Rudi Dutschke

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Alfred Willi Rudi Dutschke (Rudi Dutschke) wurde am 7. März 1940 in Schönefeld bei Luckenwalde geboren und starb am 24. Dezember 1979 in Aarhus in Dänemark. Dutschke wird als marxistischer Soziologe bezeichnet und zeigte großes Engagement in der Studentenbewegung in den 1960er Jahren.

Leben

Rudi Dutschke wuchs in der DDR auf und engagierte sich früh in der evangelischen Jungen Gemeinde von Luckenwalde. So erhielt er seine religiös-sozialistische Prägung. Nachdem er zunächst Sportreporter werden wollte (er war Leistungssportler), änderte sich seine Gesinnung durch den Ungarischen Volksaufstand 1956, und er ergriff Partei für einen Demokratischen Sozialismus. Dutschke lehnte nicht nur die SED und die Strukturen in der DDR ab, sondern gleichfalls die andauernden Strukturen in Westdeutschland. Da er sich gegen Militarisierung und den Wehrdienst in der DDR aussprach, verweigerten die DDR-Behörden ihm den Zugang zum angestrebte Sportjournalistikstudium. Aus diesem Grund wiederholte er sein Abitur in Westberlin und zog 1961 vollständig dorthin, um an der Freien Universität Soziologie, Ethnologie, Philosophie und Geschichtswissenschaften zu studieren. Während seines Studiums prägten ihn die Frühschriften von Marx, Werke der Geschichtsphilosophen Georg Lukacs und Ernst Bloch sowie der Kritischen Theorie. Während seines Studiums lernte er bereits die Thelogiestudentin Gretchen Klotz kennen, die er später heiratete und mit der er drei Kinder hatte.

Studienzeit und Studentenbewegung

Rudi Dutschke beschäftigte sich in Form der Herausgabe einer Zeitschrift schon früh mit den Problemen der Dritten Welt, der Kritik am Kapitalismus und neuen politischen Organisationsformen. 1965 wurde Dutschke zusammen mit seiner Gruppe der Münchner Subversiven Aktion, die sich als Teil der Situationistischen Internationale verstand, Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Kurz nach seinem Beitritt wurde er in den politischen Beirat gewählt und konnte so die politische Richtung des SDS maßgeblich beeinflussen. Dutschke organisierte ab 1966 viele Demonstration die sich für Hochschulreformen, gegen die Große Koalition, die Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg einsetzten. Die Studentenbewegung wuchs und verknüpfte diese Themen mit der Kritik an der mangelnden Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit und verstand sich als Teil einer Außerparlamentarischen Opposition (APO). Dutschke entwickelte sich als Wortführer und Organisator der Bewegung. Am 23. März heiratete er Gretchen Klotz und im selben Jahr wollte er bei dem damaligen Rektor der FU promovieren, jedoch wurde sein Assistenvertrag an der FU nicht verlängert, da er sich an Auseinandersetzungen innerhalb der Universität beteiligte. Mit der Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg während einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien 1967, eskalierte die angespannte Situation weiter. Dutschke und der SDS riefen zu bundesweiten Sitzblockaden, um die Aufklärung der Todesumstände zu erzwingen. Außerdem wurde die Enteignung des Springer-Verlags gefordert, dem die Studenten durch seine propagandistische, rechtspopulistische Berichterstattung gegen die Studentenbewegung Mitschuld am Tod Ohnesorgs gaben. Der Polizist (Karl Heinz Kurra), der geschossen hatte wurde im November 1967 von der Anklage der fahrlässigen Tötung Benno Ohnesorgs freigesprochen. Dutschke und seine Anhänger empörte diese Tatsache zutiefst, zumal zur gleichen Zeit ein Freund wegen eines angeblichen Steinwurfs vor Gericht gestellt wurde. Daher wurde eine große Demonstration organisiert. Dutschke nahm an verschiedenen Podiumsdiskussionen teil und gab Interviews; er wurde deutschlandweit bekannt. Jedoch war ihm die Beziehung zu Arbeitern durch seine politische marxistisch geprägte Denkweise wichtiger als der rein akademische Dialog zwischen den Studenten. In Diskussionen mit Politikern verhielt er sich häufig respektlos und unangepasst und strebte eine Einheit von Arbeitern und Studenten an. Aber er stand durch seine interlektuelle und akademische Ausdrucksweise diesem Ziel selbst häufig im Wege. Da Dutschke als das Symbol der 68er Bewegung galt, erfuhr er jedoch auch zunehmend Hass und Ablehnung und wurde öffentlich beleidigt und körperlich angegriffen. Dutschke gründete mit anderen Befürwortern 1967 eine Kritische Universität in der FU, die sich in selbstorganisierten Arbeitskreisen verwirklichte. 1968 bereitete er den Vietnamkongress vor, an dem einige tausend Studenten teilnahmen. Bei einer Pro-Amerika Demonstartion einige Tage später wurde gegen Dutschke gehetzt und er wurde als Volksfeind bezeichnet.

