Gewaltkriminalität

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Unter dem Begriff Gewaltkriminalität werden in Deutschland polizeilich die Delikte Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), gefährliche und schwere Körperverletzung (§§ 224, 226 StGB), Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226 StGB), Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB), Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung (§§ 177, 178 StGB), Raubdelikte (§§ 249-252, 255, 316a StGB), erpresserischer Menschenraub (§ 239a StGB), Angriff auf den See- und Luftverkehr sowie Geiselnahme (§ 239b StGB) zusammengefasst.

Zum Begriff „Gewalt-Kriminalität“

Der Begriff „Kriminalität“ geht auf crimen (lat.) zurück, was Anklage, Beschuldigung bedeutet. Später wurde der Begriff semantisch auf den „[...] förmlichen strafrechtlichen Vorwurf und die Handlungen, auf welche sich dieser Vorwurf bezieht“ (Kunz, 2008: 7) eingeengt, also auf Deliktstatbestände einer Strafrechtsordnung, die in der Summe als strafbar benannt sind und von den Instanzen strafrechtlicher Sozialkontrolle als solche definiert werden. Kriminalität hat es demzufolge einerseits mit Zuschreibungen, andererseits mit Verhalten zu tun. Angesichts vielfältigster Interpretationsspielräume bleibt jedoch unklar, ob und ab wann Handlungen Strafbestände erfüllen und inwieweit es zu unterschiedlichen Behandlungen gleichartigen Verhaltens kommt. Das ambivalente Verständnis von Kriminalität führte zu einem „[...] Grundlagenkonflikt zwischen verhaltensbezogenen ,traditionellen‘ Richtungen und dem als ,neues Paradigma‘ apostrophierten Labeling Approach (Kunz, 2008: 8). Kriminalität wird offiziell durch das Strafrecht zugeschrieben, das generell als abstrakt bezeichnet werden kann und dessen Inhalte sich je nach geschichtlicher Epoche und Zeitgeist wandeln.

Der Begriff „Gewalt-Kriminalität“ bezieht sich basierend darauf sowohl auf kriminelle Handlungen als auch auf Handlungen, welche die Ausübung von Gewalt einschließen. Im engen Sinn werden unter diesem Begriff physische Zwangshandlungen sowie Handlungen subsumiert, bei denen Zwang durch die Drohung mit Gewalt ausgeübt wird und die sich als Verstoß gegen Rechtsnormen beschreiben lassen. Das Spektrum der Gewalt-Kriminalität umfasst Konflikt-, Serien-, Berufs- und Auftragstäter, Terroristen und Fanatiker. Zu den Gewaltdelikten im engen Sinne zählen Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Raub, Körperverletzung und sexuelle Nötigung. Polizeiliche Einschätzungen, die Aufarbeitungen und Präsentationen der Delikte sowie die Speicherung der Daten in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) bilden das Hellfeld der Kriminalität. Die PKS ist ein quantitatives Instrument zur Messung von Kriminalitätsraten und zur Bewertung von Kriminalitäts-entwicklungen in Bezug auf gravierende Tatbestände mit personenbezogener Gewalt. Sie werden auf der Basis von Querschnittsbildern eines Kalenderjahres und Längsschnittdarstellungen über mehrere Jahre hinweg dargestellt. Die PKS ist ein Arbeitsnachweis für Polizeibeamte, Staatsanwälte und Strafrichter. Sie besagt „[...] hingegen nichts Qualitatives, etwa zu den Dimensionen der Gefährdungen, denen wir ausgesetzt sind“ (Walter, 2008: 15). So spielen z. B. Tötungsdelikte in der PKS eine untergeordnete Rolle, auch sind Frauen in Zusammenhang mit Gewaltdelikten unterrepräsentiert. Verkehrs- und Staatsschutzdelikte werden im Weiteren nicht erfasst.

Deliktseinteilungen

„Delikte sind gedankliche Konstruktionen“ (Walter 2008: 16). Sie beschreiben sozialschädliche Verhaltensweisen, die nach täter-, tat- und opferbezogenen Bezugspunkten bzw. Merkmalen eingeteilt sind. Das Strafrecht (StGB) systematisiert Delikte nach Rechtsgütern, die es zu schützen gilt. Es unterteilt in Staatsschutz- und Rechtspflegedelikten bzw. in Straftaten (Teil 1, § 1, 2) gegen das Leben, gegen die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung sowie gegen die Umwelt. Entsprechend den zugrunde-gelegten Kriterien können unterschiedliche Rechtsgüter betroffen sein wie z. B. bei einem Sexualdelikt, bei dem sowohl die sexuelle Selbst-bestimmung als auch die körperliche Unversehrtheit verletzt werden. Die Einteilungen erfolgen nach bestimmten Kriterien (z. B. Geschlecht, Alter, Herkunft) und Kategorien (z. B. Jungen- und Männerkriminalität, Jugendkriminalität, Mädchen- und Frauenkriminalität).

