Lieselotte Pongratz: Unterschied zwischen den Versionen

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Die politisch bedingte Arbeitslosigkeit des Vaters erlaubt ihr nur den Abschluß der Volksschule. Es erfolgt die Ableistung eines "Pflichtjahres" in der Landwirtschaft, dann eine kaufmännische Lehre mit Gehilfenabschlußprüfung, Kriegdienstverpflichtung und bis 1945 Reichsarbeitsdienst in Ostpreußen.  
Die politisch bedingte Arbeitslosigkeit des Vaters erlaubt ihr nur den Abschluß der Volksschule. Es erfolgt die Ableistung eines "Pflichtjahres" in der Landwirtschaft, dann eine kaufmännische Lehre mit Gehilfenabschlußprüfung, Kriegdienstverpflichtung und bis 1945 Reichsarbeitsdienst in Ostpreußen.  


Nach dem Kreig beginnt Lieselotte Pongratz 1946 mit der Ausbildung zur Fürsorgerin am Sozialpädogogischen Institut Hamburg, macht dort 1949 Examen und arbeitete anschliessend als eine der ersten Sozialarbeiterinnen bei der Jugendbehörde Hamburg.  
Nach dem Krieg beginnt Lieselotte Pongratz 1946 mit der Ausbildung zur Fürsorgerin am Sozialpädogogischen Institut Hamburg, macht dort 1949 Examen und arbeitete anschliessend als eine der ersten Sozialarbeiterinnen bei der Jugendbehörde Hamburg.  


Der wissenschaftliche Weg von Lieselotte Pongratz beginnt 1953. Sie wird für eine wissenschaftliche Untersuchung über Jugendliche in Heimen der offenen Tür und die Längsschnittuntersuchung über das Lebensschicksal von Fürsorgezöglingen von der Jugendbehörde freigestellt. Im Rahemn dieser Arbeit entwickeln sich Kontakte zu einer Gruppe junger Soziologen um Prof. Schelsky, insbesondere zu dem späteren Soziologieprofessor Heinz Kluth, der sie unterstützt die Begabtenprüfung zu machen.
Der wissenschaftliche Weg von Lieselotte Pongratz beginnt 1953. Sie wird für eine wissenschaftliche Untersuchung über Jugendliche in Heimen der offenen Tür und die Längsschnittuntersuchung über das Lebensschicksal von Fürsorgezöglingen von der Jugendbehörde freigestellt. Im Rahmen dieser Arbeit entwickeln sich Kontakte zu einer Gruppe junger Soziologen um Prof. Schelsky, insbesondere zu dem späteren Soziologieprofessor Heinz Kluth, der sie unterstützt die Begabtenprüfung zu machen.


1954 beginnt sie mit dem Studium der Soziologie, Kriminologie, des Jugendstrafrechts und der Psychologie; zunächst in Hamburg und dann an der London School of Economics and Political Science. Sie promoviert 1963, im Rahmen eines Stipendiums, bei dem Soziologen Prof. Dr. Kluth an der Universität Hamburg, über die Sozialisation und das soziale Lebensschicksal von Prostituiertenkindern.
1954 beginnt sie mit dem Studium der Soziologie, Kriminologie, des Jugendstrafrechts und der Psychologie; zunächst in Hamburg und dann an der London School of Economics and Political Science. Sie promoviert 1963 im Rahmen eines Stipendiums bei dem Soziologen Prof. Dr. Kluth an der Universität Hamburg über die Sozialisation und das soziale Lebensschicksal von Prostituiertenkindern.


Von 1963 - 1966 arbeitet sie als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Hamburg zusammen mit den Senatsbeauftragten für dieses Zusatzstudium, Prof. Bondy und Prof. Sieverts an dem Aufbau des Sozialpädagogischen Zusatzstudiums für Sozialwissenschaftler, Juristen, Mediziner und and. Fachrichtungen an der Universität Hamburg.  
Von 1963 bis 1966 arbeitet sie als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Hamburg zusammen mit den beiden Senatsbeauftragten, Prof. Bondy und Prof. Sieverts an dem Aufbau des Sozialpädagogischen Zusatzstudiums für Sozialwissenschaftler, Juristen, Mediziner und and. Fachrichtungen der Universität Hamburg.  


