Sicherungsverwahrung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Sicherungsverwahrung ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung, die neben der Strafe angeordnet werden kann. Bei angeordneter Sicherungsverwahrung verbleibt der Straftäter nach der Verbüßung seiner Strafhaft in staatlichem Gewahrsam. Die Sicherungsverwahrung wird angeordnet, wenn vom Straftäter eine Gefahr zur erneuten Begehung erheblicher Straftaten ausgeht und er somit eine Gefährdung für die Allgemeinheit darstellt.
== Allgemeines ==


== Anordnung ==
Die Sicherungsverwahrung (SV) gehört den sogenannten Maßregeln der Sicherung und Besserung (§§ 61-72 [[Strafgesetzbuch]] (StGB))an. Neben der eigentlichen Strafe wird sie durch das Gericht nach dem Urteil als freiheitsentziehende Maßregel angeordnet.  
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist in den §§ 66, 66a und 66b StGB, dem § 106 Abs. 3, 5 und 6 JGG, sowie dem § 7 Abs. 2-4 JGG geregelt.
Sie dient dem Zweck, die Allgemeinheit vor einer bestehenden Gefahr ausgehend vom voll oder vermindert schuldfähigen Täter (nach Einschätzung durch das Gericht) zu schützen, in dem der Täter weiterhin im Vollzug verbleibt (vgl. Bartsch 2010, S. 29). Für eine vorbeugende Verhinderung schwerster Straftaten gilt sie als letztes Mittel „ulitma ratio“ (vgl. Bamberger 2012, S. 213).
Nach § 66 Abs. 1 StGB ist die Sicherungsverwahrung zwingend im Moment des Urteils zur Anlasstat anzuordnen, wenn Vorverurteilungen zu in Abs. 1 S.1 a, b aufgeführten Straftaten mit Freiheitsstrafen von insgesamt mind. zwei Jahren vorliegen und zur Anlasstat eine Freiheitsstrafe von ebenfalls mind. zwei Jahren ausgesprochen wird.  
Nach § 66 Abs. 2 oder 3 StGB liegt die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Ermessen des zur Anlasstat entscheidenden Gerichts. Sie richtet sich nach der Anzahl der für die Anordnung relevanten Taten und Freiheitsstrafen, sowie in Abs. 3 nach einem erweiterten Katalog von Straftaten. Das Gericht kann die Sicherungsverwahrung hier auch ohne vorangegangene Verurteilungen oder Strafverbüßungen anordnen.
Grundsätzlich muss die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten einen [[Hang]] zur Begehung von erheblichen Straftaten, die eine körperliche oder seelische Schädigung des Opfers erwarten lassen, ergeben.
In § 66a StGB ist die vorbehaltene Sicherungsverwahrung geregelt. Hiernach wird die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung in der Hauptverhandlung zur Anlasstat „vertagt“. Dies geht nur, wenn die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB erfüllt sind und die Wahrscheinlichkeit zur Begehung weiterer erheblicher Straftaten besteht. Spätestens ein halbes Jahr vor der möglichen [[Reststrafenaussetzung]] zur [[Bewährung]] wird dann über die Anordnung der Sicherungsverwahrung entschieden (Vgl. Mischke (2010): S. 4 ff.).
Der § 66b StGB regelt die nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung. Diese kann auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB folgen, wenn die der Unterbringung zu Grunde liegende Anlasstat die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB erfüllt, die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus als erledigt erklärt wird und nach Gesamtschau des Täters und seiner Taten davon auszugehen ist, dass eine hohe Gefahr zur Begehung weiterer erheblicher Straftaten von ihm ausgeht (Internetquelle Nr. 5).
Bei Jugendlichen und Heranwachsenden kann die Sicherungsverwahrung nicht neben der Strafe angeordnet werden. Für Heranwachsende ist jedoch die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung gem. § 106 Abs. 3 JGG und die nachträgliche Sicherungsverwahrung unter den Voraussetzungen des § 106 Abs. 5 und 6 JGG möglich. Bei Jugendlichen kann unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2-4 JGG nachträglich Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Für Jugendliche und Heranwachsende sind die Hürden zur Unterbringung in der Sicherungsverwahrung grundsätzlich höher als bei erwachsenen Straftätern (Vgl. Bruhn (2010): S. 168 ff.).


== Vollzug und Dauer ==
Der Vollzug der Sicherungsverwahrung wird durch [[Justizvollzugsanstalt]]en des geschlossenen Vollzuges durchgeführt. Entsprechend ist er in den Gesetzen beschrieben, die den [[Strafvollzug]] regeln. Grundsätzlich liegt die [[Gesetzgebungskompetenz]] hierfür bei den Ländern. Länder, die noch nicht über ihr eigenes Landesstrafvollzugsgesetz verfügen, greifen auf die dann geltenden Regelungen des StVollzG zurück (Internetquelle Nr. 9). Während sich der Vollzug der vor der Sicherungsverwahrung zu vollstreckenden Freiheitsstrafe grundsätzlich am § 2 StVollzG, also am Ziel der [[Resozialisierung]] des Straftäters ausrichtet, steht beim Vollzug der Sicherungsverwahrung gem. § 129 StVollzG der Schutz der Bevölkerung durch Sicherung des Straftäters im Fordergrund. Erst Satz zwei des § 129 StVollzG erklärt, dass auch die Eingliederung in ein Leben in Freiheit Ziel der Unterbringung ist (Cornel et. al (2009): S. 323 ff.).
Die Dauer der Unterbringung ist im § 67 d StVollzG geregelt. Die Sicherungsverwahrung kann grundsätzlich unbegrenzt andauern. Eine Entlassung gem. § 67 d Abs. 3 StVollzG kann nach zehn Jahren erfolgen, wenn von dem Verwahrten nicht mehr die Gefahr zur Begehung erheblicher Straftaten ausgeht. Die Maßregel wird dann als erledigt erklärt und [[Führungsaufsicht]] tritt ein. Die Überprüfung der Anordnung der Sicherungsverwahrung soll spätestens alle zwei Jahre erfolgen (Vgl. Woynar (2010): S. 128).


