Sexualdelinquenz: Unterschied zwischen den Versionen

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Bei '''Sexualdelinquenz''' handelt es sich um sexuelle/sexualisierte Handlungen, die als normwidrig gelten bzw. strafbedroht sind - häufig deshalb, weil sie ohne Einwillung des Gegenübers (d.h. des freiwilligen oder unfreiwilligen Sexualobjekts/Sexualpartners) vorgenommen werden. Die sexuellen Handlungen werden z.B. mit Gewalt erzwungen oder die Opfer sind auf Grund ihrer körperlichen oder geistigen Verfassung nicht in der Lage sich zu wehren. Es gibt allerdings auch Sexualdelikte, die mit der Einwillung des Opfers geschehen. Zum Beispiel sexuelle Handlungen mit Unmündigen oder nahen Verwandten. In verschiedenen Kulturen und zu verschiedenen Zeiten werden die Sexualdelikte aber auch nicht unter Bezug auf die Sexualität, sondern - wie in der frühen Bundesrepublik Deutschland - z.B. als Sittlichkeitsdelikte oder als Delikte gegen die öffentliche Ordnung etc. bezeichnet. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die aktuelle Rechtslage in Deutschland und nur auf diejenigen Delikte, die gegen den Willen der Betroffenen ausgeführt werden.
Bei '''Sexualdelinquenz''' handelt es sich um sexuelle/sexualisierte Handlungen, die als normwidrig gelten bzw. strafbedroht sind - häufig deshalb, weil sie ohne Einwillung des Gegenübers (d.h. des freiwilligen oder unfreiwilligen Sexualobjekts/Sexualpartners) vorgenommen werden.
 
In verschiedenen Kulturen und zu verschiedenen Zeiten werden die Sexualdelikte aber auch nicht unter Bezug auf die Sexualität, sondern - wie in der frühen Bundesrepublik Deutschland - z.B. als Sittlichkeitsdelikte oder als Delikte gegen die öffentliche Ordnung etc. bezeichnet. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die aktuelle Rechtslage in Deutschland und nur auf diejenigen Delikte, die gegen den Willen der Betroffenen ausgeführt werden.




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Die Sexualkriminalität nimmt innerhalb der Kriminalität eine Sonderstellung ein. Ihre Entwicklung ist nicht mit der Entwicklung übriger Kriminalität zu vergleichen: Sie scheint von aktuellen sozialen Veränderungen nicht in dem Maße beeinflusst zu werden, wie es die allgemeine Kriminalität wird. So zeigen Statistiken je nach der aktuellen Wirtschaftslage Schwankungen in den Kriminalitätsraten, z.B. für Diebstahl. Die Sexualkriminalität scheint davon nicht beeinflusst zu werden; es zeigen sich zumindest kaum Schwankungen innerhalb der letzten Jahrzehnte, ganz gleich, inwiefern sich die äußere Umwelt verändert.
Die Sexualkriminalität nimmt innerhalb der Kriminalität eine Sonderstellung ein. Ihre Entwicklung ist nicht mit der Entwicklung übriger Kriminalität zu vergleichen: Sie scheint von aktuellen sozialen Veränderungen nicht in dem Maße beeinflusst zu werden, wie es die allgemeine Kriminalität wird. So zeigen Statistiken je nach der aktuellen Wirtschaftslage Schwankungen in den Kriminalitätsraten, z.B. für Diebstahl. Die Sexualkriminalität scheint davon nicht beeinflusst zu werden; es zeigen sich zumindest kaum Schwankungen innerhalb der letzten Jahrzehnte, ganz gleich, inwiefern sich die äußere Umwelt verändert.
===Homosexualität===
Der betreffende § 175 StGB wurde am 10.März 1994 nach vorhergehenden Milderungen vollständig aufgehoben. Demnach stellen seitdem homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen keinen Straftatbestand mehr dar, weshalb der Begriff hier nicht weiter erläutert werden muss.


