Maßregeln der Besserung und Sicherung: Unterschied zwischen den Versionen

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==== Etymologie ====
==Allgemeines==
=== Etymologie ===


Im Spätmittelhochdeutschen stand "maz" für das Maß und die Maßeinheit, im Mittelhochdeutschen bezeichnete "mez" das Maß. Der indoeuropäische Stamm des Verbs messen" med-," bedeutet ermessen oder bedacht sein.
Im Spätmittelhochdeutschen stand "maz" für das Maß und die Maßeinheit, im Mittelhochdeutschen bezeichnete "mez" das Maß. Der indoeuropäische Stamm des Verbs messen" med-," bedeutet ermessen oder bedacht sein.
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Das mittelhochdeutsche "sicherunge" steht für Sicherung, Sicherstellung. Synonyme für Sicherung sind wegschließen, bewachen und jemanden hinter Schloß und Riegel bringen. Der germanische Stamm *sleutan bedeutet schließen, einen Riegel geben. Das verwandte Wort Schloß mit dem germanischen Stamm *sluta, *slutam steht auch für Riegel.
Das mittelhochdeutsche "sicherunge" steht für Sicherung, Sicherstellung. Synonyme für Sicherung sind wegschließen, bewachen und jemanden hinter Schloß und Riegel bringen. Der germanische Stamm *sleutan bedeutet schließen, einen Riegel geben. Das verwandte Wort Schloß mit dem germanischen Stamm *sluta, *slutam steht auch für Riegel.


==== Definition ====
=== Definition ===


"Eine Maßregel der Besserung und Sicherung ist in Deutschland eine vom Strafrichter verhängte Rechtsfolge für eine rechtswidrige Tat".  
"Eine Maßregel der Besserung und Sicherung ist in Deutschland eine vom Strafrichter verhängte Rechtsfolge für eine rechtswidrige Tat".  
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*Führungsaufsicht (§68ff. <nowiki>StGB</nowiki>)
*Führungsaufsicht (§68ff. <nowiki>StGB</nowiki>)


==== Entstehungsgeschichte ====
== Entstehungsgeschichte ==
 
Die Wurzeln der Institution "Maßregeln der Besserung und Sicherung" reichen (zumindest) zurück bis zum Marburger Programm und zur Idee der schuldunabhängigen Sicherung der Gesellschaft vor weiteren Taten gefährlicher und unverbesserlicher Täter (von Liszt, 1883: 38, zitiert nach Schewe, 1999: 3). Während [[Franz v. Liszt]] die Strafe überhaupt zugunsten der Maßregeln aufgeben wollte, setzte sich dann als Kompromiss die Idee des Nebeneinanders von Strafen und Maßregeln ([[Carl Stooss]]) durch. Stooss sah die Strafe als schuldabhängig, wollte aber auch bei schuldunfähigen gefährlichen Tätern eine sichernde Sanktion ermöglichen. Deshalb baute er in seinen Vorentwurf des allgemeinen Teils des schweizerischen Strafrechts erstmalig sichernde Maßnahmen in das vorhandene Strafrecht ein.  
Die Wurzeln der Institution "Maßregeln der Besserung und Sicherung" reichen (zumindest) zurück bis zum Marburger Programm und zur Idee der schuldunabhängigen Sicherung der Gesellschaft vor weiteren Taten gefährlicher und unverbesserlicher Täter (von Liszt, 1883: 38, zitiert nach Schewe, 1999: 3). Während v. Liszt die Strafe überhaupt zugunsten der Maßregeln aufgeben wollte, setzte sich dann als Kompromiss die Idee des Nebeneinanders von Strafen und Maßregeln (Carl Stooss) durch. Stooss sah die Strafe als schuldabhängig, wollte aber auch bei schuldunfähigen gefährlichen Tätern eine sichernde Sanktion ermöglichen. Deshalb baute er in seinen Vorentwurf des allgemeinen Teils des schweizerischen Strafrechts erstmalig sichernde Maßnahmen in das vorhandene Strafrecht ein.  


