stars, es stellte sich aber rasch heraus, dass Stalking ein Problem ist, das vor allem auch Normalbürger betraf. Bei den ca. 200 betreuten Fällen jährlich handelt es sich mittlerweile nur noch bei weniger als einem Drittel um Prominenten-Stalking. Seit 1992 wurden in allen Bundesstaaten der USA Anti-Stalking Gesetze eingeführt.<br>
Am 1. Januar 1991 wurde Stalking in Kalifornien zum Straftatbestand erklärt. Zunächst bearbeitete die „Threat Management Unit“ Fälle von Hollywood-Stars, es stellte sich aber rasch heraus, dass Stalking ein Problem ist, das vor allem auch Normalbürger betraf. Bei den ca. 200 betreuten Fällen jährlich handelt es sich mittlerweile nur noch bei weniger als einem Drittel um Prominenten-Stalking. Seit 1992 wurden in allen Bundesstaaten der USA Anti-Stalking Gesetze eingeführt.<br>
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Wegweisung:  Die Freie und Hansestadt Hamburg hat das „Gesetz zum Schutz de öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (SOG) in § 12a Abs. 2 dahingehend geändert, dass bereits der Polizei bei Vorliegen einer dringenden Gefahr für Leib oder Leben des Opfers häuslicher Gewalt ermöglicht wird, die gewalttätige Person für 10 Tage aus der Wohnung zu verweisen (Wegweisungsrecht). Für die Fälle, in denen das Zivilgericht innerhalb dieser Frist nicht zu einer Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz gelangt, wird eine zusätzliche Frist von maximal 10 weiteren Tagen geschaffen, die mit Antragstellung beim Familiengericht beginnt. So ist der Polizei in Hamburg ein Instrument in die Hand gegeben.
Wegweisung:  Die Freie und Hansestadt Hamburg hat das „Gesetz zum Schutz de öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (SOG) in § 12a Abs. 2 dahingehend geändert, dass bereits der Polizei bei Vorliegen einer dringenden Gefahr für Leib oder Leben des Opfers häuslicher Gewalt ermöglicht wird, die gewalttätige Person für 10 Tage aus der Wohnung zu verweisen (Wegweisungsrecht). Für die Fälle, in denen das Zivilgericht innerhalb dieser Frist nicht zu einer Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz gelangt, wird eine zusätzliche Frist von maximal 10 weiteren Tagen geschaffen, die mit Antragstellung beim Familiengericht beginnt. So ist der Polizei in Hamburg ein Instrument in die Hand gegeben.


====Zusammenhänge in der materiellen Realität====
==== Erscheinungsformen und Häufigkeit ====
 
Einer amerikanischen Studie zur Folge sind die Mehrzahl der Täter Männer, in der Bundesrepublik Deutschland wird der Tatbestand des Stalkings, im Gegensatz z.B. zu den USA oder Großbritannien, bisher statistisch nicht erfasst. Man ist daher auf Schätzungen angewiesen, was das Vorkommen dieses Phänomens in der Bundesrepublik Deutschland betrifft. Im Rahmen einer Telefonbefragung in den USA, bei der 8000 Frauen und 8000 Männer interviewt wurden, kam man zu dem Ergebnis, dass 8,1 % aller Frauen und 2,2% aller Männer zum Zeitpunkt der Befragung bereits in ihrem Leben einmal „gestalkt“ worden waren. Der Großteil der Geschädigten war zwischen 18 und 39 Jahren alt, vier von fünf Stalking –Opfern waren weiblich, 87 der identifizierten Täter waren männlich. Zu einer direkten Bedrohung der Opfer kam es bei etwa 50% der Betroffenen. Vier Fünftel der weiblichen Opfer wurden körperlich angegriffen, 31 % wurden sexuell attackiert. Klar ist, dass die Verbreitung von Stalking auch in der Bundesrepublik zunimmt.
 
==== Interventionsmöglichkeiten: Recht und Rechtswirklichkeit ====
 
Der Rechtsschutz gegen Stalker wurde allmählich verbessert. Vor dem Inkrafttreten spezieller Bestimmung konnten sich Verfolgte beim Amtsgericht um eine 'normale' Einstweilige Verfügung bemühen. Das taten sie aber nicht häufig. Zwar konnte man den Tätern verbieten, sich dem Opfer zu nähern. Doch wenn sich die Stalker nicht daran hielten, war das nur eine Ordnungswidrigkeit. Die Polizei sprach eine Wegweisung aus und bei deren Missachtung gab es eine Geldstrafe. Das beeindruckte die Täter oft nicht sehr stark.
 