Täter-, tat- und opferbezogene Merkmale

Vor allem bei Tötungs- und Körperverletzungsdelikten ist der Bezug auf den Täter nach wie vor aktuell, der auf die traditionelle spezial-präventive Schule von Franz von Liszt zurückgeht und auf folgenden Gedankenmodellen beruht: Wegen der Gefahr von weiteren Schäden und wegen der Verstetigung der Straftaten werden Gewohnheits- und Berufsverbrecher (z. B. Zuhälter, Dealer) härter bestraft im Gegensatz zu Gelegenheitstätern, die in erster Linie abgeschreckt und durch Normverdeutlichung stabilisiert werden sollen. Bei Konflikttätern, die meist schwere Delikte (z. B. Elternmord) in zugespitzten und extrem emotionalisierten Konfliktlagen begehen, besteht demgegenüber wegen der Einmaligkeit der Tatbedingungen keine Wiederholungsgefahr. Serientäter hingegen entwickeln im Prozess der Tatbegehung (z. B. Raub, Betrug) profitable Methoden zur Gewinnsteigerung. Andererseits sind Täter zu beobachten, die seriell töten (z. B. medikamentöse Tötungen alter Menschen in Pflegeeinrichtungen). Zudem ereignen sich Delikte im Rahmen günstiger beruflicher Gelegenheiten, die sich nach einem sozialen Aufstieg ergeben (vgl. White-Collar-Crime nach Sutherland). Günstige Gelegenheiten entstehen auch für „Blue-Collar-Arbeiter“, wenn sie in Produktionsprozesse mit hochwertigen Rohstoffen (z. B. Schmuck, Uhren) einbezogen sind. Hier wird deutlich, dass täterbezogene Merkmale auch Bezüge zur Tat und zu den Tatgelegenheiten aufweisen. Gewaltdelikte von u. a. Fußballfans, die sowohl der Fan- als auch der Freizeitkriminalität zugeordnet werden können, veranschaulichen diesen Umstand ebenso. Hingegen können bei fremdenfeindlichen Straftaten klare Merkmale den Tätern zugeordnet werden, z. B. Belästigung, Beleidigung, Brandstiftung, wobei die Gedankenwelt der betreffenden Täter mit Erscheinungen einer extremistischen Kriminalität korrespondieren. Tat- und täterbezogene Merkmale lassen sich nicht immer scharf trennen. Eine klare Einordnung unter tatbezogenen Bezügen erscheint bei der Straßengewaltkriminalität sinnvoll, z. B. beim Handtaschenraub oder beim Überfall auf homosexuelle Männer in dunklen Parks. Aufgrund vorherrschender situativer Bedingungen (Dunkelheit, schlechter Beleuchtung) finden diese Übergriffe in einer geschützten Zone und von der Öffentlichkeit gänzlich unbehelligt statt. Ähnlich verhält es sich bei der Wirtschaftskriminalität und bei der häuslichen Gewalt, die jeweils in intimen und geschützten Zonen begangen werden. Ein weiterer Bezug zur Tat betrifft gefährliche Zusammenschlüsse von Menschen und dadurch bedingtes Gruppenverhalten, das als besonders bedrohlich betrachtet werden kann. Deshalb werden diese Zusammenschlüsse (z. B. terroristische Vereinigungen) bereits im Vorfeld ihrer Taten strafrechtlich erfasst. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit führen zu Schädigungen bei den von der Straftat betroffenen Personen. Durch den Strafbestand wird der Opferstatus thematisiert, was besonders für Gewaltopfer und Opfer sexueller Übergriffe gilt. Im Opferbegriff finden sich mitunter ungenaue Realitäten wieder, „[...] wenn beispielsweise die Volksgesundheit als Schutzgut von Drogendelikten formuliert wird“ (Walter, 2008: 23) und die Begriffsbildung dazu dient, Aussagen über Sicherheitsmaßnahmen gefährdeter Bevölkerungsgruppen zu machen, oder wenn täter- und opferbezogene Wechselwirkungen auftreten wie z. B. bei fremdenfeindlichen Straftaten, die regelmäßig dem rechtsradikalen Kreis zugeordnet werden. Unabhängig davon dient die Wissenschaft der Viktimologie u. a. dazu, Gewaltkriminalität differenziert zu betrachten und ermächtigt die Opfer als die rechtlich zu schützenden Güter, die Tatbewältigung mitzugestalten wie es beim Täter-Opfer-Ausgleich (TAO) der Fall ist. Da Gewaltdelikte insgesamt eine Vielzahl von täter-, tat- und opferbezogenen Merkmalen in sich vereinigen, repräsentieren sie die „Kriminalität“, „[...] weil bei ihnen [...] viele kriminologisch-theoretisch erfassten Momente des realen deliktischen Geschehens angetroffen werden können“ (Walter, 2008: 23).