Eingeführt wurden die Maßregeln der Besserung und Sicherung in Deutschland durch das (NS-) Gewohnheitsverbrechergesetz (= Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24.11.1933).
Eingeführt wurden die Maßregeln der Besserung und Sicherung in Deutschland durch das (NS-) Gewohnheitsverbrechergesetz (= Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24.11.1933).
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Einzelne frühere Vorschläge aus der Weimarer Zeit werden vom Naziregime derartig umgebogen, um sie als Instrumente für die Durchsetzung politischer Zwecke nützlich zu machen.
Einzelne frühere Vorschläge aus der Weimarer Zeit werden vom Naziregime derartig umgebogen, um sie als Instrumente für die Durchsetzung politischer Zwecke nützlich zu machen.
Zum Beispiel wurde im Zusammenhang mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ bereits im Sommer 1933 über eine Vorschrift beraten, die die Sterilisation und Kastration von Straftätern möglich machen soll. Hitler gibt ein Sondergesetz über die „Entmannung von gemeingefährlichen Sexualverbrechern und die Unfruchtbarmachung von Gewohnheitsverbrechern“ in Auftrag. (vgl. Müller: 1997, 34 ff.)<br>
Zum Beispiel wurde im Zusammenhang mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ bereits im Sommer 1933 über eine Vorschrift beraten, die die Sterilisation und Kastration von Straftätern möglich machen soll. Hitler gibt ein Sondergesetz über die „Entmannung von gemeingefährlichen Sexualverbrechern und die Unfruchtbarmachung von Gewohnheitsverbrechern“ in Auftrag. (vgl. Müller: 1997, 34 ff.)<br>
Die gesetzlichen Hürden für die Sicherungsverwahrung wurden so niedrig gesetzt, dass die Anordnungen  beliebig ausgedehnt werden konnten. Diese Maßnahmen gipfelten dann zwischen 1939 und 1945 in organisierten Tötungsaktionen, die u. a. auch ""PatientInnen"" der psychiatrischen Maßregel und Sicherungsverwahrte betraf.  (vgl. Dessecker, 2004: 98 ff.) <br>
Die gesetzlichen Hürden für die Sicherungsverwahrung wurden so niedrig gesetzt, dass die Anordnungen  beliebig ausgedehnt werden konnten. Diese Maßnahmen gipfelten dann zwischen 1939 und 1945 in organisierten Tötungsaktionen, die u. a. auch "PatientInnen" der psychiatrischen Maßregel und Sicherungsverwahrte betraf.  (vgl. Dessecker, 2004: 98 ff.) <br>
Nach 1945 wird die Maßregel der „Entmannung“ als nationalsozialistisches Unrecht aufgehoben. Die 1941 eingeführte Todesstrafe für Gewohnheits- und Sittlichkeitsverbrecher wurde abgeschafft. (vgl. Müller: 1997, 95) In der amerikanischen Zone wird vorübergehend das Arbeitshaus abgeschafft. <br>
Nach 1945 wird die Maßregel der „Entmannung“ als nationalsozialistisches Unrecht aufgehoben. Die 1941 eingeführte Todesstrafe für Gewohnheits- und Sittlichkeitsverbrecher wurde abgeschafft. (vgl. Müller: 1997, 95) In der amerikanischen Zone wird vorübergehend das Arbeitshaus abgeschafft. <br>
Die DDR übernimmt die Sicherungsverwahrung nicht. Auch im Einigungsvertrag wird sie erst nicht mit übernommen. 1995 wird sie dann auch in den neuen Bundesländern eingeführt.  
Die DDR übernimmt die Sicherungsverwahrung nicht. Auch im Einigungsvertrag wird sie erst nicht mit übernommen. 1995 wird sie dann auch in den neuen Bundesländern eingeführt.  
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Erst im Rahmen der Strafrechtsreform von 1969 erfuhr das Maßregelrecht in der BRD eine erste größere Umgestaltung. Hier wurden die Begriffe dann umgestellt und der Besserungsgedanke rückte in den Vordergrund. Das System der Zweispurigkeit wurde dabei nicht mehr in Frage gestellt. Das Gesetz wurde an die neueren rechts- und kriminalpolitischen Entwicklungen angepasst. So ist beispielsweise das Arbeitshaus endgültig abgeschafft, das mit dem Grundgesetz eingeführte Verhältnismäßigkeitsprinzip  gestärkt, und die Führungsaufsicht neu gestaltet worden. (vgl. Meier, 2001: 219)
Erst im Rahmen der Strafrechtsreform von 1969 erfuhr das Maßregelrecht in der BRD eine erste größere Umgestaltung. Hier wurden die Begriffe dann umgestellt und der Besserungsgedanke rückte in den Vordergrund. Das System der Zweispurigkeit wurde dabei nicht mehr in Frage gestellt. Das Gesetz wurde an die neueren rechts- und kriminalpolitischen Entwicklungen angepasst. So ist beispielsweise das Arbeitshaus endgültig abgeschafft, das mit dem Grundgesetz eingeführte Verhältnismäßigkeitsprinzip  gestärkt, und die Führungsaufsicht neu gestaltet worden. (vgl. Meier, 2001: 219)