1966 wird Lieselotte Pongratz Wissenschaftliche Rätin am Seminar für Sozialwissenschaften der Universität Hamburg, hier mit den Schwerpunkten der Soziologie des abweichendes Verhaltens, der Jugend und Familie. Aus der Tätigkeit zum "Abweichenden Verhalten" heraus ist sie mit....... im Aktionsforschungsprojekt in der Hamburger Übergangsstrafanstalt für Strafgefangene in der Alsenstraße.
1966 wurde Lieselotte Pongratz Wissenschaftliche Rätin am Seminar für Sozialwissenschaften der Universität Hamburg, hier mit den Schwerpunkten der Soziologie des abweichendes Verhaltens, der Jugend und Familie. Aus der Tätigkeit zum "Abweichenden Verhalten" heraus ist sie mit....... im Aktionsforschungsprojekt in der Hamburger Übergangsstrafanstalt für Strafgefangene in der Alsenstraße.
   
   
1973 wird sie Professorin für Soziologie an der Universität Hamburg und baut den Bereich "Abweichendes Verhalten und soziale Kontrolle" weiter aus.
Nachdem sie mehrere Rufe an andere Universitäten abgelehnt hat, wird sie 1973 Professorin für Soziologie an der Universität Hamburg und baut (?) den Bereich "Abweichendes Verhalten und soziale Kontrolle" weiter aus.


1975 erhält Lieselotte Pongratz den Ruf als Professorin für Kriminlogie am Fachbereich Rechtswissenschaft II der Universität Hamburg. Nach Anne-Eva Brauneck (Prof. für Kriminologie, Universität Gießen), die zweite Professorin in der Bundesrepublik für Kriminologie. Hier arbeitet sie zusammen mit Strafrechtlern des Fachbereiches an einer Reform der Juristenausbildung; zunächst der Einstufigen Juristenausbildung und nach dessem Abbruch, ab dem WS 1985/86 im Rahmen der Reformierten Zweistufigen Juristenausbildung.
1975 nimmt Lieselotte Pongratz den Ruf für eine Professur für Kriminlogie am Fachbereich Rechtswissenschaft II der Universität Hamburg an. Nach Anne-Eva Brauneck (Prof. für Kriminologie, Universität Gießen), die zweite Professorin in der Bundesrepublik für Kriminologie. Hier arbeitet sie zusammen mit Strafrechtlern des Fachbereiches an einer Reform der Juristenausbildung; zunächst der Einstufigen Juristenausbildung und nach dessem Abbruch, ab dem WS 1985/86 im Rahmen der Reformierten Zweistufigen Juristenausbildung.


Seit 1979 ist sie maßgeblich an der Gründung des Aufbau- und Kontaktstudiums für Kriminologie, dessen Lehrbetrieb 1984 aufgenommen wird, beteiligt. Ihre gesamten wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Erfahrungen bringt sie in die Gründung dieses neuen Studiengangs ein. Die Vorarbeiten beginnen 1979 u.a. mit der Einsetzung einer Gemeinsame Kommission des Akademischen Senats der Universität. Ein Jahr vor Beginn des Aufbaustudiums kommt es aufgrund ihres persönlichen Einsatzes dazu, dass die erforderliche Finanzierungszusage für das "Hochschulexperiment" des Kriminologiestudiums gegeben wird. Diese Modelleinrichtung, zunächst unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof.Dr. Fritz Sack und später Prof. Dr. Sebastian Scheerer, war die erste Diplom- Ausbildung für Kriminologie in der Bundesrepublik.
Seit 1979 ist sie maßgeblich an der Gründung des Aufbau- und Kontaktstudiums für Kriminologie, dessen Lehrbetrieb 1984 aufgenommen wird, beteiligt. Ihre gesamten wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Erfahrungen bringt sie in die Gründung dieses neuen Studiengangs ein. Die Vorarbeiten beginnen 1979 u.a. mit der Einsetzung einer Gemeinsame Kommission des Akademischen Senats der Universität. Ein Jahr vor Beginn des Aufbaustudiums kommt es aufgrund ihres persönlichen Einsatzes dazu, dass die erforderliche Finanzierungszusage für das "Hochschulexperiment" des Kriminologiestudiums gegeben wird (Gipser u.a.). Diese Modelleinrichtung, zunächst unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof.Dr. Fritz Sack und später Prof. Dr. Sebastian Scheerer, war die erste Diplom- Ausbildung für Kriminologie in der Bundesrepublik.


