Kriminalgeographie

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Version vom 23. August 2010, 15:10 Uhr von Dani (Diskussion | Beiträge) (→‎Kriminologische Relevanz)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Definition

Der Begriff Kriminalgeographie ist bis heute in seiner Bedeutung nicht klar umgrenzt. Zum einen wird die Kriminalgeographie als Kriminalitätsverteilungslehre verstanden und zum anderen als ein weiterer Ansatz der Ursachenforschung. Demnach unterscheidet man zwischen kriminalistischer und kriminologischer Kriminalgeographie.

Eine kriminologische Betrachtungsweise des Begriffes lässt die Definition Herolds zu. Nach HEROLD ist (1977) „die Kriminalgeografie... die Wissenschaft von den Beziehungen, die zwischen der spezifischen Struktur eines Raumes (der Raum ist nach HEROLD (1968) das was sich auf einer Fläche typisch erhebt, was sie beschreibbar macht, z.B. Acker, Wald, Häusergruppe etc.) und der in ihm örtlich und zeitlich anfallenden Kriminalität bestehen“. (HEROLD 1977, nach SCHWIND 2000, S. 290)

Eine Begriffsbestimmung, die sowohl die eine kriminalistische als auch eine kriminologische Betrachtungsweise beinhaltet erarbeiteten SCHWIND et al (1978) im Rahmen der Erstellung eines Kriminalitätsatlasses für die Stadt Bochum:“ ...unter Kriminalgeographie wird derjenige Zweig der kriminologisch-kriminalistischen Forschung verstanden, der kriminelles Verhalten in seiner raum-zeitlichen Verteilung erfasst und durch spezifische raumzeitliche Verbreitungs- und Verknüpfungsmuster demographischer, wirtschaftlicher, sozialer, psychischer und kultureller Einflussgrößen zu erklären versucht, und zwar mit dem Ziel der Verbrechensbekämpfung.“

Somit wäre die Kriminalgeographie nicht nur eine Grundlage für die Darstellung der räumlichen Verteilung der Kriminalität und die Erklärung der Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ausprägungen eines (Teil-) Raumes und der in ihm aufkommenden Kriminalität, sondern auch für handlungskonzeptionelle Ansätze in der Kriminalprävention.

Geschichtlicher Abriss

Die Kriminalgeografie fand ihren Ursprung bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als der Kriminalstatistiker GUERRY (1833) den Zusammenhang zwischen Kriminalität, Armut, mangelnder Bildung und Bevölkerungsdichte anhand der französischen Moralstatistiken untersuchte (vgl. auch QUETELET 1835). Diese Arbeit beschränkte sich jedoch auf eine kartographische Darstellung der Kriminalitätsverteilung. Kommunalen Bezug nahmen die ersten stadtgeografischen Arbeiten von PARENT-DUCHÂTELET (1836) in Paris oder MAYHEW (1862) in London. Erste bedeutsame Erklärungsansätze im Hinblick auf mögliche Zusammenhänge zwischen Raum und der in ihm aufkommenden Kriminalität bietet der ökologische Ansatz der Chicagoer Schule in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts. SHAW und MCKAY (1942) konstatierten, dass die Kriminalität von den Außenbezirken zum Stadtzentrum hin zunimmt und ermittelten sog. delinquency areas, in denen eine hohe Kriminalitätsbelastung mit ungünstiger Sozialstruktur einherging. Diese Gebiete waren meist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an sozialer Desorganisation, einem niedrigem sozioökonomischen Niveau und waren i.d.R. mit Stadtgebieten deckungsgleich, die im Verlauf des Städtewachstums entstanden waren (natural areas). Diese Erkenntnisse wurden der Zonentheorie von BURGESS 1925 zugrunde gelegt, welche eine Stadt in ringförmige Nutzungszonen einteilt. Die delinquency areas schließen sich demnach an die Industrie- und Geschäftszentren der Innenstädte an; diese wiederum sind umgeben von den Stadtvierteln der Arbeiter und darauf folgen die Wohngebiete. Bei dieser Betrachtungsweise ist Kriminalität inhärent, denn in der „Zone“ der Kriminalität erlernen Kinder gemäß der Theorie des differentiellen Lernens kriminelles Verhalten. Der Ansatz von SHAW und MCKAY war meist Gegenstand kriminalgeografischer Studien der folgenden Jahrzehnte. In diesen, vor allem europäischen kriminalgeographischen Arbeiten konnte die Zonentheorie nicht immer bestätigt werden, da es sich bei europäischen Städten häufig nicht um gewachsene, sondern um eingemeindete Städte handelt. In diesen Kommunen konnten höhere Kriminalitätsbelastungen in den ehemaligen Zentren der eingemeindeten Städte festgestellt werden (Mehrkerntheorie).