===Exhibitionismus===
===Exhibitionismus===
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===Sexuelle Delikte an Kindern - Pädophilie===
===Sexuelle Delikte an Kindern - Pädophilie===
Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 20% der Kinder bis zu ihrem 18. Lebensjahr Opfer von sexueller Belästigung geworden sind. Allerdings ist die Verlässlichkeit dieser Angabe auf Grund der hohen Dunkelziffer schwer zu bestimmen. Ziemlich sicher ist jedoch, dass Pädophilie bei Frauen erheblich seltener zu finden ist.  
Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 20% der Kinder bis zu ihrem 18. Lebensjahr Opfer von sexueller Belästigung geworden sind. Allerdings ist die Verlässlichkeit dieser Angabe auf Grund der hohen Dunkelziffer schwer zu bestimmen. Ziemlich sicher ist jedoch, dass bei Frauen erheblich seltener zu finden ist.  


Es ist zu beachten, dass die Pädophilie eigentlich die Diagnose einer psychischen Störung bezeichnet und diese noch nicht durch ein einzelnes Delikt gegeben ist. Des weiteren gibt es auch innerhalb der Pädophilie sehr große Unterscheidungen. Vier Kriterien sind für die Differenzierung von Sexualdelikten an Kindern wichtig: das Geschlecht des Opfers, ob die Opfer stets das gleiche Geschlecht haben, das Ausmaß der angewendeten Gewalt und ob die Tat innerhalb der Familie geschehen ist. Im letzten Fall würde es sich um Inzesttäter handeln. Diese werden innerhalb der Wissenschaft gesondert betrachtet.
Es ist zu beachten, dass die Pädophilie eigentlich die Diagnose einer psychischen Störung bezeichnet und diese noch nicht durch ein einzelnes Delikt gegeben ist. Des weiteren gibt es auch innerhalb der Pädophilie sehr große Unterscheidungen. Vier Kriterien sind für die Differenzierung von Sexualdelikten an Kindern wichtig: das Geschlecht des Opfers, ob die Opfer stets das gleiche Geschlecht haben, das Ausmaß der angewendeten Gewalt und ob die Tat innerhalb der Familie geschehen ist. Im letzten Fall würde es sich um Inzesttäter handeln. Diese werden innerhalb der Wissenschaft gesondert betrachtet.
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Eine weitere Typologie von pädophilen Straftätern ist anhand der MTC:CM3 Typologie von Knight und Prentky möglich. Allerdings gibt es einige Voraussetzungen zur Anwendung, so lassen z.B. nur extrafamiliäre Täter mit ihr kategorisieren. Die Kriterien dieser Typologie sind das Ausmaß der Fixierung, die soziale Kompetenz, die Kontaktsuche zu Kindern sowie die Art des Kontaktes (interpersonell vs. narzisstisch), das Gewaltausmaß und die Sadismuszeichen. Diese Kriterien machen deutlich, dass diese Typologie mehr abdecken kann, als es einzig die Unterscheidung zwischen regressiv und fixiert vermag.
Eine weitere Typologie von pädophilen Straftätern ist anhand der MTC:CM3 Typologie von Knight und Prentky möglich. Allerdings gibt es einige Voraussetzungen zur Anwendung, so lassen z.B. nur extrafamiliäre Täter mit ihr kategorisieren. Die Kriterien dieser Typologie sind das Ausmaß der Fixierung, die soziale Kompetenz, die Kontaktsuche zu Kindern sowie die Art des Kontaktes (interpersonell vs. narzisstisch), das Gewaltausmaß und die Sadismuszeichen. Diese Kriterien machen deutlich, dass diese Typologie mehr abdecken kann, als es einzig die Unterscheidung zwischen regressiv und fixiert vermag.


===Sexuelle Gewalt gegen Behinderte, chronisch Kranke und Andere===
===Sexuelle Gewalt gegen Behinderte, chronisch Kranke und Andere===
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Aufgrund der strukturellen Macht von Einrichtungen, der Entmündigung von vielen alltäglichen Gegebenheiten und der strikten Regelung ihres Lebens, welche intime Abläufe wie Körperpflege und Sexualität miteinschließt, ist es für Behinderte und Kranke schwierig, "Nein" zu sagen, sich gegen jegliche Form der Gewaltanwendung und des Missbrauchs zu wehren oder dies überhaupt als solche zu erkennen und zu benennen.  
Aufgrund der strukturellen Macht von Einrichtungen, der Entmündigung von vielen alltäglichen Gegebenheiten und der strikten Regelung ihres Lebens, welche intime Abläufe wie Körperpflege und Sexualität miteinschließt, ist es für Behinderte und Kranke schwierig, "Nein" zu sagen, sich gegen jegliche Form der Gewaltanwendung und des Missbrauchs zu wehren oder dies überhaupt als solche zu erkennen und zu benennen.  


