Geiselnahme von Beslan: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
K
 
Zeile 174: Zeile 174:


*[http://russlandonline.ru/august2004/morenews.php?iditem=47 Ursache des Absturzes der Tu-134 war der Verlust des hinteren Flugzeugrumpfes infolge einer Explosion, in: russland.RU, 30.08.2004]
*[http://russlandonline.ru/august2004/morenews.php?iditem=47 Ursache des Absturzes der Tu-134 war der Verlust des hinteren Flugzeugrumpfes infolge einer Explosion, in: russland.RU, 30.08.2004]
[[Kategorie:Kriminalfall in Russland]]
[[Kategorie:Terroranschlag 2004]]
[[Kategorie:Geiselnahme]]

Aktuelle Version vom 25. April 2022, 11:49 Uhr

Bei der Geiselnahme von Beslan im September 2004 brachten tschetschenische Terroristen mehr als 1100 Kinder und Erwachsene in einer Schule im nordossetischen Beslan in ihre Gewalt. Die Geiselnahme endete nach drei Tagen in einer Tragödie – bei der Erstürmung des Gebäudes durch russische Einsatzkräfte starben nach offiziellen Angaben 334 Geiseln.

Terrorakte in unmittelbarer zeitlicher Nähe

6. Februar 2004 - Eine Bombe in der Moskauer U-Bahn tötet etwa 40 Fahrgäste. Es werden mehr als 250 Verletzte gezählt. Die Polizei spricht von einem Selbstmordattentäter tschetschenischer Herkunft.

9. Mai 2004 - Während der Siegesparade hatte eine unter der Tribüne gezündete Bombe den moskautreuen tschetschenischen Präsidenten Achmed Kadyrow getötet.

21. – 22. Juni - am Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion griffen tschetschenische Rebellen die russische Republik Inguschetien an. Nach Angaben des Zivilschutzes feuerten die schwer bewaffneten 200 Angreifer in mehreren Städten mit Raketen und Granatwerfern auf Polizeistationen, Posten der Verkehrspolizei und eine Kaserne von Grenzsoldaten. Dabei wurden viele der anwesenden Polizisten, Soldaten sowie Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und des Inlandsgeheimdienstes FSB erschossen. Weiterhin wurde das Innenministerium und die Zentrale der Grenzpolizei in Nasran gestürmt und der Innenminister der Kaukasusrepublik, Abukar Kostojew, sowie sein Stellvertreter, der Gesundheitsminister Dschabrail Kostojew und ein UN-Mitarbeiter getötet. Nach etwa 7-stündigen Gefechten konnten Sicherheitskräfte die vermutlich tschetschenischen Terroristen zurückschlagen. Mehrere tausend Soldaten der russischen Streitkräfte wurden nach Nasran in Marsch gesetzt. Durch den Angriff starben 90 Menschen.

24. August - stürzten jeweils im Gebiet Tula und im Gebiet Rostow zwei Passagierflugzeuge des Typs Tu-134 und Tu-154 ab in Folge von Selbstmordattentaten. Es kommen 90 Menschen ums Leben.

31. August 2004 - eine Selbstmordattentäterin sprengt sich in einer Moskauer U-Bahn-Station in die Luft. 9 Menschen kommen dabei ums Leben, über 50 weitere werden verletzt. Zu dem Anschlag bekennen sich die Islambuli-Brigaden des Terrornetzwerks Al-Kaida.

Verlauf

Am 1. September 2004 stürmte eine Gruppe von mindestens 33 schwer bewaffneten Personen um 9:30 Uhr Ortszeit die Mittelschule Nr. 1, in der Schüler im Alter von sieben bis 18 Jahren unterrichtet wurden. Unbestätigten Berichten zufolge hielten sich zu diesem Zeitpunkt ungefähr 1500 Menschen in dem Gebäude auf. Der 1. September ist in ganz Russland Schulbeginn, an dem die Erstklässler in Anwesenheit der Eltern und zukünftigen Mitschüler feierlich begrüßt werden. Oft kommen ganze Familien, um der Zeremonie beizuwohnen.