In Deutschland sind zwischen 1930 und 1950 zahlreiche kriminalgeografische Studien erschienen, die sich meist alle mit den Einflüssen des Krieges auf die Kriminalitätsentwicklung beschäftigten. In einigen Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass sich die Nachkriegszeit kriminalitätsbegünstigend ausgewirkt hat, was auf Faktoren wie wirtschaftliche Not, Hunger und Kälte zurückgeführt wurde. 1936 erschien eine Arbeit, die sich politisch im Sinne des NS-Staates orientierte. Zentraler Aspekt dieser Arbeit ist die Ermöglichung einer Stadtplanung in deren Vordergrund die „soziale Gesundung“ steht. WALTHER vergleicht die Häufung der Wohnungen von Familien mit Hilfsschulkindern und Fürsorgezöglingen mit der Konzentration von Kriminalitätszahlen in den einzelnen Gebieten Hamburgs. Auf einer gesonderten Karte werden dazu auch die Wohnorte von kommunistischen Wählern erfasst. Einschlägige Untersuchungen erschienen in Deutschland erst wieder in den 70er Jahren. HELLMER (1972) entwickelte einen Kriminalitätsatlas der BRD und West-Berlin. Hierbei handelt es sich um eine Arbeit eher im Sinn einer Kriminalitätsverteilungslehre, die besonders in Praktikerkreisen wie der Polizei Anklang fand. Dargestellt werden überwiegend die Kriminalitätsverteilung insgesamt und ausdifferenziert nach einzelnen Delikten bis herunter auf die Ebene der Regierungsbezirke. Alle Bemühungen, die die Kriminalitätsverteilungslehre in Deutschland voran treiben, werden im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung gesehen. Mit dem Ziel die Nürnberger Polizei effektiver zu machen hat HEROLD die Kriminalitätsdichte für die Bezirke von Nürnberg errechnet. Einbezogen wurden hierbei die raumbezogenen Delikte (Straßenkriminalität), da diese durch vorbeugenden Polizeieinsatz bekämpft werden können. Eine deutliche Konzentration der Kriminalität hat sich für die Stadtmitte gezeigt. Herold folgerte daraus, dass die Verteilung der bisher gleichmäßig über das gesamte Stadtgebiet eingesetzten Polizeikräfte, den differenten Konzentrationen des Kriminalitätsaufkommens angepasst werden müssen.

Neuere Forschungsansätze beschäftigen sich häufiger mit der Verknüpfung sozialer und struktureller Merkmale des Raumes mit der Kriminalitäts- oder auch Täterbelastung. EISNER (1993; 1997) geht auf die Gewaltkriminalität in Schweizer Städten ein und berücksichtigt dabei die räumliche Strukturierung der Gesellschaft. Zentrales Ergebnis seiner Untersuchung: der öffentliche Raum der Städte und insbesondere die Innenstädte sind von einer starken Zunahme der Gewaltdelikte in den letzten 30 Jahren betroffen. Die Betrachtung der Tatgelegenheitsstrukturen gewinnt für die Kriminalgeografie zunehmend an Bedeutung. Hierbei fließen Aspekte wie Flächennutzungsmuster, Wohnviertelgestaltung, Lebensstile und Aktivitäten der Bewohner in die Untersuchungen mit ein. Besonders interessant ist hierbei der Zusammenhang zwischen Wohnhausarchitektur und Kriminalitätsentstehung und -kontrolle. Dieses Forschungsthema ist angelehnt an das Konzept des defensible space, dessen Kernpunkt es ist eine bauliche Umwelt zu gestalten, die bei den Bewohner Territorialitätsanspruche und damit Verantwortlichkeit hervorruft, eine Einsehung des öffentlichen und halböffentlichen Raum ermöglicht und die Sicherheit durch eine intensive Nutzung kommunaler Einrichtungen erhöht. Obwohl es grundsätzliche Kritik an diesem Ansatz dahingehend gibt, dass die baulichen Gestaltungsmerkmale überschätzt werden und ihm die Gefahr einer Feindhaltung immanent ist, ist er zunehmend Bestandteil der Diskussionen im Rahmen der kommunalen Kriminalprävention.

