Kriminalprävention im Städtebau

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Kriminalprävention im Städtebau“ (KiS) zielt auf die Beeinflussung „städtebauliche Sicherheit“ in den Wirkungsräumen städtebaulicher Kriminalprävention beim Planen, Gestalten oder Sanieren von Wohnquartieren, öffentlichen Räumen, Flächen und Gebäuden, um Wohlbefinden und Lebensqualität von Bewohnern bzw. Nutzern zu fördern sowie Devianz, Delinquenz und Kriminalitätsfurcht zu reduzieren.


Wirkungsräume städtebaulicher Kriminalprävention sind Stadtplanung, Architektur, Bautechnik, Stadtteil-/Quartiersmanagement, Wohnungsverwaltung, Bewohnerzusammensetzung, Bewohnerintegration, Bewohnerselbstorganisation, lokale Netzwerke sowie Sicherheitsbehörden und –einrichtungen.


Der Begriff städtebaulicher Sicherheit umfasst in diesem Zusammenhang nicht nur bauliche und räumlich-gestalterische, sondern auch soziale Aspekte und die Orientierung an allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, an der Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, an den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung, an der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen sowie an den sozialen und kulturellen Befürfnissen der Bevölkerung. Dies umfasst Maßnahmen, die die materiellen, sozialen und kulturellen Ressourcen sowie Sozialisationseffekte eines Quartiers oder anderer öffentlicher Räume betreffen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1 -3 BauGB). Dazu gehören insbesondere Faktoren wie sozialräumliche und kulturell nachteilige Polarisierung (räumliche Konzentration sozialer Benachteiligung auf Indvidual- und sozialstruktureller Ebene durch Armut bzw. Arbeitslosigkeit), Baustruktur, symbolische Barrieren, Quartiersimage, Mobilität, historische Gesellschaftsentwicklungen, Bautechnik und soziale Kontrolle. Handlungsebenen in diesem Zusammenhang sind Länder, Kommunen, Stadtteile, Quartiere, Baugebiete, Gebäudekomplexe, Einzelgebäude und schließlich die individuellen Bewohner oder Nutzer.


Entwicklungen

Als Wurzeln städtebaulicher Kriminalprävention im Hinblick auf Wechselwirkungen zwischen menschlichen Gemeinschaften und ihrer physisch-räumlichen Umwelt können die Erkenntnisse innerhalb der Chicago School in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts betrachtet werden. Die Ursprünge über Zusammenhänge von Raumgestaltung und Kriminalität, die auch Gegenstand der Environmental Criminology sind, führten nach Kritik von Jane Jacobs an die Städteplaner in ihrem Buch `The Death an Life of Great American Cities` (1961) zu einer neuen Perspektive des Raumes im Kontext von Nutzung, Wahrnehmung und Verhaltensbeeinflussung durch Funktionsmischung und menschlichen Aktivitäten im Stadtgefüge.


Crime Prevention Through Environmental Design (CPTED)

C. Ray Jeffery entwickelte 1971 das Konzept "Crime Prevention Through Environmental Design" (CPTED), welches Grundlage u. a. für europäische bzw. deutsche Konzepte ist. Das übergeordnete CPTED-Konzept enthält im Wesentlichen drei Ansätze, die einzeln oder kombiniert durch räumlich-gestalterische Aspekte den öffentlichen Raum sicherer machen sollen: 1. Steigerung der informellen sozialen Kontrolle (Jane Jacobs): Klare Abgrenzung des privaten vom öffentlichen Raum, Nutzungsmischung und Beeinflussung der Frequentierung des Raumes. 2. Veränderung der physikalischen Umwelt (Jeffery): Beeinflussung der Abwägung zugunsten einer Tat durch physikalische bzw. räumlich-gestalterische Maßnahmen. 3.Täterorientierter Raum-Selektionsansatz: Nach Paul und Patricia Brantingham (1975) selektieren Täter nach einem Muster innerhalb ihrer persönlichen Aktionsradien geeignete Tatorte für Einbruchdiebstähle in einer "Raum-Selektionstheorie" : Sie stellen bei der Auswahl ihrer Opfer oder Objekte rationale Überlegungen an, wobei das Motiv des Täters, ein geeignetes Ziel und die Zugänglichkeit eine besondere Rolle spielen. Täter wählen danach Schritt für Schritt ihr Opfer sehr bewusst nach ökonomischen Kriterien: Entdeckungsrisiko, Nutzen aus der Tat, Überwindung von Hindernissen, pp. Während Jeffery erkannte, dass nicht die äußeren Umweltbedingungen allein ursächlich für Kriminalität sein konnte, sondern nach seinem Verständnis auch „psychobiologische“ Effekte und die Wechselwirkungen zwischen beiden, fand diese Erkenntnis in großen Teilen der Literatur sowie auf das urspüngliche CPTED-Konzept aufbauende Ansätze keine Berücksichtigung (Jeffery 1996: 1).