Die Angreifer waren teilweise maskiert und schwer bewaffnet, einige waren mit Sprengstoffgürteln für Selbstmordattentate ausgerüstet, darunter auch zwei (offizielle Version) oder vier (laut Zeugenaussagen) Frauen (so genannte Smertnizy - Schwarze Witwen). Nach einem Schusswechsel mit der Polizei besetzten die Angreifer das Schulgebäude und nahmen etwa 1127 Geiseln, darunter viele Kinder, in ihre Gewalt. Mindestens fünf Menschen sollen beim ersten Angriff ums Leben gekommen sein; aus dem Schulgebäude drangen wiederholt Schüsse.

Die Angreifer sperrten die Geiseln in eine Turnhalle und verminten sämtliche Eingänge und Räume in der Schule. Um eine Erstürmung des Gebäudes zu verhindern, drohten sie mit der Tötung von fünfzig Geiseln für jeden von der Polizei getöteten Entführer, sowie von zwanzig Geiseln für jeden verletzten (s.u.: Forderungen und Erklärungen der Geiselnehmer). Etwa fünfzig Menschen gelang die Flucht ins Freie im anfänglichen Durcheinander.

Die Schule wurde von russischer Polizei, Armee und OMON-Spezialeinheiten umstellt, die auf das Eintreffen der FSB-Sondereinheiten, ALFA und Wympel warteten; das Gelände wurde allerdings nicht sachgemäß abgeriegelt, so dass viele Anwohner von Beslan Zugang zum Schulgebäude hatten. Die russische Regierung kündigte zunächst an, zum Schutz der Geiseln auf Gewalt zu verzichten und mit den Geiselnehmern zu verhandeln. Es kam jedoch nur zu einer Unterredung mit dem Ex-Präsidenten von Inguschetien (Ruslan Auschew). Ihm gelang es, Kleinkinder im Babyalter und ihre Mütter zu befreien.

Die Geiselnehmer lehnten die Lieferung von Nahrungsmitteln und Wasser ab, obwohl sich unter den Geiseln auch Kleinkinder befanden. Der Durst der Gefangenen und die Hitze waren so stark, dass diese teilweise ihren Urin tranken und sich bis auf die Unterwäsche auszogen. Der Schulleiter, der an Diabetes litt, starb, weil ihm die nötige Versorgung mit Insulin verweigert wurde.

Auf Antrag Russlands fand am Abend des 1. September eine Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrates statt, der die sofortige und unbedingte Freilassung aller Geiseln des Terrorüberfalls forderte; US-Präsident George W. Bush bot Russland „Unterstützung in jeder möglichen Form“ an.

Am Donnerstag, 2. September, 15:30 Uhr Ortszeit - dreißig Stunden nach dem Überfall -, waren zwei schwere Explosionen im Schulbereich zu hören und dunkler Rauch zu sehen. Die Ursache der Explosion war zunächst unklar, nach Angaben eines Korrespondenten der russischen Fernsehstation NTW klang es jedoch wie ein Granatwerfer, der möglicherweise von der Schule aus auf die blockierenden Truppen abgefeuert worden war. 26 Geiseln, einige Mütter mit ihren Kindern, wurden freigelassen.

Am Freitag, 3. September, einigten sich die Geiselnehmer und die russischen Einheiten auf den Abtransport von Leichen. Während des Abtransports kam es auf ungeklärte Weise zu einer starken Explosion. Als eine Gruppe von Geiseln die Flucht aus dem Gebäude ergriff, begannen die Terroristen auf sie zu schießen, so die offizielle Version des Geschehens; es wurden jedoch der Öffentlichkeit nur entstellte Leichen präsentiert, was auf ein Abstürzen des Daches im Sportsaal deuten könnte. Die Lage wurde unüberschaubar, und ab etwa 12:30 Uhr Ortszeit entwickelten sich stundenlange Feuergefechte, in deren Verlauf russische ALFA- und Wympel-Einheiten das Schulgebäude stürmten. Russische Militärs gaben Panzerschüsse auf das Schulgebäude ab, doch erst nach mehreren Stunden konnten sie es vollständig unter ihre Kontrolle bringen. Wie später bekannt wurde, waren sich die Sondereinheiten nicht einig, wer die oberste Befehlsgewalt bei der angeblich spontanen Erstürmung innehaben sollte.

