Fritz Sack: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
340 Bytes hinzugefügt ,  23:54, 31. Mär. 2022
K
keine Bearbeitungszusammenfassung
K
 
(15 dazwischenliegende Versionen von 2 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
'''Prof. Dr. Dr. h. c. Fritz Martin Reinhold Sack''' ist ein deutscher Soziologe und Kriminologe. Er wurde am 26. Februar 1931 in Neumark (heute Stare Czarnowo) im Landkreis Greifenhagen in Pommern geboren. Er gilt als Spiritus rector der [[Kritische Kriminologie|Kritischen Kriminologie]] und hat den [[Labeling Approach]]  in der radikalen Ausprägung in die deutsche Sozialforschung eingeführt und weiterentwickelt.
'''Prof. Dr. Dr. h. c. Fritz Martin Reinhold Sack''' ist ein deutscher Soziologe und Kriminologe. Er wurde am 26. Februar 1931 in Neumark (heute Stare Czarnowo) im Landkreis Greifenhagen in Pommern geboren. Er gilt als Spiritus Rector der [[Kritische Kriminologie|Kritischen Kriminologie]] und hat den [[Labeling Approach]]  in der radikalen Ausprägung in die deutsche Sozialforschung eingeführt und weiterentwickelt.
 
 
----
 
'''wird bearbeitet von Johann v. Borby'''
 
----




Zeile 15: Zeile 8:


Nach dem Abitur an der Oberrealschule II am Königsweg in Kiel 1951 absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Steuerinspektor bei der Landesfinanzverwaltung Schleswig-Holstein in Kiel. Ebenfalls in Kiel begann Sack 1954 mit dem Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität.
Nach dem Abitur an der Oberrealschule II am Königsweg in Kiel 1951 absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Steuerinspektor bei der Landesfinanzverwaltung Schleswig-Holstein in Kiel. Ebenfalls in Kiel begann Sack 1954 mit dem Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität.




Zeile 22: Zeile 16:
Das Studium hat Fritz Sack ab 1955 in Köln weitergeführt und 1958 als Diplom-Kaufmann abgeschlossen. An der Universität zu Köln traf er auf [[René König]], der seit 1948/49 Professor für Soziologie an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät und ab 1955 erster Direktor des „Forschungsinstituts für Soziologie" der Universität zu Köln gewesen war. Fritz Sack promovierte 1963 mit der Arbeit „Integration und Anpassung des Handwerks in der industriellen Gesellschaft“.
Das Studium hat Fritz Sack ab 1955 in Köln weitergeführt und 1958 als Diplom-Kaufmann abgeschlossen. An der Universität zu Köln traf er auf [[René König]], der seit 1948/49 Professor für Soziologie an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät und ab 1955 erster Direktor des „Forschungsinstituts für Soziologie" der Universität zu Köln gewesen war. Fritz Sack promovierte 1963 mit der Arbeit „Integration und Anpassung des Handwerks in der industriellen Gesellschaft“.