Zum WS 1985/1986 erfolgt ihre Emeritierung.
Zum WS 1985/1986 erfolgte ihre Emeritierung.


2000 gründet Lieselotte Pongratz, zunächst unter ihrem Vorsitz, eine Stiftung, die es Studierenden und Promovierenden der Kriminologie und der sozialen Arbeit ermöglichen soll, ihre Forschungsprojekte erfolgreich zu Ende zu bringen. Hinter- und Beweggrund der Errichtung dieser Stiftung war, dass ein ihr gewährtes Stipendium während der eigenen Promotion auslief und sie diese Zeit nur mit fremder Hilfe von Freunden überbrücken konnte. Die Stiftung, unter dem Vorsitz von Prof.Dr. Timm Kunstreich (seit 2002), hat bis heute (Oktober 2007) 5 Stipendien vergeben und verschiedentlich Zuschüsse gewährt.  
2000 gründet Lieselotte Pongratz, zunächst unter ihrem Vorsitz, eine Stiftung, die es Studierenden und Promovierenden der Kriminologie und der sozialen Arbeit ermöglichen soll, ihre Forschungsprojekte erfolgreich zu Ende zu bringen. Hinter- und Beweggrund der Errichtung dieser Stiftung war, dass ein ihr gewährtes Stipendium während der eigenen Promotion auslief und sie diese Zeit nur mit fremder Hilfe von Freunden überbrücken konnte. Die Stiftung, unter dem Vorsitz von Prof.Dr. Timm Kunstreich (seit 2002 ?), hat bis heute (Oktober 2007) 5 Stipendien vergeben und verschiedentlich Zuschüsse gewährt.  


== Wissenschaftliche Arbeit und Forschung ==
== Wissenschaftliche Arbeit und Forschung ==
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Seit 1981 war sie Anstaltsbeirätin in der hamburgischen offenen Männeranstalt Glasmoor und später in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg.
Seit 1981 war sie Anstaltsbeirätin in der hamburgischen offenen Männeranstalt Glasmoor und später in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg.


Sie war ferner beteiligt an der Einrichtung des Moritz-Liepmann-Hauses. Das MLH ist die einzige Einrichtung in Hamburg, die ausschließlich für den Übergang zwischen Haft und Freiheit konzipiert wurde. Bei der Eröffnung 1972 war es bundesweit ein Modellprojekt.
Lieselotte Pongratz war ferner an der Einrichtung des Moritz-Liepmann-Hauses beteiligt. Das bei seiner Eröffnung im Jahr 1972 ein bundesweites Modellprojekt und die seinerzeit einzige Einrichtung in Hamburg, die für den Übergang von der Haftzeit auf die Freiheit konzipiert wurde. (MLH ist seit 2005 geschlossen)
 


== Veröffentlichungen/Herausgeberschaften ==
== Veröffentlichungen/Herausgeberschaften ==

Version vom 21. Oktober 2007, 13:49 Uhr

Lieselotte Pongratz (geb.am 24.12.1923 - gest.am 05.09.2001 in Hamburg) war eine deutsche Kriminologin und die zweite Frau in der Bundesrepublik, die einen Lehrstuhl für Kriminologie erhielt (1975).

Lebenslauf

Der Lebenslauf von Lieselotte Pongratz ist für eine wissenschaftliche Laufbahn ungewöhnlich (Ostendorf 1986) und geprägt durch die Bedingungen des Nationalsozialismus.

Die politisch bedingte Arbeitslosigkeit des Vaters erlaubt ihr nur den Abschluß der Volksschule. Es erfolgt die Ableistung eines "Pflichtjahres" in der Landwirtschaft, dann eine kaufmännische Lehre mit Gehilfenabschlußprüfung, Kriegdienstverpflichtung und bis 1945 Reichsarbeitsdienst in Ostpreußen.

Nach dem Krieg beginnt Lieselotte Pongratz 1946 mit der Ausbildung zur Fürsorgerin am Sozialpädogogischen Institut Hamburg, macht dort 1949 Examen und arbeitete anschliessend als eine der ersten Sozialarbeiterinnen bei der Jugendbehörde Hamburg.

Der wissenschaftliche Weg von Lieselotte Pongratz beginnt 1953. Sie wird für eine wissenschaftliche Untersuchung über Jugendliche in Heimen der offenen Tür und die Längsschnittuntersuchung über das Lebensschicksal von Fürsorgezöglingen von der Jugendbehörde freigestellt. Im Rahmen dieser Arbeit entwickeln sich Kontakte zu einer Gruppe junger Soziologen um Prof. Schelsky, insbesondere zu dem späteren Soziologieprofessor Heinz Kluth, der sie unterstützt die Begabtenprüfung zu machen.