Leider zählt sexuelle Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderungen zu den vielen Tabuthemen unserer Gesellschaft und bleibt oft ein gut gehütetes Geheimnis von Betroffenen, Verwandten, BetreuerInnen und der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund existieren auch nur wenige Untersuchungen, die das Ausmaß sexueller Gewalt gegen Behinderte beleuchten. Innerhalb der Einrichtungen werden Fragen über sexuelle Gewalt meist nur im Anlassfall, am Rande oder gar nicht gestellt. Zu vermuten ist, dass der Grund für die zögernde Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt gegenüber Behinderten in der allgemeinen Tabuisierung des Themas 'Sexualität im Leben von Behinderten' liegt.  
Leider zählt sexuelle Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderungen zu den vielen Tabuthemen unserer Gesellschaft und bleibt oft ein gut gehütetes Geheimnis von Betroffenen, Verwandten, BetreuerInnen und der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund existieren auch nur wenige Untersuchungen, die das Ausmaß sexueller Gewalt gegen Behinderte beleuchten. Innerhalb der Einrichtungen werden Fragen über sexuelle Gewalt meist nur im Anlassfall, am Rande oder gar nicht gestellt. Zu vermuten ist, dass der Grund für die zögernde Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt gegenüber Behinderten in der allgemeinen Tabuisierung des Themas ''Sexualität im Leben von Behinderten'' liegt.  
Schätzungsweise ist die Zahl der Übergriffe gegen Behinderte ähnlich wie bei der restlichen Bevölkerung.  
Schätzungsweise ist die Zahl der Übergriffe gegen Behinderte ähnlich wie bei der restlichen Bevölkerung.  
Das Risiko, Opfer von sexueller Gewalt zu werden, besteht dort, wo Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen BetreuerInnen und Betreuten herrschen. Die TäterInnen, die aus dem alltäglichen Nahraum kommen, nutzen hierbei ihre Machtposition und Vertrauensbeziehung aus um ihre Opfer gefügig zu machen sowie die Geheimhaltung zu erzwingen.  
Das Risiko, Opfer von sexueller Gewalt zu werden, besteht dort, wo Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen BetreuerInnen und Betreuten herrschen. Die TäterInnen, die aus dem alltäglichen Nahraum kommen, nutzen hierbei ihre Machtposition und Vertrauensbeziehung aus um ihre Opfer gefügig zu machen sowie die Geheimhaltung zu erzwingen.  


Besonders bei behinderten Kindern und Jugendlichen ist die Gefahr solcher Übergriffe hoch, da sie in einem noch größeren Abhängigkeitsverhältnis zu Erwachsenen stehen und noch machtloser und ohnmächtiger als nicht Behinderte sind. Vor allem geistig behinderte Kinder und Jugendliche sind aufgrund ihrer nicht altersgemäßen intellektuellen Entwicklung noch viel weniger als ihre Altersgenossen in der Lage, sich gegen sexuelle Gewalt und Missbrauch zur Wehr zu setzen bzw. die Straftat überhaupt zu erkennen. Behinderte Mädchen, die bereits im Jugendalter sterilisiert werden, können leicht zu Opfern sexueller Gewalt werden, bei der sich die Spuren eines Übergriffs nicht mehr erkennen lassen.  
Besonders bei behinderten Kindern und Jugendlichen ist die Gefahr solcher Übergriffe hoch, da sie in einem noch größeren Abhängigkeitsverhältnis zu Erwachsenen stehen und noch machtloser und ohnmächtiger als nicht Behinderte sind. Vor allem geistig behinderte Kinder und Jugendliche sind aufgrund ihrer nicht altersgemäßen intellektuellen Entwicklung noch viel weniger als ihre Altersgenossen in der Lage, sich gegen sexuelle Gewalt und Missbrauch zur Wehr zu setzen bzw. die Straftat überhaupt zu erkennen. Behinderte Mädchen, die bereits im Jugendalter sterilisiert werden, können leicht zu Opfern sexueller Gewalt werden, bei der sich die Spuren eines Übergriffs nicht mehr erkennen lassen.  
Viel verwerflicher ist jedoch die Tatsache, dass wenn Behinderte über den Missbrauch berichten oder nonverbale Zeichen geben, ihnen noch weniger geglaubt wird als Nichtbehinderten (Enders, 1990, S.52).
Viel verwerflicher ist jedoch die Tatsache, dass wenn Behinderte über den Missbrauch berichten oder nonverbale Zeichen geben, ihnen noch weniger geglaubt wird als Nichtbehinderten (Enders, 1990, S.52).


