Der von Alfred Schütz im Anschluss an William James' Konzept des Sub-Universums geprägte Begriff der Sinnprovinz bezeichnet einen durch eine spezifische Ausprägung der Aufmerksamkeitsstruktur, des Relevanzsystems und des kognitiven Stils gekennzeichneten Bereich innerhalb des menschlichen Erfahrungsraums. Die Haupt-Sinnprovinz (paramount reality) ist diejenige der Alltagswelt. Als weitere Sinnprovinzen erwähnte Schütz noch diejenigen des Traumes, des Spiels, der Wissenschaft, der Religion und der Kunst. Als Sinnprovinz lässt sich laut Hess & Scheerer (2003) auch die Kriminalität auffassen.

In dem Abschnitt "Lebenswelt und Soziologie des Alltags" erläutert der deutschsprachige Wikipedia-Beitrag über Alfred Schütz den Terminus folgendermaßen:

"Die Welt des Alltags unterscheidet sich von anderen Sinnprovinzen durch den spezifischen kognitiven Stil, wie die Wirklichkeit erlebt wird. Beispielsweise hebt sich das Erleben im Alltag bezüglich der Bewusstseinsspannung durch den Zustand der Wachheit, durch die völlige Aufmerksamkeit auf die Wirklichkeit von der Welt des Traumes ab, in der keinerlei Interesse an der Realität besteht. Des Weiteren zeichnet sich die Welt des Alltags dadurch aus, dass an ihr nicht gezweifelt wird und sich die Menschen in ihr als Handelnde erfahren, während der Träumer weder handelt noch auf äußere Sachverhalte einwirken kann. Ein wesentliches Merkmal der Alltagswelt ist ihre Sozialität; alltägliche Erfahrung ist grundlegend auf Kommunikation und soziales Handeln ausgerichtet. Und schließlich stellen auch die spezifische Selbsterfahrung und Zeitperspektive Merkmale dar, die die Welt des Alltags von anderen Sinnbereichen und Formen der Welterfahrung unterscheidet. In The Stranger: An Essay in Social Psychology (1944) und The Homecomer (1945) beschäftigt sich Schütz eingehender mit den Problemen, vor allem mit der Infragestellung der Identität des Menschen, die der Übergang von einer Sinnprovinz in eine andere nach sich ziehen kann."


Schütz (1967b: 230): Hence we call a certain set of our experiences a finite provice of meaning if all of them show a specific cognitive style and are - with respect to this style - not only consistent in themselves, but also compatible with one another.

Grathoff (1995: 40) verwendet den im Schütz'schen englischen original benutzten Begriff der finite provinces of meaning synonym mit geschlossener Sinnbereich und Sinnprovinz. (vgl. auch Schütz/Luckmann 1994: 48).

Wie die Struktur unserer Erfahrung von der jeweiligen Sinnprovinz abhängt, ist auch die alltägliche Sozialwelt nach der Art unterteilbar, in der das Handeln der Anderen dem Akteur zugänglich ist. Schütz unterscheidet zwischen sozialer Umwelt, Mitwelt, Vorwelt und Nachwelt. Face-to-face-Interaktionen vollziehen sich in der sozialen Umwelt; diese zeichnet sich folglich durch die unmittelbare Präsenz alters für das ego an einem gemeinsamen Ort aus und ermöglicht eine direkte reziproke Reaktion auf Gesagtes und soziale Handlungen. Das Gelingen intersubjektiven Verstehens ist bei dieser Art des sozialen Kontaktes am wahrscheinlichsten, da sich die Interaktionspartner wechselseitig versichern können, ob ihre Deutungsschemata, ihre Sichtweisen der „Welt“ übereinstimmen und die Möglichkeit der kommunikativen Rückkopplung gegeben ist. Die soziale Mitwelt grenzt an den engen Kern der Umwelt und stellt alle Akteure dar, die für das ego prinzipiell erreichbar sind, weil sie zur gleichen Zeit leben, sich aber nicht am gleichen Ort aufhalten. Wissen über den Anderen, seine Motive und Sinnzusammenhänge kann nicht unmittelbar erworben werden. Ego muss sich an typisierten Erwartungen und Motiven orientieren, die oft starken sozialen Standardisierungen und Normierungen unterworfen sind (z. B. formale Anreden in Briefen an Unbekannte). Die soziale Vorwelt ist weder unmittelbar noch mittelbar für den Akteur zu erreichen, da sie nicht seiner Gegenwart angehören. Er kann keinerlei Kontakt aufnehmen und ist auf eine einseitige Interpretation angewiesen. Dementsprechend gering ist die Wahrscheinlichkeit intersubjektiven Verstehens.