==== Zusammenhang mit anderen Begriffen ====
== Grundlagen ==
 
=====Prävention=====
 
Die Maßregeln der Besserung und Sicherung zielen sämtlich auf in die Zukunft gerichtete, also auf die Verhinderung noch nicht begangener, Straftaten ab. Sie sind somit kriminalpräventive Institutionen.  (Siehe Grundbegriff Prävention)
 
=====Relative Strafzwecke=====
 
Man unterscheidet zwischen absoluten und relativen Straftheorien. Die absolute Straftheorie folgt dem Vergeltungsprinzip. Es ist die Reaktion des Staates auf begangenes Unrecht. Wesentlich geprägt würde diese durch den deutschen Idealismus, namentlich von Kant und Hegel.
Die relativen Straftheorien sehen die Rechtfertigung der Strafe in der Aufgabe weiteren Normbrüchen entgegen zu wirken. Man unterscheidet zwischen zwei Wirkungsrichtungen.
Generalprävention: Durch die Androhung und Vollstreckung der Strafe soll die Allgemeinheit vor Straftaten abgeschreckt werden.
 
=====Spezialprävention=====
 
Die Einwirkung auf den Täter, der durch die unmittelbar erfahrene Konsequenz der Strafe vor weiteren Taten abgehalten werden soll. (Liszt) Man unterscheidet negative und positive Spezialprävention.<br>
Negativ: Soll die Allgemeinheit vor dem Täter schützen.
Positive: Soll zur Besserung des Täters führen.
Positive Spezialprävention wird daher oft synonym mit dem Begriff der Resozialisierung gebraucht.


=====Resozialisierung=====  
=== Strafe und Maßregel ===
Während Strafen als Reaktion auf vergangene Handlungen gedacht sind, sollen Maßregeln der Besserung und Sicherung künftige Gefährlichkeit verhindern. Letztere sind somit kriminalpräventive Institutionen.  (Siehe Grundbegriff [[Prävention]])


Nach § 2 des Strafvollzugsgesetzes ist die Resozialisierung des Täters als Vollzugsziel verankert. Ziel ist die Befähigung ein Leben in Freiheit, ohne Straftaten, in sozialer Verantwortung zu führen.  
===Verhältnismäßigkeit===
Bevor eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet werden kann, muss zuvor eine eingehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit stattgefunden haben. Nach § 62 StGB darf die Massregel weder zur Bedeutung der vom Täter begangenen Tat, noch zum Grad der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit außer Verhältnis stehen.


