Resilienz

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Das Wort Resilienz beschreibt das Phänomen der Widerstandskraft und die Fähigkeit schwierige Situationen und Bedingungen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Damit wird die Kompetenz einer Person oder eines sozialen Systems dargestellt, erfolgreich mit schwierigen Bedingungen umzugehen. Es ist die Möglichkeit eines Systems, auf Krisen und Störungen reagieren zu können, ohne sich selbst zu erneuern oder sich grundlegend zu verändern. Dabei geht es also im weitesten Sinne um eine Anpassungsfähigkeit an widrige oder systembedrohende Umstände und die erfolgreiche Bewältigung einer Krise.

Allgemeines

Aufgrund der populärwissenschaftlichen Verwendung im 21. Jahrhundert und damit dem Einzug als "Moderessource" in den Alltag wirkt der Begriff Resilienz gegenüber der komplexen Ausgangslage (s.u.) vereinfacht und ist daher schwer zu definieren.

Etymologie

Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Lateinischen "resilire", was zurückspringen oder abprallen bedeutet. Im englischen Sprachraum wird "resilience", ähnlich wie im deutschen Sprachraum, als Elastizität, Flexibilität und Widerstandsfähigkeit umschrieben.

Definition und Voraussetzung

Es gibt viele unterschiedliche Definitionen von Resilienz. In der Literatur wird von einer interdisziplinären Verwendung des Begriffs ausgegangen. Die Sozialwissenschaften erklären das Konstrukt[1] allgemein als eine Fähigkeit von Personen, Gruppen und Gesellschaften, externe Beeinträchtigungen unter gegebenen sozialen, politischen und ökologischen Gegebenheiten bewältigen zu können. Resilienz setzt grundsätzlich eines oder mehrerer Risiken voraus, als resilient kann also ein System erst bezeichnet werden, wenn es Risiken erfahren hat und die Belastung positiv bewältigt hat.

Merkmale und Verwendung

Resilienz wird als Fähigkeit, auf außergewöhnliche Belastungen und wechselnde Lebensbedingungen flexibel und angemessen reagieren zu können ohne negative Folgen zu erleiden oder sogar gestärkt aus der Krise zu kommen, bezeichnet. Resiliente Personen und Systeme sind in der Lage, innere Kräfte zu aktivieren und Unterstützung von außen zu nutzen um flexibel und widerstandsfähig auf Belastungen, Störungen und Krisen reagieren zu können. Resilienz ist nicht als feststehende Persönlichkeitseigenschaft zu verstehen, sie stellt vielmehr eine Anzahl an Prozessen und Lebensfertigkeiten dar, die zu kompetentem Verhalten in schwierigen Lebenssituationen beitragen. Damit handelt es sich um ein dynamisches Konstrukt, d.h. Resilienz ist nicht stabil, sondern meist situationspezifisch und nicht bei jedem System gleich und immer abrufbar. Das bedeutet, dass Resilienz höchst individuell ist und z.B. eine Krise gut bewältigt werden kann, bei einer Person oder einer anderen Krise aber Schwierigkeiten auftreten können, mit der Belastung umzugehen. Übergreifend haben alle Resilienztheorien zum Inhalt, dass es darum geht, Belastungen flexibel aufzugreifen, auszugleichen und so zu bewältigen, dass die Handlungsfähigkeit erhalten bleibt und sogar verbessert wird (im weitesten Sinne einer Selbsterneuerung). Resilienz steht damit fast mehr für Innovation denn als Reaktion auf widrige Umstände und damit für ein Konstrukt, dass in vielen Bereichen erfolgsversprechend zu sein scheint. In resilienten Strukturen ist der ursprüngliche Zustand vor einer Krise zwar Ausgangspunkt für den Wandel, aber nicht das wieder zu erreichende Ziel. Es soll eine Art Umwandlungsprozess im Sinne einer Selbsterneuerungsfähigkeit als Reaktion auf kritische Ereignisse und damit eine gesellschaftsstabilisierende Kraft entstehen. Damit wird deutlich, warum der Begriff für die Wissenschaft, Forschung und Politik im 21. Jahrhundert attraktiv und erstrebenswert erscheint.