Englisch

distinct sets of cultural values, domains of meaning (" Sinnprovinzen")

Science Fiction as a sphere of meaning (« Sinnprovinz », Schütz)

the characteristics of a particular area of reality or Sinnprovinz

Die Alltagswelt als dominierende Sinnprovinz

Die Welt des Alltags unterscheidet sich von anderen Sinnprovinzen durch den spezifischen kognitiven Stil, wie die Wirklichkeit erlebt wird. Für Alfred Schütz ist klar, dass es innerhalb der menschlichen Erfahrung vielfältige Sinnprovinzen (wie z. B. die Alltagswelt, die Welt des Traumes, des Spiels, der Wissenschaft, der Religion, der Kunst usw.) gibt, an denen der Mensch teilhaben kann. Eine herausragende Stellung nimmt dabei die Welt des Alltag ein, die als „paramount reality“ den „Archetyp unserer Erfahrung der Wirklichkeit“ darstellt (Gesammelte Aufsätze I: S. 267). Sie ist unsere ausgezeichnete Wirklichkeit. Die Alltagswelt wird mit einem spezifischen kognitiven Stil erlebt, der durch besondere Wachheit und völlige Aufmerksamkeit auf die Wirklichkeit gekennzeichnet ist. Dadurch hebt sich die Alltagswelt zum Beispiel von der Welt des Traumes ab. In der Alltagswelt erleben sich Menschen zudem als Realisten, die an der Existenz der Welt nicht zweifeln und sich in der Welt als Handelnde erleben. Die Alltagswelt ist zudem eine soziale Welt: sie ist auf Kommunikation und soziales Handeln ausgerichtet. Hinzu kommen Selbsterfahrung und Zeitperspektive. „Jede Welt besitzt während man ihr zugewandt ist, ihre eigene Art von Wirklichkeit: nur verringert sich ihr Wirklichkeitsgehalt mit dem Nachlassen der Aufmerksamkeit“ (James in der Darstellung von Schütz 1972: 393).

Für Schütz ist die Alltagswelt ein geschlossener Sinnbereich, dem die Menschen aber einen besonders starken 'Wirklichkeitsakzent' verleihen. Wie Tanja Hackenbruch (2005: 47) erläutert:

"Die Wirklichkeiten werden nach Schütz nicht von ihrer ontologischen Struktur, sondern vom Sinn unserer Erfahrung konstituiert. Innerhalb der geschlossenen Sinnbereiche sind alle Erfahrungen in sich stimmig und verträglich, auch wenn sie mit der Sinnstruktur des Alltags nicht verträglich sind. Schütz beschreibt die Wirklichkeit des Alltags, die so genannte ausgezeichnete Wirklichkeit, in vier Punkten:

  • a) Durch unseren Leib sind wir an diese Wirklichkeit gebunden, wir nehmen immer körperlich an ihr Teil
  • b) Die ausgezeichnete Wirklichkeit setzt uns mit ihren Gegenständen und Gesetzen Grenzen, wie dies keine andere Wirklichkeit tut und
  • c) wir können in die ausgezeichnete Welt körperlich eingreifen und sie verändern und gestalten.
  • d) Nur in dieser ausgezeichneten Wirklichkeit können wir uns mit unseren Mitmenschen verständigen und eine im Einverständnis konstituierende Umwelt begründen."

Grenz-Übergänge

Der Übergang von einer Sinnprovinz in eine andere kann die Identität einer Person infragestellen (vgl. Schütz 1944, 1945a,b). Schütz unterscheidet die "kleine" Transzendenz (den Übergang von einer Sinnprovinz in eine ähnliche andere) von einer "mittleren" und einer "großen Transzendenz" (dem Übergang von einer Sinnprovinz in eine ganz andere wie z.B. von der Alltagswirklichkeit in die Sinnprovinz des Traums oder der Ekstase).

Grenzkonflikt:"La Fuente" - ist es Kunst (und darf ausgestellt werden) oder nicht?

Literatur

  • Schütz, Alfred (1932) Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt: eine Einleitung in die verstehende Soziologie. Wien: J. Springer.
  • Schütz, Alfred /1944) The Stranger. An Essay in Social Psychology.
  • Schütz, Alfred (1945a) The Homecomer.
  • Schütz, Alfred (1945b) On Multiple Realities. Philosophy and Phenomenological Research 5: 533-576. [[1]]
  • Schütz, Alfred (1972) Gesammelte Aufsätze in drei Bänden (I: Das Problem der Sozialen Wirklichkeit; II: Studien zur Soziologischen Theorie; III: Studien zur Phänomenologischen Philosophie. Dordrecht, NL: Martinus Nijhoff.

Weblinks