Defensible Space

Zeitgleich mit Jeffery entwickelte der amerikanische Architekt Oscar Newman vier Planungsansätze (Territorialität, Natürliche Überwachung, Milieu, Image), die er 1972 in seinem unter dem gleichnamigen Titel seines Buches `Defensible Space`, veröffentlichte, mit denen die Überschaubarkeit und „Verteidigungsfähigkeit“ des Wohnumfeldes verbessert werden sollte. Defensible Space zielt auf die Entwicklung von Nachbarschaften, innerhalb der die Bewohner ermutigt werden sollen, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Der Ansatz enthält zwei Komponenten: Erstens sollen Sichtbeziehungen im Raum geschaffen werden, die ein Sehen und Gesehen werden ermöglichen. Zweitens müssen die Menschen bereit sein, zu intervenieren bzw. Taten (der Polizei) mitzuteilen. Rolinski widerlegte die These von Newman. Er kam innerhalb seiner Studien zu Hochhäusern in München (1980: 47) zu dem Ergebnis, dass trotz Fehlens von `Defensible-space-Merkmalen in Hochhäusern (zehn Geschosse und mehr), sich nicht wesentlich mehr Delikte als in Mehrfamilienhäusern (fünf Geschosse und weniger) mit vorhandenen Defensible-space-Merkmalen ereignen. Er führte dies auf soziologisch bedingte Umstände zurück, die sich in den USA anders als in Deutschland darstellten (1980: 200 ff.).

Es gilt als durch die kriminologische Forschung nachgewiesen, dass sowohl spezial- als auch generalpräventive Maßnahmen ihre Grenzen haben, dass weder mit Behandlung und Therapie, noch mit Abschreckung und Repression Kriminalitätsprobleme zu lösen sind und auch die Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit nur bedingt realisierbar ist bzw. oft zu einer räumlichen oder deliktischen Verlagerung von Problemen führt. Die Reduktion von Tatgelegenheiten und individuelles Schutzverhalten führen nicht oder zumindest nicht immer bzw. nicht auf Dauer zu einer echten Reduzierung von Kriminalität. So hat das Konzept "Defensible Space" sich nicht durchsetzen können (vgl. Feltes 2001: 127, 128).


Der Broken-Windows-Ansatz und das Zero-Tolerance-Modell

Bedeutsame Entwicklungsaspekte sind der „Broken Windows Ansatz" sowie das auf Teilaspekte des Ansatzes beruhende Zero Tolerance-Modell (Null Toleranz), durch den der Broken-Windows-Ansatz Mitte der 1990er Jahre an Popularität gewann. Während eine Übertragbarkeit des Zero Tolerance-Modells auch in Deutschland vor dem Hintergrund spezifischer Rahmenbedingungen amerikanischer Großstädte sowie die politische Frage der Verhältnismäßigkeit entgegenstehen (vgl. Bässmann / Vogt 1997:24) wurde im Düsseldorfer Gutachten i. Z. m. dem Broken Windows-Ansatz u.a. festgestellt, das urbane Präventionstrategien, die allein auf die Aufrechterhaltung der Ordnung setzen, zu kurz greifen, lediglich die Symptome kurieren und dabei möglicherweise die Ursachen einer negativen Kriminalitätsentwicklung vernachlässigen (vgl. Rössner, D. et al., 2002: 422 ff.).