Ursachenfaktoren

Gewalt und Gewalt-Kriminalität stehen im Mittelpunkt kriminologischer und kriminalwissenschaftlicher Forschungen. Mit den Ursachen beschäftigen sich Soziologen, Psychologen, Biologen, Neurologen, Ökonomen und Kriminologen. Letztere versuchen das Phänomen „Kriminalität“ interdisziplinär zu erklären, wobei sich die kritischen von den ätiologischen Kriminologen auch darin unterscheiden, dass sie sich mit vernachlässigten Gebieten wie z. B. der Wirtschafts-, Umwelt- und Kriegskriminalität beschäftigen. Die einen halten soziale und gesellschaftliche Missstände, psychische oder genetische Faktoren für mögliche Kriminalitätsursachen. Die anderen benennen dynamische (z. B. Aufschaukelungsprozesse) und situative Faktoren (z. B. geringes strafrechtliches Verfolgungsrisiko). Dynamische und situative Bedingungen gewinnen in der kriminologischen Diskussion an Bedeutung, auch weil in zahlreichen sozial-psychologischen Experimenten (Zimbardo 1975, Milgram 1961) gezeigt wurde, dass bestimmte Sachverhalte wie eine bestimmte Autoritätsstruktur die Wahrscheinlichkeit gewalttätiger Übergriffe erhöhen. Wiederum andere halten eine Kombination dieser Faktoren und Bedingungen für möglich. In den meist vielfältigen Darstellungen und Sichtweisen kann Folgendes festgehalten werden: Kriminalsoziologen forschen nach den Ursachen der Kriminalität in den sozialen Missständen einer Gesellschaft und den gesellschaftlichen Institutionen, die ihre Mitglieder aufgrund den vorherrschenden Verhältnissen, die vorgefunden werden, zwangsläufig kriminalisiert. Durkheim und Elias gingen davon aus, „[...] dass sich modale Persönlichkeitsstrukturen in enger Korrespondenz mit gesellschaftlichen Makrostrukturen wandeln“ (Thome, Birkel, 2007: 45). Dem Konzept der Selbstkontrolle kommt darüber hinaus eine zentrale Rolle zu, die von Gottfredson / Hirschi im Rahmen einer „Allgemeinen Theorie der Kriminalität" herausgearbeitet wurde. Familienverhältnisse spielen infolgedessen eine prominente Rolle, weil die Familie als primäre Sozialisationsinstanz einerseits für den Aufbau von Selbstkontrolle zuständig ist, andererseits einen zentralen Ort für Gewalthandlungen darstellt und defizitäre Prozesse begünstigt. Zum soziologischen Forschungsfeld gehören darüber hinaus neben Angriffskriegen und Genoziden auch „[...] bestimmte Formen einer von Angst und Vergeltungsinteresse geleiteten Punitivität“ (Thome, Birkel, 2007: 159). Gewaltkriminalität und Punitivität hängen also von den Dimensionen des ökonomischen Wettbewerbs ab sowie davon, wie stark dieser die soziale Beziehungen in den jeweiligen gesellschaftlichen Systemen durchdringt. Kriminalpsychologen gehen davon aus, dass sich kriminelles Verhalten auf Fehlentwicklungen bei der Persönlichkeitsbildung zurückführen lässt, z. B. durch eine schwere Kindheit, traumatische Kindheitskonflikte, mangelnde Elternliebe, Scheidung der Eltern, defizitäre Selbststeuerung aufgrund mangelnder Empathie und Ambiguitätstoleranz, aber auch durch Erwartungshaltungen. Der amerikanische Psychologe Rosenberg wies nach, dass aufgrund einer bloßen Erwartungseinstellung an ein bestimmtes Verhalten sich dieses Verhalten bewirken lässt. Aufbauend auf den Prinzipien des sozialen Lernens (Beobachtungs- und Bekräftigungslernen), die bei der Persönlichkeitsentwicklung eine entscheidende Rolle spielen, untersuchten die Psychiater Johnson und Szurek delinquente Jugendliche und fanden heraus, dass sich elterliche Einstellungen an eine spätere kriminelle Karriere auf die Entwicklung des Kindes kriminalitätsfördernd auswirkten, auch deshalb, weil mit diesen Kindern erzieherisch abweisend umgegangen wurde. Sozialwissenschaftler und Psychologen stimmen überein, dass gesellschaftliche Zwänge und Erwartungen sowie die mangelnde moralische Festigung und der dadurch bedingte Hemmschwellenabbau Kriminalität verursachen können. Überdies wurden Zusammenhänge zwischen gewaltakzeptierenden Einstellungen und realem Gewalthandeln nachgewiesen (vgl. Bornewasser/Junge, 2006: 29–32). Kriminalbiologen (Anthropologen, Genetiker) interessieren sich dafür, inwieweit das Handeln des Menschen genetisch bedingt ist. Ihre Hoffnung besteht darin, dass sich kriminelles Verhalten durch die Einwirkung auf die speziellen Gene steuern, reduzieren bzw. eindämmen lässt. Sie bezweifeln, dass Umwelteinflüsse Verhaltensweisen beeinflussen können. Neurologen suchen Kriminalitätsursachen im Gehirn. Die Lebensweise als Gewalttäter ist für sie – ähnlich wie bei den Kriminalbiologen – weitestgehend determiniert, also Schicksal. Nach Kriminalitätsursachen forschen darüber hinaus Ökonomen wie Gary Becker und Isaac Ehrlich. Auf der Basis einer Kosten-Nutzen-Kalkulation werden nach Becker günstige Gelegenheiten und der jeweilige Umfang der Beute gegeneinander ab- und aufgewogen.

