Opfer

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In der Kriminologie bezeichnet der Begriff Opfer im engen Sinne die durch ein Verbrechen verletzte oder getötete Person (z.B. Opfer eines Eifersuchtsmords), bzw. im weiteren Sinne alle durch eine Straftat geschädigten Personen, Organisationen oder Institutionen (z.B. die Supermarktkette und die Gesamtheit ihrer Kunden als Opfer von Ladendiebstahl).

Begriff

Die Beschäftigung mit Opfern von Straftaten ist, im Gegensatz zu den Resozialisierungsbemühungen von Straftätern noch sehr jung. „Die Viktimologie, die Lehre vom Opfer, untersucht bei uns in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) seit ca. 25 bis 30 Jahren die Situation von Opfern von Straftaten und Menschenrechtsverletzungen.“ Die Gründung des „Weissen Rings“ als größte und einzige bundesweit agierende Opferschutzorganisation (die keine Opferbeschränkungen vornimmt) fand 1976, im gleichen Jahr wie die Einführung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG), als Ausfallbürgschaft, statt.

Opfer zu werden bedeutet, dass ein Mensch sich unvorbereitet in einer Situation befindet, in der er dem schädigenden Verhalten eines Anderen, dem Täter, ausgesetzt ist. Das Opfer erlebt, dass es keinen Einfluss auf die Situation nehmen kann und dass die getroffenen Vorsorge- oder Vorsichtsmaßnahmen nicht ausreichen sind. Es erlebt einen Zustand der Ohnmacht. Dieses Gefühl erschüttert sein Sicherheitsempfinden nachhaltig, es wird sich seiner eigenen Verletzbarkeit bewusst.

Opfer existieren in relativer Unabhängigkeit zu einem Täter im strafrechtlichen Sinne. Nicht erst durch einen rechtmäßig ermittelten und verurteilten Täter wird ein Opfer zum Opfer. So wird der Verletzte (Opfer) in der StPO in den § § 171 ff auch dann noch als Verletzter bezeichnet, „wenn das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachtes gemäß § 170 Abs.2 eingestellt wird.“


Stand der Forschung

Die Kriminologie hat in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse über Opfer erlangt und auch die Gesetzgebung hat versucht, mit der Einführung des OEGs und dem Zeugenschutzgesetz der Situation von Opfern gerechter zu werden. Die strukturelle Benachteiligung der Opfer im Strafrecht lässt sich jedoch nicht leugnen, Kilching bezeichnet dies als Preis des Rechtsstaates.

Kilching kommt durch seine Untersuchung zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen über Verbrechensopfer und deren spezifischer Interessensituation zu dem Ergebnis, dass „Opfererfahrungen insgesamt – auch wenn viele von ihnen gar nicht erst ins Justizsystem gelangen – als eine sehr weit verbreitete Erscheinung zu bezeichnen,“ sind.

Opfer sind keine besonderen Menschen, sie sind durch bestimmte, traumatische Situationen zu Opfern geworden. Es sind keine schwierigen Menschen, sie befinden sich lediglich durch ihre Opferwerdung in schwierigen Situationen, die ihre Umwelt zuweilen überfordern. Wie stark der Verlust des Sicherheitsgefühls und die Traumatisierung ist, lässt sich nicht allein am Straftatbestand ablesen, sondern ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Bei Forschungsarbeiten für das Kölner Opferhilfemodell haben Untersuchungen im Bereich der Psychotraumatologie ergeben, dass 25-30% aller Patienten nach mittelschweren traumatischen Ereignissen daraufhin eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelten.


Literatur

  • Hassemer, Winfried; Reemtsma, Jan Philipp: Verbrechensopfer: Gesetz und Gerechtigkeit. München: C.H. Beck 2002.
  • Marth, Dörte: Das Opfer. KrimJ 21.1989: 194-208.
  • Simon, Jonathan: Gewalt, Rache, Risiko. Die Todesstrafe im neoliberalen Staat. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 37, Jg. 49, 1997, S. 279-301.