Mediationsgesetz

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Das am 26.07.2012 in Kraft getretene Mediationsgesetz soll außergerichtliche Konfliktregelungen erleichtern. Auch Richter sollen einbezogen werden und dadurch ihre Konfliktregelungskompetenz verbessern. Die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger lobte das Gesetz als Beitrag zur Verbesserung der Streitkultur in der "fortgeschrittenen Zivilgesellschaft".

Kriminologisch ist kritisch zu bemerken, dass Strafsachen ausgenommen sind. Die neuen Regelungen werden in alle Prozessordnungen eingebaut - nur nicht in das Strafprozessrecht. Die Mediation soll möglichst jedem Gerichtsverfahren vorausgehen - nur nicht Strafsachen. Angesichts der Existenz zahlreicher Alternativen zum Strafverfahren (vgl. Restorative Justice) wäre diese Ausklammerung nicht erforderlich.

Das Gesetz, mit dem eine Vorgabe der EU verspätet umgesetzt wurde, beinhaltet folgende Regelungen:

  1. Mediatoren und Güterichter dürfen nunmehr Konflikte lösen. Ursprünglich waren die Güterichter nicht vorgesehen. Die Länderjustizminister wollten aber nicht, dass Mediation künftig nur mehr von Rechtsanwälten, Psychologen, Pädagogen oder Sozialwissenschaftlern betrieben werden dürfe. Sie wollten auch Richter dabei haben. Im Vermittlungsausschuss kamen dann die Güterichter hinzu.
  2. Gerichtliche Mediationsverfahren, wie sie in vielen Bundesländern auf der Grundlage des "Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung" vom 15. Dezember 2011 ausprobiert worden waren, wurden in das Mediationsgesetz integriert. Die gerichtliche und gerichtsnahe Mediation muss sich jetzt allerdings Güteverfahren nennen. Das Güteverfahren ist billiger als die privat (meist anwaltlich) organisierte Mediation.
  3. Anders als ein Schlichter macht der Mediator keine eigenen Vorschläge. Er fördert nur die Kommunikation der Parteien und ist dabei "allen Parteien gleichermaßen verpflichtet". Die Beteiligten bleiben also autonom, lassen sich aber helfen.
  4. Beteiligte können auch Unternehmen sein. Es wird auch damit gerechnet, dass z.B. deutsch-französische Wirtschaftskonflikte auf diesem Wege besser gelöst werden können.
  5. Die Einigung wird rechtlich anerkannt und kann, wie ein Urteil, vom Gericht oder Notar "für vollstreckbar erklärt" werden.
  6. Im Familienrecht können Mediationen das Sorgerecht klären oder die finanziellen Scheidungsfragen regeln.
  7. Verwaltungsgerichte können eine Mediation vorschlagen und komplexe Prozesse vermeiden.
  8. Mediatoren sind zur Verschwiegenheit verpflichtet (Vertraulichkeit). Ihre Aus- und Weiterbildung wird noch "gesetzlich weiter abgesichert", indem Grundkenntnisse und Kernkompetenz definiert werden und die Bezeichnung "zertifizierter Mediator" im Gesetz verankert wird (Standards werden per Rechtsverordnung festgelegt).
  9. Der "Güterichter" ist nicht zur hoheitlichen Regelung befugt, darf aber - anders als der Mediator - auch eine rechtliche Bewertung vornehmen und den Parteien eine Lösung vorschlagen. Er darf die Prozessakten ohne Zustimmung der Streitparteien einsehen und einen vollstreckbaren Vergleich gerichtlich protokollieren.
  10. Freiwilligkeit bedeutet: die Beteiligten können jederzeit die Gespräche abbrechen und sich an ein richtiges Gericht wenden.
  11. Das Bundesverfassungsgericht hatte schon 2007 seinen Segen gegeben: "Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung."
  12. Nach Heribert Prantl (2012b) handelt es sich um einen Paradigmenwechsel, um "ein Jahrhundertgesetz": "Es fördert mündige Bürger und zufriedene Menschen - statt Sieger und Verlierer zu schaffen." Er attestiert dem Gesetz "das Zeug, die Streitkultur in Deutschland völlig zu verändern: Zum ersten Mal gibt es ein umfassendes Gesetz, das regelt, wie Streitigkeiten ohne Gerichtsprozess beigelegt werden. Das neue Mediationsgesetz gibt den Konfliktparteien die Freiheit, auch ein vom gesetzlichen Recht abweichendes Ergebnis für sich zu wählen. Das neue Gesetz will Abschied nehmen vom Recht als Kampf, vom Kampf bis zur letzten Instanz."

Literatur

  • Prantl, Heribert (02.07.2012a) Streitende Bürger bekommen Hilfe zur Selbsthilfe. Süddeutsche Zeitung.
  • Prantl, Heribert (02.07.2012b) Mediation statt Rechtsstreit. Abschied vom Kampf bis zur letzten Instanz. Süddeutsche Zeitung.

Weblinks