Entwicklung des Begriffs

Der Begriff der Resilienz wurde in den 1950er Jahren, ausgehend von den Naturwissenschaften[2], zunächst von der Psychologie aufgenommen. Es wurde eine Art Widerstandsfähigkeit von Kindern betrachtet, die sich trotz beeinträchtigter Lebensbedingungen normal oder sozial unauffällig entwickelten. Bei Erwachsenen wurde der Begriff auf das individuelle Phänomen angewendet potentiell traumatisierende Lebensereignisse (z.B. Lebenskrisen wie Krankheiten, existenzielle Notlagen, Kriege, Verlust von nahestehenden Personen, oder das Betroffen sein von Naturkatastrophen) ohne dauernde Beeinträchtigungen zu überstehen. Zunächst wurde Resilienz als individuelle Fähigkeit verstanden, mit Belastungen umzugehen und Krisen so zu bewältigen, dass ein gesundes Leben möglich ist.

Resilienz ist von vielen wissenschaftlichen Disziplinen (z.B. Soziologie, Ethnologie, Wirtschaft/Organisationsberatung und Sicherheitspolitik/-forschung) auch im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion seit den 1990er Jahren interdisziplinär diskutiert und als Konzept für unterschiedlichste Situationen oder auch Krisen propagiert worden. Resilienz wird damit nicht mehr nur für Personen, sondern auch für alle andere Systeme beschrieben. Die UN empfahlen in den 1990er Jahren im Rahmen der "Internationalen Dekade zur Reduzierung von Naturkatastrophen" Resilienz um die Sicherheit von Individuen, Schulen, medizinischen Einrichtungen und ganzen Gesellschaften zu erhöhen (vgl. UNISDR).

Verwendung seit der Jahrtausendwende

Aufgrund der Entwicklungen der Gegenwart und angesichts zunehmend wahrgenommener Unsicherheiten aufgrund von Globalisierung, der Deregulierung der Märkte, des Klimawandels und des Terrorismus wird zunehmend nach Sicherheiten gefragt. Da man erkannt hat, dass Veränderungen, Krisen und Katastrophen nicht abzuwenden sind, setzt das (sicherheits-)politische Konzept der Resilienz an. Gerade mit der zunehmenden Sensibilisierung für die wechselseitige Abhängigkeit und Verwundbarkeit von Infrastrukturen, auch im Zusammenhang mit der angenommenen Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, wird Resilienz nun zunehmend unter dem Sicherheitsaspekt diskutiert und findet im Krisen-und Katastrophenschutz steigende Beachtung. Neueste Interventionsstrategien in den wissenschaftlichen Diskursen und gerade in der sicherheitspolitischen Praxis gehen dahin, Resilienz erzeugen und steigern zu wollen. Resilienz ist zum "boundary object" aufgestiegen. Vorausgegangen ist die Beobachtung, dass die Kooperation unterschiedlichster Bereiche (z.B. Wissenschaft, Politik und öffentliche Verwaltung) nicht auf eine grundlegenden Klärung Begrifflichkeiten beruhen muss, sondern dass auch mit mehrdeutigen Begriffen trotzdem erfolgreich verfahren werden kann (vgl. Kaufmann 2012).

Zusammenhänge und Abgrenzungen zu verwandten Begriffen

Resilienz wird im Sinne von Widerstandsfähigkeit oft als Gegenbegriff zur Vulnerabilität dargestellt bzw. kommt dort zum Tragen, wo (gesellschaftliche) Vulnerabilität angenommen wird. Unter Vulnerabilität werden dabei Bedingungen und Prozesse verstanden, welche die Empfindlichkeit eines Systems, sei es eine von Arbeitslosigkeit bedrohte Person oder eine Region, gegenüber Gefahren, welcher Art auch immer, bestimmen. Ziel einer Vulnerabilitätbetrachtung in diesem Sinne ist, den Grad der Verletzbarkeit der Person oder der Stadt zu bestimmen, wofür sowohl externe als auch interne Faktoren einen Einfluss besitzen. Soziale Vulnerabilität berücksichtigt dabei, dass nicht alle Akteure in einem bestimmten Kontext vergleichbare Verletzlichkeit zeigen oder vergleichbare Resilienzstrategien entwickeln. Damit besteht eine Verbindung zwischen allen möglichen Einflussfaktoren. Daran anschließen würde sich die Prävention als Gegenstrategie zur Verhinderung von Schäden. Die Prävention setzt an der Verhinderung von schadhaften Ereignissen an, die Resilienz bewertet den positiven und stärkenden Umgang mit dem Schadensereignis. Durch die Unschärfe des Begriffs sind damit auch die Abgrenzungen oder auch Gemeinsamkeiten zu anderen Begriffen, je nach Sichtweise, nicht genau zu benennen. [memo]