=====Prognose=====
===Gefährlichkeitsprognose===
Weiterhin setzen alle Maßregeln eine [[Prognose]] der Gefährlichkeit voraus, die in ihren Bezugspunkten jedoch variiert. Für die sechs Maßregeln zeigt der Gesetzestext kein einheitliches Bild, was die rechtlichen Vorraussetzungen und die Anwendungspraxis betrifft.


Mit Ausnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis verlangt jede Verhängung einer Maßregel  eine Prognose. (Siehe Grundbegriff Prognose)
== Freiheitsentziehende Maßregeln ==
 
==== Materielle Realität ====
 
Bevor eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet werden kann, muss zuvor eine eingehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit stattgefunden haben.
 
§ 62 <nowiki>StGB</nowiki> (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit)
Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.
 
Weiterhin setzen alle Maßregeln eine Gefährlichkeitsprognose voraus, die in ihren Bezugspunkten jedoch variiert.<br>
Für die sechs Maßregeln zeigt der Gesetzestext kein einheitliches Bild, was die rechtlichen Vorraussetzungen und die Anwendungspraxis betrifft.
 
 
==== Freiheitsentziehende Maßregeln ====


===§63 <nowiki>StGB</nowiki>-Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus===
===§63 <nowiki>StGB</nowiki>-Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus===
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===§66 <nowiki>StGB</nowiki>-Sicherungsverwahrung===
===§66 <nowiki>StGB</nowiki>-Sicherungsverwahrung===
 
Im Gegensatz zu den vorher genannten Maßregeln (nach den §§ 63 und 64 <nowiki>StGB</nowiki>) Untergebrachten, steht bei der [[Sicherungsverwahrung]] die "sichere Unterbringung" zum Schutz der Allgemeinheit im Vordergrund (§ 129 StVollzG). Unter dem Einfluss des Prinzips der Resozialisierung sollen jedoch auch hier Angebote zur Wiedereingliederung gemacht werden.
Eine Therapie ist im Gegensatz zu den nach den §§ 63 und 64 <nowiki>StGB</nowiki> Untergebrachten, nicht vorgesehen.<br>
Seit einigen Jahren wird die Legitimation der Maßregeln diskutiert. Insbesondere die Sicherungsverwahrung steht dabei im Mittelpunkt.<br>
Am 31. März 2003 befanden sich bundesweit 306 Männer in der Sicherungsverwahrung. Frauen waren zum Stichtag keine untergebracht.(Statistisches Bundesamt 2003)<br>
Alle zwei Jahre muss gerichtlich geprüft werden, ob die Maßnahme weiterhin notwendig ist, oder ob eine Entlassung auf Bewährung möglich ist. <br>
Alle zwei Jahre muss gerichtlich geprüft werden, ob die Maßnahme weiterhin notwendig ist, oder ob eine Entlassung auf Bewährung möglich ist. <br>
Durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 1. April 1998 wurde die zwingende Entlassung aus der ersten Sicherungsverwahrung nach Ablauf von 10 Jahren aufgehoben. Wird festgestellt, dass die Gefahr besteht, dass der Sicherungsverwahrte infolge seines Hanges weitere erhebliche Straftaten begehen wird, kann die Maßregel über die 10 Jahre hinaus vollstreckt werden. Für die Betroffenen heißt das im schlechtesten Fall lebenslänglich. <br>
Durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 1. April 1998 wurde die zwingende Entlassung aus der ersten Sicherungsverwahrung nach Ablauf von 10 Jahren aufgehoben. Wird festgestellt, dass die Gefahr besteht, dass der Sicherungsverwahrte infolge seines Hanges weitere erhebliche Straftaten begehen wird, kann die Maßregel über die 10 Jahre hinaus vollstreckt werden. Für die Betroffenen heißt das im schlechtesten Fall lebenslänglich. <br>
Seit 2002 gibt es die Möglichkeit die Sicherungsverwahrung nachtäglich anzuordnen.
Seither ist es, unter dem Druck einzelner Bundesländer, zu einer beträchtlichen Aufwertung der Sicherungsverwahrung gekommen. 2002 wurde durch § 66a StGBdie Möglichkeit eingeführt, dass ein noch unentschlossenes Tatgericht sich eine spätere Einweisung in die Sicherungsverwahrung ausdrücklich vorbehalten kann. 2004 ging der Bundestag einen Schritt weiter und beschloss in § 66b StGB die Möglichkeit der nachträglichen Verhängung der Sicherungsverwahrung für den Fall, dass sich während des Vollzuges Anhaltspunkte für eine künftige Gefährlichkeit ergeben. Die Entscheidung darüber muss die zusändige Strafvollstreckungskammer treffen. 2008 wurde die Sicherungsverwahrung auch im [[Jugendstrafrecht]] eingeführt.
Sollte sich also erst während des Strafvollzuges herausstellen, dass von dem Gefangenem weitere Straftaten zu befürchten sind, so soll es die Möglichkeit geben ihn weiterhin wegzusperren.
 
