Intensivtäter: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 28: Zeile 28:
In der PKS 2014 waren von den 1.597.235 männlichen Tatverdächtigen 28,4 Prozent mehrfach im Berichtszeitraum in Erscheinung getreten. Mit 31,8 Prozent ist der Anteil der Mehrfachtatverdächtigen bei den Heranwachsenden (18 bis unter 21Jahren) etwas höher als bei den Jugendlichen (14 bis unter 18 Jahren) mit 30,0 Prozent. Die meisten Mehrfachtatverdächtigen sind mit zwei bis fünf Straftaten auffällig.(PKS Bundeskriminalamt, 2014, S.49ff)
In der PKS 2014 waren von den 1.597.235 männlichen Tatverdächtigen 28,4 Prozent mehrfach im Berichtszeitraum in Erscheinung getreten. Mit 31,8 Prozent ist der Anteil der Mehrfachtatverdächtigen bei den Heranwachsenden (18 bis unter 21Jahren) etwas höher als bei den Jugendlichen (14 bis unter 18 Jahren) mit 30,0 Prozent. Die meisten Mehrfachtatverdächtigen sind mit zwei bis fünf Straftaten auffällig.(PKS Bundeskriminalamt, 2014, S.49ff)
===Kohortenuntersuchungen===
===Kohortenuntersuchungen===
 
Unter Kohorte versteht man eine Gruppe von Personen, die in etwa zum gleichen Zeitpunkt ein bestimmtes Lebensereignis erfahren hat, etwa Geburt (Alterskohorten), Heirat (Heiratskohorten)etc. Eine Kohortenstudie ist eine spezielle Form der Paneluntersuchung, bei der alle Personen einer Stichprobe derselben Kohorte angehören.
Die wohl bekannteste Kohortenuntersuchung ist die [[Piladelphia Birth Cohort Study]] (vgl. Wolfgang, M. u.a. "Delinquency in a birth cohort", Chicago 1972) Hier wurden anhand von Polizei- und Schulakten knapp 10.000 Jungen aus dem Geburtsjahr 1945 untersucht, die vom zehnten bis zum 18. Lebensjahr in der Stadt Piladelphia ihren Wohnsitz hatten.  
Die wohl bekannteste Kohortenuntersuchung ist die [[Piladelphia Birth Cohort Study]] (vgl. Wolfgang, M. u.a. "Delinquency in a birth cohort", Chicago 1972) Hier wurden anhand von Polizei- und Schulakten knapp 10.000 Jungen aus dem Geburtsjahr 1945 untersucht, die vom zehnten bis zum 18. Lebensjahr in der Stadt Piladelphia ihren Wohnsitz hatten.  
In einer Langzeitstudie von Stattin/Magnusson, die prospektiv angelegt war, wurde ein Schuljahrgang untersucht, die Jungen kamen 1965 zu Beginn der Studie in die dritte Klasse, waren durchschnittlich zehn Jahre alt und wurden bis zum Alter von 30 Jahren beobachtet.  
In einer weiteren Langzeitstudie von Stattin/Magnusson, die prospektiv angelegt war, wurde ein Schuljahrgang untersucht, die Jungen kamen 1965 zu Beginn der Studie in die dritte Klasse, waren durchschnittlich zehn Jahre alt und wurden bis zum Alter von 30 Jahren beobachtet.  
===Forschungsergebnisse===
===Forschungsergebnisse===
(Hessisches Landeskriminalamt, 2008, S.45-69)
(Hessisches Landeskriminalamt, 2008, S.45-69)