Bei der Betrachtung der Prozesshaftigkeit von Resilienz sind einige Faktoren miteinzubeziehen, die dem Resilienzprozess zugrunde liegen und sich in der Gesamtheit ähneln.

So z.B. Ergebnisse aus der Stressforschung und die positive Bewältigung von Stressoren [3].

Weiter wird das Konzept der Salutogenese des Medizinsoziologen Aaron Antonovsky aufgrund des Paradigmenwechsels von der defitizorientierten Sichtweise der Risikobewertung zur gesundheitsfördernden, ressourcenorientierten Empowerment- Sichtweise als Wegbereiter für die soziologische Auseinandersetzung mit Resilienz gesehen.

Selbstwirksamkeitserwartung

Resilienzforschung

Seit den 1950er Jahren wurde in der Psychologie, genauer in der Enwicklungspsychopathologie, nach Risikofaktoren die zu kritischen Enwicklungsverläufen von Kindern führen, geforscht. Eher zufällig wurden in Untersuchungen der 1970er Jahren Kinder psychisch kranker Eltern als widerstandsfähig erkannt. Diese konnten sich, trotz belastender Entwicklungsbedingungen, verhältnismäßig oder überdurchschnittlich erfolgreich entwickeln. Zunächst wurden diese Kinder als "vulnerabel, aber invincible", also als unverletzlich bezeichnet. Von da an begannen die ersten Forschungen zu der angenommenen Unverletzlichkeit einiger Kinder. Der Begriff Resilienz wurde im Verlauf der Forschungen geprägt.

Es gelten drei Phasen der Resilienzforschung, die sich zeitlich überlappen und teilweise weiter andauern: 1. Identifikation der Schlüsselkonzepte und allgemeiner Schutzfaktoren 2. Erforschung der Zusammenhänge und Prozesse 3. Maßnahmen zur Resilienzförderung

Als Pioniere der ersten Forschungen werden Norman Garmezy und Michael Rutter, für die Erforschung der Schutzfaktoren, E.J. Anthony und als bekannteste Emmy Werner benannt. Die Kauai-Längsschnittstudie wird als die Pionierstudie zur Resilienz bezeichnet. Emmy Werner untersuchte mit einem Forscherteam über 600 Menschen in dem Zeitraum von der Kindheit bis zum 40. Lebensjahr[4]. Ein Drittel wurde unter äußerst widrigen Lebensumständen groß. Entgegen der Erwartung, dass ein Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit auffällig wird, konnte dieses nicht bestätigt werden. Ein großer Teil der untersuchten Personen konnte sich im Leben gut etablieren. Auch problembelastete Jugendliche, die unter Einfluss einer belasteten Kindheit auffälliges Verhalten zeigten, konnten sich anpassen und zu milderen Verhaltensweisen finden. Die größte Entwicklung konnte im frühen Erwachsenenalter und der Lebensmitte unter dem Einfluss von fester Bindung an eine Partnerschaft oder neue berufliche Identität beobachtet werden. Im deutschsprachigen Raum sind die bekanntesten Studien die sog. "Mannheimer Risikokinderstudie" (Längsschnittstudie) und die "Bielefelder Invulnerabilitätsstudie" (Querschnittsstudie) bei der potentielle Schutzfaktoren bei Kindern und Jugendlichen erforscht wurden. Seit Beginn der Studien wurde erkannt, dass Resilienz ein dynamisches Konstrukt ist und sich durch Lebensbedingungen und Rahmenbedingungen beeinflusst und daher variabel und damit veränderlich ist. Es ist danach als eine individuelle, biographisch herausgebildete Widerstandsfähigkeit zu verstehen. Weiter scheint es kontextabhängig, wann ein Faktor risikomildernd oder sogar risikoverstärkend wirkt. Davon ausgehend werden auf Grundlage des bisherigen Stands der Forschung Reslienzförderprogramme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene entwickelt.