Zunächst noch reiner Soziologe, führte ihn die Arbeit als wissenschaftlicher Assistent bei René König hin zur Kriminalsoziologie. In Deutschland ist die universitäre Kriminologie zu diesem Zeitpunkt weitgehend den rechtswissenschaftlichen Fakultäten zugeordnet und wird als Annexfach zum Strafrecht gelehrt. Während König noch die Bedeutung der Kriminalsoziologie für die Betrachtung des Gesellschaftlichen teilte, so trennten sich die Wege in der theoretischen Orientierung. Die inhaltliche Ausrichtung, die Sack schon sehr bald wegführte von der traditionellen ätiologischen Kriminologie und folglich auch von der Lehre René Königs, fand während des USA-Aufenthalts an der University of California in Berkeley ihren Ursprung. Kalifornien war die letzte Station seiner USA-Reise, nachdem er das Gastsemester als Research Assistent an der Columbus State University in Ohio bei [[Walter Reckless]] abgebrochen hatte und bei einem kurzen Aufenthalt in Toronto mit den Arbeiten [[Aaron Cicourel]]s (hier insbesondere das druckfrische ''Method and measurement'')<ref>Method and measurement in sociology Verfasser: Cicourel, Aaron Victor New York : Free Press [u.a.], 1967</ref> in Kontakt kam. Sack bezeichnete diese Situation später als sein „Konversionserlebnis“. 1964 wurde Fritz Sack für die Liste der SPD in den Kölner Stadtrat gewählt.
Zunächst noch reiner Soziologe, führte ihn die Arbeit als wissenschaftlicher Assistent bei René König hin zur Kriminalsoziologie. In Deutschland ist die universitäre Kriminologie zu diesem Zeitpunkt weitgehend den rechtswissenschaftlichen Fakultäten zugeordnet und wird als Annexfach zum Strafrecht gelehrt. Während Fritz Sack mit seinem Mentor König noch die Bedeutung der Kriminalsoziologie für die Betrachtung des Gesellschaftlichen teilt, trennten sich die Wege in der theoretischen Orientierung. Die inhaltliche Ausrichtung, die Sack schon sehr bald wegführte von der traditionellen ätiologischen Kriminologie und folglich auch von der Lehre René Königs, fand während des USA-Aufenthalts an der University of California in Berkeley ihren Ursprung. Kalifornien war die letzte Station seiner USA-Reise, nachdem er das Gastsemester als Research Assistent an der Columbus State University in Ohio bei [[Walter Reckless]] abgebrochen hatte und bei einem kurzen Aufenthalt in Toronto mit den Arbeiten [[Aaron Cicourel]]s (hier insbesondere das druckfrische ''Method and measurement'')<ref>Method and measurement in sociology Verfasser: Cicourel, Aaron Victor New York : Free Press [u.a.], 1967</ref> in Kontakt kam. Sack bezeichnete diese Situation später als sein „Konversionserlebnis“. 1964 wurde Fritz Sack für die Liste der SPD in den Kölner Stadtrat gewählt.


Der Sammelband „Kriminalsoziologie" (1968), der noch zusammen mit König herausgegeben wurde, trägt bereits erste Anzeichen der Neuausrichtung. Im Nachwort „Neue Perspektiven in der Kriminologie" verarbeitete Sack seine neu erworbenen Erkenntnisse zum [[Symbolischer Interaktionismus|Symbolischen Interaktionismus]] und des [[Paradigma|Interpretativen Paradigmas]]. 1969 gründete Fritz Sack zusammen mit [[Lieselotte Pongratz]] und [[Stephan Quensel]] den [[Arbeitskreis Junger Kriminologen]]. Dieser diente zunächst als Forum für sozialwissenschaftlich orientierte Wissenschaftler, die sich von der rechtswissenschaftlichen Ausprägung der Kriminologie abgrenzen wollten. Der AJK ist Herausgeber des [[Kriminologisches Journal|Kriminologischen Journals]] dessen Redakteur Sack über viele Jahre bleibt und seine Tätigkeit dabei später im wissenschaftlichen Beirat fortsetzt. Im selben Jahr beauftragte die [[Deutsche Forschungsgesellschaft]] Sack mit einer Studie über die Reaktion der Öffentlichkeit auf durch Contergan geschädigte Kinder.  
Der Sammelband „Kriminalsoziologie" (1968), der noch zusammen mit König herausgegeben wurde, trägt bereits erste Anzeichen der Neuausrichtung. Im Nachwort „Neue Perspektiven in der Kriminologie" verarbeitete Sack seine neu erworbenen Erkenntnisse zum [[Symbolischer Interaktionismus|Symbolischen Interaktionismus]] und des [[Paradigma|Interpretativen Paradigmas]]. 1969 gründete Fritz Sack zusammen mit [[Lieselotte Pongratz]] und [[Stephan Quensel]] den [[Arbeitskreis Junger Kriminologen]]. Dieser diente zunächst als Forum für sozialwissenschaftlich orientierte Wissenschaftler, die sich von der rechtswissenschaftlichen Ausprägung der Kriminologie abgrenzen wollten. Der AJK ist Herausgeber des [[Kriminologisches Journal|Kriminologischen Journals]], dessen Redakteur Sack über viele Jahre bleibt und seine Tätigkeit für das Kriminologische Journal später im wissenschaftlichen Beirat fortsetzt. Im selben Jahr beauftragte die [[Deutsche Forschungsgesellschaft]] Sack mit einer Studie über die Reaktion der Öffentlichkeit auf durch Contergan geschädigte Kinder.  