Seit dem 1.1.2002 gibt es die Möglichkeit einer "Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz" (= Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie der Überlassung der Ehewohnung bei Trennungen; ""GewSchG""). Ein Verstoß gegen diese spezielle Verfügung wurde zur Straftat. Dies wiederum ermöglicht der Polizei ein härteres Vorgehen - insbesondere die Verhängung von Untersuchungshaft mit dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr gegenüber hartnäckigen Tätern.
 
Zudem ist Stalking als "Unbefugtes Nachstellen" seit dem 31.3.2007 ein Straftatbestand (§ 238 StGB), der Stalking - etwa in der Form des Herumlungerns vor der Wohnung des Opfers, von SMS-Sendungen oder Anrufen - mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Bringt der Täter das Opfer in Lebensgefahr, droht das Gesetz drei Monate bis fünf Jahre Haft an. Verursacht der Täter den Tod des Opfers - wenn z.B. das Opfer flieht und dabei vor ein Auto läuft - beträgt die Strafandrohung ein bis zehn Jahre Freiheitsentzug.
 
Nach den Polizeigesetzen der Länder sind Platzverweise möglich, um StalkerInnen z.B. an fortwährendem Aufenthalt vor der Wohnung der beschwerdeführenden Person zu hindern. Als erste Polizei in Deutschland begann die Bremer Polizei 2001 ein Stalking-Projekt. Das Projekt sah eine Sonderkennzeichnung aller Stalking-Fälle vor. Es wurden fünf Stalking-Beauftragte der Polizei benannt. Bei der Staatsanwaltschaft wurde eine Sonderzuständigkeit „Stalking“ installiert. Diesem Projekt liegen „Handlungshinweise für polizeiliche Maßnahmen in Fällen von Stalking“ zu Grunde. Auch die Hamburger Polizei bemüht sich. Über dies hinaus ist auch Folgendes durchführbar: stellt der Täter für sich oder andere eine Gefahr dar, ist eine Unterbringung nach dem ""PsychKG"" möglich. Dieser Schritt kann jedoch nur von vorübergehender Dauer angewandt werden und ist in der Praxis bislang selten.
 
Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen Stalker (oder sogar gegen deren Arbeitgeber) können nach § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) begründet sein. Danach ist, wer "in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt", diesem zum Ersatz des Schadens verpflichtet (vgl. Keiser 2007).


Einer amerikanischen Studie zur Folge sind die Mehrzahl der Täter Männer, in der Bundesrepublik Deutschland wird der Tatbestand des Stalkings, im Gegensatz z.B. zu den USA oder Großbritannien, bisher statistisch nicht erfasst. Man ist daher auf Schätzungen angewiesen, was das Vorkommen dieses Phänomens in der Bundesrepublik Deutschland betrifft. Im Rahmen einer Telefonbefragung in den USA, bei der 8000 Frauen und 8000 Männer interviewt wurden, kam man zu dem Ergebnis, dass 8,1 % aller Frauen und 2,2% aller Männer zum Zeitpunkt der Befragung bereits in ihrem Leben einmal „gestalkt“ worden waren. Der Großteil der Geschädigten war zwischen 18 und 39 Jahren alt, vier von fünf Stalking –Opfern waren weiblich, 87 der identifizierten Täter waren männlich. Zu einer direkten Bedrohung der Opfer kam es bei etwa 50% der Betroffenen. Vier Fünftel der weiblichen Opfer wurden körperlich angegriffen, 31 % wurden sexuell attackiert. Klar ist, dass die Verbreitung von Stalking auch in der Bundesrepublik zunimmt. Wegen der gravierenden Konsequenzen für die Opfer, Handlungsbedarf dringend angezeigt. Problematisch ist, dass es in Deutschland keinen Stalking-Straftatbestand gibt. Interventionsmöglichkeiten bestehen dennoch in strafrechtlicher, zivilrechtlicher und polizeirechtlicher Hinsicht. So trat am 1.1.2002 das Gewaltschutzgesetz ( Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie der Überlassung der Ehewohnung bei Trennungen, ""GewSchG"") in Kraft. Danach besteht die Möglichkeit, dass ein Zivilgericht in Fällen der unzumutbaren Belästigung zivilrechtliche Maßnahmen zum Opferschutz anordnen kann, so kann z.B. gerichtlich untersagt werden, sich dem Opfer zu nähern. Bei Zuwiderhandlungen drohen Geld - oder Freiheitsstrafe. Nach den Polizeigesetzen der Länder sind Platzverweise möglich, um den Stalker z.B. an fortwährendem Aufenthalt vor der Wohnung des Opfers zu hindern. Derzeit verfährt die Polizei in Bremen, bundesweit einzig, gesondert mit Stalking-Fällen. Im Januar 2001 wurde das so genannte „Stalking-Projekt“ ins Leben gerufen, das u.a. eine Sonderkennzeichnung aller Stalking-Fälle beinhaltet. Darüber hinaus wurden fünf Stalking-Beauftragte der Polizei benannt. Bei der Staatsanwaltschaft wurde eine Sonderzuständigkeit „Stalking“ installiert. Diesem Projekt liegen „Handlungshinweise für polizeiliche Maßnahmen in Fällen von Stalking“ zu Grunde. Auch die Hamburger Polizei bemüht sich derzeit konkret, sich dem Phänomen angemessen aus polizeilicher Sicht zu nähern. Über dies hinaus ist auch Folgendes durchführbar: stellt der Täter für sich oder andere eine Gefahr dar, ist eine Unterbringung nach dem ""PsychKG"" möglich. Dieser Schritt kann jedoch nur von vorübergehender Dauer angewandt werden und ist in der Praxis bislang selten.<br>
Trotz dieser bestehenden Interventionsmöglichkeiten wird gefordert, dass Stalking auch in der Bundesrepublik zum Straftatbestand erklärt wird.


