Opportunitätsprinzip


Etymologie

  • opportun (lat.): (zum jetzigen Zeitpunkt) passend, nützlich, vorteilhaft, angebracht zweckmäßig.

Das Adjektiv wurde im 17./18. Jahrhundert aus gleichbedeutend lat. opportunus entlehnt. Dies ist eine Bildung aus lat. ob "auf - hin" und lat. portus "Hafen" und bedeutete demnach ursprünglich "auf den Hafen zu (wehend und daher günstig vom Wind)".

  • Opportunität: Zweckmäßigkeit in der gegenwärtigen Lage ( kriminalpolitische Zweckmäßigkeit )

Definition(en)

  1. Im strafrechtlichen Bereich stellt das Opportunitätsprinzip als Ausnahme vom Legalitätsprinzip die Entscheidung, ob wegen einer Straftat eingeschritten werden soll, in das Ermessen der Staatsanwaltschaft. Das Opportunitätsprinzip räumt der Staatsanwaltschaft keinen Freiraum willkürlichen Verfolgens oder Nichtverfolgens ein, sondern befreit die Strafverfolgungsorgane nur in gesetzlich eigens genannten Fällen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen von der strikten Durchführung des Legalitätsprinzips.Bei Vergehen ( § 12 Abs. 2 StGB ) kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht (§ 153 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Zustimmung des Gerichts bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind ( § 153 Abs. 1 S. 2 StPO ). Ist Anklage erhoben, entscheidet über die Einstellung das Gericht, das aber der Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten bedarf ( § 153 Abs. 2 StPO ). Der Beschluss, der auch in der Berufungs- oder Revisionsinstanz ergehen kann, ist grundsätzlich nicht anfechtbar ( außer bei Verfahrensmängeln ). Er verbraucht die Strafklage, so dass das Verfahren nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel aufgenommen werden kann. Eine vorläufige Einstellung ist vor oder nach Anklageerhebung in Verbindung mit Auflagen oder Weisungen zulässig, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht (§ 153 a StPO). Bei Straftaten, bei denen das Gericht nach dem Strafgesetz von Strafe absehen kann, besteht die Möglichkeit bei Einverständnis von Staatsanwaltschaft und Gericht ebenfalls von der Anklageerhebung abzusehen bzw. mit Zustimmung des Angeschuldigten das Verfahren einzustellen (§ 153 b StPO). Bei Jugendlichen kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung von Strafe absehen (teilweise ist die Zustimmung des Jugendrichters erforderlich), wenn an Stelle einer Bestrafung bestimmte Auflagen treten sollen. Nach Anklageerhebung kann der Jugendrichter das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen (§§ 45, 47 JGG). Im Privatklageverfahren entscheidet über die Einstellung wegen Geringfügigkeit das Gericht (§ 383 Abs. 2 StPO). In Bußgeldverfahren entscheidet die Verwaltungsbehörde, solange das Verfahren bei ihr anhängig ist ( §§ 47, 56 Abs. 4 OWIG). Bei unwesentlichen Nebendelikten, die neben anderen zur Aburteilung gestellten oder bereits abgeurteilten Straftaten nicht beträchtlich ins Gewicht fallen, kann die Staatsanwaltschaft im Hauptverfahren beantragen, das Verfahren vorbehaltlich der Wiederaufnahme (etwa nach Freispruch wegen der anderen Tat) vorläufig einzustellen. In ähnlicher Weise kann das Strafverfahren auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen beschränkt werden ( §§ 154, 154 a StPO ). Ist eine Nötigung oder Erpressung ( §§ 240, 253 des Strafgesetzbuches ) durch die Drohung begangen worden, eine Straftat zu offenbaren, so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Tat, deren Offenbarung angedroht worden ist, absehen, wenn nicht wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerlässlich ist ( § 154 c StPO ). Das Opportunitätsprinzip gilt ferner bei Auslandstaten, insbesondere wenn aufgrund der Tat im Ausland bereits eine Strafe vollstreckt worden ist ( § 153 c StPO ). Es kommt auch dann zum tragen, wenn der Beschuldigte wegen derselben oder einer anderen Tat zur Strafverfolgung an das Ausland ausgeliefert oder wenn er ausgewiesen wird ( § 154 b StPO ). Bei leichteren Staatsschutzdelikten kann der Generalbundesanwalt von der Strafverfolgung absehen, wenn die Durchführung des Verfahrens geeignet ist der Bundesrepublik schwere Nachteile zuzufügen oder sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen ( § 153 d StPO ). Zudem ist es dem Generalbundesanwalt bei einer Vielzahl von Fällen möglich, mit Zustimmung des betreffenden Oberlandesgerichts das Verfahren nach § 153 e StPO einzustellen, wenn der Täter nach der Tat, aber vor deren Entdeckung in tätiger Reue dazu beigetragen hat, eine Gefahr für Bestand oder Sicherheit der Bundesrepublik oder ihre verfassungsmäßige Ordnung abzuwenden ( z.B. durch Aufdecken staatsgefährdender Bestrebungen ).
  2. Im Bereich der Verwaltung besagt das Opportunitätsprinzip, dass eine Behörde nach ihrem Ermessen handeln darf. Das Opportunitätsprinzip steht dem Grundsatz der __Gesetzmäßigkeit__ der Verwaltung gegenüber. Es war früher das beherrschende Prinzip der öffentlichen Verwaltung, ist aber durch die ausgedehnte Verwaltungsgesetzgebung des modernen Rechtsstaates, der sich um möglichst genaue Festlegung der öffentlichen Aufgaben und Befugnisse bemüht, zurückgedrängt worden. Das Opportunitätsprinzip gilt, soweit für ein Gebiet gesetzliche Regelungen überhaupt nicht bestehen oder das Gesetz das Handeln der Behörde ihrem Ermessen überlässt. So sind beispielsweise die Polizei- und die Ordnungsbehörden zu einem Eingreifen gegen den Störer berechtigt, aber grundsätzlich nicht verpflichtet. Sie entscheiden hierüber nach pflichtgemäßen Ermessen. Soweit das Opportunitätsprinzip gilt, hat ein Dritter grundsätzlich keinen Anspruch auf ein Handeln der Behörde. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht jedoch ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung, das sich in Ausnahmefällen zu einem Anspruch auf ein bestimmtes Tätigwerden der Behörden verdichten kann.