Version vom 8. März 2016, 17:58 Uhr

Wird als Prüfungsleistung bearbeitet

Als Intensivtäter werden jugendliche und erwachsene Mehrfach- oder Wiederholungstäter bezeichnet, die in einem begrenzten Zeitabschnitt mehrfach kriminell in Erscheinung treten. Da diese Gruppe von Delinquenten ein überproportional hoher Anteil an allen begangenen Straftaten fällt, sind sie für die Kriminalpolitik ein wichtiges Aufgabenfeld.(Kaiser/Kerner/Sack/Schellhoss, 1993, S.181). Innerhalb der Gesamtgruppe der Straftäter stellen die Intensivtäter zwar nur einen kleinen Anteil, der jedoch einen überproportional hohen Anteil an begangenen Straftaten aufweist, etwa fünf bis zehn Prozent der jugendlichen Straftäter begehen ca. 50 Prozent der in dieser Altersklasse registrierten Straftaten.(vgl. Boeger, 2011, S.8). Meist sind die Intensivtäter polytrop, also in verschiedenen Delinquenzbereichen auffällig, wobei Gewalt gegen Menschen dominiert. Die meisten Intensivtäter werden im jugendlichen und heranwachsenden Alter aktiv und sind überwiegend männlich, weibliche Intensivtäter treten verschwindend gering in Erscheinung.

Definition

In der Polizeilichen Kliminalstatistik (PKS) werden als Mehrfachtäter Tatverdächtigte mit zwei, drei oder vier Fällen pro Statistikjahr angegeben. Als Intensivtäter werden in der PKS Tatverdächtigte mit mehr als vier Fällen pro Statistikjahr angesehen. Kaiser definiert Intensivtäter als "Mehrfachdelinquenten, die aufgrund von Art, Schwere und Häufigkeit des Rechtsbruchs eine besonders hohe Sozialgefährlichkeit gegenüber nur gelegentlich deliktisch handelnden Rückfalltätern erkennen lassen."(Kaiser, 1993, S.178; Kaiser/Kerner/Sack/Schellhoss, 1993, S.178) Von diesen unterscheiden sie sich durch eine besonders hohe Sozialgefährlichkeit aufgrund von Art, Schwere und Häufigkeit der verübten Straftaten. Die Auftrittswahrscheinlichkeit ereignet sich bei der Mehrzahl der Intensivtäter nur während eines begrenzten Zeitraums. (vgl. Boegner, 2011, S.143)

Jugendliche Intensivtäter

MIT

Eine Projektgruppe der Länder und des Bundes hat 2003 eine Begriffsbestimmung für sogenannte Mehrfach- und Intensivtäter (MIT) erarbeitet. Danach sind MITs Personen,

  • "die eine besondere kriminelle Energie oder eine erhöhte Gewaltbereitschaft gezeigt haben,
  • die in der Regel wiederholt, insbesondere in der Massen- und/oder Straßenkriminalität, in Erscheinung getreten sind und
  • bei denen eine Negativprognose insbesondere aufgrund der Wirkungslosigkeit bisheriger Erziehungs-, Straf- und Resozialisierungsmaßnahmen oder aus anderen Gründen gegeben ist" (Bericht der gemeinsamen Projektgruppe des Unterausschusses Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung der AG Kripo und Justiz, S.6)