Verwandte Begriffe

Die Bezeichnungen Kriminalitätsgeographie oder Kriminalökologie werden häufig mit dem Terminus Kriminalgeographie gleichgesetzt. Die Ursache hierfür liegt darin, dass im deutschen Sprachraum häufig von Kriminalitätsgeographie gesprochen wird, während in angelsächsischen Ländern der Begriff der ecology üblich ist. KAISER (1993) ist der Auffassung, dass man die Bezeichnungen Kriminalitätsgeographie und Kriminalökologie als engere Unterbegriffe der Kriminalgeographie verstehen kann. Während sich die Kriminalitätsgeographie weitestgehend auf die Darstellung der räumlichen Verteilung der Kriminalität beschränkt, handelt es sich bei der Kriminalökologie um einen Teilbereich der Sozialökologie, deren Aufgabe es ist, die kriminologisch relevanten Sozialstrukturen in Beziehung zur örtlichen Umgebung zu setzen.


Praxisrelevanz

Nach Schwind besitzt die Kriminalitätsgeographie nach der hier dargestellten Definition besondere Praxisrelevanz, „jedenfalls dürfte es heute kaum noch einen Polizeipräsidenten geben, der die Kriminalitätsverteilung nicht (zumindest) auf (Gitter-) Karten einzeichnen lässt, um sie besser beobachten zu können“. (SCHWIND 2003, S. 300). Moderne computergeographische Programme machen es möglich, auf der Basis polizeilicher Daten und Karten Auskünfte nicht nur über räumliche Konzentrationen von Kriminalitätsaufkommen, sondern auch über die Wirkung örtlicher Kriminalitätsbekämpfung (z.B. Verdrängungs- und Verlagerungseffekte) zu erlangen. Wie oben bereits angeführt machte sich HEROLD als Polizeipräsident in Nürnberg die Ergebnisse derartiger Darstellungsweisen zunutze, um die Organisation des Nürnberger Streifendienstes umzustrukturieren. Da seine Ergebnisse aus Nürnberg denen des Zonenmodells entsprachen, ordnete er die Rückkehr zum ausschließlichen Streifendienst in der City, die Beibehaltung des kombinierten Fahr- und Fußstreifendienstes in der Mittelzone und die Einführung von reinen Fahrstreifen in den Randzonen an. Inzwischen ist die Verteilung der Kriminalität in vielen Kommunen Grundlage für die Organisation der Polizei.
Neben dem örtlichen Kriminalitätsaufkommen spielt die Ermittlung der Tatverdächtigenmobilität eine Rolle für die Polizeiarbeit. Einschlägige Untersuchungen hatten zum Ergebnis, dass ein Großteil der Tatverdächtigen in einer Stadt aus einem Umkreis von bis zu 30km stammen, je nach Bedeutung dieser als regionales, wirtschaftliches Zentrum. Nach HEROLD darf sich demnach der Einsatz von Polizeikräften nicht nur auf die Stadt selbst beschränken. Die Dunkelfeldforschung schließlich gibt nach Ansicht Schwinds Aufschluss darüber, ob die Polizeireviere einer Kommune geographisch sinnvoll verteilt sind. Der sozialökologische Ansatz in der Kriminalgeographie bietet Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Raumstrukturen und Kriminalität. Bedeutsam kann dies für die Stadtplanung und -entwicklung sein. Zwar gibt es keine direkte Verbindung zwischen Baustruktur und kriminellem Verhalten, jedoch kann die Sozialstruktur durch Bebauung und Bausubstanz beeinflusst werden. Grund hierfür ist die räumliche Segregation, die ihre Ursache in den freien Wohnungsmärkten findet. Sozial schwächere Gruppen unterliegen z.B. größeren Restriktionen bei der Wahl ihres Wohnstandortes. Aufgrund geringerer