== Geschichte ==
*18. Jahrhundert: In Preußen wurde erstmals zwischen Strafe und Maßregel unterschieden. Allerdings gab es keine differenzierte Ausgestaltung von Strafe und Verwahrung, so dass die Maßregel wieder abgeschafft wurde (Vgl. Mischke (2010): S. 51).
*Ende des 19. Jahrhunderts: [[Franz von Liszt]] orientierte sich zwar am [[Schuldstrafrecht]], erklärte die sichere Verwahrung des „nicht besserungsfähigen Gewohnheitsverbrechers“ jedoch zum Mittel, ihm zu begegnen (Vgl. Cornel et. al. (2009): S. 322). [[Carl Stooss]] versuchte mit seinem Entwurf zum schweizerischen Strafgesetzbuch, den Ansatz von Liszt und individualpräventive Reaktionsmöglichkeiten zu vereinen (Vgl. Internetquelle Nr. 9).
*Weimarer Republik: Entwürfe zum Strafgesetzbuch sahen neben anderen Maßregeln der Besserung und Sicherung auch die Sicherungsverwahrung vor, ratifiziert wurden sie nicht.
*24.11.1933: Einführung des „Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Besserung und Sicherung“. Im § 42e RStGB wurde erstmals die Sicherungsverwahrung gesetzlich geregelt.
*1953: Die BRD übernahm den § 42 e in das StGB. - Verortung in § 66 StGB erfolgte später.
*01.04.1970: Erstes Strafrechtsreformgesetz. Verschärfung der zu erfüllenden Voraussetzungen. Ziel war es, die Zahl der Neuanordnungen zu verringern und sich mehr an der Gefährlichkeit des Straftäters zu orientieren.
*01.08.1995: Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwahrung nach der Wiedervereinigung.
*31.01.1998: Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten. Ziel war die vermehrte Anordnung der Sicherungsverwahrung gegenüber Sexualstraftätern. Mit der Einführung des § 66 Abs. 3 StGB wurden die Möglichkeiten der Anordnung erleichtert. Gleichzeitig wurden die Voraussetzungen zur Aussetzung zur Bewährung erschwert und die in § 67d StGB aufgeführte Höchstgrenze von 10 Jahren bei Erstanordnung rückwirkend aufgehoben.
*28.08.2002: Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung gem. § 66a StGB.
*05.02.2004: Rechtmäßigkeit der bis dahin ergangenen Vorschriften wird nach Beschwerde durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bejaht.
*10.02.2004: Das BVerfG erklärt die in verschiedenen Bundesländern erlassenen Gesetze zur nachträglichen Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig (Vgl. Bartsch (2010): S. 29 ff.).
*01.04.2004: Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung für Heranwachsende nach § 106 Abs. 3,4 JGG.
*29.07.2004: Einführung der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung gem. § 66b StGB für Erwachsene und gem. § 106 Abs. 5,6 JGG für Heranwachsende. Sie machte es möglich, die Sicherungsverwahrung trotz im Urteil zur Anlasstat nicht erwähnter Androhung anzuordnen, wenn während des Vollzuges der Freiheitsstrafe „neue“ Tatsachen bekannt wurden, die auf die fortdauernde Gefährlichkeit des Täters schließen ließen (Bruhn (2010): S. 42 ff.).
*18.04.2007: Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung. Hier wurde nicht nur die Führungsaufsicht durch die Erweiterung der strafbewährten Weisungen, sowie der Erhöhung der Höchststrafe bei Zuwiderhandeln auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe gestärkt, sondern auch die Möglichkeit der unbefristeten Anordnung der Führungsaufsicht und der Wiedereinsetzung einer ausgesetzten Maßregel der Besserung und Sicherung gem. §§ 63 und 64 StGB eingeführt. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung war fortan auch dann möglich, wenn das Urteil zur Anlasstat zeitlich vor Einführung des § 66b StGB lag (Vgl. Mischke (2010): S. 82 ff.).
*12.07.2008: Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht gem. § 7 Abs. 2-4 JGG (Vgl. Bruhn (2010): S. 51 ff.).
*17.12.2009: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erklärte, dass die Dauer der Unterbringung nach § 67 d StGB gegen die Art. 5 (das Recht auf Freiheit) und 7 (keine Strafe ohne Gesetz) EMRK verstoße (Internetquelle Nr. 1 und 2).
*01.01.2011: Reform zur Sicherungsverwahrung. Die Absätze 1 und 2 des § 66b StGB wurden gestrichen. Es verbleibt die oben erläuterte Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung. Außerdem trat das ThUG in Kraft, nach dem diejenigen Sicherungsverwahrten, die auf Grund des Verbotes der rückwirkenden Verschärfung im Recht nicht weiter verwahrt werden dürfen, unter bestimmten Voraussetzungen in speziellen Therapieeinrichtungen weiter untergebracht werden können (Internetquelle Nr. 11).


== Europa im Vergleich ==
== Gesetzliche Grundlagen ==
=== Erwachsene ===
*Schweden: Bis zum Jahr 1981 gab es hier die Maßregel der „Internierung“, bei der die Resozialisierung durch Behandlung im Vordergrund stand. Sie wurde durch die Möglichkeit der Strafverschärfung beim Rückfall ersetzt. Mit dieser kann nun das Höchstmaß einer für eine Straftat vorgesehenen Freiheitsstrafe um bis zu vier Jahre überschritten werden.
*Großbritannien: Schaffte die Sicherungsverwahrung im Jahr 1991 ab. Dafür wurde die Möglichkeit einer vorbeugenden Freiheitsstrafe geschaffen, deren Ausmaß sich auf das zum Schutz der Bevölkerung notwendige Maß ausdehnen soll.
*Österreich: Es wurde 1975 die Möglichkeit der Unterbringung von gefährlichen Rückfalltätern in einer dafür vorgesehenen Anstalt eingeführt. Daneben steht gleichzeitig die Möglichkeit der Erhöhung zeitiger Freiheitsstrafen um bis zur Hälfte ihrer gesetzlichen Androhung.
*Niederlande: Die Strafe kann vor dem Hintergrund der Gefährlichkeit eines Täters verschärft werden. Außerdem kann eine Unterbringung im „Institut der Überlassung mit Versorgung von Staatswegen“ erfolgen. Diese Anordnung kann allerdings nur gegen vermindert schuldfähige oder schuldunfähige Straftäter erfolgen.
*Schweiz: Hier wird die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern seit 1937 praktiziert. Nach vielen Reformen richtet sich die Unterbringung vor allem gegen Sexual- und Gewaltverbrecher. Es wird erst die Maßregel und dann die Freiheitsstrafe vollstreckt, so dass faktisch eine lebenslange Unterbringung möglich ist.
*Frankreich: Führte 2008 einer der Sicherungsverwahrung vergleichbare Maßregel ein. Sie sieht einen über das Strafende hinausgehenden, vorbeugenden Gewahrsam vor (Internetquelle Nr. 12).


=== Jugendliche ===
Die Sicherungsverwahrung als Maßregel der Sicherung und Besserung ist im Strafgesetzbuch (StGB) ab §66 ff. festgehalten. Des Weiteren bestimmt das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) §129ff. Grundlagen der Sicherungsverwahrung. Nach der neuerlichen Rechtsprechung haben die Bundesländer im Jahr 2013 eigene Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetze geschaffen, welche den Vollzug der Sicherungs-verwahrung detailliert regeln. Zielsetzung der Sicherungsverwahrung ist in erster Linie der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren schwerwiegenden Straftaten. Trotz dessen ist die Fortdauer der Verwahrung mindestens jährlich zu prüfen (vgl. BVerfGE 128, 326, 382 Tz. 118).
*Niederlande: Ähnliche Institution existiert, Unterbringung grundsätzlich für zwei Jahre, einmalige Verlängerung auf vier Jahre möglich.
*Großbritannien: Keine Sicherungsverwahrung, dafür aber die Möglichkeit der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe, wenn dies zum Schutz der Bevölkerung geboten erscheint.  
*Frankreich: Keine Sicherungsverwahrung. Die Höchststrafe für Jugendliche liegt bei 20 Jahren.
*Österreich: Keine Sicherungsverwahrung, aber Möglichkeit der Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung. Außerdem ist die Höchststrafe für Jugendliche auf 15, für Heranwachsende auf 20 Jahre festgesetzt (Vgl. Bruhn (2010): S. 223).