Entstehung und Entwicklung des Begriffs aus historischer Sicht

Entwicklung

Bei Cesare Lombroso findet sich zum ersten Mal in der Literatur der geborene Verbrecher, also ein Menschen, der schon böse und kriminell geboren wird und an körperlichen Merkmalen wie Kopfform, Kieferstellung, Augenbrauen etc. erkannt werden kann. Dieser Gedanke wurde in mehreren nachfolgenden Theorien und Strömungen aufgegriffen, weiter ausdifferenziert, aber auch widerlegt und kritisiert. Nach Begründung der Chicagoer Schule in den 1930er Jahren wurde die Untersuchung der Lebensläufe von Straftätern forciert, um Strukturen und Änderungen im zeitlichen Ablauf einer delinquenten Karriere zu verfolgen, dies war der Anfang der Karriereforschung. Das Ehepaar Glueck untersuchte unter anderem Faktoren, denen die größtmögliche prognostische Bedeutung zukommen, und identifizierte insbesondere drei davon: a) Beaufsichtigung der Kinder durch die Mutter b)Strenge der Erziehung und c)Ausprägung des Zusammenhalts der Familie.(vgl. Hessisches Landeskriminalamt, 2008, S.47ff). Chronic offendersoder auch persisters oder career criminals genannt (vgl. Kammigan, Masterarbeit, 2009, S.6ff))wurden zum ersten Mal in der Philadelphia Cohort Study diejenigen Täter benannt, auf die pro Kopf fünf oder mehr polizeiliche Registrierungen erfolgten und die für mehr als die Hälfte aller begangenen Delikte verantwortlich waren. Ende des 19. Jahrhunderts erfolgt die Unterteilung in Gelegenheits- und Gewohnheitsverbrecher. Moffits unterscheidet 1993 in adolescence-limited-offenders, deren delinquentes Verhalten sich auf die Jugendzeit beschränkt, und life-course-persistent-offenders, deren antisoziales Verhalten im Kindesalter beginnt und sich bis hin zum Erwachsenenalter fortsetzt.

Theoretische Erklärungsansätze

Wechselwirkungstheorie von Thornberry

Thornberry beschreibt in seiner Theorie die Wechselwirkung von Kriminalität als Ergebnis schwacher Bindung an die Gesellschaft mit eingergehender mangelnder Selbstkontrolle (vgl. Theory of crime,Gottfredon & Hirschi) mit den Bedingungen, die es möglich machen, kriminelles Verhalten in der Interaktion mit anderen zu lernen (vgl. Lerntheorie nach Akers). Besonders wichtige Bindungsfaktoren sind Eltern, Schule und konventionelle Werte. Der Kontakt zu delinquenten Gleichaltrigen, die Übernahme delinquenter Werte und die Durchführung von kriminellen Handlungen sind Faktoren, die soziale Lernprozesse ermöglichen und kriminelles Verhalten verstärken.

Lebenslauftheorie oder age graded theory of informal control von Sampson & Laub

Störungen und Auffälligkeiten führen nicht unmittelbar zu Delinquenz, sondern indirekt über ihre Auswirkungen auf die Einbindung in die informelle Sozialkontrolle. Störungen und Auffälligkeiten aus vorangehenden Lebensphasen haben Auswirkungen auf Bindungskonstellationen in späteren Lebensphasen. Eine kumulative Anhäufung von Problemen im Jugendalter erschwert auch das Bindungsverhalten im Erwachsenenalter. Informelle Bindungen werden besonders betont, turning points wie Ehe, Arbeit oder Elternschaft können Wendepunkte für den Ausstieg aus der Delinquenz-Karriere bedeuten.

Gottfredson & Hirschi

Nach der general theory of crime erklärt sich persistente Delinquenz, also andauernde Delinquenz, vor allem dadurch, dass die Täter über ein geringes Maß an Selbstkontrolle verfügen. Sie geht davon aus, dass geringe Selbstkontrolle eine stabile Persönlichkeitseigenschaft ist, die über alle Lebensphasen zu einem devianten, aber nicht immer delinquenten Lebensstil führt. Sie erklärt die Entstehung der geringen Selbstkontrolle durch Störungen in der Primärsozialisation.

Empirie

Die Erforschung der Gruppe der Intensivtäter dient nicht nur der Verminderung weiterer Straftaten oder der Prävention im Allgemeinen, sondern soll auch dazu führen, dass Strafrechtsnormen effektiver gestaltet werden, um das zukünftige Legalverhalten der Intensivtäter zu berücksichtigen. Auch dient die Forschung der Erkenntnis über Belastungs-, Rückfall- und Risikofaktoren um ggf. im Vorfeld kritische delinquente Entwicklungsmuster zu erkennen und zu intervenieren.