1954 beginnt sie mit dem Studium der Soziologie, Kriminologie, des Jugendstrafrechts und der Psychologie; zunächst in Hamburg und dann an der London School of Economics and Political Science. Sie promoviert 1963 im Rahmen eines Stipendiums bei dem Soziologen Prof. Dr. Kluth an der Universität Hamburg über die Sozialisation und das soziale Lebensschicksal von Prostituiertenkindern.

Von 1963 bis 1966 arbeitet sie als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Hamburg zusammen mit den beiden Senatsbeauftragten, Prof. Bondy und Prof. Sieverts an dem Aufbau des Sozialpädagogischen Zusatzstudiums für Sozialwissenschaftler, Juristen, Mediziner und and. Fachrichtungen der Universität Hamburg.

1966 wurde Lieselotte Pongratz Wissenschaftliche Rätin am Seminar für Sozialwissenschaften der Universität Hamburg, hier mit den Schwerpunkten der Soziologie des abweichendes Verhaltens, der Jugend und Familie. Aus der Tätigkeit zum "Abweichenden Verhalten" heraus ist sie mit....... im Aktionsforschungsprojekt in der Hamburger Übergangsstrafanstalt für Strafgefangene in der Alsenstraße.

Nachdem sie mehrere Rufe an andere Universitäten abgelehnt hat, wird sie 1973 Professorin für Soziologie an der Universität Hamburg und baut (?) den Bereich "Abweichendes Verhalten und soziale Kontrolle" weiter aus.

1975 nimmt Lieselotte Pongratz den Ruf für eine Professur für Kriminlogie am Fachbereich Rechtswissenschaft II der Universität Hamburg an. Nach Anne-Eva Brauneck (Prof. für Kriminologie, Universität Gießen), die zweite Professorin in der Bundesrepublik für Kriminologie. Hier arbeitet sie zusammen mit Strafrechtlern des Fachbereiches an einer Reform der Juristenausbildung; zunächst der Einstufigen Juristenausbildung und nach dessem Abbruch, ab dem WS 1985/86 im Rahmen der Reformierten Zweistufigen Juristenausbildung.

Seit 1979 ist sie maßgeblich an der Gründung des Aufbau- und Kontaktstudiums für Kriminologie, dessen Lehrbetrieb 1984 aufgenommen wird, beteiligt. Ihre gesamten wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Erfahrungen bringt sie in die Gründung dieses neuen Studiengangs ein. Die Vorarbeiten beginnen 1979 u.a. mit der Einsetzung einer Gemeinsame Kommission des Akademischen Senats der Universität. Ein Jahr vor Beginn des Aufbaustudiums kommt es aufgrund ihres persönlichen Einsatzes dazu, dass die erforderliche Finanzierungszusage für das "Hochschulexperiment" des Kriminologiestudiums gegeben wird (Gipser u.a.). Diese Modelleinrichtung, zunächst unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof.Dr. Fritz Sack und später Prof. Dr. Sebastian Scheerer, war die erste Diplom- Ausbildung für Kriminologie in der Bundesrepublik.

Zum WS 1985/1986 erfolgte ihre Emeritierung.

2000 gründet Lieselotte Pongratz, zunächst unter ihrem Vorsitz, eine Stiftung, die es Studierenden und Promovierenden der Kriminologie und der sozialen Arbeit ermöglichen soll, ihre Forschungsprojekte erfolgreich zu Ende zu bringen. Hinter- und Beweggrund der Errichtung dieser Stiftung war, dass ein ihr gewährtes Stipendium während der eigenen Promotion auslief und sie diese Zeit nur mit fremder Hilfe von Freunden überbrücken konnte. Die Stiftung, unter dem Vorsitz von Prof.Dr. Timm Kunstreich (seit 2002 ?), hat bis heute (Oktober 2007) 5 Stipendien vergeben und verschiedentlich Zuschüsse gewährt.