== Verfassungswidrigkeit der Regelungen ==
Mit Beschluss vom 4.5.2011 (2 BvR 2365/09) entschied das BVerfG, dass alle Vorschriften des StGB und des JGG über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung mit dem Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind. Das Abstandsgebot – also die Besserstellung der Sicherungsverwahrten gegenüber Strafgefangenen - sei nicht gewahrt, die der Strafe zu Grunde liegende Vergeltung der schuldhaft begangenen Straftat und der ausschließlich präventive Zweck der Sicherungsverwahrung seien zu wenig differenziert. Außerdem sah es den Vertrauensschutz – also das der geltenden Rechtsordnung entgegengebrachte Vertrauen - gem. Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG als verletzt an. Die Regelungen sind zwar für verfassungswidrig, nicht jedoch für nichtig erklärt worden. Sie bleiben bis spätestens 31.05.2013 erhalten und werden durch verschiedene, im Urteil aufgeführte Übergangsregeln ergänzt (Vgl. Internetquelle Nr. 1 und 2).


== Zukunft ==
== Voraussetzungen und Formen ==
Als Aufgabe für die Zukunft stellte das BVerfG mit seinem Urteil vom 04.05.2011 (2 BvR 2365/09), den Vollzug der Sicherungsverwahrung freiheitsorientiert und therapiegerichtet zu gestalten, um die von den Verwahrten ausgehende Gefahr zu minimieren und damit die Dauer der Unterbringung auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren. Therapeutische Maßnahmen zur Vermeidung der Maßregel sollen bereits während der Vollstreckung der Freiheitsstrafe ansetzen. Außerdem soll die Mitwirkungs- und Veränderungsbereitschaft des Untergebrachten fortwährend gefördert werden.  
 
Es soll des Weiteren dafür gesorgt werden, dass die Sicherungsverwahrung als Maßregel der Besserung und Sicherung getrennt vom allgemeinen Strafvollzug vollzogen wird und die Fortdauer der Unterbringung jährlich geprüft wird.
Die Voraussetzungen einer Unterbringung in Sicherungsverwahrung sind differenziert in § 66 ff. StGB geregelt. Der Gesetzgeber sieht hier verschiedene Formen der Sicherungsverwahrung vor:
Zwar stellen diese Forderungen keine grundsätzlichen Neuerungen dar, sie bekräftigen jedoch den Anspruch an die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung als Maßregel der Besserung und Sicherung und nicht allein als Maßnahme des Schutzes der Bevölkerung vor besonders gefährlichen Straftätern (Vgl. Internetquelle Nr. 1 und 2).
 
Am 30.11.2011 hat das OLG Naumburg (Az. 1 Ws 64/11) das Abstandsgebot bezüglich der Größe der Räume, in denen Sicherungsverwahrte untergebracht werden sollen, konkretisiert. Eine Mindestgröße von 20 qm, eine eigene Nasszelle, eine eigene Kochmöglichkeit, sowie ein eigener Kühlschrank sollen nach dieser Entscheidung mindestens vorgehalten werden (Internetquelle Nr. 10).
Die primäre (auch anfängliche oder originäre) Sicherungsverwahrung nach §66 StGB:
Grundvoraussetzungen für diese sind mindestens zwei schwere Vortaten (Verbrechen), mindestens eine erhebliche Vorverurteilungen sowie eine negative Prognose aufgrund des Hanges des Täters hinsichtlich erwartbarer erheblicher Straftaten, welche eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.
Dies sind zumeist Straftaten, welche sich gegen die Unversehrtheit des Lebens, gegen die sexuelle Selbstbestimmung und/oder gegen die persönliche Freiheit richten. Schwere Straftaten im Rahmen des Völkerrechts oder des Betäubungsmittelgesetztes können ebenfalls je nach Intensität des Verbrechens mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung belegt werden. Eine detaillierte Darstellung und weitere Voraussetzungen sind im §66 StGB geregelt.
 
Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung nach §66a StGB:
Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, sofern nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar ist, dass aufgrund eines Hanges zu erheblichen Straftaten eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit nicht auszuschließen ist. Hierbei wird der Täter und die Tat in seiner Gesamtwürdigung sowie die Persönlichkeit und die Entwicklung innerhalb der Freiheitsstrafe, bis zu der endgültigen Anordnung überprüft. Die Überprüfung, ob eine Sicherungsverwahrung angeordnet wird, geschieht durch das Gericht des ersten Rechtszuges. Die Anordnung muss sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe (gemäß §275a Strafprozessordnung) erfolgen. Detaillierte Voraussetzungen sind §66a StGB zu entnehmen.
 
Die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach §66b StGB:
Aufgrund der aktuellen Rechtsprechungen kann die nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nur noch in speziellen Fällen angeordnet werden.
Danach ist die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nur möglich, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §67d Abs. 6 StGB für erledigt erklärt worden ist, weil der Zustand, welcher die Schuldfähigkeit ausschließt (§ 20 StGB) oder vermindert (§ 21 StGB), auf dem die Unterbringung nach §63 StGB beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung der Unterbringung nicht bestanden hat, und von dem Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit die erneute Begehung erheblicher Straftaten zu erwarten ist, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden können.
 
Im Rahmen der neuen Gesetzgebung wurde dem StGB der §66c mit dem Titel: „Ausgestaltung der Unterbringung der Sicherungsverwahrung und des vorhergehenden Strafvollzugs“ hinzugefügt.
Dieser besagt, welche Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung geschaffen werden sollten. Ebenfalls wird daraufhingewiesen, dass der Strafvollzug darauf ausgerichtet sein soll, eine Anordnung einer Verwahrung zu vermeiden. Weiterhin hebt dieser die besondere Stellung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf den Abstand zum herkömmlichen Strafvollzug hervor.
Im Zuge der neuen Rechtsprechung wurde das „Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung
des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ eingeführt, da dies unter anderem Inhalt der Klagen war, welche zu der neuen Rechtsprechung führte.
 
Im Falle des Jugendstrafrechts gelten andere Voraussetzungen, welche im §7 Jugendgerichtsgesetz geregelt sind. Beispielhaft ist zu nennen, dass eine Jugendstrafe von mindestens 7 Jahren oder spezifischen Straftaten, ähnlich der oben benannten, hierfür Voraussetzung sind.
 