PKS

Polizeiliche Angaben zu Intensivtätern beziehen sich in der Regel auf die Hellfelddaten der Polizeilichen Kriminalstatistik. Berücksichtigt wird immer die Zahl der Delikte und häufig auch die Art und Schwere der Delikte. (Dr. Wiebke Steffen, 2003, S.7-24) In der PKS 2014 waren von den 1.597.235 männlichen Tatverdächtigen 28,4 Prozent mehrfach im Berichtszeitraum in Erscheinung getreten. Mit 31,8 Prozent ist der Anteil der Mehrfachtatverdächtigen bei den Heranwachsenden (18 bis unter 21Jahren) etwas höher als bei den Jugendlichen (14 bis unter 18 Jahren) mit 30,0 Prozent. Die meisten Mehrfachtatverdächtigen sind mit zwei bis fünf Straftaten auffällig.(PKS Bundeskriminalamt, 2014, S.49ff)

Kohortenuntersuchungen

Unter Kohorte versteht man eine Gruppe von Personen, die in etwa zum gleichen Zeitpunkt ein bestimmtes Lebensereignis erfahren hat, etwa Geburt (Alterskohorten), Heirat (Heiratskohorten)etc. Eine Kohortenstudie ist eine spezielle Form der Paneluntersuchung, bei der alle Personen einer Stichprobe derselben Kohorte angehören. Die wohl bekannteste Kohortenuntersuchung ist die Piladelphia Birth Cohort Study (vgl. Wolfgang, M. u.a. "Delinquency in a birth cohort", Chicago 1972) Hier wurden anhand von Polizei- und Schulakten knapp 10.000 Jungen aus dem Geburtsjahr 1945 untersucht, die vom zehnten bis zum 18. Lebensjahr in der Stadt Piladelphia ihren Wohnsitz hatten. In einer weiteren Langzeitstudie von Stattin/Magnusson, die prospektiv angelegt war, wurde ein Schuljahrgang untersucht, die Jungen kamen 1965 zu Beginn der Studie in die dritte Klasse, waren durchschnittlich zehn Jahre alt und wurden bis zum Alter von 30 Jahren beobachtet.

Forschungsergebnisse

(Hessisches Landeskriminalamt, 2008, S.45-69)

Einstiegsalter

Das Alter, in dem kriminelle Karrieren beginnen, wird in vielen Untersuchungen als ein wichtiges Prognosekriterium für die Intensität einer Karriere angegeben. Je früher der Einstieg erfolgt, desto wahrscheinlicher ist auch eine spätere schwere Delinquenz.

Anzahl der Registrierungen

Die Anzahl der Registrierungen im Kindes- und Jugendalter zeigt einen Zusammenhang von Jugend- und Erwachsenenkriminalität. (Pongratz&Jürgensen, 1990, S.161)

Dauer der kriminellen Karrieren

Hinsichtlich der Dauer von kriminellen Karrieren gibt es unterschiedliche Aussagen, sie schwanken nach Piquero et al. (2004) zwischen 17 Jahren und zwei bis drei Jahren nach Kerner (1989, S.204).

Zusammenhang zwischen Deliktanzahl und Deliktschwere

Auch hier gibt es keine einheitlichen Ergebnisse

Belastungsfaktoren

Metaanalyse Hawkins

In einer Metaanalyse von 66 Langzeitstudien zur Gewalt und Schwere Kriminalität bei Jugendlichen haben Hawkins et al. (2000) Belastungsfaktoren gesammelt und ein Ranking erstellt.

