Geschlossene Unterbringung (Heimerziehung)

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Verfasser: Udo Hansen (Kriminologie MA, 1. Semester)

Gliederung:

1. Definition 2. Geschichte 3. Recht 4. Kritik 5. Aktuelles

1. Definition

Überwiegend wird vertreten, daß geschlossene Unterbringung zunächst einmal ein geschlossenes Heim oder Anstalt oder eine geschlossene Abteilung eines Heimes voraussetzt. Die bei einer Unterbringung in diesen Einrichtungen resultierende Freiheitsentziehung ist zu definieren als Aufenthaltsbestimmung ohne oder gegen den Willen des Minderjährigen in einer Form, daß die Betroffenen auf einem bestimmten eingegrenzten Raum festgehalten werden, ihr Aufenthalt ständig überwacht und die Aufnahme von Kontakten mit Personen außerhalb des Raumes durch Sicherungsmaßnahmen verhindert wird. Freiheitsentzug beinhaltet somit - verkürzt gesagt - den angeordneten Ausschluß der Bewegungsfreiheit eines Kindes oder Jugendlichen entgegen oder ohne dessen Willen.

Freiheitsbeschränkung und damit kein Freiheitsentzug liegt vor, wenn die körperliche Bewegungsfreiheit zur Sicherung eines pädagogischen Prozesses altersgamäß für kürzere Zeit, d. h. maximal für wenige Stunden, ausgeschlossen wird. Daher beinhalten die stationäre Betreuung in einer Einrichtung der Erziehungshilfe mit den daraus resultierenden Grenzsetzungen ebenso wenig einen Freiheitsentzug wie Maßnahmen, die begrenzte Ausgangszeiten verordnen. Darüber hinaus liegt Freiheitsbeschränkung und kein Freiheitsentzug vor, wenn das Verlassen eines Gebäudes aus Gründen das allgemeinen Schutzes erschwert wird (z.B. nächtliches Verschließen der Haustür).

2. Geschichte

Während Kinder im deutschen Kaiserreich seit 1871 nicht vor Vollendung des 12. Lebensjahres strafrechtlich belangt werden konnten, gab es für sie dennoch das Risiko der Anstaltserziehung ohne Begrenzung. Ferner wurde als Erziehung in den Anstalten in der Regel auch die abschreckende körperliche Züchtigung praktiziert. Für manche kamen bis zu zehn, für andere sogar noch mehr Jahre Unterbringungszeiten in Frage; für viele war eine Entlassung erst mit dem 20. Lebensjahr möglich. Innerhalb von Reformbemühungen in Verbindung mit dem deutschen Jugendstrafrecht kam es zu einer Ausweitung der Straffreiheit für Kinder im Alter von 12 bis 13 Jahren.

Das durch das RJWG 1922 legalisierte "persönliche Recht des Kindes auf Erziehung" wurde nach 1933 wieder umgewandelt in ein "Recht des Staates auf Erziehung der Jugend". Zur Vermeidung von Gefährdung oder Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen bediente sich auch der faschistische Staat des gesetzlichen Erziehungsmittels der Fürsorge, allerdings in der Form von "Auslese" im Sinne nationalsozialistischer Jugendpolitik. Zahlreiche Heimzöglinge wurden dementsprechend selektiert und in geschlossenen Bewahrungsanstalten untergebracht. Die Grenze des Strafmündigkeitsalters blieb jedoch bei 14 Jahren, bis das Reichsjugendgerichtsgesetz die Strafmündigkeit in "schweren Fällen" 1945 lockerte und auch schon Minderjährige ab 12 Jahren wieder belangt wurden.

In der Zeit des Neubeginns nach 1945 und einer eher halbherzigen Vergangenheitsbewältigung auch im Bereich der Pädagogik tat man sich schwer mit Reformen in Jugendwohlfahrt und Fürsorgeerziehung. Die Nachkriegsgeschichte der westdeutschen Heimerziehung vor der Heimkampagne 1969 ist zwar noch kaum historisch aufgearbeitet; deutlich ist jedoch, daß gegenüber dem Thema "geschlossene Heimunterbringung" damals keine besondere Sensibilität herrschte. Obgleich es schon in den 50er Jahren institutionelle Alternativen zur Verwahrung und Kasernierung gab, war normal, daß "verwahrloste" Kinder und Jugendliche im Rahmen der Fürsorgeerziehung eingesperrt wurden. Deren Heime waren zumeist große Einrichtungen, oft in ländlicher Abgeschiedenheit und mit durchregelten Tagesabläufen, ausdifferenzierten Strafsystemen und autoritären Erziehungskonzeptionen. Diese in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene und diskutierte Heimerziehung oder besser: Heimunterbringung wurde am 28. Juni 1969 mit der sog. "Staffelbergkampagne", einer Aktion von Lehrlingen, Schülern und Studenten in einem Erziehungsheim, konfrontiert. Der Protest richtete sich allgemein gegen "repressive Heimerziehung" und somit auch gegen die "geschlossene" Unterbringung.

Die sich daran anschließende Debatte, verbunden mit dem Ruf nach einer Umgestaltung der Jugendwohlfahrt, mündete in den 70er Jahren in eine breite Diskussion um ein neues Jugendhilferecht. Als die Bundesregierung 1978 in ihrem Entwurf eines Sozialgesetzbuches (SGB) die "geschlossene Unterbringung" doch wieder aufgenommen hatte, wurde erneut eine heftige, kontrovers geführte Auseinandersetzung über die Abschaffung der "geschlossenen Unterbringung" entfacht. Jedenfalls führte dies dazu, daß diese repressive Form der Heimunterbringung so nicht in das 1990 verabschiedete SGB VIII 8 (KJHG) eingearbeite wurde.

10 Jahre später fand im Zuge konservativer Jugendpolitik eine "roll - back" - Bewegung statt, so daß die geschlossenen Heime nicht nur ein Thema in der öffentlichen und fachlichen Diskussion bildeten, sondern in einigen Bundesländern - wie z.B. Hamburg - längst wieder Realität geworden sind. War die "geschlossene Unterbringung" 1980 in Hamburg und 1995 in Schleswig - Holstein unter dem Schlagwort "Menschen statt Mauern" abgeschafft worden, so prägte der Lübecker leitende Oberstaatsanwalt Heinrich Wille im November 2001 den neuen Ansatz: "Mauern und Menschen".

3. Recht