 
== Historische Entwicklung ==
 
Bereits sehr früh finden sich Ausführungen zu einer Art „Verwahrung“ von besonders gefährlichen und rückfälligen Straftätern zum Schutz der Allgemeinheit. Unter anderem erscheint der Gedanke der Verwahrung in einigen Vorschriften des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten von 1794 (vgl. Dessecker 2004, S. 27ff). Weiterhin waren abgewandelte Formen im preußischen Strafgesetzbuch von 1851 und dem Reichsstrafgesetzbuch von 1870/71 als Verhängung verlängerter Freiheitsstrafen vorhanden (vgl. Schewe 1999, S. 14). Im Jahr 1893 legte Strafrechtler Stooss einen Entwurf zum Schweizerischen Strafgesetzbuch vor, dieses beinhaltete ein dualistisches Sanktionssystem, welches die Forderungen nach individualpräventiven Orientierungen und der klassischen Strafrechtsschule und deren Vergeltungscharakter hervorbringt. Dies ging auf einen Streit zwischen der modernen (mit Vertreter Franz von Liszts) und der klassischen Strafrechtsschule zurück. Als eine Art Kompromiss zwischen beiden Schulen entwickelte Stooss den Entwurf mit dessen Zweispurigkeit. Während der Weimarer Republik konnte ebenfalls keine abschließende Einigung über das dualistische Strafrechtssystem erfolgen. Bis 1933 wurden diverse Entwürfe des Deutschen Strafgesetzesbuches, welches eine Sicherungsverwahrung beinhaltete, vorgelegt. Jedoch setzte sich keiner dieser Entwürfe durch (vgl Schewe 1999; S. 36ff). Erst die Nationalsozialisten brachten das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung“ vom 24.11.1933 hervor, welches 1934 in Kraft trat. Nach Zerfall des Dritten Reiches wurden die Vorschriften zur Sicherungsverwahrung fast identisch in das Strafgesetzbuch übernommen. Lediglich die Möglichkeit zur nachträglichen Anordnung entfiel (vgl. Bender 2007, S. 22). Nach diversen Kritiken über die Sicherungsverwahrung veränderte der Gesetzgeber in den 70er Jahren den Charakter der SV, als „ultima ratio“ Mittel (vgl. ebd.). Erst am 31.10.1998 mit dem in Kraft treten des „Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten“ erhielt die Diskussion um die Sicherungsverwahrung neuen Aufschwung und wurde deutlich in ihren Voraussetzungen und der Höchstgrenze verschärft (vgl. Bartsch 2010, S. 38ff.). Bis zu dem entscheidenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahre 2011 ergaben sich im Vorfeld weitere drastische Veränderungen in der Gesetzgebung, unter anderem war die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (2004), Diskussionen um die Zehn-Jahres-Höchstgrenze und weitere, Inhalt dieser.
Am 04.05.2011 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass nahezu alle Vorschriften zur Sicherungsverwahrung verfassungswidrig sind, da sie mit mehreren Artikeln des Grundgesetzes nicht vereinbar sind. Vor allem kritisierte das Gericht den bloßen Sicherungsaspekt und fokussierte den erheblichen Unterschied zum Normalvollzug (ugs. Abstandsgebot) und verwies auf freiheitsorientierte und therapiegerichtete Maßnahmen hin. Der Bundesgerichtshof war nun angehalten, dass Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auszugestalten und zu konkretisieren. Dieses verpflichtete den Gesetzgeber zu einer Neugestaltung der Sicherungsverwahrung bis zum 31.05.2013. Daraufhin legte der Bund das „Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ vor, welches am 05.12.2012 in Kraft trat. Weiterhin reagierte der Gesetzgeber mittels Veränderung des §66 StGB auf die Forderungen, in welchem ebenfalls die Ausgestaltung grundlegend geregelt ist. 
Kraft der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung obliegt die Ausgestaltung den Landesgesetzgebern, was sie in Landesgesetzen so dann umsetzten.
 
 
== Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung ==
 
Die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung wird auf Bundesebene im §66c StGB geregelt. Dieser benennt bereits die grundlegenden Rahmenbedingungen und erheblichen Neuerungen der Sicherungsverwahrung, welche durch das Bundesverfassungsgericht gefordert wurde. Weiterhin sind die Landesgesetze gefragt, diese groben Rahmenbedingungen weiter zu spezifizieren. Das Bundesverfassungsgericht postulierte in diesem Zusammenhang, dass bereits während des Strafvollzuges auf die Verminderung der Gefährlichkeit des Täters hingearbeitet werden muss, um eine Sicherungsverwahrung zu vermeiden. Hier sind bereits alle Maßnahme zur Abwendung der Sicherungsverwahrung anzubieten. Weiterhin ist bei Aufnahme eine Behandlungsuntersuchung mit allen nötigen Aspekten der Persönlichkeit des Verwahrten zu erstellen und daraus ein Vollzugsplan zu entwickeln, welcher regelmäßig aktualisiert werden muss. Die Verwahrung ist so zu gestalten, dass sie behandlungsorientiert, alle erforderlichen psychiatrischen, psychologischen und anderen therapeutischen Maßnahmen und Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, um die Gefährlichkeit des Verwahrten zu minimieren. Hierbei liegt der Fokus insbesondere auf individuell zugeschnittenen, der Persönlichkeiten des Verwahrten entsprechenden Maßnahmen (vgl. Wolf 2012, S. 75). Für diese Maßnahmen sind die Verwahrten intensiv zu motivieren. Hierfür sollte ein multiprofessionelles Team zur Verfügung stehen. Weiterhin sind Vollzugslockerungen zu gewähren und nur aus zwingenden sicherheitsrelevanten Gründen zu versagen. Eine intensive und ausreichende Entlassungsvorbereitung hat stattzufinden. Hier soll eine enge Verzahnung mit forensischen Ambulanzen und Einrichtungen des Betreuten Wohnens bestehen um die erforderliche Betreuung für die Verwahrten sicherzustellen. Um all diese Punkte gewährleisten sowie adäquat umsetzen zu können, sollte die Verwahrung deutlich vom Normalvollzug abgegrenzt sein.


== Empirie ==
== Empirie ==
Einige in den neunziger Jahren begangene Tötungsdelikte an Kindern, die ausführlich von den Medien thematisiert wurden, führten zu einem Wiederaufblühen der Sicherungsverwahrung. Das Forschungsinstitut Niedersachsen führte in Zusammenarbeit mit dem TNS Infratest im Zeitraum von 1995 bis 2005 eine Studie zur Frage des Anstiegs u.a. sexuell motivierter Mordfälle durch. Die Befragten nahmen einen Anstieg von 168% an. Dieser gefühlte Anstieg wird durch die Polizeiliche Kriminalstatistik nicht bestätigt. Im Gegenteil führte eine eher sinkende Anzahl an Opfern bei sexuell motivierten Mordfällen an Kindern (1987 – 1991: 24 Opfer, 1997 – 2001: 12 Opfer, 2002 – 2006: 17 Opfer) zur geschilderten Verschärfung der Sicherungsverwahrung (Vgl. Internetquelle Nr. 13)
Tillmann Bartsch erstellte mit seiner Auswertung vorhandener Datenquellen und Durchführung einer bundesweiten empirischen Untersuchung einen umfassenden Überblick über die gesetzlichen Anforderungen und deren tatsächliche Umsetzung an den Vollzug der Sicherungsverwahrung, sowie deren Schwierigkeiten bei der Umsetzung (Bartsch (2010)).
Im Rahmen seiner Dissertation führte Ulrich Mischke an der JVA Werl eine empirische Studie durch. Er untersuchte fünf Sicherungsverwahrte mittels Sichtung und Auswertung der Gefangenenpersonalakten, sowie einzelner Interviews. Die Darstellung der Lebensgeschichte, der Sozialisation und der Legalbiografie stehen im Vordergrund. Mischke überprüfte hier vor allem die Anwendungspraxis der Sicherungsverwahrung (Mischke (2010)).
Michael Alex führte eine Rückfalluntersuchung für 77 Personen durch, bei denen die nachträgliche Sicherungsverwahrung zwar beantragt, jedoch nicht rechtskräftig angeordnet wurde und die deshalb bis spätestens zum 31.12.2006 entlassen wurden. Er wertete Bundeszentralregisterauszüge bis zum 2. Halbjahr 2009 aus. 27 der untersuchten Personen waren erneut verurteilt, davon 12 zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung. Vier Personen waren erneut wegen Raub- oder Sexualstraftaten verurteilt worden. Bei drei dieser Personen wurde neben der Freiheitsstrafe eine Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Prognose, dass zum Zeitpunkt der Entlassung eine hohe Wahrscheinlichkeit zur Begehung erheblicher Straftaten bestand, erfüllte sich bei vier von 77 Personen (Alex (2010)).


