Kaffeeverbot: Unterschied zwischen den Versionen

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*Der von Friedrich schon 1766 zusammen mit weiteren 200 Steuerbeamten aus Paris geholte Steuerfachmann de la Haye hatte die Besteuerung von Luxusgütern angeregt und stand an der Spitze der Anti-Kaffee-Bürokratie
*Der von Friedrich schon 1766 zusammen mit weiteren 200 Steuerbeamten aus Paris geholte Steuerfachmann de la Haye hatte die Besteuerung von Luxusgütern angeregt und stand an der Spitze der Anti-Kaffee-Bürokratie
*Durch die Wohngebiete wurden Kriegsveteranen in ihren alten Uniformen geschickt. Auftrag: nach Kaffee zu schnüffeln, sich Zugang zu entsprechenden Wohnungen zu verschaffen und Kaffee samt Geschirr zu beschlagnahmen.
*Durch die Wohngebiete wurden Kriegsveteranen in ihren alten Uniformen geschickt. Auftrag: nach Kaffee zu schnüffeln, sich Zugang zu entsprechenden Wohnungen zu verschaffen und Kaffee samt Geschirr zu beschlagnahmen.
=== Radio-Kalenderblatt ===
Kaffeeschnüffler unter Friedrich dem Großen zu sein, das war im Preußen des 18. Jahrhunderts ein sehr gut bezahlter Job mit klar umrissenem Aufgabengebiet. Es galt, Leute, die illegal eingeführten Kaffee konsumierten, ausfindig zu machen und ihnen ihre Vorräte wegzunehmen. Beliebt machte man sich bei dieser Arbeit natürlich nicht, aber was soll´s: Gelang es, ein Kaffeekränzchen hochzunehmen, bekam man noch eine Prämie obendrauf.
Da lohnte es sich schon, in die Wohnzimmer und Küchen zu stürmen, der Dame des Hauses, ihren Freundinnen oder Mägden die Tassen aus der Hand zu nehmen, den Inhalt zu inspizieren und anschließend noch Küche und Kammer zu durchwühlen. Sogar das "Abtasten und Abriechen" von Frauen war ausdrücklich gestattet. Und wenn man Mut zum Risiko hatte, konnte man die konfiszierten Bohnen anschließend gleich auf dem Schwarzmarkt verhökern. Kein Wunder also, dass der Kaffeekonsum trotz aller Bemühungen nicht zurückging.
Kaffee statt Biersuppe
Friedrich der Große gönnte seinen Untertanen keinen Kaffee. Als Luxusgetränk für Reiche mochte das schwarze Gebräu aus dem Orient ja hingehen. Friedrich trank ihn ja selbst gern. Aber dass der Konsum jetzt immer mehr um sich griff, das hatte große Nachteile. "Ein jeder Bauer und gemeine Mensch gewöhnt sich jetzt zum Kaffee", schimpfte der König und empfahl seinem Volk, bei der gewohnten Biersuppe zu bleiben. Denn die Bierbrauer klagten bereits über drastische Umsatzeinbußen. Außerdem galt es damals als wirtschaftsschädigend, Geld im Ausland auszugeben, um Luxusgüter zu importieren. Und Kaffeetrinken drohte zur Volkskrankheit zu werden, denn die Röstverfahren damals ließen viel mehr Koffein in der Bohne als heute. Kaffee hatte echtes Suchtpotential.
Friedrich hatte also Grund zur Sorge und überlegte sich Gegenmaßnahmen. Er erhöhte die Einfuhrzölle für Kaffeebohnen und belegte sie mit einer Luxussteuer. Es nützte so gut wie nichts.
Versteckt unter Heu, Kohle und Holz, ja selbst in Särgen passierten wesentlich preisgünstigere ungeröstete Bohnen zum Beispiel aus Hamburg die Berliner Stadttore, und Marktfrauen trugen sie in extra dafür gefertigten Brustbinden zu ihren Kunden.
Schnüffeln statt rösten
Der Schmuggel blühte. Aber Friedrich gab nicht auf. Am 21. Januar 1781 erließ er noch eine Kaffee-Verordnung. Und zwar stellte er nun auch das Rösten unter Strafe: für alle, außer für die staatliche Kaffeerösterei. Die preußischen Hausfrauen, die den völlig überteuerten originalverpackten staatlichen Kaffee nicht kaufen wollten und lieber geschmuggelte Bohnen selbst rösteten, lebten jetzt gefährlich. Gerösteter Kaffee riecht gut; das erhöhte die Chancen der Kaffeeschnüffler, die nun immer besser verdienten und immer mehr gehasst wurden. Trotzdem wurden Kaffeeschnüffler und Kaffeemonopol erst unter Friedrichs Nachfolger abgeschafft, der einsehen musste, dass Verbote nur den Schmuggel förderten. Und dass die Schäden, die dadurch entstehen, so hoch sind, dass keine Luxussteuer der Welt sie ausgleichen kann.
*[https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/kalenderblatt/friedrich-der-grosse-erlaesst-kaffeeroestverbot-kaffee-100.html Brgitte Kohn, 21.1.2019]