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Resilienzkonzept

Im Resilienzkonzept liegt ein wesentlicher Fokus auch auf der Bewältigung von Risken- so müssen neben der Betrachtung der Risikofaktoren auch die Schutzfaktoren Beachtung finden (Fröhlich- Gildhoff et al. 2011, 19).

Risikofaktorenkonzept

Im Mittelpunkt stehen Faktoren und Lebensbedingungen, die die kindliche Entwicklung gefährden, beeinträchtigen und zu seelischen Störungen und Erkrankungen führen können (Fröhlich- Gildhoff et al. 2011, 20). Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Auftretens psychischer und physischer Störungen (Sturzbecher 2007, 9). Man unterscheidet heute zwei große Gruppen von Risikofaktoren: Bedingungen, die sich auf biologische oder psychologische Merkmale des Individuums beziehen (auch als Vulnerabilitätsfaktoren bezeichnet, wie z.B. genetische Belastungen, chronische Erkrankungen, schwierige Temperamentsmerkmale) und Bedingungen, die psychosoziale Merkmale der Umwelt des Individuums betreffen (sog. Stressoren, wie z.B. materielle Notlage, Kriminalität, psychische Erkrankungen, Drogenmissbrauch der Eltern) (vgl. Laucht 1999b, 303, Wustmann 2004) Die Forschung der letzten beiden Jahrzehnte hat zahlreiche Belege für die entwicklungs-hemmenden Einflüsse der o.g. Risikofaktoren in nahezu allen Bereichen der kindlichen Entwicklung geliefert (Laucht 1999b, 303). In der Mannheimer Risikokinderstudie (1999) wurde deutlich, dass Vulnerabilitätsfaktoren sich vergleichsweise wenig gravierend auf die Entwicklung auswirken, während psychosoziale Stressoren häufig zu ungünstigen Entwicklungsverläufen führen (Fröhlich- Gildhoff et al.2011, 20). Es zeigte sich jedoch auch, dass der Zusammenhang zwischen Risikofaktor und negativen Entwicklungsergebnis weitaus weniger eindrucksvoll ausfiel und für eine gesicherte Störungsprognose weder hinreichend spezifisch noch hinreichend sensitiv waren (Laucht 1999b, 303). Folglich muss nicht jeder Risikofaktor per se eine Entwicklungsgefährdung nach sich ziehen, sondern es wurde deutlich, dass „nur“ eine erhöhte Möglichkeit dafür besteht (vgl. Wustmann 2004, 40ff). Das Risikopotential ergibt sich erst aus der Kumulation von Risikofaktoren und ihrer spezifischen Beziehung zueinander (Sturzbecher 2007, 11). Daneben sind aber auch noch andere Aspekte entscheidend, wie die Dauer und Kontinuität der Belastung, die Abfolge der Ereignisse, das Alter und der Entwicklungsstand des Kindes, geschlechtsspezifische Merkmale und die supjektive Bewertung (vgl. Fröhlich-Gildhoff et al. 2011, 24-26)