Fritz Sack habilitierte 1970 an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln mit dem Werk „Strukturen und Prozesse in einem Delinquenzviertel Köln. Ein Beitrag zur Kriminalsoziologie.“ und erwarb die Venia Legendi für Allgemeine Soziologie. Diese (unveröffentlicht gebliebene) Habilitationsschrift enthält bereits erste Muster zur Anwendung des Labeling Approach, der später in der weiteren Sozialforschung unweigerlich mit dem Namen Sack verknüpft bleiben wird. Die Habilitationsschrift war im Ursprung eine Auftragsarbeit der Stadt Köln, in der Sack nachwies, dass Delinquenzviertel über Jahrhunderte hinweg eine Tradition hinsichtlich abweichenden Verhaltens ihrer Bewohner aufwiesen.
Fritz Sack habilitierte 1970 an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln mit dem Werk „Strukturen und Prozesse in einem Delinquenzviertel Köln. Ein Beitrag zur Kriminalsoziologie.“ und erwarb die Venia Legendi für Allgemeine Soziologie. Diese (unveröffentlicht gebliebene) Habilitationsschrift enthält bereits erste Muster zur Anwendung des Labeling Approach, der später in der weiteren Sozialforschung unweigerlich mit dem Namen Sack verknüpft bleiben wird. Die Habilitationsschrift war im Ursprung eine Auftragsarbeit der Stadt Köln, in der Sack nachwies, dass Delinquenzviertel über Jahrhunderte hinweg eine Tradition hinsichtlich abweichenden Verhaltens ihrer Bewohner aufwiesen.
Zeile 33: Zeile 27:


   
   
1970 nimmt Sack den Ruf der Universität Regensburg an und hat den Lehrstuhl für Soziologie für 4 Jahre inne. Dem Ruf an die Universität Wien im selben Jahr folgt Sack nicht. An der Universität Bremen nimmt Sack die Tätigkeit im Gründungssenat auf. Zusammen mit Georg Heike leitet Sack ein Projekt der DFG zur Soziophonik.  
1970 nimmt Sack den Ruf der Universität Regensburg an und hat den Lehrstuhl für Soziologie für vier Jahre inne. Dem Ruf an die Universität Wien im selben Jahr folgt Sack nicht. An der Universität Bremen nimmt Sack die Tätigkeit im Gründungssenat auf. Zusammen mit Georg Heike leitet Sack 1971 ein Projekt der DFG zur Soziophonik.  




Zeile 40: Zeile 34:


   
   
1974 folgt Fritz Sack dem Ruf an die Rechtsfakultät der Universität Hannover. Der Lehrstuhl "Kriminologie" wird auf Bestreben Sacks hin umbenannt in Professur für „Deviantes Verhalten und Soziale Kontrolle". Sack wird ein Jahr später Dekan der Fakultät.
1974 folgt Fritz Sack dem Ruf an die Rechtsfakultät der Universität Hannover. Der Lehrstuhl „Kriminologie" wird auf Bestreben Sacks hin umbenannt in Professur für „Deviantes Verhalten und Soziale Kontrolle". Sack wird ein Jahr später Dekan der Fakultät.


In Hannover fand Sack zunächst wieder zu dem von König vermittelten französischen Einfluss zurück und engagierte sich u.a. bei der Zeitschrift [[Déviance et Société]]. Er erkannte, dass der von Émile Durkheim genuin soziologische Zugriff auf die Kriminaltität in der deutschen Diskussion vernachlässigt wurde und griff die Tradition in seiner Lehre wieder auf.
In Hannover fand Sack zunächst wieder zu dem von König vermittelten französischen Einfluss zurück und engagierte sich u. a. bei der Zeitschrift [[Déviance et Société]]. Er erkannte, dass der von Émile Durkheim auf den Ursprung zurück führende soziologische Zugriff auf die Kriminalität in der deutschen Diskussion vernachlässigt wurde und greift die Tradition in seiner Lehre wieder auf.
In der Aufarbeitung der Geschehnisse im Verlauf des [http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Herbst Deutschen Herbst] übernahm Fritz Sack 1978 die Leitung eines Projekts zur Erforschung der Ursachen des Terrorismus im Auftrag des Bundesministers des Innern. Einem Ruf auf den Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie an die Universität Bielefeld im gleichen Jahr folgt Sack nicht.  
In der Aufarbeitung der Geschehnisse im Verlauf des [http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Herbst Deutschen Herbst] übernahm Fritz Sack 1978 die Leitung eines Projekts zur Erforschung der Ursachen des Terrorismus im Auftrag des Bundesministers des Innern. Einem Ruf auf den Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie an die Universität Bielefeld im gleichen Jahr folgt Sack nicht.  