==Weitere Beispiele==
==Weitere Beispiele==

Version vom 13. April 2019, 17:27 Uhr

Zu den Hindernissen, die beim weltweiten Siegeszug des aus Arabien stammenden Heißgetränks zu überwinden waren, gehörte zeitweilig auch in Frankreich und der Schweiz, vor allem aber in Deutschland das Kaffeeverbot.

Entstehung

Nachdem der Augsburger Arzt Leonhard Rauwolf 1582 in seinem Reisebericht aus dem Morgendland "ein gutes Getränk" beschrieben hatte, das "wie Tinte so schwarz" sei und das man "des Morgens früh" zu trinken pflege, "ohne alle Abscheu und vor jedermann", entwickelten sich die in allen großen europäischen Handelsstädten etablierten Kaffeehäuser seit dem späten 17. Jahrhundert zu Symbolen für Öffentlichkeit und Aktivitäten des Bürgertums. In Deutschland hingegen wurde Kaffee eher zu einem Symbol für häusliche Beschaulichkeit ("Kaffeeklatsch"). Zudem wurden ökonomische, rechtliche und ideologische Barrieren errichtet. Als teures Importgut (das friderizianische Preußen zahlte jährlich rund 700 000 Taler für den Kaffeeimport) war er außenwirtschaftlich unerwünscht. Das führte zur Einrichtung staatlicher Monopole für Röstung und Verkauf, zu hohen Steuern und zum Erlass regelrechter Verbote. Dem Kaffee wurden zudem gesundheitliche Risiken attestiert. Zichorien-Kaffee (Ersatzkaffee) und "mocca faux" (falscher Mokka = Muckefuck) spielten gegenüber dem "Bohnenkaffee" eine zunehmende Rolle.

Das preußische Kaffeeverbot vom 21.01.1781

Friedrich II. ("der Große") war der Ansicht, dass "nicht alle Maurer, Mägde und dergleichen von ihrer Hände Arbeit sich ernährende Personen Coffee trinken sollten" und "Seine Majestät sind Höchstselbst in der Jugend mit Biersuppe erzogen worden, das ist viel gesünder als der Coffee" (nach: Bürgin 1978: 37). Er verbat das Kaffeerösten im Kleinen. Reiche konnten sog. Brennscheine erwerben. In den öffentlichen "Brandhäusern" wurde Kaffee so teuer, dass das gemeine Volk sich das Getränk nicht mehr leisten konnte.

Wortlaut

Die ersten drei Artikel des Kaffeeverbots von 1781 lauteten:

  • Es ist allen und jeden, die nicht die Erlaubnis haben, Caffé zu brennen, verbothen, weder in ihren Häusern, und irgend anderwo ungebrannten Caffé zu führen, auch keinen andern gebrannten, als denjenigen von der General-Niederlage in versiegelten und gestempelten Paqueten, bey Strafe Zehn Pfund Reichs-Taler für jedes Pfund, zu haben.
  • Bey Vermeidung gleicher Strafe, ist allen und jeden, welche nicht die Erlaubnis haben, Caffé zu brennen, verbothen, weder in ihren Häusern noch irgend anderwo dergleichen zu brennen.
  • Diejenigen, welche Caffé in Bohnen in ihren Häusern haben, sollen innerhalb 8 Tagen dem Accis-Amte der nächsten Stadt, getreulich anzeigen und davon nichts ohne dessen Vorbewußt zu gebrauchen etc."

Durchsetzung

  • Der von Friedrich schon 1766 zusammen mit weiteren 200 Steuerbeamten aus Paris geholte Steuerfachmann de la Haye hatte die Besteuerung von Luxusgütern angeregt und stand an der Spitze der Anti-Kaffee-Bürokratie
  • Durch die Wohngebiete wurden Kriegsveteranen in ihren alten Uniformen geschickt. Auftrag: nach Kaffee zu schnüffeln, sich Zugang zu entsprechenden Wohnungen zu verschaffen und Kaffee samt Geschirr zu beschlagnahmen.

Radio-Kalenderblatt

Kaffeeschnüffler unter Friedrich dem Großen zu sein, das war im Preußen des 18. Jahrhunderts ein sehr gut bezahlter Job mit klar umrissenem Aufgabengebiet. Es galt, Leute, die illegal eingeführten Kaffee konsumierten, ausfindig zu machen und ihnen ihre Vorräte wegzunehmen. Beliebt machte man sich bei dieser Arbeit natürlich nicht, aber was soll´s: Gelang es, ein Kaffeekränzchen hochzunehmen, bekam man noch eine Prämie obendrauf.

Da lohnte es sich schon, in die Wohnzimmer und Küchen zu stürmen, der Dame des Hauses, ihren Freundinnen oder Mägden die Tassen aus der Hand zu nehmen, den Inhalt zu inspizieren und anschließend noch Küche und Kammer zu durchwühlen. Sogar das "Abtasten und Abriechen" von Frauen war ausdrücklich gestattet. Und wenn man Mut zum Risiko hatte, konnte man die konfiszierten Bohnen anschließend gleich auf dem Schwarzmarkt verhökern. Kein Wunder also, dass der Kaffeekonsum trotz aller Bemühungen nicht zurückging.

Kaffee statt Biersuppe Friedrich der Große gönnte seinen Untertanen keinen Kaffee. Als Luxusgetränk für Reiche mochte das schwarze Gebräu aus dem Orient ja hingehen. Friedrich trank ihn ja selbst gern. Aber dass der Konsum jetzt immer mehr um sich griff, das hatte große Nachteile. "Ein jeder Bauer und gemeine Mensch gewöhnt sich jetzt zum Kaffee", schimpfte der König und empfahl seinem Volk, bei der gewohnten Biersuppe zu bleiben. Denn die Bierbrauer klagten bereits über drastische Umsatzeinbußen. Außerdem galt es damals als wirtschaftsschädigend, Geld im Ausland auszugeben, um Luxusgüter zu importieren. Und Kaffeetrinken drohte zur Volkskrankheit zu werden, denn die Röstverfahren damals ließen viel mehr Koffein in der Bohne als heute. Kaffee hatte echtes Suchtpotential.

Friedrich hatte also Grund zur Sorge und überlegte sich Gegenmaßnahmen. Er erhöhte die Einfuhrzölle für Kaffeebohnen und belegte sie mit einer Luxussteuer. Es nützte so gut wie nichts.

Versteckt unter Heu, Kohle und Holz, ja selbst in Särgen passierten wesentlich preisgünstigere ungeröstete Bohnen zum Beispiel aus Hamburg die Berliner Stadttore, und Marktfrauen trugen sie in extra dafür gefertigten Brustbinden zu ihren Kunden.

Schnüffeln statt rösten Der Schmuggel blühte. Aber Friedrich gab nicht auf. Am 21. Januar 1781 erließ er noch eine Kaffee-Verordnung. Und zwar stellte er nun auch das Rösten unter Strafe: für alle, außer für die staatliche Kaffeerösterei. Die preußischen Hausfrauen, die den völlig überteuerten originalverpackten staatlichen Kaffee nicht kaufen wollten und lieber geschmuggelte Bohnen selbst rösteten, lebten jetzt gefährlich. Gerösteter Kaffee riecht gut; das erhöhte die Chancen der Kaffeeschnüffler, die nun immer besser verdienten und immer mehr gehasst wurden. Trotzdem wurden Kaffeeschnüffler und Kaffeemonopol erst unter Friedrichs Nachfolger abgeschafft, der einsehen musste, dass Verbote nur den Schmuggel förderten. Und dass die Schäden, die dadurch entstehen, so hoch sind, dass keine Luxussteuer der Welt sie ausgleichen kann.

Weitere Beispiele

  • 1675: Aus Angst vor revolutionären Umtrieben in Kaffeehäusern ordnet der englische König Karl II. die Schließung der Kaffeehäuser an. Nach Protesten nimmt er die Anordnung wenige Tage später zurück.
  • 1765-1784: Kaffeeverbote in Lippe, Dresden, Bonn
  • 1769: Basel (Schweiz): Da "der Missbrauch des Kaffeetrinkens under Unserem Landvolke dermaßen eingerissen, dass sich davon schon bey vielen die schädlichen Wirkungen erzeiget; so hat Unsere landesväterliche Sorge für das Wohl Unserer Underthanen Uns nicht erlaubet, diesen in alle Weeg so schädlichen Missbrauch auf der Landschaft stärker einreißen zu lassen, sonders Uns bewogen, demselben Einhalt zu thun. Wir verbieten demnach allen und jeden Unserer Unterthanen und Landleuten (außer denen Wirten für die Reisenden), den Gebrauch und das Trinken des Kaffee, es sey mit Milch, oder pur, bey einer Strafe von fünf Pfunden für das erste mal des Darwiderhandelns, und bey doppelter Strafe für das zweyte Mal" (Bürgin 1978: 34).
  • 1776 Fritzlar (Hessen) verbietet das Kaffeetrinken unter hoher Strafdrohung. Geistliche können für 8 Gulden Dispens erhalten.
  • Bistum Hildesheim: "Eure Väter, deutsche Männer, tranken Branntwein und wurden bei Bier wie Friedrich der Große aufgezogen, waren fröhlich und guten Mutes. Dies wollen wir auch. Ihr sollt den reichen Halbbrüdern unserer Nation Holz und Wein, aber kein Geld mehr für Kaffee schicken. Alle Töpfe, vornehmlich Tassen und gemeine Schälchen, Mühlen, Brennmaschinen, kurz alles, zu welchem das Beiwort Kaffee zugesetzt werden kann, soll zerstört und zertrümmert werden, damit dessen Andenken unseren Mitgenossen gerichtet sei" (Schievelbusch 1980: 87).
  • 1784 Herzogtum Westfalen: vier Jahre Zuchthaus auf die unerlaubte Einfuhr von 50 Pfund Kaffee
  • 1785 Paderborn: mit einem von fast der gesamten Bürgerschaft besuchten öffentlichen Kaffeetrinken ("Kaffeerevolution") wird das Kaffeeverbot de facto abgeschafft.
  • 1806: Die Kontinentalsperre schneidet das europäische Festland von den Kolonien und damit auch vom Kaffee ab. Napoleon verbietet den Franzosen den Kaffee und empfiehlt Zichorie als Substitutionsmittel.

Kaffeeverbot, Konflikt, Konsum und Lebenserwartung in Schweden

Eine Anekdote

1756 wurde in Schweden ein Kaffee- und Teeverbot erlassen, das unter Gustav III. wieder aufgehoben wurde, obwohl der König selbst von der Lebensgefährlichkeit des Kaffees überzeugt war. Um den Beweis der Giftigkeit zu erbringen, begnadigte er zwei Verbrecher unter der Bedingung, dass der eine von ihnen täglich eine große Menge Kaffee, der andere eine ebensolche Menge Tee unter der Aufsicht von je einem Professor zu trinken habe. Erwartungswidrig starb der Kaffeetrinker nicht als erster, sondern als letzter, nämlich nach den Professoren, dem durch ein Attentat umgekommenen König selbst (1792) und dem viele Jahre später mit 83 Jahren gestorbenen Teetrinker.

Konsum und Lebenserwartung

Mehr als 200 Jahre nach dem Kaffeeexperiment liegt Schweden mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 8,2 kg weltweit auf dem 6. Rang der stärksten Kaffee-Trinker-Nationen (hinter Finnland, Norwegen, Island, Dänemark und den Niederlanden). Die dortige Bevölkerung erfreut sich immerhin der siebthöchsten Lebenserwartung (nach Japan, Hongkong, Island, Schweiz, Australien und Spanien; vgl. Gerhart Söhn in: Bürgin 1978: 36f.; Breimer 1996; List of countries: [[1]] und List of countries: [[2]].

Kaffee-Lieder

, BWV 211; 1734/35)]

Literatur

Weblinks


Siehe auch

Tabakverbot