Wie wurde der Begriff in der Vergangenheit verwendet ?

Dem Begriff des Opportunitätsprinzips wurde in der Vergangenheit kein divergierender Bedeutungsgehalt zugemessen.

Zusammenhänge mit anderen Begriffen

Legalitätsprinzip

Das Legalitätsprinzip verpflichtet die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen eines Anfangsverdachts, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (§§ 152 Abs. 2, 160 StPO) und bei hinreichendem Tatverdacht gemäß § 170 Abs. 1 StPO öffentliche Klage zu erheben (sog. Verfolgungs - und Anklagezwang). Die Polizei als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 163 Abs. 1 StPO zur Erforschung von strafbaren Handlungen verpflichtet, ohne von sich aus über die Notwendigkeit entscheiden zu dürfen, während sie bei der Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabwehr nach dem Opportunitätsprinzip zu handeln befugt ist, also nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat, ob sie überhaupt einschreiten will (Entschließungsermessen) und welche von mehreren zulässigen Maßnahmen sie treffen will (Auswahlermessen). Das Legalitätsprinzip bezweckt die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG). Es ist insofern die notwendige Ergänzung zum Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft, die im Einzelfall nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens darüber entscheidet, ob das Strafverfahren durchgeführt werden soll. Die Verletzung des Legalitätsprinzips durch vorsätzliche Nichtverfolgung eines Verdächtigen ist gemäß § 258 a StGB als Strafvereitelung im Amt strafbar. Obgleich das Legalitätsprinzip bei Schaffung der Strafprozessordnung im Jahre 1877 unbezweifelbar als einer der tragenden Grundsätze des Strafverfahrens angesehen und anerkannt wurde, ist dieses Prinzip in der Folgezeit, insbesondere soweit es seine uneingeschränkte Geltung auch im Bereich der Kleinkriminalität betrifft, Gegenstand vielfacher Kritik gewesen. Diese Kritik hat sich in zahlreichen gesetzgeberischen Maßnahmen niedergeschlagen (s.o. §§ 153 ff. StPO), durch welche dem Opportunitätsprinzip stetig mehr Raum gegeben wurde. Zur Begründung wurden folgende Aspekte herangezogen :

a) Zunächst ist ein Wandel im Rahmen der Straftheorien festzustellen. Die sog. absoluten Straftheorien, basierend auf dem Vergeltungsgedanken wurden von sog. relativen Straftheorien, deren Anknüpfungspunkt die General- und Spezialprävention bildet, abgelöst. Diese Entwicklung reibt sich insofern mit dem Legalitätsprinzip, als dieses eine Strafverfolgung in allen und damit auch in jenen Fällen fordert, in denen eine Strafe weder zur Einwirkung auf den jeweiligen Täter (Spezialprävention) noch zur Abschreckung anderer potentieller Täter (Generalprävention) notwendig und geboten erscheint.

b) Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Massenphänomen der Bagatellkriminalität. Der Gesetzgeber hat in diesem Bereich keine materiellrechtliche Lösung vorgenommen, sondern strafprozessual mit Schaffung des Ausnahmekatalogs der §§ 153 ff. StPO dem Opportunitätsprinzip Rechnung getragen. Eine strikt durchgehaltene strafrechtliche Ahndung auch kleinster Verfehlungen entspräche zwar dem Gleichheitsgebot, würde andererseits aber auch ein „Volk der Vorbestraften“ hervorbringen.

c) Schließlich würde die umfassende Bestrafung jeglichen Bagatellunrechts den staatlichen Verfolgungsapparat personell und organisatorisch überfordern. Insbesondere weil die Ressourcen nicht beliebig vermehrbar sind, dürfen die vorhandenen Mittel im Interesse des Gemeinschaftsfriedens nicht „verpulvert“ werden, sondern müssen konzentriert und dosiert – ausgerichtet am Kriterium der „Deliktsschwere“ und des zu erwartenden „Ermittlungserfolges“ – zur Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt werden.

Ermessen

Gesetzliche Tatbestände können der Verwaltung ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zwingend vorschreiben („Muss-Vorschrift“); in diesen Fällen wird von "gebundener" Verwaltung gesprochen. Bei einer Vielzahl von verwaltungsrechtlichen Normen wird allerdings der Verwaltung die Möglichkeit eröffnet, bei einer konkreten Entscheidung zwischen mehreren Maßnahmen zu wählen oder von einer gesetzlich zugelassenen Handlungsmöglichkeit in bestimmter Weise Gebrauch zu machen. Im Gesetz ist dann durch die Wortbildung wie „kann“, „darf“, „befugt“ oder ähnliche Begriffe zum Ausdruck gebracht, dass die Verwaltung in solchen Fällen nach ihrem eigenen Ermessen handeln darf. Der Gesetzgeber hat der Verwaltung solche Möglichkeiten eingeräumt, weil er nicht in der Lage ist, die Vielfalt aller menschlichen Verhältnisse vorauszusehen und für jedes Verhalten eine bestimmte Rechtsfolge anzuordnen. Einen derartigen Versuch unternahm die Kodifikation des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, dessen vielfältige Kasuistik schließlich doch nicht für die Regelung aller in Betracht kommenden Fälle ausreichte. Die Ermessensausübung ist in den Grenzen des § 114 S. 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) auf die Prüfung von Ermessensfehlern, also Überschreitung, Unterschreitung und Fehlgebrauch des Ermessens sowie unter Beachtung der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze über die Ermessenreduktion auf Null beschränkt. Ermessensüberschreitung ist dann gegeben, wenn die Behörde eine Rechtsfolge wählt, die sich außerhalb des gesetzlich festgelegten Rahmens einer Norm befindet. Dagegen wird von Ermessensunterschreitung gesprochen, wenn die Behörde, das ihr eingeräumte Ermessen überhaupt nicht ausübt. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde nicht alle Gesichtspunkte, die sie zur Entscheidungsfindung benötigt, in ihr Ermessen mit einbezieht oder aber sich von unsachlichen Erwägungen leiten lässt. Eine Ermessensreduktion auf Null ist einschlägig, wenn bei Anwendung einer Vorschrift alle denkbaren Ergebnisse bis auf eines von vornherein ermessensfehlerhaft sind. In diesem Fall ist die Behörde gehalten, die einzig zulässige Entscheidung zu treffen. Für die eigentliche Ermessensentscheidung ist dann kein Spielraum mehr gegeben. Vielmehr hat der Betroffene einen Anspruch auf die begehrte Rechtsfolge.

Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung besagt, dass in die Rechtsphäre des Bürgers nur aufgrund eines formellen Gesetzes oder einer hierauf beruhenden sonstigen Rechtsnorm ( Rechtsverordnung, Satzung ) eingegriffen werden darf. Ferner müssen wesentliche Entscheidungen zur Regelung der Lebensverhältnisse vom Gesetzgeber getroffen werden ( Wesentlichkeitsprinzip ). Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist kennzeichnend für den Rechtsstaat und besitzt Verfassungsrang. Nach Art. 20 Abs. 3 GG sind vollziehende und rechtsprechende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Seine historische Wurzel hat der Grundsatz in der Formel, dass Eingriffe in „Freiheit und Eigentum“ dem Vorbehalt gesetzlicher Ermächtigung unterliegen.