Zeile 48: Zeile 42:




1984 nahm Fritz Sack den Ruf auf den Lehrstuhl für Kriminologie an der Fakultät für Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg an, wobei dieser Teil dem Fachbereich II in der reformierten einstufigen Juristenausbildung angehörte. Dieser Lehrstuhl Kriminologie war der erste und einzige auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Fritz Sack führte die Arbeit von [[Lieselotte Pongratz]] fort und gründete den Aufbaustudiengang Kriminologie als zweijähriges Postgraduierten Studium. Fritz Sack emiritierte 1996.  
1984 nahm Fritz Sack den Ruf auf den Lehrstuhl für Kriminologie an der Fakultät für Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg an, wobei dieser Teil dem Fachbereich II in der reformierten einstufigen Juristenausbildung angehörte. Dieser Lehrstuhl Kriminologie war der erste und einzige auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Fritz Sack führte die Arbeit von [[Lieselotte Pongratz]] fort und gründete den Aufbaustudiengang Kriminologie als zweijähriges Postgraduierten Studium. Fritz Sack emeritierte 1996.  




Zeile 54: Zeile 48:




Fritz Sack war in den Jahren 1998 und 1999 Mitglied der Hamburger Polizeikommission, die nach dem Hamburger Polizeiskandal Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung für den praktischen Umgang mit möglichen polizeilichen Fehlverhalten verknüpfen sollte.
Fritz Sack war in den Jahren 1998 und 1999 Mitglied der Hamburger Polizeikommission, die nach dem Hamburger Polizeiskandal Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung für den praktischen Umgang mit möglichem polizeilichen Fehlverhalten verknüpfen sollte.


Sack ist Mitglied im Kuratorium der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität und im Beirat der Humanistischen Union, nachdem er 1997 bis 2003 Mitglied des Bundesvorstands gewesen war.
Sack ist Mitglied im Kuratorium der [http://www.ahs-online.de/wb/pages/startseite.php Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität] und im Beirat der Humanistischen Union, nachdem er dort 1997 bis 2003 Mitglied des Bundesvorstands gewesen war.
Er leitet zusammen mit [[Sebastian Scheerer]] das [[Institut für Sicherheits- und Präventionsforschung]] in Hamburg.
Er leitet zusammen mit [[Sebastian Scheerer]] das [[Institut für Sicherheits- und Präventionsforschung]] in Hamburg.


Zeile 63: Zeile 57:
Die [[Gesellschaft für interdisziplinäre wissenschaftliche Kriminologie]] (GiwK) vergibt im 2-Jahres Turnus den [http://www1.uni-hamburg.de/giwk/preis.html Fritz-Sack-Preis]. Zum 65. Geburtstag von Fritz Sack wurde die Festschrift ''Politischer Wandel, Gesellschaft und Kriminalitätsdiskurse'' von [[Trutz von Trotha]] herausgegeben.
Die [[Gesellschaft für interdisziplinäre wissenschaftliche Kriminologie]] (GiwK) vergibt im 2-Jahres Turnus den [http://www1.uni-hamburg.de/giwk/preis.html Fritz-Sack-Preis]. Zum 65. Geburtstag von Fritz Sack wurde die Festschrift ''Politischer Wandel, Gesellschaft und Kriminalitätsdiskurse'' von [[Trutz von Trotha]] herausgegeben.
   