CEN (TR) 14383-2 - Norm für Kriminalprävention durch Raumplanung und Architektur

Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet eine europäische Kommission (Technische Kommission 325) an einer einheitlichen europäischen Norm zur Kriminalprävention durch Raumplanung und -gestaltung. Hierbei handelt es sich um eine Zusammenfassung der CPTED-Standards als Teil eines Bündel ineinander greifender Normen, die als Planungsinstrument und Nachschlagwerk für Planer, Architekten, Polizisten und Politiker dienen soll. Da sie nicht als einheitliches europäisches Instrument (EN) etabliert wurde (2004), findet sie als Technical Report (TR) Anwendung. Die Norm dient als Vorlage für Verfahrensweisen einer Sicherheitsverträglichskeitsprüfung auch in Deutschland.


Deutschland

Seit den 1990er Jahren werden in Deutschland Zusammenhänge von Städtebau und Sicherheit, die Übertragung des Defensible-Space-Ansatzes sowie die kriminalpräventive Siedlungsgestaltung analog des CPTED-Designs thematisiert. Nach den Erkenntnissen über Wirkungen kriminalpräventiver Maßnahmen wird davon ausgegangen, dass sich "Sicherheit in einem Stadtquartier nicht über eine einzelne Strategie, sondern über ein integriertes Bündel von Handlungsformen bewerkstelligen lässt". Dies bedeutet insbesondere, dass "die Polizei und die anderen am Planungs- und Bauprozess beteiligten Einrichtungen sich nicht damit begnügen können, lediglich unter Sicherheitsaspekten akzeptable Bau- und Gestaltungsstandards umzusetzen" (vgl. H. Pfeiffer 2006: 10 ff). Allerdings wird auch festgestellt, dass Konzepte städtebaulicher Kriminalprävention, die aus dem angloamerikanischen Raum übernommen wurden, ohne sie dem deutschen Kontext anzupassen, einerseits geringe Aktzeptanz der Maßnahmen finden und sie andererseits ihre Potentiale in der deutschen Präventionskultur aufgrund der mangelnden Passgenauigkeit nicht entfalten können. In der Hoffnung, dass damit an den Wurzeln des Problems angesetzt wird, würde in Deutschland die Kriminalprävention meist auf soziale Maßnahmen enggeführt (vgl. Schubert et al. 2009: 1 ff).

Nach einem Sachstandsbericht (Stand: August 2006) werden seit dem 01.07.2009 in dem EU-Projekt Planning urban Security – PluS Forschungsleitfragen zur Weiterentwicklung der städtebaulichen Kriminalprävention unter Beteiligung der Länder Österreich, England, Polen und Deutschland behandelt.


Städtebau und Kriminalprävention

Städtebau als Begriff

Der Begriff „Städtebau“ bezeichnet die bauliche Entwicklung von Städten und schließt im Zusammenhang mit behördlichen Aufgaben die Nutzung von Grund und Boden sowie die örtliche Planung ein. Instrumente der städtebaulichen Planung sind der Bauleitplan, zu dem der Flächennutzungsplan und Bebauungspläne (§§ 5 – 10 BauGB) sowie Regelungen von Beteiligungen, die Zusammenarbeit mit Privaten (§§ 11 – 13 BauGB) und insbesondere die Beachtung von Grundsätzen (§§ 1 – 4 c BauGB) gehören. Zu den Grundsätzen zählen 24 Belange (§ 1 BauGB), die einem Abwägungsgebot unterliegen und berücksichtigt werden müssen (§ 7 BauGB). Innerhalb welcher Entscheidungen die Gewichtung von Belangen vorgenommen wird, obliegt einer politischen Gewichtung. Gemäß § 1 Abs. 6 BauGB sind "bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen: 1. die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, 2. die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen Kosten sparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung, 3. die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung.'"


Städtebau und Kriminalprävention - interdisziplinäre Kooperationen in Niedersachsen

Seit 2003 werden in Niedersachsen Konzepte zur städtebaulichen Kriminalprävention entwickelt bzw. realisiert, in denen deutsche und europäische Perspektiven unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen in Deutschland Berücksichtigung finden können. Kern des niedersächsischen Weges ist eine Vernetzung innerhalb der Institutionen und Akteure in Anlehnung an die Sicherheitspartnerschaft im Städtebau in Niedersachsen auf Landesebene sowie vorrangig zwischen Polizei und Städten bzw. Gemeinden auf kommunalen Ebenen.


