Moralstatistik: Unterschied zwischen den Versionen

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"Vor allem müssen wir vom einzelnen Menschen abstrahieren und dürfen ihn nur mehr als Bruchteil der ganzen Gattung betrachten. Indem wir ihn seiner Individualität entkleiden, beseitigen wir all das, was nur zufällig ist, die individuellen Besonderheiten, die wenig oder keinen Einfluß auf die masse haben, verschwinden dann von selbst und lassen uns zu allgemeinen Ergebnissen gelangen."6)
"Vor allem müssen wir vom einzelnen Menschen abstrahieren und dürfen ihn nur mehr als Bruchteil der ganzen Gattung betrachten. Indem wir ihn seiner Individualität entkleiden, beseitigen wir all das, was nur zufällig ist, die individuellen Besonderheiten, die wenig oder keinen Einfluß auf die masse haben, verschwinden dann von selbst und lassen uns zu allgemeinen Ergebnissen gelangen."6)
"Mit den sozialen Fähigkeiten steht es(...) ungefähr ebenso wie mit den physischen, und man kann sie unter der Voraussetzung schätzen, dass sie im Verhältnis zu ihren Wirkungen stehen."7)
"Mit den sozialen Fähigkeiten steht es(...) ungefähr ebenso wie mit den physischen, und man kann sie unter der Voraussetzung schätzen, dass sie im Verhältnis zu ihren Wirkungen stehen."7)
In seinem "system sociale" von 1848 fügt Quetelet dieser "physik sociale" Umrisse einer "physiologie sociale" hinzu. Er versucht aufzuzeigen, dass die "loi des causes accidentales" nicht nur das Individuum, die Entwicklung seiner physischen, geistigen und moralischen Kräfte beherrscht, sondern auch den Entwicklungsgang ganzer Völker und schließlich der gesammten menschheit. Größe, Bevölkerungszahl und Lebensdauer von Staatsgebilden unterliegen ebenso strengen , wenn auch nicht unabänderlichen Gesetzmäßigkeiten wie die geistigen und moralischen Kräfte der Völker, deren Entwicklungsgang-analog zur geistigen Entwicklung des Einzelmenschen-eine fotschreitende Zurückdrängung des "homme physik" durch den "homme intellektuell" zu erkennen gibt.8)
In seinem "system sociale" von 1848 fügt Quetelet dieser "physik sociale" Umrisse einer "physiologie sociale" hinzu. Er versucht aufzuzeigen, dass die "loi des causes accidentales" nicht nur das Individuum, die Entwicklung seiner physischen, geistigen und moralischen Kräfte beherrscht, sondern auch den Entwicklungsgang ganzer Völker und schließlich der gesammten menschheit. Größe, Bevölkerungszahl und Lebensdauer von Staatsgebilden unterliegen ebenso strengen , wenn auch nicht unabänderlichen Gesetzmäßigkeiten wie die geistigen und moralischen Kräfte der Völker, deren Entwicklungsgang-analog zur geistigen Entwicklung des Einzelmenschen-eine fortschreitende Zurückdrängung des "homme physik" durch den "homme intellektuell" zu erkennen gibt.8)
Eine zentrale Stellung in dem gesammten Lebenswerk nimmt seine frühe, seit 1829 unermüdlich wiederholte Feststellung einer erstaunlichen Regelmäßigkeit und Konstanz in den scheinbar willkürlichen menschlichen Handlungen ein. In dieser Konstanz enthüllen sich Quetelet die strengen Gestzmäßigkeiten, die auch den moralischen Phänomenen zu Grunde liegen, ganz unmittelbar. Auf dieser Entdeckung ruht das gesammte Gebäude seiner mechanischen Weltanschauung. Diese Entdeckung bildet das empirische Fundament einer grundsätzlich soziologisch orientierten Kriminalwissenschaft.9)
Der Gedanke, die Regelmäßigkeit menschlicher Gesellschaft durch Abstraktion zahlreicher individueller Besonderheiten zu erkennen, mündet bei Quetelet klar in die Forderung ein, die Beobachtung an einer hinreichend großen Zahl von Fällen durchzuführen, denn erst unter dieser Vorrausetzung lasse sich das rein zufällige und individuelle vom allgemeinen und daher sozialtypischen unterscheiden.10)