   
Die eigens zu diesem Zweck von Aldo Legnaro, Carmen Gransee, Detlef Nogala, Reinhard Kreissl und Susanne Krasmann gegründete '''Criminologische Vereinigung''' veröffentlichte zum 70. Geburtstag von Fritz Sack den Band ''Retro-Perspektiven der Kriminologie''.  
Die eigens zu diesem Zweck von [[Aldo Legnaro]], [[Carmen Gransee]], [[Detlef Nogala]], Reinhard Kreissl und [[Susanne Krasmann]] gegründete '''Criminologische Vereinigung''' veröffentlichte zum 70. Geburtstag von Fritz Sack den Band ''Retro-Perspektiven der Kriminologie''.  


Die Ehrendoktorwürde wurde Fritz Sack am 1. Juni 2006 von der Universität Kreta verliehen.  
Die Ehrendoktorwürde wurde Fritz Sack am 1. Juni 2006 von der Universität Kreta verliehen.  
Zeile 71: Zeile 65:
   
   


Die Arbeit von Fritz Sack ist geprägt davon, die herrschende Meinung in Frage zu stellen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Wo die Meinung eine Position der Herrschenden einnimmt und zu Repression und Ausgrenzung führt, bleibt Fritz Sack ein akribischer Arbeiter, der keine Scheu kennt gegen die Mehrheit zu argumentieren, wobei er durchaus politisch motiviert agiert. Er zeichnet sich durch eine "kritische Distanz und intellektuelle Unzufriedenheit mit dem Status Quo" (Kreissl 2001: 3) aus. Unermüdlich weist Sack in den Jahren seines Schaffens die „Medikalisierung der Abweichung“ als alternatives Subsystem zum Strafrecht innerhalb der Sozialkontrolle nach. (Sack 1969a). Sack formuliert, dass der Täter als solcher „das Endprodukt eines komplexen sozialen Geschehens“ ist, „um dessen Analyse der Kriminologe zu allererst bemüht sein muss“ (Sack 1969a). Diese Ansicht und Herangehensweise zieht sich wie ein roter Faden durch alle Werke und kennzeichnet bereits 1969 den „Kernpunkt der Kritik an der bisherigen Kriminologie“. Aufbauend auf „Überwachen und Strafen“ <ref>Überwachen und Strafen Frankfurt am Main 1977. (fr. Ausgabe Surveiller et punir– la naissance de la prison, Paris 1975)</ref> von [[Michel Foucault]] postulierte Sack einen radikalen Paradigmenwechsel in der Kriminologie. Dabei scheute sich Sack auch nicht, gelegentlich Wegbegleitern vor den Kopf zu stossen und auf Konfrontationskurs zur „korrumpierende Nähe der Kriminologie zum Strafrecht“ (Sack 1978: 385) zu gehen.  
Die Arbeit von Fritz Sack ist geprägt davon, die herrschende Meinung in Frage zu stellen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Wo die Meinung eine Position der Herrschenden einnimmt und zu Repression und Ausgrenzung führt, bleibt Fritz Sack ein akribischer Arbeiter, der keine Scheu kennt gegen die Mehrheit zu argumentieren, wobei er durchaus politisch motiviert agiert. Er zeichnet sich durch eine "kritische Distanz und intellektuelle Unzufriedenheit mit dem Status Quo" (Kreissl 2001: 3) aus. Unermüdlich weist Sack in den Jahren seines Schaffens die „Medikalisierung der Abweichung“ als alternatives Subsystem zum Strafrecht innerhalb der Sozialkontrolle nach (Sack 1972a). Sack formuliert, dass der Täter als solcher „das Endprodukt eines komplexen sozialen Geschehens“ ist, „um dessen Analyse der Kriminologe zu allererst bemüht sein muss“ (Sack 1972a). Diese Ansicht und Herangehensweise zieht sich wie ein roter Faden durch alle Werke und kennzeichnet bereits 1969 den „Kernpunkt der Kritik an der bisherigen Kriminologie“. Aufbauend auf „Überwachen und Strafen“ <ref>Überwachen und Strafen Frankfurt am Main 1977. (fr. Ausgabe Surveiller et punir– la naissance de la prison, Paris 1975)</ref> von [[Michel Foucault]] postulierte Sack einen radikalen Paradigmenwechsel in der Kriminologie. Dabei scheute sich Sack auch nicht, gelegentlich Wegbegleitern vor den Kopf zu stoßen und auf Konfrontationskurs zur „korrumpierende[n] Nähe der Kriminologie zum Strafrecht“ (Sack 1978: 385) zu gehen.  