Vorraussetzung hierfür ist jedoch, dass dies im Urteil bereits vorbehalten ist.
Einige Bundesländer (Bayern und Sachen-Anhalt, Baden- Württemberg und  Thüringen) haben in ihren Landesgesetzen die rückwirkende Sicherungsverwahrung, ohne das dies im Urteil vorbehalten wurde, geregelt.<br>
Das Bundesverfassungsgericht hat am 5. Februar 2004 diese Regelungen für verfassungswidrig erklärt, betonte aber, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach bundesrecht verfassungskonform sei. Es hat entschieden, „...dass die verfassungswidrigen, aber nicht nichtigen Landesgesetze (Vgl. § 31 Abs. 2 S.3 <nowiki>BVerfGG</nowiki>) bis zum 30. September 2004 anwendbar bleiben, damit der Bundesgesetzgeber eine eigene verfassungskonforme Regelung der nachträglichen Sicherungsverwahrung schaffen kann.
<br>Am 18. Juni hat der Bundestag nach einem Entwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ein Gesetz beschlossen, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung möglich macht.  
Am 29. Juli 2004 ist dieses Gesetz in Kraft getreten.
===Fazit===
===Fazit===
Seit Bestehen der Maßregeln waren diese immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. <br>
Seit Bestehen der Maßregeln waren diese immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. <br>
Der wohl älteste Vorwurf ist der des Etikettenschwindels. Er wurde bereits vor Einführung der Maßregeln, von Moritz Liebmann erhoben (Dessecker, 2004, S.  25) und dauert bis heute an. Kritisiert wird, dass sich Strafe und Maßregel (insb. die Sicherungsverwahrung) in ihrer Ausgestaltung faktisch nicht voneinander unterscheiden.
Der wohl älteste Vorwurf ist der des Etikettenschwindels. Er wurde bereits vor Einführung der Maßregeln, von [[Moritz Liepmann]] erhoben (Dessecker, 2004, S.  25) und dauert bis heute an. Kritisiert wird, dass sich Strafe und Maßregel (insb. die Sicherungsverwahrung) in ihrer Ausgestaltung faktisch nicht voneinander unterscheiden.


==== Maßregeln ohne Freiheitsentzug ====
== Maßregeln ohne Freiheitsentzug ==


§69 <nowiki>StGB</nowiki>-Entziehung der Fahrerlaubnis
===§69 <nowiki>StGB</nowiki>-Entziehung der Fahrerlaubnis===