ökonomischer Mittel spielen in erster Linie die Mieten eine Rolle bei der Wohnortentscheidung. Dabei handelt es sich letztendlich um Wohnungen mit schlechtem Altbaubestand und niedrigem Wohnkomfort. Untersuchungen zu Großwohnsiedlungen beispielsweise zeigen, dass sich insbesondere diesen Bereichen Mieter konzentrieren, die in vielfältiger Weise gesellschaftlich benachteiligt sind. Während diese Siedlungsform in den 60ern unter den mittelständischen Mietern sehr beliebt war, führte der filtering-down-Prozess (die im Zeitverlauf sinkende Qualität des Wohnungsbestandes eines Gebietes) und die Sanierung der Altbaubestände in zentrumsnahen Wohngebieten ab den 80er Jahren dazu, dass Mieter gehobenerer Einkommensklassen in andere Ortsteile zogen, während die unteren Einkommensschichten zurück blieben. Besser Gestellte ziehen demnach bei ihrer Wohnortwahl in erster Linie Kriterien heran, die dem Wunsch nach Lebensstilentfaltung entsprechen (Familien ziehen ins Grüne, die kinderlose junge Mittelschicht in sanierte Altbauten etc.). Wichtige Erkenntnis der Kriminalökologie im Zusammenhang mit diesen Prozessen ist es, dass überproportional viele Tatverdächtige in solchen Gebieten wohnen, in denen die Sozialstruktur ungünstig ist. Die Ermöglichung der besseren Durchmischung der sozialen Schichten und die Schaffung von defensible spaces (s.o.) ist dementsprechend zu einem Ziel der Stadtplanung avanciert.
Ein kriminalökologisch-kriminalitätsgeographischer Ansatz in der Praxis, der sowohl das Hellfeld als auch das Dunkelfeld berücksichtigt ist die kriminologische Regionalanalyse, die inzwischen in vielen deutschen Kommunen fortschreibend durchgeführt wird. Die KRA gilt als ein Instrument zur Messung und Analyse von Kriminalität im regionalen Bereich. Diese soll nicht nur eine reine Beschreibung der räumlichen Kriminalitätsverteilung liefern, sondern auch eine Analyse von Ursachen von Kriminalität auf der Stadtteil- und Quartiersebene. Ziel ist es delinquency areas zu ermitteln, um dann ressortübergreifende Maßnahmen kommunaler Kriminalprävention auf lokaler Basis zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht dabei die Ermittlung des objektiven Kriminalitätslagebildes mit der regionalen Verteilung unterschiedlicher Deliktarten, Täterwohnsitzen, Viktimisierungsquoten usw. und die Erfassung des subjektiven Sicherheitsgefühls, welche Teil der Dunkelfeldforschung ist. Diese deskriptiven Ergebnisse werden dann in Beziehung zur wirtschaftlichen und sozialen Struktur des Raumes gesetzt. Oft bleibt es jedoch bei einer reiner Beschreibung dieser Aspekte. Die KRA ist heute in zahlreichen Städten die Basis für die Erarbeitung und Weiterführung von kommunalen Kriminalpräventionskonzepten. Die örtliche Polizei nutzt die Ergebnisse vorwiegend als Handlungsgrundlage zur Optimierung der Einsatzkräfte und zum Aufbau von ressortübergreifenden Präventionszusammenschlüssen.
Die Kriminalgeographie bietet im Vergleich zu individualistischen Ansätzen der Kriminalpolitik eine wesentlich geeignetere Grundlage. Die raumbezogene Identifizierung kriminogener Faktoren ermöglicht eher umsetzbare Handlungsempfehlungen an die kriminalpolitisch handelnden Instanzen kommunaler Verwaltungseinheiten, da diese ihren Zuständigkeitsbereich an administrativen Grenzen festmachen.