Im Verlauf der Kämpfe stürzte die Decke im Sportsaal der Schule ein, was viele Menschen das Leben kostete. Offiziellen Angaben zufolge wurde die Decke von den Terroristen gesprengt, anderen Angaben zufolge wurde der Einsturz durch unangemessenen Einsatz militärischer Mittel von den russischen Spezialkräften herbeigeführt. Für die zweite Version des Geschehens spricht die Tatsache, dass mehrere Überlebende, die sich im Sportsaal befunden hatten, die an der Decke angebrachten Bomben dicht über ihrem Kopf hatten; sollten diese Bomben die Explosion hervorgerufen haben, wären die Geiseln nicht am Leben geblieben.

Während der offenbar planlosen Erstürmung wurden nach offiziellen Angaben 704 Menschen verletzt, darunter mehr als 200 Kinder. Insgesamt gab es 334 Tote. Allein im Leichenschauhaus von Wladikawkas wurden jedoch 394 Tote gezählt. 27 Geiselnehmer wurden getötet (darunter zwei Frauen), ein Geiselnehmer (Nurpaschi Kulajew) wurde lebend festgenommen, zwei weitere wurden von Militärs bei der Festnahme getötet. Nurpaschi Kulajew wurde im Mai 2006 zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach Augenzeugenberichten soll mehreren Geiselnehmern die Flucht geglückt sein, was die russischen Medien und die zu diesem Zweck einberufene Kommission vehement verneinten. Erst Ende 2006 gab die russische Seite zu, mindestens einen weiteren Terroristen, der die Geiselnahme von Beslan überlebt hatte, auf die Fahndungsliste gesetzt zu haben.

Die Geiselnehmer waren gut ausgerüstet und hatten möglicherweise Helfer außerhalb der Schule. Sie hatten als Bauarbeiter getarnt bei der zuvor stattgefundenen Schulrenovierung bereits umfangreiche Waffenlager unter den Dielen einiger Schulräume angelegt. Beobachter verweisen hier auch auf Korruption bei örtlichen Amtsträgern, ohne die eine solche Aktion insgesamt kaum durchführbar wäre. Diese Angaben haben die Geiseln allerdings nicht bestätigt. Auch das Schulpersonal bestätigt diese Angabe nicht, zwei Lehrer der Schule waren mit der Erneuerung der Böden beauftragt, diese haben hierfür ihre Verwandten engagiert.

Nach der Darstellung der tschetschenischen Seite wollte der russische Geheimdienst Terroristen in eine Falle in Nordossetien locken. Russische Militärs öffneten der militanten Gruppe zu diesem Zweck einen Korridor; die Geiselnehmer durchkreuzten jedoch die Pläne des Geheimdienstes, indem sie gut ausgerüstet für den Aufmarsch an einem anderen Ort, nämlich in Beslan, zuschlugen.