Zentrale inhaltliche Fragestellungen auf den kommunalen Ebenen richten sich an die kommunale Kriminalpolitik und u.a. dem Umgang mit Kriminalität im Hinblick auf die Bearbeitung der Ursachen anstatt der Folgen (Opfer, Ängste, Kosten, usw.). Ziele sind hier nicht Kontrollmechanismen, das Erfassen von Kriminalität oder sozialen Problemen u.a mit elektronischen Möglichkeiten durch z.B. Videoüberwachung sowie ausschließende Maßnahmen (vgl. Garland 2008: 259), sondern das Wohlbefinden und Lebensqualität von Bewohnern bzw. (allen) Nutzern, sozialen Randgruppen.


Anstatt eines reduzierten (polizeilichen) Fokusses auf die situativen Einbruchsprävention an Gebäude, Haus oder Wohnung ("Schloss und Riegel") und Bearbeitung der Kriminalität i. S. von "crime fighting" (Pütter 1999: 8) stehen Möglichkeiten zur Lösung von Kriminalitäts- und Sicherheitsproblemen, die Reduzierung von Risiken und Stärkung von Chancen im kommunalen Kontext und anstatt einer sozialen Kontrolle zur Durchsetzung des Rechts bzw. strafender Sanktionen stehen die Entwicklung von Möglichkeiten einer für alle Beteiligten zufrieden stellenden Lösung im Vordergrund. Allein eine gemeindenahe Polizeiarbeit (Fußstreife, Polizeiläden, "Runde Tische", pp.) oder Community Policing sind keine Alternativen zu langfristig wirkenden sozialen und politischen Maßnahmen, die auf die Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zielen, sondern eine sinnvolle Ergänzung mit kurzfristiger Wirksamkeit zur Steigerung der Lebensqualität in städtischen Räumen (Kersten: 1999: 4).


  • Sicherheitspartnerschaften zwischen Städten und Gemeinden mit der Polizei in den Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim
Handlungsebenen einer Sicherheitspartnerschaft

Eine kommunale Form der Kooperation zur systematischen Berücksichtung von Kriminalprävention im Städtebau ist das nach einem landesweiten Modellprojekt (2003-2005) realisierte, erweiterte `Lingener Verfahren` der "Sicherheitspartnerschaften" zwischen Städten und Gemeinden mit der Polizei' in den Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim auf vier Handlungsebenen:


1. Ebene: Stadt bzw. Gemeinde

Als Erfolgsfaktoren für die Umsetzung der „Kriminalprävention durch Stadtplanung und Design“ werden vier miteinander kombinierte Faktoren benannt (Stummvoll 2008: 18):

  • 1. Bereitschaft zur Beteiligung an einer Sicherheitspartnerschaft,
  • 2. Integration der Bevölkerung durch Kommunikation,
  • 3. Dezentralisierung und Lokalisierung,
  • 4. Verbindlichkeit.

In der Kooperation (Sicherheitspartnerschaft) wurden gemeinsame Ziele, Handlungsbereiche und Aktivitäten formuliert, die Grundlage des interdisziplinären, kommunalen Handelns innerhalb der jeweiligen Disziplinen der Polizei und Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung sein sollen. Sie soll die Einbindung von bzw. Steuerung an weitere Institutionen und Akteure sozialräumlicher Netzwerke bewerkstelligen.

Phasen formeller sowie informeller Dialoge

Kern der Sicherheitspartnerschaft ist insbesondere ein 5stufiges dialogisches Verfahren (informell und formell) in einem Verfahren "Dialogsystem - Sicherheitsverträglichkeitsprüfung - Scoping" von einer frühen kommunalen Planung in den einzelnen Phasen bis zu bestehenden Wohn- und Lebensräumen (Ebene Bestand).