Störer

Störer sind Personen, gegen die sich polizeiliche Maßnahmen und Anordnungen der Ordnungsbehörden richten können. Konkret ist Störer, wer eine Gefahr oder eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit bzw. der öffentlichen Ordnung verursacht. Verursachung bedeutet in diesem Fall nur die unmittelbare Verursachung der Gefahr oder Beeinträchtigung. Eine mittelbare Verursachung begründet allenfalls dann die Störereigenschaft, wenn der Verursachende die unmittelbare Störung durch Dritte objektiv bezweckt. Es wird unterschieden zwischen Handlungsstörern, die durch aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen eine Gefahr oder Beeinträchtigung verursachen, und Zustandsstörern, die für eine Sache verantwortlich sind, von der eine Gefahr oder Beeinträchtigung ausgeht. Der Zustandsstörer muss nicht zwingend der Eigentümer der Sache sein, ausreichend ist die tatsächliche Gewalt über die Sache.

Kriminologische Relevanz

Das Opportunitätsprinzip, und damit die für die Anklagefähigkeit entscheidende Prognose, ob bei vorläufiger Tatbewertung eine ausreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit im Sinne des § 170 Abs. 2 StPO besteht, lässt subjektiven Einschätzungen der Staatsanwaltschaft breiten Raum. Ob der Staatsanwalt trotz Anklagefähigkeit eine Verfahrenseinstellung für opportun erachtet, die gering diskreditierende Bestrafung durch Strafbefehl betreibt oder Anklage vor dem Einzelrichter, dem Schöffengericht oder der Strafkammer erhebt, ist auf Grund der gesetzlichen Vorschriften, die diese Entscheidung zu steuern beabsichtigen, schwer abzuschätzen. Der Einfluss der Staatsanwaltschaft auf Verlauf und Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens beginnt nicht erst in der Hauptverhandlung oder bei Wahrnehmung der Rechtsmittelkontrolle. Es werden bereits im Vorverfahren richtungsweisende Maßstäbe für die Urteilsfindung gesetzt. So legt der Staatsanwalt in der Anklageschrift den gerichtlichen Untersuchungsgegenstand fest. Ihm obliegt die Entscheidung über die Auswahl des dem Gericht unterbreiteten Aktenmaterials. Durch Bestellung „hausfreundlicher“ Sachverständiger im Vorverfahren, die in der Regel auch in der Hauptverhandlung eingesetzt werden, kann die gerichtliche Beweiserhebung entscheidend beeinflusst werden. Im Strafbefehlsverfahren (§§ 407 ff. StPO) verfügt der Staatsanwalt faktisch über die Strafe, insofern seinem Antrag nahezu ausnahmslos entsprochen wird. Es handelt sich dabei um gestalterische Befugnisse mit beträchtlichen Dispositionsspielräumen, denen lediglich die Objektivitätsverpflichtung gemäß § 160 Abs. 2 StPO eine äußere Grenze setzt. Die weitgehende Ungebundenheit des Staatsanwaltes von gesetzlichen Direktiven bietet Freiräume zur strategischen Beeinflussung der Strafverfolgung nach originär gewählten Zielvorgaben, so dass unter Wahrung des Anscheins strikter Gesetzesanwendung der Staatsanwalt inhaltlich Kriminalpolitik betreiben kann. Darin manifestiert sich der zunehmende Einfluss der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren. Aufgrund seiner Weisungsgebundenheit sind dessen Befugnisse immer zugleich solche der Behörde und der übergeordneten Justizverwaltung die eine Richtlinienkompetenz ausübt. Demzufolge handelt es sich bei der Staatsanwaltschaft um eine Instanz, über die kriminalpolitische Programme nahezu beliebigen Inhalts durchgesetzt werden können, ohne sie als solche kenntlich zu machen. Insbesondere für gesellschaftlich umstrittene Reformen bietet sich die Implementierung durch den Staatsanwalt an. Seine Entscheidungen in den nichtöffentlichen Verfahrensabschnitten der Ermittlung und der Vollstreckung besitzen geringe Publizität und stellen sich de jure als Rechtsanwendung dar. Aus diesem Grunde sind sie einer emotionalisierten gesellschaftlichen Meinungsbildung entrückt und unterliegen einer vergleichsweise geringen politischen Anfechtbarkeit.

Literatur

  • Geppert, Klaus : Das Opportunitätsprinzip, in JURA 1986, S. 309-319. Knemeyer, Franz-Ludwig : Polizei und Ordnungsrecht, München 2002.
  • Kunz, Karl-Ludwig : „Die Verdrängung des Richters durch die Staatsanwaltschaft : eine zwangsläufige Entwicklung effizienzorientierter Strafrechtspflege?“, in Krim.J. 1/1984.
  • von Unruh, Georg-Christop/Greve, Friedrich/ Schliesky, Utz : Grundkurs Öffentliches Recht, Kiel 2001.
  • Weber, Klaus (Hrsg.) : Creifelds Rechtswörterbuch, München 1999.