Das Attentat

Am Gründonnerstag, den 11. April 1968, eine Woche nach der Ermordung von Martin Luther King in den USA, wurde Rudi in West-Berlin auf offener Straße von einem durch die Springer-Presse aufgehetzten Hitler-Verehrer namens Josef Bachmann niedergeschossen (Dutschke 1998: 197).

Josef Bachmann schoss dreimal vor dem SDS-Büro auf Dutschke; er traf ihn zweimal in den Kopf und einmal in die Schulter. Rudi wurde ins Westend-Krankenhaus gebracht und am Gehirn operiert. Es gelang den Ärzten das gefährlichste Geschoss aus dem Kopf zu entfernen, dennoch überlebte Rudi nur knapp und litt bis zu seinem Tod unter den Spätfolgen der Verletzungen. Vor allem nach der ersten kritischen Zeit seiner Genesung wurde deutlich wie groß sein Gedächtnisverlust war und auch das Lesen und Schreiben sowie seine Artikulationsfähigkeit waren maßgeblich eingeschränkt. Nur durch eine mühsame Therapie konnte er sich Sprache und Gedächtnis wieder aneignen. Nach dem Anschlag reiste Rudi mit seiner Familie und arbeitete an der Universität in Cambridge und letztendlich in Aarhus, wo er als Soziologiedozent angestellt war. Der Täter hatte Kontakt in die rechtextreme Szene, hatte sich dort auch die Waffe besorgt und an Schießübungen teilgenommen. Bei seiner Festnahme fand man Zeitungsartikel von Boulevardmagazinen bei ihm, die gegen Rudi hetzten. Sein Motiv war also eindeutig politisch motiviert. Er wurde zu sieben Jahren Haft wegen versuchten Mordes verurteilt, nahm sich aber während seiner Haft am 24. Februar 1970 das Leben. Dutschke hatte ihm zuvor in einem Brief verziehen und wollte ihn von einem sozialistischen Engagement überzeugen. Das Attentat löste eine neue stärkere Dynamik in der Studentenbewegung aus. Wieder wurde der Springer-Presse die Schuld an dem Verbrechen gegen Dutschke gegeben. Es fanden die schwersten Ausschreitungen statt, als Studenten die Zeitungswagen des Verlags anzündeten und die Fensterscheiben des Springer-Gebäudes mit Steinen einwarfen. Gretchen Dutschke schreibt, dass sich die Polizei dieses Mal sogar zurückhielt und die Studenten bis zu einer gewissen Grenzen gewähren lies. Es schlossen sich viele kleine Gruppen zusammen und organisierten sich zu roten Zellen. Diese gingen auch in Betriebe, sodass bei der 2. Lesung der Notstandgesetze im Mai 1968 nicht nur Studenten an 25 Universitäten sondern auch Arbeiter in einigen Betrieben streikten. Außerdem fanden schwere Auseinandersetzungen bei der Schlacht am Tegeler Weg statt, als Studenten 130 Polizisten verletzten. Am gleichen Tag fand der Prozess gegen den Anwalt Horst Mahler statt, der als Einziger wegen des Angriffs auf das Springer-Gebäude angeklagt wurde. So hatte das Attentat auf Rudi Dutschke nicht nur persönliche Folgen, sondern auch weitreichende politische Konsequenzen, auf die sich die folgende partielle Radikalisierung einiger Akteure zurückführen lässt.

Spätzeit

Wir gehen nicht an den Schlägen kaputt, die wir einstecken, aber an den Schlägen, die wir nicht austeilen (Wolf Biermann).