2. Ebene: Ortsteil, Quartier, Bezugsraum

Eine hohe Bedeutung wird dem Quartier bzw. Wohngebiet zugeschrieben. Relevante Faktoren auf dieser Ebene sind Wahrnehmung, Orientierung, Zustand, Mobilität, Frequentierung, Mischung, Image, soziale Netzwerke, Segregations- und Benachteiligungsprozesse sowie die Infrastruktur - sie wirken auf Bewohner, Nutzer sowie tatgeneigte Personen, erzeugen Rückkoppelungseffekte und können benachteiligende Prozesse sowie Devianz beeinflussen.

Die Analyse wird als wesentlicher Bestandteil des Prozesses der Entwicklung einer Präventionsstrategie für eine Stadt/Gemeinde betrachtet (EU-Forum, Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen, S. 16). Wenn die Polizei einmal erkannt habe, dass sie Sicherheit nur in Kooperation mit sozialen und städtebaulichen Einrichtungen erfolgreich bearbeiten kann, dann müsse sie sich auch für eine ebenso breite Kriminalstrukturanalyse öffnen (Stummvoll, 2007).

Ein kommunales Sicherheitskonzept muss ein maßgeschneidertes Sicherheitskonzept sein, ein genaues "Maß-Nehmen", eine Bestandsaufnahme von Problemen, Schwierigkeiten, aber auch Chancen einer bestimmten Kommune (Feltes 2001: 128).

Ob und in welchem Umfang Indikatoren auf Kriminalität begünstigende Umstände bzw. Benachteiligungen deuten, wird in bestimmten Planungsfällen nach kleinräumigen Analysen bzw. geografische Kriminalstrukturanalysen in einem kriminalpräventiven Lagebild zur städtebaulichen Kriminalprävention - einer erweiterten Form einer Kriminalgeographie - dargestellt.


3. Ebene: Baugebiet bzw. Wohnumfeld

Auf der Ebene des Baugebietes bzw. Wohnumfeldes werden die Prinzipien eines integrativen (nachbarschaftlichen) Miteinanders, Identifizierung mit und Verantwortung für das Wohnumfeld, Aufenthaltsqualität, Frequentierung, Orientierungsmöglichkeiten, Instandhaltung, Konfliktregulierungsmöglichkeiten, Mobilität und soziale (informelle) Kontrolle als zentrale Faktoren erachtet, die bestehende Problemlagen und Konfliktsituationen beeinflussen, aber auch situative Bedingungen für Devianz unmittelbar beeinflussen können.


4. Ebene: Gebäude, Haus, Wohnung

Auf dieser (Mikro-)Ebene sollen einerseits Maßnahmen zur Einbruchsprävention in Wohnungen, Häusern oder Gebäuden durch urbane, offene, nicht abschottende Gestaltungsformen sowie Bautechnik (herstellerseitig angemessene Mindeststandards bei Neu-/Umbauten) i.V.m. dem Angebot allgemeiner Informationen sowie andererseits die Reduktion von Kriminalitätsfurcht und die Vermeidung eines Unsicherheitsduktus Berücksichtigung finden.


Städtebauförderung

Die Städtebauförderung des Bundes ist ein reaktiver Ansatz mit vier Säulen: Neben dem Denkmalschutz sind dies die Stadterneuerung, der Stadtumbau und das Programm Soziale Stadt. Die Stadterneuerung zielt mit finanziellen Anreizen von Bund bzw. Ländern auf die Erhaltung und Modernisierung von Gebäuden, die Revitalisierung der Zentren und Nebenzentren und die Verbesserung des Wohnumfeldes, um den Bedeutungsverlust der Innenstädte in ihrer Funktion als soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Mitte der Region aufzuhalten. Das Bund-Länder-Programm Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die Soziale Stadt wurde mit dem Ziel gestartet, die „Abwärtsspirale“ in benachteiligten Stadtteilen aufzuhalten und die Lebensbedingungen vor Ort umfassend zu verbessern. Es startete im Jahr 1999 mit 161 Stadtteilen in 124 Gemeinden; 2008 waren es 523 Gebiete in 326 Gemeinden.