Im Gegensatz zum Fahrverbot nach § 44 <nowiki>StGB</nowiki>, welches ein zusätzlicher Denkzettel für den Verkehrsteilnehmer sein soll, ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 <nowiki>StGB</nowiki> die Folge einer Verurteilung wegen einer (oder mehrerer) rechtswidriger Tat(en) im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen und richtet sich gegen diejenigen, welche sich zum Fahren eines Kraftfahrzeuges als ungeeignet erwiesen haben. Das Gericht kann eine Sperrfrist zwischen 6 Monaten und fünf Jahren verhängen. <br>
Im Gegensatz zum Fahrverbot nach § 44 <nowiki>StGB</nowiki>, welches ein zusätzlicher Denkzettel für den Verkehrsteilnehmer sein soll, ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 <nowiki>StGB</nowiki> die Folge einer Verurteilung wegen einer (oder mehrerer) rechtswidriger Tat(en) im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen und richtet sich gegen diejenigen, welche sich zum Fahren eines Kraftfahrzeuges als ungeeignet erwiesen haben. Das Gericht kann eine Sperrfrist zwischen 6 Monaten und fünf Jahren verhängen. <br>
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§70 <nowiki>StGB</nowiki>-Berufsverbot
===§70 <nowiki>StGB</nowiki>-Berufsverbot===


Der Zweck des Berufsverbotes ist die Allgemeinheit vor Gefahren zu schützen die im Zusammenhang mit der Berufs- oder Gewerbeausführung eines Täters stehen. Dem Betroffenen wird die Ausübung seiner Tätigkeit untersagt. Dies kann von 1 Jahr bis zu 5 Jahren gehen, und im Extremfall auch für immer angeordnet werden. Im Jugendstrafrecht darf das Berufsverbot nicht ausgesprochen werden. <br>
Der Zweck des Berufsverbotes ist die Allgemeinheit vor Gefahren zu schützen die im Zusammenhang mit der Berufs- oder Gewerbeausführung eines Täters stehen. Dem Betroffenen wird die Ausübung seiner Tätigkeit untersagt. Dies kann von 1 Jahr bis zu 5 Jahren gehen, und im Extremfall auch für immer angeordnet werden. Im Jugendstrafrecht darf das Berufsverbot nicht ausgesprochen werden. <br>
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§68ff  <nowiki>StGB</nowiki>-Führungsaufsicht
===§68ff  <nowiki>StGB</nowiki>-Führungsaufsicht===