Wissenschaftliche Arbeit und Forschung

Der kriminologische Forschungsansatz von Lieselotte Pongratz war stark geprägt von ihrem sozialpädagogischen Praxisbezug und ihrer methodischen Ausbildung. Sie initiierte verschiedene Projekte auf der Grundlage der empirischen Sozialforschung (u.a. soziale Lernprozesse von Kindern einer bestimmten Wohngegend). Ihr Name steht in den 60 er Jahren für "Empirische Sozialforschung". Der Ansatz war nicht der einer abstrahierenden Unverbindlichkeit, vielmehr waren "Theorien Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck" (Gipser u.s.). Ihre Aufgabe als Kriminologin sah Lieselotte Pongratz vor allem darin, mit kriminologischem Wissen die Situation der von der Kriminalpolitik Betroffenen tatsächlich zu verändern. Es geht ihr maßgeblich um die Herausarbeitung belastender Lebensumstände, die objektiv strukturell auf Menschen einwirken und die durch deren Handeln wiederum reproduziert werden.( Gipser u.a.) Sie zeigt auf, wie Menschen mit gleichen Umständen unterschiedlich umgehen, sie bewältigen oder an ihnen scheitern. Aufgrund der seltenen Kombination als Wissenschaftlerin und als Kriminalpolitikerin hob sie sich von der rein wissenschaftlichen, theorienorientierten wie auch von der üblichen kriminalpolitischen Betrachtungsweise ab. Ihr Engagement zielte maßgeblich auf die tatsächliche und praktische Umsetzung - unabhängig auf welcher Grundlage (theoretisch oder praktisch)- von Maßnahmen für die Betroffenen.


Initiativen /Mitgliedschaften

Lieselotte Pongratz ist Mitbegründerin des Arbeitskreises Junger Kriminologen (AJK), die sich am 12. Juni 1969 zu der interdisziplinären Arbeitsgruppe mit dem Ziel zusammenschlossen, ein kritisches und unabhängiges Diskussionsforum für Nachwuchswissenschaftler über neue Forschungsarbeiten zu bieten. Ihre Motivation war hauptsächlich das Bedürfnis nach Offenheit in der Kommunikation und Bündelung der in den unterschiedlichen (Teil-)Disziplinen vorhandenen Erkenntnisse an bzw. zu neuen und neuentwickelten kriminologischen Fragestellungen, aber auch einen Überblick über die aktuelle Forschung und Projekte in Deutschland zu schaffen. Das Ziel sollte sein, Forschungskonzepte zu entwickeln, die deutlich machen sollten, in welchen Bereichen Forschungen vorrangig anzusetzen sind. Insbesondere war es ihr Anliegen empirische Forschung, die bis dahin nur in Dissertationen stattfand und im übrigen in Deutschland -anders als in z.B. den Niederlanden, England und vor allem den USA- völlig fehlte, in die (neue) Kriminologie einzubringen.

Als Mitbegründerin und -autorin des Kriminologischen Journals (KrimJ)- das auf ihre Veranlassung hin erstmalig im Juli 1969 erscheint - war es ihr Anliegen mit, keinem theoretischen Programm verpflichtet zu sein, sondern vielmehr die kriminologische Forschung von den verschiedenen Disziplinen her zu integrieren.

Ende der 70 er Jahre gründet sie den "Norddeutschen kriminologischen Gesprächskreis", der den Informationsaustausch auf regionaler Ebene etablierte.

1973 ist sie Mitbegründerin (?) der European Group for the study of deviance and social control, der sie bis zuletzt angehörte.

Zu Beginn der 70 er Jahre war Lieselotte Pongratz Mitglied und später, vier Jahre lang, Vorsitzende des Bundesjugendkuratoriums. Auf ihre Initiative hin kam es zu dem Hearing " Jugend und Terrorismus" (1979) und, in den Beratungen zur Reform des Jugendhilferechts, zum Symposium über Erziehung in geschlossenen Heimen ( Mai 1981).

Seit 1981 war sie Anstaltsbeirätin in der hamburgischen offenen Männeranstalt Glasmoor und später in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg.

Lieselotte Pongratz war ferner an der Einrichtung des Moritz-Liepmann-Hauses beteiligt. Das bei seiner Eröffnung im Jahr 1972 ein bundesweites Modellprojekt und die seinerzeit einzige Einrichtung in Hamburg, die für den Übergang von der Haftzeit auf die Freiheit konzipiert wurde. (MLH ist seit 2005 geschlossen)

Veröffentlichungen/Herausgeberschaften

Pongratz, L. und Lohmar, U. (1955) Zielsetzung und Wirksamkeit im Heim der offenen Tür, in: Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge (Hrsg.): Das Heim der offenen Tür. Eine Untersuchung westdeutscher und westberliner Freizeitstätten.