  • individuelle Faktoren: Probleme während der Schwangerschaft oder bei der Geburt, Hyperaktivität, Aggressivität, antisoziales Verhalten etc.
  • Familie: kriminelle Eltern, Kindesmisshandlung, Armut, geringe Fürsorge duch die Eltern, Trennung von Eltern und Kind etc.
  • Schule: Schulversagen, Schulrauswurf, häufiger Schulwechsel etc.
  • Freundeskreis: delinquente Freunde, Mitgliedschaft in einer Gang etc.
  • Nachbarschaft: Armut, Ghettoisierung, Verfügbarkeit von Drogen und Waffen, Kriminelle etc.
Kriterien für MIT

Es ist davon auszugehen, dass es keine spezifischen Kriterien gibt, die ausschließlich für MIT zutreffen. Es handelt sich bei Intensivtätern um Personen, die diagnostisch und prognostisch betrachtet einfach viele ungünstige oder auch für das Hineingeraten in verfestigte kriminelle Verläufe förderliche Kriterien aufweisen bzw. auf sich vereinigen.(vgl. Hessisches Landeskriminalamt, 2008, S.172-174)

  • Mängel und Defizite im Leistungsbereich
  • Mängel und Defizite im Freizeitbereich, namentlich unstrukturiertes Freizeitverhalten
  • Mängel und Defizite im Kontaktbereich, namentlich eine starke Orientierung an eine delinquenten Freundeskreis oder enge Bidnungen an ein typisches "Altstadt-Milieu"
  • problematische Werthaltungen und Relevanzbezüge
  • biografische Belastungen, wie die Herkunft aus besonders problematischen sozialen und ökonomischen Verhältnissen

Zusammenhänge mit anderen Begriffen

Rückfalltäter

Hangtäter

§66 StGB, Sicherungsverwahrung: "...so ordnet das Gericht...die Sicherungsverwahrung an, wenn...die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten...für die Allgemeinheit gefährlich ist."

Serientäter

schädliche Neigungen

"Unter schädlichen Neigungen sind gemäß der Definition der ständigen Rechtsprechung erhebliche, seien es anlagebedingte, seien es durch unzulängliche Erziehung oder Umwelteinflüsse bedingte Mängel zu verstehen, die ohne längere Gesamterziehung die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten in sich bergen, die nicht lediglich gemeinlästig sind oder den Charakter von Bagatelldelikten haben" (BGH, Beschluss vom 17. November 1987, Az. 1 StR 382/87

Incapacitation

So wird das gezielte Inhaftieren zur "Unschädlichmachung" der Intensivtäter genannt.

Gesetzliche Bestimmungen

Kriminologische Relevanz

Intensivtäter treten immer wieder pressewirksam durch sehr gewalttätige Straftaten in Erscheinung. Auch die Erkenntnis, dass ein kleiner Anteil an Kriminellen für einen großen Anteil an Straftaten verantwortlich ist und dass die Resozialisierung dieser Gruppe von Intensivtätern die verschiedenen beteiligten Professionen vor eine große Herausforderung stellt, macht das Thema kriminologisch relevant.