Identität der Angreifer

Die Identität der Angreifer war unklar, aber man ging allgemein davon aus, dass es sich um Terroristen aus dem nahe gelegenen Tschetschenien handelt, wahrscheinlich aus der Gruppe Rijadus-Salichin des Warlords Schamil Bassajew, der nur an der Planung der Geiselnahme beteiligt war, nicht aber an der Durchführung. Nach dem Attentat versteckte sich Bassajew in Tschetschenien vor der russischen Staatsmacht und stieg zu einer Art „Chefterrorist“ der Tschetschenen auf. Im November 2006 wurde russischen Angaben zufolge seine Leiche gefunden. Offiziellen Angaben, wonach unter den Tätern mehrere Terroristen aus arabischen Ländern waren, widersprachen die Geiseln, sodass diese Behauptung wieder zurückgenommen werden musste. Ein angeblicher Schwarzer stellte sich als mit Ruß verschmierter Tschetschene heraus. Der Tschetschene Nurpaschi Kulajew war nach offiziellen Angaben der einzige Geiselnehmer, der die Erstürmung überlebt hatte. Er war im Chaos der Befreiungsaktion durch mehrere Polizeiabsperrungen entkommen, bevor er von Passanten gestellt wurde. Er wurde im Mai 2006 schuldig gesprochen.

Das Vorgehen der Geiselnehmer ähnelt auffallend der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater vom Oktober 2002, als militante Tschetschenen 700 Geiseln nahmen. Die Aktion fand eine Woche nach dem terroristischen Anschlag von Tschetschenen auf eine U-Bahn-Station in Moskau mit 10 Todesopfern und der Sprengung zweier Passagierflugzeuge durch Selbstmordattentäterinnen mit 89 Toten statt. Die russische Regierung schrieb die Anschläge abschließend nicht tschetschenischen Aufständischen zu, sondern sprach von „internationalem Terrorismus“.

Opfer

Es starben 334 Menschen, die meisten von ihnen sind die Geiseln u.a. 186 Kinder gewesen.


- Kinder 1-17 Jahre: 186

- Lehrer / Mitarbeiter der Schule: 17

- Kämpfer der Sondereinheit: 10

- Mitarbeiter МЧС: 2

- Verwandte und Freunde der Schüler: 118

- Mitarbeiter der Miliz: 1

- In der Summe: 334


Die Zahlen weichen von Quelle zur Quelle leicht ab.

Forderungen und Erklärungen der Geiselnehmer

Die Geiselnehmer haben in zwei schriftlichen Mitteilungen, die während des Terroraktes übergeben worden sind, ihre Forderungen kundgetan. In der ersten Mitteilung war folgender Inhalt zu lesen:

Original: 8-928-738-33-374

Мы требуем на переговоры президента республики Дзасохова, Зязикова, президента Ингушетии, Рашайло, дет врача. Если убьют любого из нас, расстреляем 50 человек. Если ранят любого из нас, убьем 20 человек. Если убьют из нас 5 человек, мы все взорвем. Если отключат свет, связь на минуту мы расстреляем 10 человек.

Übersetzung ins Deutsche: „8-928-738-33-374

Wir fordern zur Unterredung den Präsidanten der Republik Herrn Dsassochow, Sjasikow, den Präsidenteten von Inguschetien, Roschailo, den Kinderarzt. Wenn einer von uns getötet wird, erschießen wir 50 Menschen. Wenn einer von uns verwundet wird, töten wir 20 Menschen. Falls 5 von uns getötet werden, werden wir alles explodieren. Falls das Licht abgeschaltet wird, die Verbindung nur für eine Minute, erschießen wir 10 Menschen.“[eigener Übersetzung entstanden]

Die zweite Mitteilung wurde mit dem Ex-Präsidenten von Inguschetien (Ruslan Auschew) an die Außenwelt übergeben und enthält abgesehen von den Forderungen auch die Absicht der Geiselnehmer. Die Mitteilung ist von Schamil Bassajew an Russlands Präsidenten W.W. Putin adressiert.

Original: От раба Аллах1а

Шамиля Басаева

Президенту РФ

В.В. Путину

Владимир Путин, эту войну начал не ты. Но ты можешь ее закончить, если тебе хватит мужества и решимости Де Голля. Мы предлагаем тебе разумный мир на взаимно выгодной основе по принципу: "Независимость в обмен на безопасность". В случае вывода войск и признания независимости Чеченской Республики Ичкерия, мы обязуемся: не заключать ни с кем против России никаких политических, военных и экономических союзов, не размещать на своей территории иностранные военные базы, даже на временной основе, не поддерживать и не финансировать группы или организации, ведущие вооруженные методы борьбы против РФ, находиться в единой рублевой зоне, войти в состав СНГ.