====Kriminologische Relevanz====
====Kriminologische Relevanz====
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====Literaturhinweise====
==Literaturhinweise==


*Bettermann, J.: „Stalking-Belästigung mit allen Mitteln“ in Deutsche Polizei 12/2003, S. 18-25
*Bettermann, J.: „Stalking-Belästigung mit allen Mitteln“ in Deutsche Polizei 12/2003, S. 18-25
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*Dressing, H. und Gass, P.: „ Stalking- vom Psychoterror zum Mord“ in Der Nervenarzt 73/2002, S. 1-4
*Dressing, H. und Gass, P.: „ Stalking- vom Psychoterror zum Mord“ in Der Nervenarzt 73/2002, S. 1-4
*Hoffmann, J.: „Polizeiliche Prävention und Krisenmanagement“ in Kriminalistik 12/2003, S.726-731
*Hoffmann, J.: „Polizeiliche Prävention und Krisenmanagement“ in Kriminalistik 12/2003, S.726-731
*Keiser, Th.:  ... Stalking ...  Neue Juristische Wochenschrift 60. Jg., H. 47/2007, S.
*Knecht, T. : “Stalking” in Kriminalistik 6/2003, S. 364-368
*Knecht, T. : “Stalking” in Kriminalistik 6/2003, S. 364-368
*Meloy, J., Reid., The psychology of stalking, clinical and forensic perspectives. San Diego. Acad. Press (1998)
*Meloy, J., Reid., The psychology of stalking, clinical and forensic perspectives. San Diego. Acad. Press (1998)
*Meloy, J.R., Rivers, L., A Replication Study of Obsessional Followers and Offenders with Mental Disorders, Journal of Forensic Sciences, 2000, 45
*Mullen, P.E., Pathe, M., Purcell, R., Stuart, G.W., Astudy of stalkers, American Journal of Psychiatry, 1999, 156
*Mullen, P.E., Pathè, M., Purcell, R., Stalkers and their victims. Cambridge. Cambridge University Press (2000)
*Mullen, P.E., Pathè, M., Purcell, R., Stalkers and their victims. Cambridge. Cambridge University Press (2000)
*von Pechstaedt, V.: “Stalking und das deutsche Recht” in Polizei und Wissenschaft 4/2002, S. 45-52
*von Pechstaedt, V.: “Stalking und das deutsche Recht” in Polizei und Wissenschaft 4/2002, S. 45-52
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*Voß, H-G., Stalking in einer Normalpopulation. Polizei & Wissenschaft 04. Frankfurt. S. 60 -72 (2002)
*Voß, H-G., Stalking in einer Normalpopulation. Polizei & Wissenschaft 04. Frankfurt. S. 60 -72 (2002)
*Zimbardo, P.: „Wahnhafte Störungen“ in Psychologie, 5. Auflage, Springer Verlag 1992, S. 518-520
*Zimbardo, P.: „Wahnhafte Störungen“ in Psychologie, 5. Auflage, Springer Verlag 1992, S. 518-520
 
*Zona, M.A., Sharma, K.K., Lane, J.C., A comparative study of erotomanic and obsessional subjects in a forensic sample, Journal of Forensic Sciences, 1993, 38
=====Weiterführende Literatur=====
====Weiterführende Literatur====


*Schuhmacher, S. : "Liebeswahn-geliebt, verfolgt, gehetzt", Verlagsgesellschaft Köln, 2000
*Schuhmacher, S. : "Liebeswahn-geliebt, verfolgt, gehetzt", Verlagsgesellschaft Köln, 2000
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