Lawrence W. Sherman

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Lawrence W. Sherman (* 25.10.1949 in Schenectady, NY) ist ein us-amerikanischer Kriminologe mit den Arbeitsschwerpunkten Experimentelle Kriminologie, Prävention, Evidence-Based Kriminalpolitik, Polizeiarbeit und Restorative Justice. Seit 2006 ist er an der Universität Cambridge (England) tätig, wo er seit 2008 auch die Funktion eines Gründungsdirektors des "Jerry Lee Centre for Experimental Criminology" ausübt. Gleichzeitig ist er auch Direktor des gleichnamigen Zentrums an der Universität von Pennsylvania (USA).

Forschung

Sherman wird auch als “Experimenteller Kriminologe” bezeichnet.

Im Rahmen seiner zufällig gewählten (randomisierten), kontrollierten Untersuchungen zur Abschreckung vor, bzw. Prävention von Kriminalität untersuchte er eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Probleme, wie häusliche Gewalt, Polizeirazzien, Verkehrskontrollen (saturation patrol) , bewaffnete Kriminalität aber auch Crack-Häuser und „reintegrative shaming“(Wiedergutmachung). Dabei arbeitete er international mit über 30 Polizei- und Justizeinrichtungen zusammen.

Häusliche Gewalt

Durch seine bahnbrechende Forschung zu häuslicher Gewalt, zu welcher u. a. das „Minneapolis Domestic Violence Experiment“ MDVEzählt, erlangte er bereits in den 1980er Jahren öffentliche Aufmerksamkeit und Bekanntheit in den USA. Das MDVE ist eine Untersuchung zur Effektivität unterschiedlicher polizeilicher Reaktionsmöglichkeiten im Umgang mit häuslicher Gewalt. Die Studie ergab, dass hinsichtlich der Rückfallwahrscheinlichkeit die Verhaftung im Gegensatz zur Methode der Beratung oder der Möglichkeit, den Täter vorrübergehend des Platzes zu verweisen, am effektivsten wirkte. Verhaftung reduziere die Rückfälligkeit gegen dasselbe Opfer innerhalb der folgenden sechs Monate um die Hälfte.

Shermans Untersuchungen zum Einfluss von Verhaftung auf die Rückfälligkeit im Rahmen von häuslicher Gewalt bewirkte landesweit die Veränderung von Polizeivorschriften zugunsten ausgedehnterer Festnahmemöglichkeiten auch bei leichteren Vergehen, unter welche häusliche Gewalt hier subsumiert wird.

Hot Spots

In den späten 1980er Jahren untersuchte Sherman die Auswirkungen des gezielten Einsatzes von Polizeistreifen in Gebieten mit hoher Kriminalitätsbelastung. Die Ergebnisse führten später zur Entwicklung seines Konzeptes der sog. „hot spots“. In den frühen 1990er Jahren untersuchte Sherman im Kansas City Gun Experiment die Auswirkungen des gezielten Einsatzes vermehrter Polizeistreifen in Gebieten mit erhöhtem Waffengewaltvorkommen. Dabei konnte ein Anstieg der Beschlagnahmungen illegal getragener Waffen und ein Rückgang tatsächlicher Waffengewalt festgestellt werden.

Weiteres

Seit 1995 leitet Sherman ein Forschungsprogramm zu „restorative justice“, welches die Evaluation von ca. 2500 Tätern und 2000 Kriminalitätsopfer umfasst. Zuletzt arbeitete er an der Entwicklung neuer Prognose-Hilfsmittel zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit mit welcher Straftäter, die sich auf Bewährung befinden ein Tötungsdelikt begehen werden. Darüber hinaus arbeitet er an Untersuchungen zur intensiven Unterstützung von Straftätern mit hohem Rückfallrisiko. Zusätzlich zu seinen Untersuchungen veröffentlichte Sherman eine Reihe von Artikeln und Buchbeiträgen zu einer Vielzahl unterschiedlicher Themen wie Polizei-Korruption, Polizeiausbildung, Razzien, restorative justice , Ermittlungen, Polizeigewalt und Angstreduzierung. 1997 leitete Sherman ein Team von Kriminologen der University of Maryland zur Erstellung einer umfassenden Meta-Evaluation von Präventionsprogrammen: den sog. Sherman-Report, der auch für seine Rezeption in der Bundesrepublik von Bedeutung ist.

Sherman-Report

In der Bundesrepublik ist Lawrence W. Sherman insbesondere durch die Rezeption des sog. „Sherman-Report“ einer breiteren (Fach-)Öffentlichkeit bekannt geworden, wenn auch verschiedentlich angemerkt wird, dass jene Arbeit noch nicht genug Aufmerksamkeit erhalten habe (Düsseldorfer Gutachten, S. 52). 1996 beauftragte der US-Kongress eine Forschergruppe der University of Maryland unter Leitung von Sherman mit der Erarbeitung eines Berichtes über die Effektivität von öffentlich geförderten Kriminalpräventionsprogrammen. Die Forschergruppe analysierte hierzu über 500 Evaluationsstudien zur Wirksamkeit einzelner Präventionsprogramme. 1998 wurde der “Sherman-Report”, mit dem Titel „Preventing Crime: What Works, What Doesn’t, What’s Promising“ vorgelegt. Der Titel knüpft an eine vielbeachtete Sekundäranalyse von (jugend-)kriminalpräventiven Projekten von 1973 von Robert Martinson u.a. mit dem Titel "What Works? Questions and answers about prison reform" an, welche später den Spitznamen Nothing works erhielt.