Resümee, Kritik, Ausblick

Meist sind es mehrere Faktoren wie veranlagungs-, milieu- und gesellschaftsbedingte, aber auch dynamische und situative Faktoren, die – wenn sie in unterschiedlicher Intensität zusammenspielen – kriminelles Verhalten und Gewaltkriminalität auslösen können. Unabhängig davon, dass der Rückgang der Rate bei den Tötungsdelikten nicht geleugnet werden kann, dass Gewaltquoten in der Gesellschaft nicht stabil sind und dass Makroverbrechen in modernen Gesellschaften nicht ständig vorkommen, erhielt der Gewaltbegriff im Lauf der Zeit eine zunehmend negative Bedeutung. Der öffentliche Gewaltdiskurs, der sich vornehmlich auf die Gewaltkriminalität bezieht, wird verständlich, wenn „[...] die Interessen berücksichtigt werden, aus denen heraus Gewalt zum Thema gemacht wird“ (Walter, 2008: 52). Einerseits wird anhand von zahlreichen Phänomenen – z. B. Gewalt in der Schule, Gewalt gegen Frauen und gegen ältere Menschen – eine zunehmende Gewaltpräsenz in der Wahrnehmung und Bewertung der Menschen erzeugt sowie ein fortschreitender Sensibilisierungsprozess in Gang gebracht, der sich auf die Anzeigebereitschaft sowie auf die polizeiliche Berichterstattung positiv auswirkt. Andererseits werden polizeiliche Angaben über Gewalt-ereignisse simplifiziert und polarisierend medial wiedergegeben, so dass schärfere Sanktionen gefordert werden und kriminologische Erkenntnisse, die auf die Wirkungslosigkeit von höheren Strafandrohungen hinweisen, unberücksichtigt bleiben. Die öffentliche Darstellung des Gewaltthemas birgt darüber hinaus weitere Gefahren: Das Wissen, dass man mit einer Tat weltweit bekannt werden kann, vermag sich unterstützend auf die Begehung von schweren Straftaten auswirken und Trittbrettfahrer sowie Imitationstäter gleichermaßen anlocken. Zudem sinkt dadurch die strafrechtliche Toleranzmarge, vor allen Dingen bei der Jugendkriminalität, die als eine zentrale Bedrohung für die Gesellschaft inszeniert wird und die sich durch das ständige Wiederholen stabilisiert.