Präventions- und Interventionsmodelle

Communities That Care (CTC)

Communities That Care“ ist eine in den USA entwickelte Arbeitsmethode, um in Kommunen, Gemeinden und Stadtteilen die Rahmenbedingungen für ein sicheres und gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Mit dieser Methode soll problematischem Verhalten, wie Jugendgewalt, Kriminalität, Alkohol- und Drogenmissbrauch, frühzeitigem Schulabbruch, Teenager-Schwangerschaften, sowie Depressionen und Ängsten entgegen gesteuert werden, bevor es auftritt („Prävention“).


Leitfaden für lokale Sicherheitsanalysen

Der Leitfaden wurde in Anlehnung an die EU-Leitlinien zur Kriminalprävention vom Europäischen Forum für urbane Sicherheit primär für die Unterstützung der Präventionsarbeit im städtischen Umfeld entwickelt. Er sieht eine Sicherheitsanalyse vor, die nicht nur Kriminalität und Viktimisierung untersucht, sondern auch deren Beziehung zu sozioökonomischen Faktoren und bestehenden öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen, ebenso wie die breiteren politischen und institutionellen Zusammenhänge, in denen Probleme auftreten.


ISIS-Modell der präventiven Stadtgestaltung

Das ISIS-Modell stellt einen integrierten situativ-sozialpolitischen Ansatz auf mehreren Handlungsebenen dar: ■Infrastruktur für die öffentliche Darseinsvorsorge: Im Zentrum stehen sozialpädagogische Präventionsansätze zur Stärkung sozialer Schutz- und Verminderung sozialer Risikofaktoren. Neben der Präventionslogik dienen Infrastrukturen auch der lokalen Lebensqualität und damit der Integration der Bewohner/innen. ■Sozialmanagement und soziale Kontrolle: Wohnungsgesellschaften etablieren durch Hausmeister und Conciergefunktionen Strategien der sozialen Kontrolle und Sanktionierung. Wenn die Wohnbevölkerung vom Sozialmanagement der Wohnungsgesellschaften aktiviert und beteiligt wird, stabilisieren sich sicherheitsfördernde Kräfte im Wohnumfeld. Das Sozialmanagement wird zudem durch polizeiliche Arbeit unterstützt. ■Intermediäre Akteure: Auf der kooperativen Ebene entwickelt sich aus der Zusammenarbeit zwischen Professionellen, Organisationen und Institutionen ein präventives Milieu im Wohnquartier und im Stadtteil. Neben der horizontalen Vernetzung ist auch die vertikale Integration des Stadtteils in das politische Gefüge der Stadtentwicklung relevant. ■Städtebauliche Gestaltung: Diese Ebene bezieht sich auf den gesamten Siedlungsraum. Nach dem situativen Präventionsansatz kommt es hier darauf an, den städtischen Raum so zu gestalten, dass Tatgelegenheiten minimiert und Angst erzeugende Bereiche planerisch ausgeschlossen werden. Die Qualität der städtebaulichen Gestaltung ist zudem ein Faktor der lokalen Wohnzufriedenheit und damit der Quartiersstabilität (Schubert et al. 2009: 5).


Der Weg zur Problemlösung durch Kriminalitätsanalyse. In 55 kleinen Schritten

Hierbei handelt es sich um ein Handbuch problemorientierter Polizeiarbeit (POP) in 55 "kleinen Schritten".


"Beccaria: In 7 Schritten zum erfolgreichen Präventionsprojekt"

In einem 7-Schritte-Konzept des Beccaria-Projekts werden praxisnahe und nützliche Hilfen zur Planung, Umsetzung und Überprüfung auf dem Weg zu einem erfolgreichen Präventionsprojekt sowie Arbeitsmaterialien und –hilfen angeboten.


SARA-Problemlösungsmodell

SARA - Scanning (Bestandsaufnahme), Analysis (Analyse), Response (Reaktion/Maßnahme), Assessment (Bewertung) ist ein Problemlösungs-Modell für die Polizei für den Umgang mit bestimmten wiederkehrenden Straftaten und Störungen der öffentlichen Ordnung in vier Phasen.


CrimeLifecycle - Leitfaden zur Entwicklung von Design Against Crime Ideen

Crime Lifecycle ist ein Leitfaden für gestaltende und entwickelnde Professionen wie Architekten, Designer und Planer während der Entwicklung bzw. Planung.