Leitmotiv seines Denkens und intellektuellen Handelns ist dabei ein „tiefsitzendes Misstrauen gegen kanonisierte und konsentierte Positionen“ (Kaiser 1996: 183) und wird dadurch zur Inspiration für einen kleinen Kreis von Kriminologen. Während sich Anfang der 1980er Jahre abzeichnet, dass die wissenschaftliche Erkenntnisse sich von der tatsächlichen Kriminalpolitik trennen, erkennt Fritz Sack bereits früh die Morgendämmerung der [[Punitivität]].
Leitmotiv seines Denkens und intellektuellen Handelns ist dabei ein „tiefsitzendes Misstrauen gegen kanonisierte und konsentierte Positionen“ (Kaiser 1996: 183. Er wurde dadurch zur Inspiration für einen kleinen Kreis von Kriminologen. Während sich Anfang der 1980er Jahre abzeichnet, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse sich von der tatsächlichen Kriminalpolitik trennen, erkennt Fritz Sack bereits früh die Morgendämmerung der [[Punitivität]].


Sack scheut dabei auch weiterhin keineswegs den Umgang mit Themen, die emotional aufgeladen sind, wie zum Beispiel durch seine Tätigkeit als Mitglied im Kuratorium der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität. Dieser Verein setzt sich dafür ein, dass der Gedanke der sexuellen Selbstbestimmung auch auf Bereiche angewendet werden sollte, die von weiten Teilen der Gesellschaft tabuisiert oder kriminalisiert werden.
Sack scheut dabei auch weiterhin keineswegs den Umgang mit Themen, die emotional aufgeladen sind, wie zum Beispiel durch seine Tätigkeit als Mitglied im Kuratorium der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität. Dieser Verein setzt sich dafür ein, dass der Gedanke der sexuellen Selbstbestimmung auch auf Bereiche angewendet werden sollte, die von weiten Teilen der Gesellschaft tabuisiert oder kriminalisiert werden.


Fritz Sack beschreibt die Kategorien der Moral, des Rechts und des Unrechts, beschreibt damit auch das Konzept der Kriminalität und bereitet so auch den Weg für viele Nachfolger, die die Kriminalpolitik und die neue Lust am Strafen als Kampf gegen die Armen und nicht als Kampf gegen die Armut enttarnen und somit wieder den Kreis der akademischen Laufbahn schließen, die zurückgeht auf die genuine Soziologie [[Émile Durkheim]]s: Soziales durch Soziales erklären.
Fritz Sack beschreibt die Kategorien der Moral, des Rechts und des Unrechts, beschreibt damit auch das Konzept der Kriminalität und bereitet so auch den Weg für viele Nachfolger, die die Kriminalpolitik und die neue Lust am Strafen als Kampf gegen die Armen und nicht als Kampf gegen die Armut enttarnen und somit wieder den Kreis der akademischen Laufbahn schließen, die zurück geht auf die genuine Soziologie [[Émile Durkheim]]s: Soziales durch Soziales erklären.


== '''Privat''' ==
== '''Privat''' ==


Fritz Sack ist verheiratet (1960) und Vater von drei Kindern (1964, 1967 und 1969 geboren). Er ist begeisterter Tischtennisspieler und lebt in Hamburg.
Fritz Sack ist seit 1960 verheiratet und Vater von drei Kindern (1964, 1967 und 1969 geboren). Er ist begeisterter Tischtennisspieler und lebt in Hamburg.


== '''Zitate über Fritz Sack'''==
== '''Zitate über Fritz Sack'''==
Zeile 417: Zeile 411:


<references>Method and measurement in sociology Verfasser: Cicourel, Aaron Victor New York : Free Press [u.a.], 1967
<references>Method and measurement in sociology Verfasser: Cicourel, Aaron Victor New York : Free Press [u.a.], 1967
[[Kategorie: Kriminologe]]
[[Kategorie: Soziologie ]]
[[Kategorie: Geboren 1931]]
[[Kategorie: Deutscher]]
[[Kategorie: Mann]]
<references />
[[Kategorie:Hochschullehrer (Universität Hamburg)]]
{{DEFAULTSORT:Sack, Fritz}}

Navigationsmenü