Pongratz, L. und Hübner H.-O. Lebensbewährung nach öffentlicher Erziehung - eine Hamburger Untersuchung über das Schicksal aus der Fürsorge-Erziehung und Freiwilligen Erziehungshilfe entlassener Jugendlicher, Darmstadt, Luchterhand (1959)

Pongratz, L. Prostituiertenkinder. Umwelt und Entwicklung in den ersten acht Lebensjahren; Stuttgart, Fischer Verlag (1964)

Pongratz, L. Indikationen vormundschaftsgerichtlicher Maßnahmen aus soziologischer Sicht, in: AFET (Hrsg.) : Vormundschaftsgerichtliche Maßnahmen und Indikationen (1968)

Rehn, G. und Pongratz, L. Probleme und Zielfindung in einem Aktionsforschungsprojekt im Strafvollzug, in: Haag u.a. (Hrsg.): Aktionsforschung (1972)

Haag, F./ Parow, E./ Pongratz, L./ Rehn, G. Überlegungen zu einer Metatheorie der Sozialarbeit, in Schneider, O.: Gesellschaftliche Perspektiven der Sozialarbeit (1973)

Pongratz, L./ Schäfer M./ Jürgensen, P./ Weiße, D. Kinderdelinquenz Daten, Hintergründe und Entwicklungen Juventa Verlag, München( 1975)

Pongratz, L. Herkunft und Lebenslauf, Längsschnittuntersuchungen über Aufwuchsbedingungen und Entwicklung von Kindern randständiger Mütter, (unter Mitarbeit von Peter von Rönn); Weinheim, Juventa Verlag 1988

Pongratz, L. und Jürgensen, P. Kinderdelinquenz und kriminelle Karrieren, Eine statistische Nachuntersuchung delinquenter Kinder im Erwachsenenalter, Centaurus, Pfaffenweiler (1990)

Pongratz, L. und Jürgensen, P. Karrieren drogenabhängiger Straftäter, Soziale Integration nach therapeutischer Behandlung in der Fachklinik Brauel?-Forschungsarbeit, 1997

Bundesjugendkuratorium (Hrsg.), Jugend und Terrorismus: ein Hearing des Bundesjugendkuratoriums (26.-27. September 1978, München, Juventa 1979

Bundesjugendkuratorium (Hrsg.) Erziehung in geschlossenen Heimen, Ein Symposium, München, Juventa Materialien, 1982

Kriminologisches Journal, Begründerin und Mitherausgeberin (seit 1969)

Hamburger Studien zur Kriminologie Herausgegeben von Lieselotte Pongratz, Fritz Sack, Klaus Sessar und Bernhard Villmow.

Quellen

  • Baumann, Immanuel (2006) Dem Verbrechen auf der Spur. Eine Geschichte der Kriminologie und Kriminalpolitik in Deutschland 1880-1980. Göttingen, Wallstein Verlag (besonders S. 310 f.).
  • Brusten, Manfred (1998) "Was bewegt die Wissenschaft?" in Devianz im Wandel in Oldenburger Universitätsreden Nr.102; Helge Peters zum 60. Geburtstag, Oldenburg, Brusten/Menzel/Lautmann(S.16)
  • Gipser, Dietlinde/ Kunstreich, Timm/ Rehn, Gerhard u.a., Lieselotte Pongratz zum Gedenken (24.12.1923 -05.09.2001) in np, neue praxis, Heft 6/2001, S. 623 ff.
  • Haag, Fritz: Lieselotte Pongratz: Von der Sozialarbeit zur Kriminalpolitik; in uni hh Bd. 17( 1986), 2, S. 60 f.
  • Ostendorf, Heribert (Hrsg.) Integration von Strafrechts- und Sozialwissenschaften, Festschrift für Lieselotte Pongratz, München (1986)
  • Lieselotte Pongratz und Dorothee Bittscheid-Peters (1998)Gespräch darüber, wie alles anfing und was es bewirkte, in Krim.Journal 30. Jg. 1998 H 1,S. 7 ff.
  • Quensel, Stephan (2001) Nachruf für Lieselotte Pongratz (24.12.1923 - 5.9.2001) in Krim.Journal 33.Jg. H 4, S. 310 f.