Literatur

  • Belina, B. (2006): Raum Überwachung Kontrolle, 1. Aufl., Münster
  • Feltes, T.(2001): "Community Policing“ – ein polizeipolitisches Modell für Europa? in: Fehérváry, J./W. Stangl(Hrsg.):Polizei zwischen Europa und den Regionen. Analysen disparater Entwicklungen,Wien, S.119-132
  • Garland, D. (2008): Die Kultur der Kontrolle, Frankfurt
  • Hackmann, K./Krämer, P., (2008), Lingener Kooperationsverfahren zu einer sichereren Stadt, in: Landespräventionsrat Niedersachsen/Nds. Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit (Hrsg.): Die Sichere Stadt als interdisziplinäre Aufgabe. Deutsche und europäische Perspektiven, 49 ff.
  • Häfele, J./Lüdemann, C. (2006) Incivilities und Kriminalitätsfurcht im urbanen Raum. Eine Untersuchung durch Befragung und Beobachtung. In: Kriminologisches Journal, 38.Jg., 4, 273-291.
  • Häußermann, H./Läpple, D./Siebel, W. (2008): Stadtpolitik, Bonn
  • Jacobs, J. (1993): Tod und Leben großer amerikanischer Städte, 3. Aufl., Braunschweig
  • Kersten, Ulrich, In: Presseerklärung des BKA vom 18.09.97
  • Landespräventionsrat Niedersachsen (Hrsg.): Clarke, Ronald V; Eck, John: Der Weg zur Problemlösung durch Kriminalitätsanalyse. In 55 kleinen Schritten, Hannover, 2007
  • Lindenberg M./ Schmidt-Semisch, H. (2000): Komplementäre Konkurrenz in der Sicherheitsgesellschaft. In: Kriminologie und Strafrechtsreform 5, 306-309
  • Lüdemann, Christian (2006): Soziales Kapital und soziale Kontrolle - Zu den Determinanten sozialer Kontrolle in Nachbarschaften. In: Kriminalistik 60, 3, 177-183
  • Newman, O. (1972): Defensible space, crime prevention through environmental design, New York
  • Newman, O. (1979): Crime prevention through town-planning and architecture, International comparison, synopsis and outlook in the United States. In: Bundeskriminalamt (Hrsg.): Städtebau und Kriminalität / Urban Planning and Crime, Sonderband der BKA-Forschungsreihe, Wiesbaden, 103-134
  • Pfeiffer, H. (2008): Schlussfolgerungen aus dem niedersächsischen Modellprojekt „Kriminalprävention im Städtebau“, in: Landespräventionsrat Niedersachsen/Nds. Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit (Hrsg.): Die Sichere Stadt als interdisziplinäre Aufgabe. Deutsche und europäische Perspektiven, 19 ff.
  • Rössner, D. et al. (2001): Empirisch gesicherte Erkenntnisse über kriminalpräventive Wirkungen. Eine Sekundäranalyse der kriminalpräventiven Wirkungsforschung. Gutachten für die Landeshauptstadt Düsseldorf. Düsseldorf
  • Schubert, H. (2005): Sicherheit durch Stadtgestaltung, Köln
  • Schubert, H. et al.(2009): Wirkungen sozialräumlicher Kriminalprävention Band 1, Köln
  • Stummvoll (2005): Forschungsfeld geografische Kriminalstrukturanalyse, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 2, 91-105
  • Stummvoll (2008): Auf dem Weg zu einem europäischen Standard sicherer Stadtumwelten, in: Landespräventionsrat Niedersachsen/Nds. Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit (Hrsg.): Die Sichere Stadt als interdisziplinäre Aufgabe. Deutsche und europäische Perspektiven, S. 14 ff.
  • Wehrheim, J. (2006): Die überwachte Stadt - Sicherheit, Segregation und Ausgrenzung, 2. Aufl., Opladen
  • Wilson, James W./Kelling George L. (1996): Polizei und Nachbarschaft: Zerbrochene Fenster, in: Kriminologisches Journal, 28. Jg., 2


Weblinks