Schutzfaktorenkonzept

Schutzfaktoren werden als Merkmal beschrieben, die das Auftreten einer psychischen Störung oder einer unangepassten Entwicklung verhindern oder abmildern sowie die Wahrscheinlichkeit einer positiven Entwicklung erhöhen (Rutter 1990). Schutzfaktoren werden in eigentliche Schutzfaktoren und förderliche Bedingungen unterschieden (Fröhlich-Gildhoff et al. 2011, 27). Die Erstgenannten werden in einer engen Definition nur dann als solche betitelt, wenn damit eine Risikosituation abgepuffert werden kann. Förderliche Bedingungen sind dann gegeben, wenn ein Faktor seine protektive Wirkung entfaltet, auch wenn kein erhöhtes Risiko besteht (vgl. Scheithauer 2000). Luthar et al. (2000 zit. nach Fröhlich-Gildhoff et al. 2011, 27) unterteilt Schutzfaktoren in 4 Kategorien. Die Erste ist jene der „generell protektiven Faktoren“, die Zweite die der „stabilisierenden- protektiven Faktoren“, die Dritte die der „ermutigenden-protektiven Faktoren“ und die Vierte die der „protektiven, aber reaktiven Faktoren“. Die erste Kategorie von Faktoren hat direkte förderliche Auswirkungen auf ein Kind; die zweite Kategorie wirkt auf die erreichte Kompetenz des Kindes stabilisierend bei sich erhöhendem Risiko; die dritte Kategorie ermutigt ein Kind dazu, sich mit der Situationen auseinanderzusetzen, sodass die eigene Stressbewältigungskompetenz wächst und die Faktoren der vierten Kategorie wirken sich vorteilhaft aus, allerdings im geringem Ausmaß wenn das Risiko hoch ist. Der Begriff Schutzfaktor wird von den Autoren unterschiedlich verstanden. In empirischen Studien zeigte sich aber genau so wie bei den Risikofaktoren, dass es eine Reihe empirisch belegbarer Faktoren gibt, die eine protektive Wirkung entfalten. Über die Kategorisierung herrscht ebenfalls Uneinigkeit. Die meiste Übereinstimmung herrscht in einer Aufteilung in „personale Ressourcen“ und „soziale Ressourcen“. Die personalen Ressourcen sind grob zusammengefasst die Eigenschaften eines Kindes, wie z.B. Selbstwahrnehmung, soziale Kompetenz und Umgang mit Stress. Die sozialen Ressourcen beziehen sich inhaltlich gesehen, auf die Umwelt eines Kindes, also die Interaktion mit der Familie, den Bildungseinrichtungen und dem weiteren sozialen Umfeld. Einigkeit herrscht darüber, dass Schutzfaktoren zeitlich vor dem Auftreten von Risikofaktoren vorhanden sein müssen.



Fazit

Letztendlich kann die Verwendung multipler Risikoindizes nicht die grundsätzlichen Mängel des traditionellen Risikokonzepts überwinden (Laucht 1999b, 304). Das Risikofaktorenmodell stellt daher lediglich ein Wahrscheinlichkeitsmodell dar, das zwar einen Beitrag zur Identifikation gefährdeter Personen leistet aber keine verlässlichen Vorhersagen von Entwicklungsstörungen ermöglicht (Sturzbecher 2007, 10). Laucht (1999b, 307) macht auf das zentrale Problem aufmerksam, dass Schutzfaktoren nicht nur das Fehlen oder der Gegenpol der o.g. Risiken seien. Bei der Erforschung von Schutzfaktoren wird nicht nur Risikoforschung unter umgekehrtem Vorzeichen betrieben. Nicht jedes Kind kann alle Schutzfaktoren aufweisen. Auch bei den Schutzfaktoren handelt es sich um ein Wahrscheinlichkeitskonzept. Die einzelnen Schutzfaktoren können nicht isoliert voneinander betrachtet werden (kumulative Wirkweise). Schutzfaktoren und Risikofaktoren können nicht gegeneinander aufgewogen werden, sodass sie sich am Ende aufheben (Zander 2008, 44). Beide Faktoren beeinflussen sich gegenseitig in einem komplexen Wirkmechanismus (Fröhlich-Gildhoff et al. 2011, 32). Die risikoerhöhenden Bedingungen führen zu einer Verwundbarkeit des Kindes, die daneben stehenden risikomildernden Bedingungen unterstützen die Kompetenz des Kindes. Je nachdem wie das Zusammenspiel von den Faktoren aussieht, verläuft die Entwicklung angepasst oder fehlangepasst.