Anzeigeverhalten, Strafanzeigen, polizeiliche Ermittlungsarbeit werden – wie bereits erwähnt – aufgrund der zunehmenden Sensibilisierung der Öffentlichkeit zwar begünstigt und lassen die in der PKS dargestellte Gewaltkriminalität ansteigen, de facto haben sie mit der Wirklichkeit der Kriminalität nichts zu tun (vgl. Trichtermodell, Hellfeld-Dunkelfeld-Problematik). Der in der Gesellschaft fortschreitende Sensibilisierungsprozess ist aufgrund einer Anzahl offener Fragen i. B. auf Gewalt und Gewaltkriminalität nicht leicht zu erfassen. Was erklärt uns z. B. die andauernde Faszination am Charisma der Gewalt? Anhaltspunkte können die zunehmende Bedeutung der Medien, aber auch die zunehmende Abhängigkeit der Kriminalpolitik von den Massenmedien sein. Eine symbolische Politik trägt darüber hinaus zur Aufklärung des tatsächlichen Sachverhalts kaum etwas bei. Gewalt wird im politisch-publizistischen Verstärkerkreislauf (vgl. Scheerer) zu einem gesellschaftlichen Massenprodukt, das sich kulturell verankern lässt und wodurch sich westliche Gesellschaften in ihrem Streben nach Liberalität, Freiheit und Sicherheit nachhaltig verändern werden. Bedenklich sind Veränderungen, wenn eine „[...] Re-Theologisierung von Politik um sich greift, um staatliche Gewalt im Innern wie nach Außen zu legitimieren“ (Heitmeyer, 2004: 14), wie es in den USA zu beobachten ist.

Gewaltdelikte sind sehr komplex und in ihren Darstellungen und Einschätzungen kommt es im Wesentlichen darauf an, aus welchem Kontext über sie berichtet wird. Zu vorurteilsbasierten Wahrnehmungen kommt es z. B. regelmäßig beim Thema Ausländer und Kriminalität, und der Kampf gegen Gewaltkriminalität gipfelt nicht selten in einem Kampf gegen Ausländer. Es wird ausgeblendet, dass Ausländer bei Gewaltdelikten auch zur Opfergruppe gehören. Gleichgültig wie weit oder eng die Begriffe „Gewalt“ und „Gewalt-Kriminalität“ definiert werden, es sind Sammel-begriffe, hinter denen sich eine Vielzahl von Delikten unterschiedlichster Erscheinungsformen verbergen und die sich in der Schwere der Deliktsfolgen, der Motivationslage, der Tätergruppen maßgeblich voneinander unterscheiden.

Insofern sind Debatten zu unterstützen, in denen das Thema „Gewalt“ differenziert und sachlich behandelt wird. Auf der anderen Seite ist das Theorien- und Methodenreservoir der Gewaltforschung kritisch zu hinterfragen und ob es ausreicht, Erkenntnisfortschritte bei den neuen Formen von Gewalt (u. a. Stalking, Amok, Cybermobbing, Snuffing, Happy Slapping) zu erzielen.

Egal wie vielfältig Gewaltdelikte und Kriminalitätsursachen und wie endlos die darüber einsetzenden Diskussionen sind, die potenziellen Opfer interessieren sich für effektive Kriminalitätsbekämpfungsmaßnahmen sowie für ihre Sicherheit. Im Strafrecht wie in der Kriminologie werden die beiden Pole Gewalthandlung und Gewaltprävention deshalb zunehmend aus einer viktimologischen Sicht betrachtet und nach dem sogenannten „Erfolg“ gefahndet. Die Verdienste der Viktimologie, besonders auf dem Gebiet der häuslichen Gewalt, sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben.

Literatur

  • Albrecht, Günter (Hg), et al (2001): Gewaltkriminalität zwischen Mythos und Realität, Frankfurt a. M.
  • Benjamin, Walter (1965): Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze, Frankfurt a. M.
  • Bornewasser, Manfred, Junge, C. (2006): Prävention gegen Rechts: Nötiger und schwieriger denn je. In: Forum Kriminalprävention, Heft 3, S. 29–32.
  • Füllgrabe, Uwe (1975): Persönlichkeitsanalyse, Stuttgart.
  • Galtung, Johan (1975): Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung, Reinbek b. Hamburg.
  • Heitmeyer, Wilhelm, Soeffner, Hans-Georg (2004): Gewalt – Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme, Frankfurt a. M.
  • Kunz, Karl-Ludwig (2008): Kriminologie, Bern.
  • Popitz, Heinrich (1986): Phänomene der Macht, Tübingen.
  • Reemtsma, Jan Philipp (2008) Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, Hamburg-
  • Scheerer, Sebastian (1978): Der politisch-publizistische Verstärkerkreislauf. In: Kriminologisches Journal 10, S. 223–227.
  • Thome, Helmut, Birkel, Christoph (2007): Sozialer Wandel und Gewaltkriminalität, Wiesbaden.
  • Tipke, Klaus (1998): Innere Sicherheit und Gewaltkriminalität, München.
  • Walter, Michael (2008): Gewaltkriminalität, München.

Weblinks

Gewalt in Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Gewalt

Gewaltkriminalität in Wikipedia: http://de.wikipedia.org.wiki/Gewaltkriminalität

Gewaltkriminalität in Krimlex: http://www.krimlex.de