Karl Binding

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Karl Lorenz Binding (1841-1920) studierte von 1860 bis 1863 in Göttingen Rechtswissenschaft und Geschichte. Nach Promotion (1863) und Habilitation (1864; in Heidelberg) war er Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Basel (1865), Freiburg im Breisgau (1870), Straßburg (1872) und Leipzig (1873-1913; Rektor: 1892/93 und 1908/09).

Nach Binding sind es nicht die Strafgesetze, die von Verbrechern verletzt werden (im Gegenteil: ihre Handlungen erfüllen ja gerade die Tatbestandsmerkmale), sondern die - dem öffentlichen Recht angehörenden, von Strafgesetzen fundamental verschiedenen - "Normen". Die Strafgesetze erlauben es aber immerhin, die Normen, die ihnen zugrundeliegen, zu erkennen (gedankliche Umwandlung in einen Befehl).

Da der Staat den Einzelnen durch die Rechtsordnung vor der Verletzung seiner Rechte schützt, kann der Staat vom Bürger auch die Respektierung der Rechtsordnung verlangen (Reziprozität; do ut des). Wer ein Verbrechen begeht, verletzt die entsprechende Norm und gefährdet die Autorität des Gesetzes. Um die Autorität des Gesetzes zu bewahren, bedarf es nach Binding der Strafe (= vom Staat erzwungene Einbuße des Täters an Rechten oder Rechtsgütern). Die Strafe und der Strafvollzug dienen nicht der Resozialisierung o.ä., sondern allein der "Unterwerfung des Verbrechers" unter die siegreiche Gewalt des Rechts. Wie und wozu die Strafe ansonsten vollzogen wird, interessiert Binding darüber hinaus allenfalls am Rande.

Das bringt Binding in Konflikt mit der modernen oder soziologischen Schule der Strafrechtswissenschaft um Franz v. Liszt ("Zweckstrafe").

1920 äußert sich Binding mit Alfred Hoche über „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens" und schrieb u.a.: „Jede unverbotene Tötung eines Dritten muß als Erlösung mindestens für ihn empfunden werden: sonst verbietet sich ihre Freigabe von selbst. Daraus ergibt sich aber eine Folgerung als unbedingt notwendig: die volle Achtung des Lebenswillens aller, auch der kränksten und gequältesten und nutzlosesten Menschen.“ Der Unwert eines Lebens kann sich nach Binding und Hoche dementsprechend nur daraus ergeben, dass es sowohl „für die Lebensträger wie für die Gesellschaft“ keinen Wert hat. Selbst die Mehrzahl der „Ballastexistenzen“, die gesellschaftlich ohne Nutzen seien, komme für die vorgeschlagene „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ nicht in Betracht, erklärte Hoche, der die späteren NS-Aktionen zutiefst missbilligte und sich 1943 das Leben nahm, abschließend.

Werke

  • Binding, Karl: Die Normen und ihre Übertretung, vier Bände (1872 bis 1920)
  • Binding, Karl: Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, bes. Teil, zwei Bände (1902 bis 1905)
  • Binding, Karl: Die Schuld im deutschen Strafrecht (1919)
  • Binding, Karl & Alfred Hoche (1920) Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form. Leipzig: Felix Meiner. Nachdruck 2006: Berlin (Berliner Wissenschafts-Verlag)