Grenzen und Risiken

Es gibt bisher keine verbindliche bzw. allgemein anerkannte Definition für Intensivtäter. Auch gibt es keine einheitlichen Kriterien zur Eingrenzung des Begriffs "Intensivtäter". Diese unterscheiden sind in den Bundesländern innerhalb Deutschlands bereits, aber auch im weltweiten Ländervergleich. In fast allen Budesländern ist die Anzahl der begagngenen Straftaten entscheidend und meist werden bei der Beurteilung weitere Faktoren wie Art und Weise der Begehung, Art des Delikts oder eine Negativprognose des Sachbearbeiters hinzugezogen. Meist sind die Probleme, die zu einer delinquenten Entwicklung bis hin zum Intensivtäter führen multikausal und mmüssen multistrategisch angegangen werden. Es herrscht Konsens darüber, dass bei der Entstehung von delinquentem Verhalten einer ungünstig verlaufenden familiären Sozialisation in der Kindheit ein wichtiger Platz eingeräumt werden muss. Fehlende oder negative Bindungen an wichtige Bezugsbpersonen, Verluste von Bezugspersonen, ungünstiger Erziehungsstil, Erleben von familiärer Gewalt etc, ingesamt eine "Broken home"-Situation führen zu individuellen Problemen und können den Weg in eine delinquente Karriere ebnen. Je früher Deliniquenz im Kindesalter auftritt, umso wahrscheinlicher ist eine negative Entwicklungsprognose. Frühe Intervention ist hier gefragt, was bedeutet, dass Mitarbeitende aus Bereichen der Grsundheitsversorgung und der Betreuung (Kindergarten, Schule, Jugendhilfe) gut geschult sein müssen, um gg. frühe Warnsignale zu entdecken. Auch Marginalisierung, ein Ausschluss an Teilhabe und Bildung, führt zu gesellschaftlichen Verlierern. Jedoch sind auch Risiken wie Fachkräftemangel in vielen beteiligten Berufsgruppen wie Polizei und Jugendhilfe, aber auch Kinderbetreuung und Schule ein wichtiger Faktor. Diese Berufsfelder haben kein gutes Ansehen in der Gesellschaft und zeichnen sich auch nicht durch überdurchschnittliche Bezahlung aus. Daneben ist ein weiteres Risiko die Ettiketierung, das Abstempeln zum delinquenten Intensivtäter, was die Entwicklungsmöglichkeiten und ggf. spätere Ausbildungs- und Berufschancen verändert, zumindest aber das Ansehen und die Akzeptanz in der Gesellschaft, in der Nachbarschaft, schmälert.

Länderspezifische Mehrfach/Intensivtäterprogramme

Seit Beginn der 90er Jahre werden zunehmend polizeiliche "Intensivtäter-Programme" eingeführt. Ziele sind die Steigerung der Effektivität udn Effizienz in der Kriminalitätsbekämpfung, die Erhöhung des Sicherheitsgefühls und die Begegnung des öffentlichen Drucks. Die einzelnen Konzepte weisen hinsichtich Zielgruppe, Umfang und Art der vorgesehenenden Maßnahmen und präventive und repressive Ausrichtung große Heterogenität auf. Häufige Massnahmen sind die

  • Zentralisierung der Strafverfolgungstätigkeit
  • Beschleunigung der Varfahrensabläufe
  • spezielle polizeiinterne Datenbank/Listen
  • Gefährderansprachen
  • Koordination und Vernetzung der an der Jugendarbeit beteiligten Institutionen

Vieltäterprogramm Hamburg

Das Tatortprinzip wurde durch das Wohnortprinzip ersetzt und die parallele Zuständigkeit unterschiedlicher Sachbearbeiter für ein und dieselbe Person begrenzt.

"Proper" in München

Initiativprogramm Jugendliche Intensivtäter Baden-Württemberg

BASU21

Das Konzept der BASU21 (Besonders Auffällige Straftäter Unter 21 Jahren) (vgl. Dr. Claudia Koch-Arzberger, 2010, S.1-15) richtet sich an Kinder, Jugendliche und Heranwachsende als Zielgruppe. Die Einstufung erfolgt entweder nach fünf Straftaten oder mehr (inklusive einem Gewaltdelikt) innerhalb eines Jahres und einer negativen Prognose oder auf Grund von "Ersttäter"(insbesondere Gewalttäter) und negativer Prognose. Eine negative Prognose wird erstellt, wenn davon auszugehen ist, dass ohne Intervention auf Grund von Personlichkeitsbild, sozialem Umfeld und der Art und Ausführung der Tat ein dauerhaftes Abgleiten in die Kriminaltiät geschieht. Mit Erreichen des 21. Lebensjahrs wird man aus dem Konzept entlassen. Vor dem 21. Lebensjahr kann dies ebenfalls geschehen, wenn die Person mindestens 12 Monate nicht mehr polizeilich mit positiver Entwicklungsprognose in Erscheinung getreten ist, längerfristige Abwesenheit oder die Vroaussetzung zur Einstufung als MIT und die Übernahme dirch das zustündige Kommisarriat gewährleistet ist. Zum Ziel hat das Konzept die Prävention, die Repression und die Netzwerkarbeit. Präventiv finden Interventionen, sogenannte Gefährderansprachen zeitnah, abgestimmt und mehrschichtig statt. Ausßerdem liegt ein Schwerpunkt auf dem Opferschutz. Repressiv wird die Ermittlungsführung täterorientiert, deliksübergreifend und konsepuent durchgeführt um zeitnahe und angemessene Sanktionierung und die Motivtation zur nachhaltigen Verhaltensänderung erreicht werden kann. Netzwerkarbeit ist der dritte Baustein, die Kooperation aller beteiligten Institutionen wird praxisoriteniert, anlassbezogen und gemeinsam durchgeführt.Vernetzung von Polizei, Schule, Schulamt, Jugendhilfe, Haus des Jugendrechts, Justiz, Eltern etc. BASU21 als präventive Vorstufe zu "MIT"