Кроме того, мы можем подписать ДКБ, хотя нам более приемлем статус нейтрального государства. Также мы можем гарантировать отказ всех мусульман России от вооруженных методов борьбы против РФ, как минимум на 10-15 лет, при условии соблюдении свободы вероисповедания (что, <нрзб> закреплено в Конституции РФ). Мы не имеем отношения к взрывам домов в Москве и Волгодонске, но можем в приемлемой форме и это взять на себя. Чеченский народ ведет национально-освободительную борьбу за свою Свободу и Независимость, за свое самосохранение, а не для того, чтобы разрушить Россию или ее унизить. Будучи свободными, мы будем заинтересованы в сильном соседе. Мы предлагаем тебе мир, а выбор за тобой.

Аллах1у Акбар Подпись 30.08.04

Übersetzung:

Wladimir Putin, diesen Krieg hast nicht du begonnen. Aber du kannst ihn beenden, wenn dein Mut und deine Entscheidungskraft [de Gaulle] reichen. Wir bieten dir vernünftigen Frieden an auf gegenseitig nutzenbringender Basis nach dem Prinzip: „Unabhängigkeit als Tausch gegen die Sicherheit“.

Im Falle des Abzuges der Truppen und der Anerkennung der Unabhängigkeit der tschetschenischen Republik Itschkeria, verpflichten wir uns: Mit niemandem politische, militärische oder ökonomische Bündnisse gegen Russland einzugehen, keine ausländischen militärischen Lager auf dem eigenen Boden stationieren zu lassen, selbst für kurze Zeit nicht, keine Unterstützung, auch keine finanzielle, den Gruppen und Organisationen zu gewähren, die bewaffnete Kampfmethoden gegen die Russische Republik anwenden, das Verbleiben in der Rubel-Zone, Beitreten der Unabhängigen Staatengemeinschaft (СНГ).

Außerdem können wir die Abrede Kollektiver Sicherheit (ДКБ) unterschreiben, obwohl uns der Status der Neutralität lieber wäre. Außerdem können wir die Unterlassung aller bewaffneter Kampfmethoden gegen die Russische Föderation durch die Muslime Russlands garantieren, Minimum für 10-15 Jahre, unter der Bedingung der Befolgung der Religionsfreiheit (die , [<нрзб>] in der Verfassung der Russischen Föderation festgehalten ist).

Wir stehen nicht im Verhältnis mit den Explosionen der Häuser in Moskau und in Wolgodonsk, könne diese aber in angemessener Weise auf uns nehmen.

Das tschetschenische Volk führt einen Nationalbefreihungskampf für die eigene Freiheit und Unabhängigkeit, für die eigene Selbsterhaltung, und nicht um die Zerstöung und Erniedrigung Russlands. In Zukunft unabhängig, werden wir an einem starken Nachbar interessiert sein. Wir bieten dir den Frieden an, und die Wahl musst du treffen.[eigener Übersetzung entstanden]