Zusammenfassung wichtigster Entdeckungen

Seine wichtigsten Entdeckungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Im Jahr 1980 entdeckte er, dass die Beschränkung polizeilicher Befugnisse im Bereich des Schusswaffengebrauchs keinen Anstieg der Gewalt gegenüber Polizeibeamten oder der Kriminalität allgemein zur Folge hatte. Diese Beweise wurden später vom US-Supreme Court angeführt, bei seiner Entscheidung, die polizeilichen Befugnisse hinsichtlich der Tötung von Verdächtigen zu beschränken
  • Im Jahr 1987 entdeckte er, dass mehr als die Hälfte aller gemeldeten Verbrechen und Störungen bei nur 3% der Grundstücksadressen einer Großstadt auftraten. Hiermit zeigte er auf, dass die Frage, wann und wo Kriminalität auftreten kann, weit mehr vorhersehbar sei als zuvor gedacht und legte damit die theoretische und empirische Grundlage für das nunmehr weltweit unter dem Namen "Hot Spots" bekannte Konzept
  • 1992 fand er heraus, dass Inhaftierung im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt durchaus widersprüchliche Auswirkungen auf die Täter haben kann. So führe Inhaftierung bei berufstätigen Männern zu einem Rückgang der Gewalttätigkeiten, bei arbeitslosen Männern komme es jedoch zu einer Verdopplung der Gewalttätigkeitsfrequenz. Dieses Ergebnis wurde von unabhängigen Wissenschaftlern bestätigt und dient heute den Anwälten einiger Frauen dazu, zu empfehlen die obligatorische Verhaftung bei häuslicher Gewalt ohne Verletzung zu verwerfen/ abzuschaffen.
  • Sherman entdeckte 1995, dass Morde, Schießereien und andere Gewaltverbrechen durch den Einsatz intensivierter rechtmäßiger Polizeikontrollen in den „hot spots“, also den Gebieten mit einer hohen Rate an bewaffneter Kriminalität, reduziert werden können. Dieses Ergebnis wurde später bei neuen Tests anderer Wissenschaftler zu einhundert Prozent bestätigt. Die Forschungsergebnisse führten zu wesentlichen Veränderungen der US- amerikanischen Polizeipraktiken und bewirkten einen faktischen Rückgang der Mordrate in den USA.
  • In Zusammenarbeit mit Heather Strang, einer Kollegin fand Sherman 2000 heraus, dass sog. „Restorative Justice-Konferenzen“ zwischen den gewalttätigen Tätern und ihren Opfern die Wiederholungsgefahr um die Hälfte reduzieren könnten.

Lawrence Sherman kann als einer der meist zitierten und wohl einflussreichsten Kriminologen betrachtet werden.


Evidence-Based Policing

1998 erläuterte Sherman in einem Vortrag das Konzept des Evidence-based-Policing (EBP), der auf Tatsachen/ Beweisen basierenden Polizeiarbeit , welches auf der Grundlageder „Evidence-based-Medicine fußt. Sein Grundgedanke war dabei, die Polizeipraxis durch die Einführung sich wiederholender kontrollierter Feldstudien in all ihren komplexen und routinierten Aspekten effektiver zu gestalten. Sherman war Mitbegründer der “Campbell Collaboration‘s Crime and Justice Group”., welche die Synthese von Forschungsergebnissen zur Effektivität der Polizeiarbeit mit anderen kriminalpräventiven Praktiken zum Ziel hat. Seitdem bietet auch die FBI-Akademie Kurse zum Thema EBP an und es wurde zum Gegenstand weitreichender Diskussionen und Kommentierungen, sowohl im Rahmen der Polizeipraxis als auch in Fachzeitschriften. Darüber hinaus ist es auf Sherman zurückzuführen, dass EBP im Jahr 2008 zu einem zentralen Punkt des „Police Executive Programme“ der Cambridge University wurde, einem Teilzeitstudium für hochrangige Führungskräfte der Polizei aus der ganzen Welt mit dem Ziel einen Diplom- oder Masterabschluss in angewandter Kriminologie zu erwerben. Außerdem finanzierte die „National Policing Improvement Agency (NPIA) im selben Jahr die erste internationale Konferenz zu EBP, an der Führungskräfte der Polizei aus Asien, Australien, Europa und den USA teilnahmen.

Ausbildung

1970 absolvierte Sherman seinen Bachelor- Studium in Politikwissenschaft an der Dension University mit magna cum laude . Im selben Jahr schloss er sein Studium der Sozialwissenschaften an der University of Chicago mit einem Master ab und erwarb 1973 ein Diplom in Kriminologie an der Cambridge University. 1976 promovierte er auf dem Gebiet der Soziologie an der Yale University.