Kritik

An dieser Stelle sei auf den Umstand hingewiesen, dass sich die Resilienzforschung noch am Anfang befindet. Dies stellt zwar keinen eigentlichen Kritikpunkt dar, da es in der Natur der Sache liegt, aber dieser Umstand ist mitunter der Grund für die nachfolgend aufgeführten Schwächen des Konzeptes. So ist sich die Wissenschaft über die tatsächlichen präventiven Auswirkungen von Resilienz uneins, da eine empirische Belegung noch nicht abschließend vorliegt. Damit im Zusammenhang steht auch die bisher nicht einheitlich vorliegende Definition. (Fingerle 2011, 210). Fingerle (ebd., 212) weist weiterhin auf den Umstand hin, dass die Suche nach Schutzfaktoren im Sinne der oben angeführten strengen Definition bisher wenig überzeugend ist, da die Stichproben der bisher geführten Längstschnittstudien i.d.R. nicht groß genug seien, um Schutzeffekte auf statistisch belastbare Weise analysieren zu können. Ein weiterer Kritikpunkt ist bei der Resilienz die Problematik der Definitionsmacht. Hier konkret in Bezug auf die Frage, wer den Erfolg von Resilienz als solchen beurteilt, da Resilienz eben nicht nur die Einpassung in stromlinienförmiges gesellschaftliches Verhalten trotz widriger Ausgangsbedingungen bedeuten soll. Resilienz impliziert somit Reibungspunkte und -verluste mit der Gesellschaft (vgl. Roemer 2011, 663). Weiterhin birgt Resilienz und die daraus resultierende Resilienzförderung die Gefahr der Schaffung „doppelter Verliererkinder“, eben solcher, die aufgrund der schlechten Ausgangsbedingungen eine Resilienzförderung genießen und die angestrebte Entwicklung nicht erreichen (Zander 2011, 513-531). Und schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Relation von Resilienz zur Durchsetzungsfähigkeit sich noch in einem Stadium des „sich- Findens“ befindet. Auch hierbei ist wieder die Frage der Definitionssetzung im Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck von Resilienzförderung im Einklang mit dem zugrunde gelegten Menschen- und Gesellschaftsbild der Punkt, um den es sich in der weiterführenden Betrachtung des Phänomens drehen wird (Roemer 2011, 675).

Perspektiven und Bedeutung für die Kriminologie

Resilienz holt randständiges in die Mitte und zielt auf primäre Prävention. Resilienzforschung und -förderung knüpft an die Stärken und Entwicklungsperspektiven junger Menschen an. Neben der Aufwertung von Familie, Erziehung, Bildung, und sozialen Einflüsse lassen sich durch sie Indikatoren zur Institutionskritik und -reform ableiten (Gabriel 2005, 210). Durch einen Einschluss der Schutzfaktoren in politische und sozialpädagogische Handlungskonzepte kann gerade auf der präventiven Ebene eine Wirkung erzielt werden (ebd., 215). Wobei hierbei Roemer (2011, 667) sehr deutlich darstellt, dass mit Resilienz nicht das robust Machen für die Ellenbogengesellschaft gemeint ist und niemals für sozialdarwinistische Auslese stehen darf. Ebenso wenig ist Resilienz als umfassendes und alleiniges Allheilmittel zu betrachten, sondern als eine von mehreren Komponenten in komplexe Programme zu integrieren (ebd., 663). Perron [5] stellt in seiner Ausarbeitung einen Zusammenhang zwischen Resilienz, Gesellschaft und Sicherheitsgefühl her. Er erläutert, dass aktuell versucht wird, der steigenden Kriminalitätsfurcht durch verstärkte Überwachung entgegenzuwirken. Hierbei sieht er die Problematik, dass diese Überwachung nicht immer und überall sein kann. Durch die Resilienzförderung kann erreicht werden, dass Individuen selbstbewusster und damit widerstandsfähiger werden und weniger verwundbar. Dieses wirkt sich positiv auf die Gesellschaft aus, die dadurch zunehmend angstfreier wird. Eine angstfreie Gesellschaft bedürfe weniger Kontrolle. Des Weiteren sei hier die psychische Entlastung erwähnt, die Resilienz für Eltern und Personen die in der Bildung und der Sozialarbeit tätig sind, mit sich bringt, da mit Resilienz die Hoffnung und der erzieherische Optimismus verbunden ist, dass sich Kinder selbst unter ungünstigen Lebensbedingungen und nach Misserfolgen zu gesunden und kompetenten Erwachsenen entwickeln können (Sturzbecher 2007, 23).