Informationspolitik der Behörden

Während Lokalsender von 1200 Geiseln sprachen, nannte ein Sprecher des nordossetischen Präsidenten und des Geheimdienstes FSB zunächst die Zahl von 130 und später von 354 Geiseln. Erst nachdem am 2. September eine freigelassene Frau öffentlich von „über 1000 Geiseln“ sprach, wurde diese Zahl etwas nach oben korrigiert; der amtierende Präsident von Nordossetien, Alexander Dschasochow, räumte ein, dass zunächst falsche Zahlen genannt worden waren. Noch Stunden nach der Erstürmung berichteten die russischen Fernsehstationen nicht, dass dabei Menschen ums Leben gekommen waren. Kritiker des Einsatzes der Sondereinheiten des Innenministeriums sollen unter Druck der Regierung geraten sein: Raf Schakirow, der Chefredakteur der renommierten Tageszeitung Iswestija, wurde auf Wunsch eines Großaktionärs der Zeitung entlassen. Dieses Vorgehen verfolgte möglicherweise den Zweck, die angeheizte Stimmung nicht noch weiter eskalieren zu lassen. Kritisiert wurde auch die später zurückgenommene Behauptung offizieller Stellen, unter den Terroristen befänden sich mindestens zehn Araber. Der russischen Regierung wurde vorgeworfen, dadurch Verbindungen der Tschetschenen zum internationalen Terrornetzwerk Al-Qaida herstellen zu wollen. Der festgenommene Geiselnehmer Nurpaschi Kulajew sagte im Fernsehen, dass der Anschlag auf den tschetschenischen Ex-Präsidenten Aslan Alijewitsch Maschadow sowie den tschetschenischen Warlord Schamil Bassajew zurückgehe, auf deren Kopf eine Belohnung von 10 Millionen Dollar ausgesetzt war. Aslan Maschadow dementierte eine Beteiligung, Schamil Bassajew hingegen bekannte sich zu diesem Terrorakt und drohte weitere Anschläge an. Dies bekräftigte er in einem Interview mit einem Team des amerikanischen Fernsehsenders CBS im Juli 2005. Er bekenne sich zwar voll zu seiner Verantwortung, sei jedoch von Russland zu diesen Taten getrieben worden. Die Ausstrahlung des Interviews führte zu diplomatischen Verwicklungen zwischen den USA und Russland, als erstere die Kontaktaufnahme eines Journalisten mit einem Terroristen nicht wie von Russland gefordert verurteilten. Die USA bemühte sich um Schadensbegrenzung, verurteilte den Sender CBS aber nicht, da dies ihrem Verständnis von demokratischen Rechten widersprochen hätte. Der ausländischen - vor allem westeuropäischen - Berichterstattung wird im Gegenzug teilweise der Vorwurf gemacht, sie vermittele den Eindruck, Putin sei mit seiner Tschetschenienpolitik Schuld an dem Massaker.

Folgen für die russische Politik

Im Gefolge der Geiselnahme kündigte Russlands Präsident Wladimir Putin eine Reihe von Umstrukturierungen an, die seiner Auffassung nach das Land stabilisieren und künftige terroristische Aktivitäten verhindern sollten. Zu diesem Zweck sollte vor allem die Macht des Kreml ausgeweitet werden, um die Einhaltung föderaler Gesetze sicherzustellen. Weiterhin solle die Zusammenarbeit der verschiedenen Sicherheitsorgane verbessert werden.

Die Gouverneure der Regionen und Republiken Russlands sollen in Zukunft vom Präsidenten vorgeschlagen werden; die Regionalparlamente sollen diese nur noch bestätigen oder ablehnen. Außerdem solle die Duma nur noch nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden (bei den Parlamentswahlen 2003 hätte die kremlnahe Partei Einiges Russland mit diesem Wahlsystem noch mehr Sitze erlangt).

Entsprechende Gesetze wurden Ende 2004 verabschiedet; sie sollten laut Ankündigung Putins die Verfassung nicht verletzen. Am 5. September 2004 trat der nord-ossetische Innenminister Kasbek Dsantijew zurück.

Im Zusammenhang mit der geplanten Einrichtung eines zentralen Antiterrordienstes sagte Putin später: „Terroristen müssen direkt in ihren Lagern vernichtet werden. Wenn es nötig ist, muss man sie auch im Ausland erwischen.“ Weitere Bemerkungen Putins zum „ausländischen Einfluss“ bei der groß angelegten Geiselnahme wurden von den meisten Beobachtern als Verweis auf al-Qaida verstanden. Einige vermuteten darin aber auch eine Anspielung auf eine gezielte Strategie der USA, wie sie etwa der US-Politikberater Zbigniew Brzeziński formulierte, um Russlands Südgrenze anhaltend zu destabilisieren.

Quellen: