Jugendkriminalität

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Begriff

Häufigkeit und Erscheinungsformen

Ursachen

Praktiker der Jugendhilfe sehen die Ursachen der Jugendkriminalität regelmäßig in Defiziten des sozialen Nah- und Fernraums, also etwa im Bereich der (gewalttätigen, überforderten) Familien, der mangelnden Erfolge bzw. Angebote im Schul- und Ausbildungsbereich und einer allgemeinen Perspektivlosigkeit.

Reaktionen

Die Reaktionen auf Jugendkriminalität schwanken in den meisten Ländern zwischen Phasen der verstärkten Hilfe und der verstärkten Härte hin und her. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts schlägt das Pendel nach Jahrzehnten der Härte in vielen Staaten wieder in Richtung der Hilfe aus. In Deutschland wird hingegen gibt es einen Zug zur Härte. Dies lässt sich z.B. an den unterschiedlichen Popularitätskurven von Themen wie "Boot Camps", "Erziehungslagern" usw. feststellen: während diese Einrichtungen und die ihnen zugrundeliegende Philosophie in vielen Staaten, die bereits mit solchen Institutionen experimentiert hatten, rückläufig sind und man sich vielerorts von den damit verbundenen Hoffnungen verabschiedet, werden sie in Deutschland als denkbare Lösung der hiesigen Probleme mit schwierigen Jugendlichen angesehen.


Inland

Prävention betreibt die Bundesregierung auf verschiedenen Wegen. Nicht alle der Prävention günstigen Programme treten auch unter diesem Titel auf. So etwa die im Januar 2008 von der Regierung beschlossene Qualifizierungsinitiative. Deren teuerstes Programm heißt "Aufstieg durch Bildung" und soll per Zuschußgewährung an Unternehmen bis Ende 2010 rund 100 000 zusätzliche Lehrstellen für "ältere und schlecht qualifizierte Jugendliche" schaffen. Das rund eine halbe Milliarde Euro schwere Programm soll die Zahl der minderqualifizierten und sozial benachteiligten Jugendlichen abbauen, die trotz mehrmaliger Anläufe nur schwer eine Lehrstelle finden. Rund einer Drittel der Jugendlichen, die nach der Schule mindestens ein Jahr lang keinen Ausbildungsplatz finden, stammt aus Migrantenfamilien: "In der Altersgruppe bis 29 Jahre gibt es inzwischen 1,3 Millionen Menschen ohne berufliche Qualifizierung, das ist ein Anteil von 15 Prozent dieser jungen Frauen und Männer" (FAZ: "Ein Bonus für die schwierigen Fälle", 10.01.08: 13).

Tertiärprävention (Rückfallverhütung) ist das Ziel von verschiedenen Vereinen wie z.B. des Vereins für Bildungsmaßnahmen im Arbeits- und Freizeitbereich (BAF) in Hannover, wo seit 1981 mehrfach straffällig gewordene Jugendliche betreut werden, oder des Vereins "Projekt Chance", eines baden-württembergischen Netzwerks zur Nachsorge für Strafentlassene bis zu 26 Jahren. Gemeinsame Erfahrung der PraktikerInnen in diesen Vereinen ist, dass sie Klienten meist aus problematischen Familien kämen (Gewalt), ohne Schul- und Ausbildungsabschluss seien und ansonsten weder mit ihrer Nach-Haft-Situation zurechtkämen (Armut; Hartz IV genügt nicht

Ausland

Großbritannien: Seit den 1990er Jahren schwankte die Diskussion zwischen "Colchester" und "Thorn Cross". Colchester war ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager und Militärgefängnis, das bei den Konservativen hoch im Kurs stand, weil man Jugendliche (18-21) dort mit paramilitärischem Drill, Sport und Degradierungen ("Anbrüllen") wieder auf Kurs bringen wollte. Im Jahre 2002 kam eine Studie des Innenministeriums zu dem Schluss, dass das Programm milderen Programmen nicht überlegen sei. Insbesondere seien die harten Elemente des Trainings nicht kausal für irgendwelche positiven Effekte. Sie hätten nicht einmal dazu geführt, dass die Insassen nach ihrer Entlassung ihre Aggressionen besser im Griff hätten. Demgegenüber wurde das von der Strafvollzugsbehörde betriebene Programm des nordwestenglischen Thorn Cross der Regierung Blair als Modell für den Umgang mit jugendlichen Straftätern nahegelegt. Auch Thorn Cross war allerdings hart - wenngleich nicht militärisch und nicht erniedrigend - und galt als englische Variante der Boot Camps. Eine deutliche Verbesserung der Erfolge hat sich aus daraus nicht ergeben. Allein in de nersten 14 Tagen des Jahres 2008 wurden in England drei Teenager erstochen. 2007 fielen in London 27 Jugendliche der Gewalt zum Opfer. 17 starben durch Messerstiche, acht wurden erschossen, einer zu Tode geprügelt. Messerstechereien hängen mit dem Bandenwesen in innerstädtischen Sozialsiedlungen zusammen ("knife culture"). Die Regierung Blair hatte allerhand Innovationen eingeführt. Ihr Motto "Hart gegen die Kriminalität, hart gegen die Ursachen der Kriminalität" führte u.a. zu den "antisocial behaviour orders", den sog. Asbos. Es scheint, als habe weder der eine noch das andere eine meßbare Wirkung entfaltet. Interessanterweise spielt die konservative Opposition (David Cameron) jetzt die Karte der Hilfe ("liebevolle Kritik"). Camerons Plädoyer für das Verstehen der sozialen Ursachen und für das Vermitteln von Hoffnung für die in miserablen Verhältnissen aufwachsenden Jungtäter wurden als "Hug a Hoodie" (umarme einen Kapuzenträger) verspottet. Gina Thomas berichtet jedenfalls aus England im Januar 2008: "Weder die verständnisvolle noch die hart durchgreifende Methode haben sich bisher bewährt." Dieselbe Autorin berichtet von einer Studie "einer englischen Denkfabrik", nach der im vergangenen Jahr 44 % der britischen Jugendlichen (Deutschland: 28%) an Prügeleien beteiligt gewesen seien.


Literatur

Thomas, Gina (2008) Kultur der langen Messer. FAZ 10.01.08: 33

Links

Weitere Informationen zum Stichwort Jugendkriminalität finden Sie im Kriminologie-Lexikon ONLINE unter Jugendkriminalität.