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

In der Arbeit mit den Intensivtätern ist die Zusammenarbeit und Vernetzung der verschiedensten Diszipline gefordert. Neben der Polizei bzw. der zuständigen Abteilung der Kriminalpolizei nimmt auch die Jugendgerichtshilfe, die Jugendhilfe im Allgemeinen, die Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychologen und Therapeuten und nicht zu letzt die Strafjustiz einen bedeutenden Platz ei. In der Psychologie z.B. ist der Blick auf das Individuum und auf die Umstände im Mittelpunkt. Der Mensch mit seiner Persönlichkeit beeinflusst die spezifische Umwelt, die wiederrum auch ihn beeinflusst. Die Jugendhilfe setzt präventiv und interventiv an der Person an, sie soll Hilfestellung geben, Bedürfnisse auf legalem Weg zu erfüllen und die jugendtypischen Risikoverhaltensweisen zu lenken. In der Phase des Heranwachsens ist die Ablösung oder Abgrenzung zum Elternhaus, die Integration in Peers und die Identitätsentwicklung im Vordergrund. Die Kriminalpolizeien haben bereits mehrere Intensivtäterprogramme entwickelt und besondere Massnahmen, wie die Gefährderansprache, erarbeitet. In Zusammenwirken mit Strafjustiz und Jugendgerichtshilfe gibt es Präventivprogramme wie Anti-Aggressionstraining als Auflagen, in der Jugendhilfe gibt es spezielle Maßnahmenformen wie geschlossene Jugendhilfeeinrichtungen, Soziotherapeutische Wohngruppen, U-Haft-Vermeidungsgruppen etc. (vgl.) In manchen Bundesländern oder Städten gibt es sogenannte "Runde Tische" zu denen eingeladen werden kann, wenn ein Intensivtäter auffällig ist und über die geeigneten Interventionen und Auflagen im Vorfeld zu einer Verurteilung gesprochen werden soll bzw. wenn es um geeignete Maßnahmen vor der Entlassung geht.

Forschungsprogramme

Forschungsprojekt "Mehrfach - und Intensivtäter"

Zentrale Ergebnisse waren

  • Früh einsetzende Prävention ist entscheidend, frühes vernetztes Handeln aller beteiligten staatlichen Institutionen sowie der Eltern sind wichtig und sinnvoll bei der Unterstützung des Abbruchs der kriminellen Karriere
  • deliktübergreifende und täterorientierte Bearbeitung ist dringend geboten, Die Gruppe der MIT ist sehr heterogen, das wissen sollte gebündelt werden
  • Ethnische Unterschiede sind deutlich erkennbar, Prävention muss die unterschiedlichen Problemlagen angemessen berücksichtigen
  • Bildungs- und Ausbildungsdefizite, dadurch werden die Chancen auf berufliche Ausbildung und gesellschaftliche Integration gemindert

Literatur

Annette Boegner, Jugendliche Intensivtäter, 2011