Academia

Von 1999 bis 2007 war Sherman Greenfield Professor für Human Relations am Department für Soziologie an der University of Pennsylvania. Unter seiner Führung wurde Pennsylvania die erste Elite- Universität der USA, an der man auf dem Gebiet der Kriminologie (als eigenständigem Feld) promovieren konnte. 2003 wurde Sherman der erste Professor für Kriminologie. In den Jahren 2003 bis 2007 war er Vorsitzender der Fakultät für Kriminologie und von 1999 bis 2005 Direktor des „Fels Institute of Government“. Vor seiner Ernennung an der University of Pennsylvania und der University of Cambridge war Sherman von 1982 bis 1999 Dozent ander Fakultät für Kriminologie und Strafrecht der University of Maryland. Von 1995 bis 1999 war er dort Lehrstuhlinhaber und wurde 1998 zum „Distinguished University Professor“ ernannt. Im Jahr 1987 war er an der Rutgers University 's Graduate School of Criminal Justice „Seth Boyden Distinguished Visiting Professor“, hatte dort also eine Gastprofessur inne und von 1994 bis 2005 war er auch als außerordentlicher Professor für Rechtswissenschaften an der Australian National University's Research School of Social Science tätig. Von 1976 bis 1980 war er Dozent an der Albany’s School of Criminal Justice. Neben seiner Tätigkeit als Lehrkraft ist Sherman auch stets forschend tätig. Derzeit ist er Co-Direktor des „Justice Research Consortium“ in Großbritannien, eine Position, die er seit 2001 inne hat. In den Jahren 1995 bis 2000 war Sherman wissenschaftlicher Direktor von RISE, einem von der australischen Bundespolizei geförderten Forschungsinstitut. Von 1985 bis 1995 war er als Präsident des „Crime Control Institute“ tätig und von 1979 bis 1985 war er Forschungsdirektor bei der in Washington D.C. ansässigen „Police Foundation“.

Auszeichnungen und Ehrungen

Sherman empfing in den vergangenen Jahren zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen für seine Arbeiten auf den Gebieten Kriminologie und Strafrecht. Er ist und/oder war Mitglied,bzw. Ehrenmitglied, Vorstand oder sogar Präsident unterschiedlichster sozialwissenschaftlicher, kriminologischer Vereine, Stiftungen und Gesellschaften.



Veröffentlichungen von Lawrence W. Sherman

  • 2007 (mitHeather Strang) Restorative Justice: The Evidence. London: Smith Institute, 95 pp.
  • 2002 (mit David P. Farrington, Brandon Welsh & Doris MacKenzie, Hg.) Evidence-Based Crime Prevention. London: Routledge.
  • 1997 (u.a.) Preventing Crime: What Works, What Doesn't, What's Promising. Report to the U.S. Congress. Washington, D.C.: U.S. Dept. of Justice, 655 pp.
  • 1992 Policing Domestic Violence: Experiments and Dilemmas. N.Y.: Free Press, 1992. (Ausgezeichnet mit dem 1993-94 Distinguished Scholarship Award, American Sociological Association, Section on Crime, Law and Deviance).
  • 1992 (mit Douglas A. Smith) Crime, Punishment and Stake in Conformity: Legal and Informal Control of Domestic Violence. Am. Sociological Review, 57(5): 680-690 (1992).
  • 1984 (mit Richard A. Berk) The Specific Deterrent Effects of Arrest for Domestic Assault. Am. Sociological Review, 49(2): 261-272.
  • 1989 (mit Patrick R. Gartin, and Michael E. Buerger) Hot Spots of Predatory Crime: Routine Activities and the Criminology of Place. Criminology 27: 27-55.
  • 1978 Scandal and Reform: Controlling Police Corruption. Berkeley: University of California Press.
  • 1985 Execution Without Trial: Police Homicide and the Constitution. Vanderbilt Law Review 33, 1:71-100. [Cited by U. S. Supreme Court in Tennessee v. Garner, l985]
  • 2000 Gun Carrying and Homicide Prevention. Journal of the American Medical Association 283: 1193-1195. March.

Einzelnachweise

1. “Professor Lawrence Sherman”, Institute of Criminology, Cambridge University (http://www.crim.cam.ac.uk/about/people/biog.html?recordID=96)

2. “Lawrence W. Sherman, Director”, Jerry Lee Center of Criminology (http://www.sas.upenn.edu/jerrylee/people/lsherman.htm)

3. “AEC Presidents: Lawrence W. Sherman”, The Academy for Experimental Criminology (http://www.crim.upenn.edu/aec/lsherman.htm)

4. The American Society of Criminology, (http://www.asc41.com)

5. “The Society”, The International Society for Criminology (http://www.aapss.org/section.cfm/3/14)

6. “Presidents of the Academy”, American Academy of Political and Social Science (http://www.aapss.org/section.cfm/3/14)

7. “Past Award Recipients”, Academy of Criminal Justice Sciences (http://www.acjs.org/pubs/167_770_3526.cfm)

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