== Kriminologische Relevanz ==
Der Anteil der Sicherungsverwahrten im deutschen Strafvollzug ist eher als gering einzuschätzen. Zum Stichtag 31.3.2013 waren 50631 durch Freiheitsstrafen untergebracht. Demgegenüber waren lediglich 492 Personen verwahrt. Seit 1965 war die Anzahl der Verwahrten sehr schwankend. 1965 waren im Früheren Bundesgebiet noch 1430 Personen in Verwahrung. Bis 1995 (ab 1990 Gesamtdeutsch) sank die Zahl erheblich auf lediglich 183 Personen. Seither stieg die Anzahl, wobei anzumerken ist, dass die Zahl der Verwahrten seit 2009 relativ konstant ist (vgl. Statistisches Bundesamt 2013).
Nach einer Entschärfung der Voraussetzungen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung im Jahr 1970, auf die der gewünschte Effekt sinkender Zahlen von Untergebrachten folgte, entwickelte sich die Neuausrichtung und die umfassende, über ein Jahrzehnt andauernde Verschärfung der gesetzlichen Regelungen zu einem Vorzeigebeispiel der von Jonathan Simon geprägten These des „gouverning through crime“. In einem Zusammenspiel zwischen medialem Aufbereiten tragischer Sexualmorde, dem Ausruf des Krieges gegen das Verbrechen und dem gleichzeitigen Präsentieren eines (Er)lösungsvorschlages der Politik, die „das Wegsperren für immer“ als das punitive Mittel der Stunde gegen die Wiederholungsgefahr ausrief, wurden Gesetze erlassen, die zu Beginn auch durch das höchste deutsche Gericht mitgetragen wurden. Erst das EGMR konnte mit Verweis auf die EMRK Einhalt gebieten und ein Umdenken beim BVerfG erwirken. Ob und wie die geübte Kritik, vor allem auch in der Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung, kanalisiert werden kann, vor allem auch vor dem hierfür zu betreibenden finanziellen Aufwand für den einzelnen Verwahrten, bleibt noch genauso unklar, wie die Bereitschaft von Politik und Medien, die Neuerungen der Gesellschaft zu verkaufen.
Die häufigsten Deliktgruppen der Verwahrten sind vor allem Sexualdelikte sowie Raub und Erpressung (vgl. Puhlmann 2009, S. 34). Ebenso stellte Puhlmann in seiner Erhebung zum Klientel der Sicherungsverwahrten fest, dass in 77% der Stichprobe Auffälligkeiten in der Herkunftsfamilie bestehen. Weiterhin ist grundlegend eher von einem niedrigen Bildungsniveau auszugehen (vgl. ebd.).
 
 
== Kritik und kriminologische Relevanz ==
 
Die Sicherungsverwahrung als Maßregel der Sicherung und Besserung ist seit Jahrzehnten eine äußerst umstrittene Thematik. Seit den 60er Jahren wurde sie vielfach verändert und zumeist ausgeweitet. Vor allem hinsichtlich des letzten Jahrzehnts sind etliche und entscheidende Änderungen eingetreten, so unter anderem 2004 die viel diskutierte nachträgliche Sicherungsverwahrung. Jedoch legte die neue Rechtsprechung eindeutig die Therapie-, und freiheitsorientierte Ausrichtung fest, was zu einer qualitativeren Arbeit mit den Sicherungsverwahrten führen sollte. Derzeit sind einige Länder noch mit der neuen Orientierung und der daraus resultierenden Umstrukturierung beschäftigt und versuchen neben den baulichen Rahmenbedingungen auch die konzeptionelle Ausrichtung neu zu strukturieren. Die Länder stehen somit vor einer erheblichen Herausforderung.
Weiterhin ist kritisch anzumerken, dass die gesetzlichen Grundlagen und enormen gesetzlichen Änderungen ein unübersichtliches durcheinander an gesetzlichen Grundlagen schaffte. Selbst Kinzig beschrieb dies bereits 2010 folgendermaßen: „Ein nur noch Eingeweihten in glücklichen Stunden verständliches Konglomerat an Vorschriften“ (Kinzig 2011, S. 177).
Die Sicherungsverwahrung ist stetig ein hoch kontrovers diskutiertes Thema. Vor allem die Diskrepanz das Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft zu bedienen und demgegenüber die Wahrung der Freiheits,- und Grundrechte des verwahrten Individuums zu beachten. Aus dieser Diskrepanz ergibt sich ein enormer Druck auf die politische Ebene im Umgang mit der Sicherungsverwahrung, nicht allein aufgrund der populistischen Medienberichterstattung. In diesem Zusammenhang existieren diverse Schriften, in welchen für eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung plädiert oder sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung auseinandergesetzt wird (hierzu u.a. : Kern 1997 und Riebe 2009).
 
 
 
