Sinnprovinz

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Der von Alfred Schütz geprägte Begriff der Sinnprovinz bezeichnet einen durch eine spezifische Ausprägung der Aufmerksamkeitsstruktur, des Relevanzsystem und des kognitiven Stils gekennzeichneten Bereich innerhalb des menschlichen Erfahrungsraums. In jeder Provinz existieren bestimmte Sinnzusammenhänge: in der bedeutendsten Sinnprovinz - der Alltagswelt - sind die Zusammenhänge anders geartet als z.B. in den Provinzen des Traumes, des Spiels, der Wissenschaft, der Religion oder der Kunst.

Nach Schütz bilden sich innerhalb der alltäglichen Sozialbeziehungen mehrere Sinnprovinzen heraus, an denen der Mensch teilhaben kann. Eine herausragende Stellung nimmt dabei die Welt des Alltag ein, die als „paramount reality“ den „Archetyp unserer Erfahrung der Wirklichkeit“ darstellt (Gesammelte Aufsätze I: S. 267).

Diese privilegierte Position der Alltagswelt und des alltäglichen Wissens beeinflusst auch Schütz’ Konzeption der Beziehung zwischen Wissenschaft und Alltag. Die Welt des Alltags unterscheidet sich von anderen Sinnprovinzen durch den spezifischen kognitiven Stil, wie die Wirklichkeit erlebt wird. Beispielsweise hebt sich das Erleben im Alltag bezüglich der Bewusstseinsspannung durch den Zustand der Wachheit, durch die völlige Aufmerksamkeit auf die Wirklichkeit von der Welt des Traumes ab, in der keinerlei Interesse an der Realität besteht. Des Weiteren zeichnet sich die Welt des Alltags dadurch aus, dass an ihr nicht gezweifelt wird und sich die Menschen in ihr als Handelnde erfahren, während der Träumer weder handelt noch auf äußere Sachverhalte einwirken kann. Ein wesentliches Merkmal der Alltagswelt ist ihre Sozialität; alltägliche Erfahrung ist grundlegend auf Kommunikation und soziales Handeln ausgerichtet. Und schließlich stellen auch die spezifische Selbsterfahrung und Zeitperspektive Merkmale dar, die die Welt des Alltags von anderen Sinnbereichen und Formen der Welterfahrung unterscheidet.

Grenz-Übergänge

In The Stranger: An Essay in Social Psychology (1944) und The Homecomer (1945) beschäftigt sich Schütz eingehender mit den Problemen, vor allem mit der Infragestellung der Identität des Menschen, die der Übergang von einer Sinnprovinz in eine andere nach sich ziehen kann.


Literatur

  • James, William
  • Schütz, Alfred (1945) On Multiple Realities

Wie die Struktur unserer Erfahrung von der jeweiligen Sinnprovinz abhängt, ist auch die alltägliche Sozialwelt nach der Art unterteilbar, in Wie die Struktur unserer Erfahrung von der jeweiligen Sinnprovinz abhängt, ist auch die alltägliche Sozialwelt nach der Art unterteilbar, in der das Handeln der Anderen dem Akteur zugänglich ist. Schütz unterscheidet zwischen sozialer Umwelt, Mitwelt und Vorwelt und beschreibt die verschiedenen Ausprägungen, die das Problem intersubjektiven Verstehens in den jeweiligen sozialen Sphären annimmt. Face-to-face Interaktionen vollziehen sich in der sozialen Umwelt; diese zeichnet sich folglich durch die unmittelbare Präsenz alters für das ego an einem gemeinsamen Ort aus und ermöglicht eine direkte reziproke Reaktion auf Gesagtes und soziale Handlungen. Das Gelingen intersubjektiven Verstehens ist bei dieser Art des sozialen Kontaktes am wahrscheinlichsten, da sich die Interaktionspartner wechselseitig versichern können, ob ihre Deutungsschemata, ihre Sichtweisen der „Welt“ übereinstimmen und die Möglichkeit der kommunikativen Rückkopplung gegeben ist. Die soziale Mitwelt grenzt an den engen Kern der Umwelt und stellt alle Akteure dar, die für das ego prinzipiell erreichbar sind, weil sie zur gleichen Zeit leben, sich aber nicht am gleichen Ort aufhalten. Wissen über den Anderen, seine Motive und Sinnzusammenhänge kann nicht unmittelbar erworben werden. Ego muss sich an typisierten Erwartungen und Motiven orientieren, die oft starken sozialen Standardisierungen und Normierungen unterworfen sind (z. B. formale Anreden in Briefen an Unbekannte). Die soziale Vorwelt ist weder unmittelbar noch mittelbar für den Akteur zu erreichen, da sie nicht seiner Gegenwart angehören. Er kann keinerlei Kontakt aufnehmen und ist auf eine einseitige Interpretation angewiesen. Dementsprechend gering ist die Wahrscheinlichkeit intersubjektiven Verstehens.