Die Führungsaufsicht kann angeordnet werden oder kraft Gesetztes eintreten. In Verbindung mit den Maßregeln tritt sie dann ein, wenn die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, (§ 67b Abs. 2 u. 67c Abs. 1 <nowiki>StGB</nowiki>) nach einer erstmaligen Sicherungsverwahrung (§ 66, § 67d IV <nowiki>StGB</nowiki>) oder wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wegen Aussichtslosigkeit für erledigt erklärt wurde (§ 67d Abs. 5 <nowiki>StGB</nowiki>). Kommt jemand der Weisung einer Therapie nicht nach oder willigt nicht ein, so kann die Führungsaufsicht auch unbefristet verhängt werden. <br>
Die Führungsaufsicht kann angeordnet werden oder kraft Gesetztes eintreten. In Verbindung mit den Maßregeln tritt sie dann ein, wenn die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, (§ 67b Abs. 2 u. 67c Abs. 1 <nowiki>StGB</nowiki>) nach einer erstmaligen Sicherungsverwahrung (§ 66, § 67d IV <nowiki>StGB</nowiki>) oder wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wegen Aussichtslosigkeit für erledigt erklärt wurde (§ 67d Abs. 5 <nowiki>StGB</nowiki>). Kommt jemand der Weisung einer Therapie nicht nach oder willigt nicht ein, so kann die Führungsaufsicht auch unbefristet verhängt werden. <br>
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Die Aufgaben der Bewährungshilfe werden von staatlich anerkannten <nowiki>SozialarbeiterInnen</nowiki> wahrgenommen. Führungsaufsichtsprobanden stellen eine besondere Herausforderung für <nowiki>BewährungshelferInnen</nowiki> dar. Das Klientel ist sehr heterogen mit unterschiedlichen Risikoprognosen und Problemen. Diese haben immer eine freiheitsentziehende Maßnahme hinter sich, grundsätzlich wird von einer negativen Sozialprognose ausgegangen. Es handelt sich in der Regel um <nowiki>KlientInnen</nowiki> mit einer gefestigten Persönlichkeitsstruktur auf dem Erfahrungshintergrund einer kriminellen Kariere. Zudem unterliegen <nowiki>BewährungshelferInnen</nowiki> der schwierigen Verpflichtung des doppelten Mandats. Das bedeutet, dass sie einerseits ein Vertrauensverhältnis zu ihren <nowiki>KlientInnen</nowiki> herstellen müssen, um effektiv arbeiten zu können, andererseits sind sie den Aufsichtsstellen gegenüber dazu verpflichtet in regelmäßigen Abständen Bericht zu erstatten. Sollte jemand z.B. Weisungen nicht nachkommen so ist dies zu melden. Da Menschen mit langjährigen Hafterfahrungen ihr gesamtes Leben neu organisieren müssen, sind sie bei ihrer Entlassung mit zahllosen Problemen konfrontiert. Das fängt an beim Umgang mit Ämtern, finanziellen Schwierigkeiten, der Wohnungs- und Arbeitssuche bis hin zur Knüpfung neuer Sozialkontakte, der Einhaltung eventueller Bewährungsauflagen und, wie § 2 <nowiki>StVollzG</nowiki> formuliert, ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne Straftaten zu führen. Für Sexualstraftäter kommt erschwerend eine starke gesellschaftliche Ablehnung hinzu. Die umfangreichen Aufgaben verlangen eine intensive Begleitung, die jedoch aufgrund der Vielzahl der zu Betreuenden (oftmals an die 70 Probanden und mehr) derzeit nicht zu verwirklichen ist (vgl zur Anwendungspraxis der Führungsaufsicht: Floerecke 1990).
Die Aufgaben der Bewährungshilfe werden von staatlich anerkannten <nowiki>SozialarbeiterInnen</nowiki> wahrgenommen. Führungsaufsichtsprobanden stellen eine besondere Herausforderung für <nowiki>BewährungshelferInnen</nowiki> dar. Das Klientel ist sehr heterogen mit unterschiedlichen Risikoprognosen und Problemen. Diese haben immer eine freiheitsentziehende Maßnahme hinter sich, grundsätzlich wird von einer negativen Sozialprognose ausgegangen. Es handelt sich in der Regel um <nowiki>KlientInnen</nowiki> mit einer gefestigten Persönlichkeitsstruktur auf dem Erfahrungshintergrund einer kriminellen Kariere. Zudem unterliegen <nowiki>BewährungshelferInnen</nowiki> der schwierigen Verpflichtung des doppelten Mandats. Das bedeutet, dass sie einerseits ein Vertrauensverhältnis zu ihren <nowiki>KlientInnen</nowiki> herstellen müssen, um effektiv arbeiten zu können, andererseits sind sie den Aufsichtsstellen gegenüber dazu verpflichtet in regelmäßigen Abständen Bericht zu erstatten. Sollte jemand z.B. Weisungen nicht nachkommen so ist dies zu melden. Da Menschen mit langjährigen Hafterfahrungen ihr gesamtes Leben neu organisieren müssen, sind sie bei ihrer Entlassung mit zahllosen Problemen konfrontiert. Das fängt an beim Umgang mit Ämtern, finanziellen Schwierigkeiten, der Wohnungs- und Arbeitssuche bis hin zur Knüpfung neuer Sozialkontakte, der Einhaltung eventueller Bewährungsauflagen und, wie § 2 <nowiki>StVollzG</nowiki> formuliert, ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne Straftaten zu führen. Für Sexualstraftäter kommt erschwerend eine starke gesellschaftliche Ablehnung hinzu. Die umfangreichen Aufgaben verlangen eine intensive Begleitung, die jedoch aufgrund der Vielzahl der zu Betreuenden (oftmals an die 70 Probanden und mehr) derzeit nicht zu verwirklichen ist (vgl zur Anwendungspraxis der Führungsaufsicht: Floerecke 1990).