== Weblinks und Literatur ==
 
*Bamberger, H.-G. (2012): Freiheitsgrundrecht und Freiheitsentzug – Anmerkungen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a.) In: Müller, J. L. et. al. (Hg.) (2012): Sicherungsverwahrung  - wissenschaftliche Basis und Positionsbestimmungen; Was folgt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011? Berlin.
*Bartsch, T. (2010): Sicherungsverwahrung-Recht, Vollzug, aktuelle Probleme. Gießen.
*Bender, S. (2007): Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, Dissertation. Frankfurt am Main. Universität.
*Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 4.5.2011 - 2 BvR 2365/09
*Dessecker, A. (2004) Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit: eine Untersuchung zum Maßregelrecht. Berlin.
*Kern, J. (1997): Brauchen wir die Sicherungsverwahrung. Zur Problematik des §66 StGB. Frankfurt am Main.
*Kinzig, J. (1996) Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand  - Ergebnisse einer theoretischen und empirischen Bestandsaufnahme des Zustands einer Maßregel. Dissertation. Freiburg i. Br. Universität.
*Kinzig, J. Die Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung In: Neue juristische Wochenschrift, Heft 4/2011; 177 - 182
*Puhlmann, P. (2009): Die Sicherungsverwahrung gemäß §66StGB: eine empirische Untersuchung zu den Merkmalen von Straftätern mit Anordnung von Sicherungsverwahrung und dem Zusammenspiel von Gutachtern und Justiz: Dissertation. Rostock. Universität.
*Riebe, P. (2009): Die Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung. Dissertation. Göttingen. Univversität.
*Schewe, J. (1999): Die Geschichte der Sicherungsverwahrung; Entstehung, Entwicklung und Reform. Dissertation. Kiel. Universität.
*Statistisches Bundesamt (2014): Rechtspflege; Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3. -Fachserie 10 Reihe 4.1; Wiesbaden.
*Wolf, Th. (2012): Vollzug der Maßregeln: Behandlung und ihre gerichtliche Kontrolle In: Müller, J. L.et. al. (Hg.) (2012): Sicherungsverwahrung  - wissenschaftliche Basis und Positionsbestimmungen; Was folgt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011?. Berlin. 71-81.
 
*http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Gesetze/RegE_Gesetz_zur_bundesrechtlichen_Umsetzung_des_Abstandsgebotes_im_Recht_der_Sicherungsverwahrung.pdf.pdf?__blob=publicationFile
*http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/
*http://recht-niedersachsen.de/34140/svvollzg.htm
*https://justizministerium.hessen.de/sites/default/files/media/hmdjie/hsvvollzg.pdf
*http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2011/05/rs20110504_2bvr236509.html
*http://images.google.de/imgres?imgurl=http://www.hartpub.co.uk/coverimages/9781849467421.jpg&imgrefurl=http://www.hartpub.co.uk/books/details.asp%3Fisbn%3D9781849467421&h=2835&w=1878&tbnid=k6FVf6T5JnxFWM:&tbnh=94&tbnw=62&docid=VucFtC-k5ZeYYM&hl=de&usg=__2kXR51s5G4NLK7YRg8c7TRV1Wmk=&sa=X&ved=0ahUKEwiTuPSXn6LOAhXFthQKHemLBHcQ9QEIQTAG
 


== Quellen ==
== Videos ==
=== Internetquellen ===
*[https://www.youtube.com/watch?v=IT0QL5c0dOc Sicherungsverwahrung in deutschlands größtem Gefängnis (JVA Tegel)]
# http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg11-031.html
# http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20110504_2bvr236509.html
# http://www.bpb.de/wissen/CNLY1A,0,0,Strafgefangene_und_Sicherungsverwahrte.html
# http://www.trend.infopartisan.net/trd1111/t291111.html
# http://www.juraforum.de/lexikon/sicherungsverwahrung
# http://www.buzer.de/gesetz/6165/al26895-0.htm
# http://www.fritz-sack.com/01%20Texte/Governing%20through%20Crime.htm
# http://www.gesetze-im-internet.de (StGB, JGG, GG, StVollzG, ThUG)
# http://de.wikipedia.org/wiki/Sicherungsverwahrung
# http://www.strafvollzugsarchiv.de/index.php?action=archiv_beitrag&thema_id=5&beitrag_id=471&gelesen=471
# http://www.wkdis.de/aktuelles/rechtsnews/200044/nussstein-ueber-inhalt-und-probleme-des-therapieunterbringungsgesetzes
# http://www.aikidan.ch/logo/forum_heft3_2010.pdf
# http://kfn.de/versions/kfn/assets/fb103.pdf


=== Literaturquellen ===
[[Kategorie: Gefängniswesen (Deutschland)]]
* Cornel/Kawamura-Reindl/Maelicke/Sonnen(2009): Resozialisierung. Baden-Baden. S. 322 ff.
[[Kategorie: Sanktionenrecht (Deutschland)]]
* Alex (2010): Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen/Obb. Studie S. 79 ff.
* Bruhn (2010): Die Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht. Hamburg. S 45 – 55, S. 168 – 224.
* Woynar in Pollähne/Rode (2010): Sicherungsverwahrung: Zwischen Endstrafennotierung und ultimativem Wegschließen, in Probleme unbefristeter Freiheitsentziehung - Lebenslange Freiheitsstrafe, psychiatrische Unterbringung, Sicherungsverwahrung. S. 127 – 139.
* Mischke (2010): Die Sicherungsverwahrung - Eine kriminologisch-juristische Bewertung anhand von Fallakten. Holzkirchen/Obb. Studie S. 85 ff.
* Bartsch (2010): Sicherungsverwahrung – Recht, Vollzug, aktuelle Probleme. Baden Baden. Studie S. 131 ff.

Aktuelle Version vom 9. März 2022, 20:25 Uhr

Allgemeines

Die Sicherungsverwahrung (SV) gehört den sogenannten Maßregeln der Sicherung und Besserung (§§ 61-72 Strafgesetzbuch (StGB))an. Neben der eigentlichen Strafe wird sie durch das Gericht nach dem Urteil als freiheitsentziehende Maßregel angeordnet. Sie dient dem Zweck, die Allgemeinheit vor einer bestehenden Gefahr ausgehend vom voll oder vermindert schuldfähigen Täter (nach Einschätzung durch das Gericht) zu schützen, in dem der Täter weiterhin im Vollzug verbleibt (vgl. Bartsch 2010, S. 29). Für eine vorbeugende Verhinderung schwerster Straftaten gilt sie als letztes Mittel „ulitma ratio“ (vgl. Bamberger 2012, S. 213).


Gesetzliche Grundlagen

Die Sicherungsverwahrung als Maßregel der Sicherung und Besserung ist im Strafgesetzbuch (StGB) ab §66 ff. festgehalten. Des Weiteren bestimmt das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) §129ff. Grundlagen der Sicherungsverwahrung. Nach der neuerlichen Rechtsprechung haben die Bundesländer im Jahr 2013 eigene Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetze geschaffen, welche den Vollzug der Sicherungs-verwahrung detailliert regeln. Zielsetzung der Sicherungsverwahrung ist in erster Linie der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren schwerwiegenden Straftaten. Trotz dessen ist die Fortdauer der Verwahrung mindestens jährlich zu prüfen (vgl. BVerfGE 128, 326, 382 Tz. 118).


Voraussetzungen und Formen

Die Voraussetzungen einer Unterbringung in Sicherungsverwahrung sind differenziert in § 66 ff. StGB geregelt. Der Gesetzgeber sieht hier verschiedene Formen der Sicherungsverwahrung vor:

Die primäre (auch anfängliche oder originäre) Sicherungsverwahrung nach §66 StGB: Grundvoraussetzungen für diese sind mindestens zwei schwere Vortaten (Verbrechen), mindestens eine erhebliche Vorverurteilungen sowie eine negative Prognose aufgrund des Hanges des Täters hinsichtlich erwartbarer erheblicher Straftaten, welche eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Dies sind zumeist Straftaten, welche sich gegen die Unversehrtheit des Lebens, gegen die sexuelle Selbstbestimmung und/oder gegen die persönliche Freiheit richten. Schwere Straftaten im Rahmen des Völkerrechts oder des Betäubungsmittelgesetztes können ebenfalls je nach Intensität des Verbrechens mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung belegt werden. Eine detaillierte Darstellung und weitere Voraussetzungen sind im §66 StGB geregelt.

Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung nach §66a StGB: Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, sofern nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar ist, dass aufgrund eines Hanges zu erheblichen Straftaten eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit nicht auszuschließen ist. Hierbei wird der Täter und die Tat in seiner Gesamtwürdigung sowie die Persönlichkeit und die Entwicklung innerhalb der Freiheitsstrafe, bis zu der endgültigen Anordnung überprüft. Die Überprüfung, ob eine Sicherungsverwahrung angeordnet wird, geschieht durch das Gericht des ersten Rechtszuges. Die Anordnung muss sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe (gemäß §275a Strafprozessordnung) erfolgen. Detaillierte Voraussetzungen sind §66a StGB zu entnehmen.

Die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach §66b StGB: Aufgrund der aktuellen Rechtsprechungen kann die nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nur noch in speziellen Fällen angeordnet werden. Danach ist die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nur möglich, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §67d Abs. 6 StGB für erledigt erklärt worden ist, weil der Zustand, welcher die Schuldfähigkeit ausschließt (§ 20 StGB) oder vermindert (§ 21 StGB), auf dem die Unterbringung nach §63 StGB beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung der Unterbringung nicht bestanden hat, und von dem Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit die erneute Begehung erheblicher Straftaten zu erwarten ist, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden können.

Im Rahmen der neuen Gesetzgebung wurde dem StGB der §66c mit dem Titel: „Ausgestaltung der Unterbringung der Sicherungsverwahrung und des vorhergehenden Strafvollzugs“ hinzugefügt. Dieser besagt, welche Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung geschaffen werden sollten. Ebenfalls wird daraufhingewiesen, dass der Strafvollzug darauf ausgerichtet sein soll, eine Anordnung einer Verwahrung zu vermeiden. Weiterhin hebt dieser die besondere Stellung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf den Abstand zum herkömmlichen Strafvollzug hervor. Im Zuge der neuen Rechtsprechung wurde das „Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ eingeführt, da dies unter anderem Inhalt der Klagen war, welche zu der neuen Rechtsprechung führte.

Im Falle des Jugendstrafrechts gelten andere Voraussetzungen, welche im §7 Jugendgerichtsgesetz geregelt sind. Beispielhaft ist zu nennen, dass eine Jugendstrafe von mindestens 7 Jahren oder spezifischen Straftaten, ähnlich der oben benannten, hierfür Voraussetzung sind.


Historische Entwicklung

Bereits sehr früh finden sich Ausführungen zu einer Art „Verwahrung“ von besonders gefährlichen und rückfälligen Straftätern zum Schutz der Allgemeinheit. Unter anderem erscheint der Gedanke der Verwahrung in einigen Vorschriften des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten von 1794 (vgl. Dessecker 2004, S. 27ff). Weiterhin waren abgewandelte Formen im preußischen Strafgesetzbuch von 1851 und dem Reichsstrafgesetzbuch von 1870/71 als Verhängung verlängerter Freiheitsstrafen vorhanden (vgl. Schewe 1999, S. 14). Im Jahr 1893 legte Strafrechtler Stooss einen Entwurf zum Schweizerischen Strafgesetzbuch vor, dieses beinhaltete ein dualistisches Sanktionssystem, welches die Forderungen nach individualpräventiven Orientierungen und der klassischen Strafrechtsschule und deren Vergeltungscharakter hervorbringt. Dies ging auf einen Streit zwischen der modernen (mit Vertreter Franz von Liszts) und der klassischen Strafrechtsschule zurück. Als eine Art Kompromiss zwischen beiden Schulen entwickelte Stooss den Entwurf mit dessen Zweispurigkeit. Während der Weimarer Republik konnte ebenfalls keine abschließende Einigung über das dualistische Strafrechtssystem erfolgen. Bis 1933 wurden diverse Entwürfe des Deutschen Strafgesetzesbuches, welches eine Sicherungsverwahrung beinhaltete, vorgelegt. Jedoch setzte sich keiner dieser Entwürfe durch (vgl Schewe 1999; S. 36ff). Erst die Nationalsozialisten brachten das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung“ vom 24.11.1933 hervor, welches 1934 in Kraft trat. Nach Zerfall des Dritten Reiches wurden die Vorschriften zur Sicherungsverwahrung fast identisch in das Strafgesetzbuch übernommen. Lediglich die Möglichkeit zur nachträglichen Anordnung entfiel (vgl. Bender 2007, S. 22). Nach diversen Kritiken über die Sicherungsverwahrung veränderte der Gesetzgeber in den 70er Jahren den Charakter der SV, als „ultima ratio“ Mittel (vgl. ebd.). Erst am 31.10.1998 mit dem in Kraft treten des „Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten“ erhielt die Diskussion um die Sicherungsverwahrung neuen Aufschwung und wurde deutlich in ihren Voraussetzungen und der Höchstgrenze verschärft (vgl. Bartsch 2010, S. 38ff.). Bis zu dem entscheidenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahre 2011 ergaben sich im Vorfeld weitere drastische Veränderungen in der Gesetzgebung, unter anderem war die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (2004), Diskussionen um die Zehn-Jahres-Höchstgrenze und weitere, Inhalt dieser. Am 04.05.2011 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass nahezu alle Vorschriften zur Sicherungsverwahrung verfassungswidrig sind, da sie mit mehreren Artikeln des Grundgesetzes nicht vereinbar sind. Vor allem kritisierte das Gericht den bloßen Sicherungsaspekt und fokussierte den erheblichen Unterschied zum Normalvollzug (ugs. Abstandsgebot) und verwies auf freiheitsorientierte und therapiegerichtete Maßnahmen hin. Der Bundesgerichtshof war nun angehalten, dass Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auszugestalten und zu konkretisieren. Dieses verpflichtete den Gesetzgeber zu einer Neugestaltung der Sicherungsverwahrung bis zum 31.05.2013. Daraufhin legte der Bund das „Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ vor, welches am 05.12.2012 in Kraft trat. Weiterhin reagierte der Gesetzgeber mittels Veränderung des §66 StGB auf die Forderungen, in welchem ebenfalls die Ausgestaltung grundlegend geregelt ist. Kraft der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung obliegt die Ausgestaltung den Landesgesetzgebern, was sie in Landesgesetzen so dann umsetzten.


Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung

Die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung wird auf Bundesebene im §66c StGB geregelt. Dieser benennt bereits die grundlegenden Rahmenbedingungen und erheblichen Neuerungen der Sicherungsverwahrung, welche durch das Bundesverfassungsgericht gefordert wurde. Weiterhin sind die Landesgesetze gefragt, diese groben Rahmenbedingungen weiter zu spezifizieren. Das Bundesverfassungsgericht postulierte in diesem Zusammenhang, dass bereits während des Strafvollzuges auf die Verminderung der Gefährlichkeit des Täters hingearbeitet werden muss, um eine Sicherungsverwahrung zu vermeiden. Hier sind bereits alle Maßnahme zur Abwendung der Sicherungsverwahrung anzubieten. Weiterhin ist bei Aufnahme eine Behandlungsuntersuchung mit allen nötigen Aspekten der Persönlichkeit des Verwahrten zu erstellen und daraus ein Vollzugsplan zu entwickeln, welcher regelmäßig aktualisiert werden muss. Die Verwahrung ist so zu gestalten, dass sie behandlungsorientiert, alle erforderlichen psychiatrischen, psychologischen und anderen therapeutischen Maßnahmen und Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, um die Gefährlichkeit des Verwahrten zu minimieren. Hierbei liegt der Fokus insbesondere auf individuell zugeschnittenen, der Persönlichkeiten des Verwahrten entsprechenden Maßnahmen (vgl. Wolf 2012, S. 75). Für diese Maßnahmen sind die Verwahrten intensiv zu motivieren. Hierfür sollte ein multiprofessionelles Team zur Verfügung stehen. Weiterhin sind Vollzugslockerungen zu gewähren und nur aus zwingenden sicherheitsrelevanten Gründen zu versagen. Eine intensive und ausreichende Entlassungsvorbereitung hat stattzufinden. Hier soll eine enge Verzahnung mit forensischen Ambulanzen und Einrichtungen des Betreuten Wohnens bestehen um die erforderliche Betreuung für die Verwahrten sicherzustellen. Um all diese Punkte gewährleisten sowie adäquat umsetzen zu können, sollte die Verwahrung deutlich vom Normalvollzug abgegrenzt sein.

Empirie

Der Anteil der Sicherungsverwahrten im deutschen Strafvollzug ist eher als gering einzuschätzen. Zum Stichtag 31.3.2013 waren 50631 durch Freiheitsstrafen untergebracht. Demgegenüber waren lediglich 492 Personen verwahrt. Seit 1965 war die Anzahl der Verwahrten sehr schwankend. 1965 waren im Früheren Bundesgebiet noch 1430 Personen in Verwahrung. Bis 1995 (ab 1990 Gesamtdeutsch) sank die Zahl erheblich auf lediglich 183 Personen. Seither stieg die Anzahl, wobei anzumerken ist, dass die Zahl der Verwahrten seit 2009 relativ konstant ist (vgl. Statistisches Bundesamt 2013). Die häufigsten Deliktgruppen der Verwahrten sind vor allem Sexualdelikte sowie Raub und Erpressung (vgl. Puhlmann 2009, S. 34). Ebenso stellte Puhlmann in seiner Erhebung zum Klientel der Sicherungsverwahrten fest, dass in 77% der Stichprobe Auffälligkeiten in der Herkunftsfamilie bestehen. Weiterhin ist grundlegend eher von einem niedrigen Bildungsniveau auszugehen (vgl. ebd.).


Kritik und kriminologische Relevanz

Die Sicherungsverwahrung als Maßregel der Sicherung und Besserung ist seit Jahrzehnten eine äußerst umstrittene Thematik. Seit den 60er Jahren wurde sie vielfach verändert und zumeist ausgeweitet. Vor allem hinsichtlich des letzten Jahrzehnts sind etliche und entscheidende Änderungen eingetreten, so unter anderem 2004 die viel diskutierte nachträgliche Sicherungsverwahrung. Jedoch legte die neue Rechtsprechung eindeutig die Therapie-, und freiheitsorientierte Ausrichtung fest, was zu einer qualitativeren Arbeit mit den Sicherungsverwahrten führen sollte. Derzeit sind einige Länder noch mit der neuen Orientierung und der daraus resultierenden Umstrukturierung beschäftigt und versuchen neben den baulichen Rahmenbedingungen auch die konzeptionelle Ausrichtung neu zu strukturieren. Die Länder stehen somit vor einer erheblichen Herausforderung. Weiterhin ist kritisch anzumerken, dass die gesetzlichen Grundlagen und enormen gesetzlichen Änderungen ein unübersichtliches durcheinander an gesetzlichen Grundlagen schaffte. Selbst Kinzig beschrieb dies bereits 2010 folgendermaßen: „Ein nur noch Eingeweihten in glücklichen Stunden verständliches Konglomerat an Vorschriften“ (Kinzig 2011, S. 177). Die Sicherungsverwahrung ist stetig ein hoch kontrovers diskutiertes Thema. Vor allem die Diskrepanz das Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft zu bedienen und demgegenüber die Wahrung der Freiheits,- und Grundrechte des verwahrten Individuums zu beachten. Aus dieser Diskrepanz ergibt sich ein enormer Druck auf die politische Ebene im Umgang mit der Sicherungsverwahrung, nicht allein aufgrund der populistischen Medienberichterstattung. In diesem Zusammenhang existieren diverse Schriften, in welchen für eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung plädiert oder sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung auseinandergesetzt wird (hierzu u.a. : Kern 1997 und Riebe 2009).


Weblinks und Literatur

  • Bamberger, H.-G. (2012): Freiheitsgrundrecht und Freiheitsentzug – Anmerkungen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a.) In: Müller, J. L. et. al. (Hg.) (2012): Sicherungsverwahrung - wissenschaftliche Basis und Positionsbestimmungen; Was folgt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011? Berlin.
  • Bartsch, T. (2010): Sicherungsverwahrung-Recht, Vollzug, aktuelle Probleme. Gießen.
  • Bender, S. (2007): Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, Dissertation. Frankfurt am Main. Universität.
  • Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 4.5.2011 - 2 BvR 2365/09
  • Dessecker, A. (2004) Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit: eine Untersuchung zum Maßregelrecht. Berlin.
  • Kern, J. (1997): Brauchen wir die Sicherungsverwahrung. Zur Problematik des §66 StGB. Frankfurt am Main.
  • Kinzig, J. (1996) Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand - Ergebnisse einer theoretischen und empirischen Bestandsaufnahme des Zustands einer Maßregel. Dissertation. Freiburg i. Br. Universität.
  • Kinzig, J. Die Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung In: Neue juristische Wochenschrift, Heft 4/2011; 177 - 182
  • Puhlmann, P. (2009): Die Sicherungsverwahrung gemäß §66StGB: eine empirische Untersuchung zu den Merkmalen von Straftätern mit Anordnung von Sicherungsverwahrung und dem Zusammenspiel von Gutachtern und Justiz: Dissertation. Rostock. Universität.
  • Riebe, P. (2009): Die Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung. Dissertation. Göttingen. Univversität.
  • Schewe, J. (1999): Die Geschichte der Sicherungsverwahrung; Entstehung, Entwicklung und Reform. Dissertation. Kiel. Universität.
  • Statistisches Bundesamt (2014): Rechtspflege; Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen zum Stichtag 31.3. -Fachserie 10 Reihe 4.1; Wiesbaden.
  • Wolf, Th. (2012): Vollzug der Maßregeln: Behandlung und ihre gerichtliche Kontrolle In: Müller, J. L.et. al. (Hg.) (2012): Sicherungsverwahrung - wissenschaftliche Basis und Positionsbestimmungen; Was folgt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011?. Berlin. 71-81.


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