Literatur

  • Bengel, Jürgen, Strittmatter, Regine, Willmann, Hildegard (2001): Was hält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese. Diskussionsstand und Stellenwert, Erweitere Neuauflage. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung, 6. BZgA, Köln
  • Fingerle, Michael (2011): Resilienz deuten- Schlussfolgerungen für die Prävention, In: Zander, Margherita (Hrsg.): Handbuch Resilienzförderung. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 208-218.
  • Fröhlich-Gildhoff, Klaus, Rönnau-Böse, Maike (2011): Resilienz, Reinhardt, München.
  • Gabriel, Thomas (2005): Resilienz- Kritik und Perspektiven, In: Zeitschrift für Pädagogik, Jg. 51, 207-217
  • Laucht, Manfred, Esser, Günther, Schmidt, Martin (1999a): Was wird aus Risikokindern? Ergebnisse der Mannheimer Längsschnittstudie im Überblick, In: Opp, Günther, Fingerle, Michael et al (Hrsg.) Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz. Reinhardt, München, 71-93
  • Laucht, Manfred (1999b): Risiko vs Schutzfaktor? Kritische Anmerkung zu einer problematischen Dichotomie, In: Opp, Günther, Fingerle, Michael et al (Hrsg.) Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz. Reinhardt, München, 303-314
  • Lösl, Friedrich, Bender, Doris (1999): Von generellen Schutzfaktoren zu differentiellen protektiven Prozessen: Ergebnisse und Probleme der Resilienzforschung, In: Opp, Günther, Fingerle, Michael et al (Hrsg.) Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz. Reinhardt, München, 37-58
  • Roemer, Martin (2011): Vom Zauber statt vom Zauberwort, In: Zander, Margherita (Hrsg.): Handbuch Resilienzförderung. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 663-676
  • Sturzbecher, Dietmar, Dietrich, Peter (2007): Risiko- und Schutzfaktoren in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, In: Deutsche Gesellschaft gegen Kindesmisshandlung und Vernachlässigung (Hrsg.): Themenheft Resilienz, Ressourcen, Schutzfaktoren- Kinder, Eltern und Familien stärken, Jg.10, Heft 1, 3-30
  • Welter-Enderlin, Rosmarie (2006): Resilienz aus der Sicht von Beratung und Therapie, In: Welter-Enderlin, Rosmarie, Hildenbrand, Bruno (Hrsg.):Resilienz- Gedeihen trotz widriger Umstände. Carl-Auer, Heidelberg, 7-19
  • Werner, Emmy, Smith, Ruth (1982): Vulnerable but invincible. A longitudinal study of resilient children and youth, New York
  • Werner, Emmy (1999): Entwicklung zwischen Risiko und Resilienz, In: Opp, Günther, Fingerle, Michael et al (Hrsg.) Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz. Reinhardt, München, 25-36
  • Werner, Emmy (2006): Wenn Menschen trotz widriger Umstände gedeihen- und was man daraus lernen kann, In: Welter-Enderlin, Rosmarie, Hildenbrand, Bruno (Hrsg.):Resilienz- Gedeihen trotz widriger Umstände. Carl-Auer, Heidelberg, 28-42
  • Werner, Emmy (2011): Risiko und Resilienz im Leben von Kindern aus multiethnischen Familien, In: Zander, Margherita (Hrsg.): Handbuch Resilienzförderung. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 32-46
  • Wustmann, Corina (2004): Resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern, Beltz, Weinheim
  • Zander, Margherita (2008): Armes Kind- starkes Kind? Die Chance der Resilienz, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
  • Zander, Margherita, Alfert, Nicole, Kruth, Bettina (2011): "Lichtpunkte"- für benachteiligte Kinder und Jugendliche, In: Zander, Margherita (Hrsg.): Handbuch Resilienzförderung. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 513-531

Weblinks