==== Kriminologische Relevanz ====
== Kriminologische Relevanz ==


Die Maßregeln sollen kriminelles Verhalten, was einem straffällig Gewordenem für die Zukunft prognostiziert wird, verhindern. Dabei stellen sich immer wieder Fragen nach der Feststellung der Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit und /oder die Beurteilung der Gefährlichkeit. Nach § 66 <nowiki>StGB</nowiki> muss die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergeben, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Die Maßregeln sollen kriminelles Verhalten, was einem straffällig Gewordenem für die Zukunft prognostiziert wird, verhindern. Dabei stellen sich immer wieder Fragen nach der Feststellung der Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit und /oder die Beurteilung der Gefährlichkeit. Nach § 66 <nowiki>StGB</nowiki> muss die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergeben, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist.
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<br>„Die Suche nach möglichst perfekter Sicherheit hat zur Folge, daß möglichst alles abweichende Verhalten ausgeschlossen werden muß.“ (Narr, 1997, S. 2)
<br>„Die Suche nach möglichst perfekter Sicherheit hat zur Folge, daß möglichst alles abweichende Verhalten ausgeschlossen werden muß.“ (Narr, 1997, S. 2)


====Literatur====
==Literatur==


*Floerecke, Peter: Die Entstehung der Gesetzesnormen zur Führungsaufsicht: die Gesetzgebung von 1962 bis 1975 und die Anwendungspraxis der Führungsaufsicht. Bonn: Forum Verl. Godesberg, 1989
*Floerecke, Peter: Die Entstehung der Gesetzesnormen zur Führungsaufsicht: die Gesetzgebung von 1962 bis 1975 und die Anwendungspraxis der Führungsaufsicht. Bonn: Forum Verl. Godesberg, 1989
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*Gronemeyer, D. Zur Reformbedürftigkeit der strafrechtlichen Fahrerlaubnisentziehung und des strafrechtlichen Fahrverbots, Frankfurt am Main: Lang, 2001  
*Gronemeyer, D. Zur Reformbedürftigkeit der strafrechtlichen Fahrerlaubnisentziehung und des strafrechtlichen Fahrverbots, Frankfurt am Main: Lang, 2001  
*Kaiser, G.: Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? Heidelberg: C.F. Müller,1990  
*Kaiser, G.: Befinden sich die kriminalrechtlichen Maßregeln in der Krise? Heidelberg: C.F. Müller,1990  
*Mushoff, T.: ""BVerfG"" zur Sicherungsverwahrung. Forum Recht Heft 2 (2004), S. 66   
*Mushoff, T.: BVerfG zur Sicherungsverwahrung. Forum Recht Heft 2 (2004), S. 66   
*Meier, B.-D.: Strafrechtliche Sanktionen. Berlin u. a.: Springer, 2001, S. 217-307  
*Meier, B.-D.: Strafrechtliche Sanktionen. Berlin u. a.: Springer, 2001, S. 217-307  
*Müller, Christian: Das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24.11.1933. Kriminalpolitik als Rassenpolitik. Baden-Baden, Nomos, 1997  
*Müller, Christian: Das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24.11.1933. Kriminalpolitik als Rassenpolitik. Baden-Baden, Nomos, 1997  
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*Weber, H-M., Reindl, R.: Sicherungsverwahrung. Argumente zur Abschaffung eines umstrittenen Rechtsinstitut, in: Neue Kriminalpolitik 13/1, 2001, S. 16-21
*Weber, H-M., Reindl, R.: Sicherungsverwahrung. Argumente zur Abschaffung eines umstrittenen Rechtsinstitut, in: Neue Kriminalpolitik 13/1, 2001, S. 16-21


==== Internetadressen ====
==Internetadressen ==


*http://www.net-lexikon.de/Massregelvollzug.html
*http://www.net-lexikon.de/Massregelvollzug.html
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