===Bis 1994: Homosexualität===
Der betreffende § 175 StGB wurde am 10.März 1994 nach vorhergehenden Milderungen vollständig aufgehoben. Demnach stellen seitdem homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen keinen Straftatbestand mehr dar, weshalb der Begriff hier nicht weiter erläutert werden muss.


==Folgen von Sexualdelikten==
==Folgen von Sexualdelikten==
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===Folgen für den Täter===
===Folgen für den Täter===
Man unterscheidet mehrere Formen von [[Sexualstraftäter]]n. Dabei richtet sich die Unterscheidung zum einen auf die Opfer und zum anderen auf das Vorgehen der Täter. Bei manchen Sexualdelikten wendet der Täter Gewalt an, bei anderen nicht.  
Man unterscheidet mehrere Formen von [[Sexualstraftäter]]n. Dabei richtet sich die Unterscheidung zum einen auf die Opfer und zum anderen auf das Vorgehen der Täter. Bei manchen Sexualdelikten wendet der Täter Gewalt an, bei anderen nicht.  


'''Strafbarkeit'''  
'''Strafbarkeit'''  
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==Literatur==
==Literatur==
*H. Dilling, W Mombour, & M.H. Schmidt (Hrsg.), ''Internationale Klassifikation pychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F)''. 5. Auflage. Bern: Huber, 2005.
*U. Enders (Hrsg.), ''Zart war ich, bitter war's. Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen.'' Köln: Volksblatt Verlag 1990.
*Günther Kaiser, H. J. Kerner, F. Sack & H. Schellhoss (Hrsg.), ''Kleines Kriminologisches Wörterbuch.'' 3. Auflage. Heidelberg: Müller 1993
*R. A. Knight & R. A. Prentky, ''Classifying sexual offenders: The development and corroboration of taxonomic models.'' In: W.L. Marshall, D.R. Laws and H.E. Barbaree (Eds.). The handbook of sexual assault. New York: Plenum 1990.
*T. Köhler, ''Biologische Grundlagen psychischer Störungen''. 2. Auflage. Göttingen: Hogrefe 2005
*R. A. Prentky & R. A. Knight, ''Identifying critical dimensions for discriminating among rapists.'' Journal of Consulting and Clinical Psychology, 59 (1991), 643-661.


Dilling, H., Mombour, W & Schmidt, M.H. (Hrsg.) (2005). ''Internationale Klassifikation pychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F)''. 5. Auflage. Bern: Huber.
== Power Point Präsentation ==
 
* Helfgott, J.B. Sex Crime (Chapter 6 von: Typologies of Crime and Criminal Behavior) [http://www.pageout.net/user/www/j/h/jhelfgott/TYPOLOGIES%20OF%20CRIME%20AND%20CRIMINAL%20BEHAVIOR/Powerpoints/Ch%206PPT-Helfgott-CrimBehavior.ppt]
Enders, U. (Hrsg.) (1990). ''Zart war ich, bitter war's. Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen.'' Köln: Volksblatt Verlag.
 
Kaiser, G., Kerner, H.-J., Sack, F. & Schellhoss, H. (Hrsg.) (1993). ''Kleines Kriminologisches Wörterbuch.'' 3. Auflage. Heidelberg: Müller.
 
Knight, R. A. & Prentky, R. A. (1990). ''Classifying sexual offenders: The development and corroboration of taxonomic models.'' In: W.L. Marshall, D.R. Laws and H.E. Barbaree (Eds.). The handbook of sexual assault. New York: Plenum.
 
Köhler, T. (2005). ''Biologische Grundlagen psychischer Störungen''. 2. Auflage. Göttingen: Hogrefe.
 
Prentky, R. A. & Knight, R. A. (1991). ''Identifying critical dimensions for discriminating among rapists.'' Journal of Consulting and Clinical Psychology, 59 (5), 643-661.
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