Kriminologische Relevanz

Der Begriff Kriminalgeographie wurde nicht von Geographen, sondern von Vertretern der angewandten Kriminologie und Kriminalistik geprägt, die innerhalb ihrer Disziplin die Variable Raum als eine zweckdienliche Beschreibungs- und Analysekategorie für Kriminalität und Sicherheitsfragen entdeckten. Aus kriminologischer Sicht ist demnach die Kriminalgeographie ein Teilgebiet der Kriminologie. Über die Variable Raum werden Zusammenhänge zwischen den sozio-ökonomischen Makrostrukturen und der (Massen-) Kriminalität ermittelt. Die Kriminalgeographie ist demnach keine kriminologische Individualforschung, sondern vielmehr eine Disziplin, die versucht ist ein Massenphänomen erklärbar zu machen. Von kriminologischem Erkenntnisinteresse sind hierbei Ergebnisse und Ansätze zur Ursachenforschung auf makrostruktureller Ebene Maßnahmen zur Verbrechenskontrolle oder zur Prävention.

Kritik am Raumbegriff in der kriminalgeographischen Forschung

Besonders im Hinblick auf die Kriminalökologie ist eine kritische Betrachtung des dort verwendeten Raumverständnisses angebracht. Zunächst sei in dieser Hinsicht das Problem des ökologischen Fehlschlusses erwähnt. In einigen kriminalgeographischen Untersuchungen ist von der Ebene aggregierter Daten auf die Individualebene geschlossen worden. Um diesen Fehler umgehen zu können wird der Raum in anderen Untersuchungen als Medium oder Merkmalsträger eingeführt. Dieser wird dann mit sozialen Attributen belegt, d.h. wenn z.B. als Ergebnis festgehalten wird, dass Kriminalität ein größeres Problem in „sozial schwachen“ Gebieten mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Niveau darstellt, dann wird diese Schwäche zur Eigenschaft des Raumes. Der Raum wird zur unabhängigen Variable, der die abhängige Variable Kriminalität beeinflusst. Dieses Raumverständnis entspricht einer geodeterministischen Sichtweise. Er wird definiert als ein „Container“, der verschiedene Attribute beinhaltet, die sich schließlich auf das Verhalten der Individuen auswirken (Containerraummodell). Er selbst stellt dabei eine administrative Abgrenzung dar, die nicht anhand von „natürlichen“ Begebenheiten wie Siedlungstruktur etc. definiert wird. Die Folge eines so verstandenen und verwendeten Raumbegriffs in kriminalgeographischen Untersuchungen ist, dass präventive Maßnahmen über betroffene Gebiete im „Gieskannenprinzip“ verteilt werden, ohne nach lokalen und individuellen Ursachen zu fragen.
Entgegen dieses Verständnisses muss der Raum als eine abhängige Variable aufgefasst werden, der durch soziale Prozesse geformt wird und nicht umgekehrt. Kriminalität wirkt sich dann raumgestaltend aus. Aus der sozielgeographischen Perspektive müßte nach WERLEN (1995) demzufolge nach der sozialen Bedeutung des Räumlichen und nicht nach der räumlichen Struktur des Sozialen gefragt werden. Am Beispiel New York wird der Fehlschluss der erstgenannten Raumdefinition deutlicher: Im Rahmen der New Yorker Polizeistrategie werden soziale Begebenheiten, nämlich Verhaltensweisen repressiv verfolgt, die den Raum „gestalten“ (Graffitti, Müll, Verwahrlosungserscheinungen). Auf der anderen Seite werden diesen Aspekten, die nun zum Raum „gehören“, wiederum kriminslitätsfördernde Eigenschaften zugesprochen, was schließlich der Grund für ihre strikte Verfolgung ist. Letztendlich sind die beiden hier dargestellten Raumverständnisse jedoch nicht immer klar voneinander zu trennen. Durch die bereits o.a. segregativen Prozesse können Übereinstimmungen in Sozialstruktur und Raum zu finden sein, d.h. z.B. Wohnbebauung kann unter bestimmten von den sozialen Bedingungen abhängigen Faktoren Sozialstruktur beeinflussen und kann dadurch neben anderen intervenierenden Faktoren vermutlich auch indirekten Einfluss auf Kriminalität haben.

Weblinks

Spiegel Online (25. Februar 2006)

Eric Töpfer: "Karten, Daten, Lagebilder". In: Telepolis, 23.04.2008