Erst im Mai 1972 reiste Rudi wieder in die Bundesrepublik und dann auch nach Ost-Berlin. Er war von der Idee eines entmilitarisierten Gesamtdeutschlands überzeugt und traf sich mit Sozialdemokraten und Gewerkschaftern. In Ost-Berlin lernte er Wolf Biermann kennen, zu dem er eine enge Freundschaft entwickelte. Im gleichen Jahr kehrte er nach Berlin zurück und führte seine Dissertation weiter zu führen, an der er seit 1971 schrieb. 1973 promovierte er zum Dr. phil, jedoch blieb die erhoffte große Debatte über seine Thematik aus. Eine akademische Karriere blieb aus und er wandte sich wieder der Politik zu. Nachdem der SDS zerfallen war, war Dutschke bemüht eine grün-alternative-linke Partei aufzubauen. Ab 1976 setzte er sich mit der Anti-Atomkraftbewegung auseinander und nahm an deren Demonstrationen teil. 1979 wurde er dann Mitglied der Bremer Grünen Liste und beteiligte sich an ihrem Wahlkampf. Nach dem Einzug ins Stadtparlament wurde er zum Delegierten für den für Mitte Januar 1980 geplanten Gründungskongress der Partei die Grünen gewählt. An Heiligabend 1979 ertrank Dutschke in Folge eines epileptischen Anfalls (Spätfolge des Attentats) in seiner Badewanne. Er wurde in Berlin-Dahlem beigesetzt.

Verhältnis zu Gewalt und Terrorismus

Holger, der Kampf geht weiter. (Rudi Dutschke)

Nachdem sich die RAF nach dem Attentat auf Rudi formiert hatte und in den Untergrund abgetaucht war, hatte Dutschke sich von dieser Form des politischen Ausdrucks distanziert. Als Jan Raspe jedoch 1972 festgenommen wurde, besuchte Dutschke ihn im Gefängnis und war überzeugt, dass er in die Freiheit zurückkehren würde und eine andere Lösung als der Terrorismus für die Herbeiführung einer Revolution gefunden werden würde. Gewalt kam für ihn zur Herbeiführung einer Revolution zwar in Frage, aber diese Voraussetzung war nicht gegeben, daher lehnte er das Handeln und die Aktionen der RAF ab. Im Gegenzug verurteilte er die Haftbedingungen und die Isolationshaft unter der seine Genossen litten und kündigte Proteste an. Den Hungerstreik der Gefangenen, der bis in den Tod führte, hielt er für falsch. Seiner Meinung verfehlte diese Form des Protests, um eine Verbesserung der Verhältnisse zu erreichen, das eigentliche politische Ziel der Gruppe. Er nahm Kontakt zu einem der Anwälte der Terroristen (Otto Schily) auf und versuchte durch ihn Einfluss auf die Gefangenen auszuüben und sie vom Hungerstreik abzuhalten. Er hilet die psychische und physische Schwächung für höchst schädlich für den Prozessverlauf und beschudigte die Streikenden von ihrer Linie abzuweichen und zu idealistisch zu handeln. Nachdem Holger Meins starb, solidarisierte sich Rudi an seinem Grab anscheinend mit der Taktik der RAF, was andere Genossen empörte. Dutschke hatte einige mÜhe seinen Ausruf miit erhobender Faust (s.o.) richtig zu stellen. Sein Verhältnis zu Gewalt und Terrorismus war zwiegespalten. Er empfnad Solidarität zu seinen Genossen im Gefängnis und hielt sie nicht für verrückt. Er glaubte fest daran, dass sie nur wieder an politischen Diskussionen teilnehmen müssten, um ihre Taktik zu ändern und den Terrorismus auszuschließen. Terrorismus war für ihn eine schwerwiegende Verirrung, die verhinderte , daß die Gesellschaft sich änderte, befreit wurde (Dutschke 1998: 341). Nach dem Tod Holger Meins' wurde der Kammergerichtsdiener Günter von Drenkmann erschossen. Dutschke verurteilte diese Tat und ärgerte sich über ihre Sinnlosigkeit. Für ihn bedeutete diese Art der Kriminalität, die Öffentlichkeit gegen sich aufzubringen und deren Sympathie und Solidarität zu verlieren. Doch eben gerade die Öffentlichkeit stellte für ihn die wichtige Grundlage für entscheidende Umwälzungen in der Gesellschaft dar. Auch das Abtauchen in den Untergrund der RAF kritisierte er, da Isolation vom Volk nicht der richtige Weg sei, um das kapitalistische System durch eine proletarische Revolution zu stürzen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Rudi Dutschke den Terrorismus und die Anwendung illegaler Mittel sowie Gewalt kritisierte und teilweise ablehnte. Dennoch waren die Mitglieder der RAF seine Genossen, die er unterstützte und kritisierte, aber vor allem für die Einhaltung der Menschenrechte auch für Gefangene und Terroristen eintrat.

Literatur

  • Dutschke-Klotz, Gretchen (1996) Rudi Dutschke. Wir hatten ein barbarisches, schönes Leben. Eine Biographie, Köln.


Weblinks