Version vom 19. Oktober 2007, 14:45 Uhr

Moralstatistik

Definition: Statistik (Lehre von status, State) heiße die mathematische Darstellung der in einem Staate, einer Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit bestehenden sozialen Verhältnisse, im weiteren Sinne die zahlenmäßige Darstellung einer Gesetzmäßigkeit aus einer Reihe von Fällen überhaupt.1) Moralstatistische Darstellungen konnten sich auf schier alle Handlungsweisen des Menschen beziehen, in denen eine soziale Dimension vermutet wurde. Der Begriff "Moral" stand somit synonym für "sozial".2)

Einbettung der Moralstatistik in den wissenschaftlichen Zeitgeist: Die Moralstatistik nahm ihren epochemachenden Aufschwung seit 1825 mit den Arbeiten von Andre Michel Guerre (1802-1866) und Adolfe Quetelet (1795-1874).3) Viel deutlicher als bei Guerry lässt sich in den Werken von Quetelet die geistesgeschichtliche Entwicklung aufzeigen, die von englischen Empirismus und Newtons exakter Naturwissenschaft zur Sozialstatistik als Grundlage einer nicht minder exakten Gesellschaftslehre hinführt.4) In Anlehnung an die Himmelsmechanik und die Wahrscheinlichkeitstheorie des Astronomen und Mathematikers Pierre Simon de Laplace entwickelte Quetelet die "Soziale Physik". Laplace, der den gesammten "Weltmechanismus" auf eine mathematische Formel zu reduzieren hoffte, um alle Zukunftsereignisse vorhersehbar zu machen, inspirierte Quetelet zu seiner Figur des "l`homme moyen", dem berechenbaren Durchschnittsmenschen.5)

Quetelet`s "physik sociale" - das "Prinzip der großen Zahl": In seiner 1835 erschienenen "physik sociale" beschreibt Quetelet die quantitativen Gesetzmäßigkeiten des sozialen Geschehens: "Vor allem müssen wir vom einzelnen Menschen abstrahieren und dürfen ihn nur mehr als Bruchteil der ganzen Gattung betrachten. Indem wir ihn seiner Individualität entkleiden, beseitigen wir all das, was nur zufällig ist, die individuellen Besonderheiten, die wenig oder keinen Einfluß auf die masse haben, verschwinden dann von selbst und lassen uns zu allgemeinen Ergebnissen gelangen."6) "Mit den sozialen Fähigkeiten steht es(...) ungefähr ebenso wie mit den physischen, und man kann sie unter der Voraussetzung schätzen, dass sie im Verhältnis zu ihren Wirkungen stehen."7) In seinem "system sociale" von 1848 fügt Quetelet dieser "physik sociale" Umrisse einer "physiologie sociale" hinzu. Er versucht aufzuzeigen, dass die "loi des causes accidentales" nicht nur das Individuum, die Entwicklung seiner physischen, geistigen und moralischen Kräfte beherrscht, sondern auch den Entwicklungsgang ganzer Völker und schließlich der gesammten menschheit. Größe, Bevölkerungszahl und Lebensdauer von Staatsgebilden unterliegen ebenso strengen , wenn auch nicht unabänderlichen Gesetzmäßigkeiten wie die geistigen und moralischen Kräfte der Völker, deren Entwicklungsgang-analog zur geistigen Entwicklung des Einzelmenschen-eine fortschreitende Zurückdrängung des "homme physik" durch den "homme intellektuell" zu erkennen gibt.8) Eine zentrale Stellung in dem gesammten Lebenswerk nimmt seine frühe, seit 1829 unermüdlich wiederholte Feststellung einer erstaunlichen Regelmäßigkeit und Konstanz in den scheinbar willkürlichen menschlichen Handlungen ein. In dieser Konstanz enthüllen sich Quetelet die strengen Gestzmäßigkeiten, die auch den moralischen Phänomenen zu Grunde liegen, ganz unmittelbar. Auf dieser Entdeckung ruht das gesammte Gebäude seiner mechanischen Weltanschauung. Diese Entdeckung bildet das empirische Fundament einer grundsätzlich soziologisch orientierten Kriminalwissenschaft.9) Der Gedanke, die Regelmäßigkeit menschlicher Gesellschaft durch Abstraktion zahlreicher individueller Besonderheiten zu erkennen, mündet bei Quetelet klar in die Forderung ein, die Beobachtung an einer hinreichend großen Zahl von Fällen durchzuführen, denn erst unter dieser Vorrausetzung lasse sich das rein zufällige und individuelle vom allgemeinen und daher sozialtypischen unterscheiden.10)