Drogenpolitik im Dritten Reich: Unterschied zwischen den Versionen

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*Streatfeild, Dominic : Gehirnwäsche. Die geheime Geschichte der Gedankenkontrolle
*Streatfeild, Dominic : Gehirnwäsche. Die geheime Geschichte der Gedankenkontrolle
*Schumacher, Dieter : Das Drogenhandbuch für legale und illegale Genuss- und Rauschmittel. Leipzig, 2005.
*Schumacher, Dieter : Das Drogenhandbuch für legale und illegale Genuss- und Rauschmittel. Leipzig, 2005.
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Version vom 15. September 2010, 23:53 Uhr

"1945 gab es in der deutschen Geschichte einen heftigen Einschnitt, jedoch nicht in der Drogenpolitik: Drogengesetze, die negative Drogen-Terminologie und der 'Krieg gegen das Rauschgift' wurden von den Nachkriegsdemokraten direkt von den Nazis übernommen und bis heute weitgehend beibehalten." [Pieper 2002: 9]


Rauschgiftbekämpfung im Dritten Reich

Das NS-Regime zeichnete sich nicht nur durch eine rigorose Rassenpolitik aus, sondern richtete ihr Augenmerk auch auf die Volksgesundheit. “Andersartigkeiten“ die zuwider der nationalsozialistischen Auffassung der Volksgesundheit liefen, wie etwa die Homosexualität aber auch der Rauschgiftkonsum wurden zur Staatsaufgabe erklärt.

Die Legitimierung der Rauschgiftbekämpfung beruht auf dem 21. Punkt des nationalsozialistischen Parteiprogramms (Hebung der Volkgesundheit) und umfasste sowohl den Kampf gegen Betäubungsmittel, als auch den gegen Tabak und Alkohol.

Schon vor der Machtergreifung Hitlers war ein „Gesetz über den Verkehr von Betäubungsmitteln“ (Opiumgesetz) am 10.12.1929 in Kraft getreten, welches erstmals Freiheitsstrafe als Sanktion androhte und eine „Verordnung über das Verschreiben von Betäubungsmittel enthaltenden Medikamenten und ihre Abgabe in Apotheken“ am 19.12.1930 erlassen worden, welche schärfere Vorschriften für die Verschreibung von Betäubungsmitteln vorsah. Im November 1933 wurden die „Maßregeln der Sicherung und Besserung“ (§§ 42b, c RStGB: Unterbringung von straffälligen Süchtigen in Heil- und Pflege- oder Entziehungsanstalten) eingeführt.

Nach der Gründung der „Reichsarbeitsgemeinschaft für Rauschmittelbekämpfung“ am 19.10.1934 übernahm diese Institution die Koordination und Durchführung der fürsorgerischen und medizinischen Hilfemaßnahmen. Drogenkonsumenten galten als „Asoziale“, welche die völkische Gesundheit schädigen. Der Rauschgiftsüchtige wurde unter eugenischen, „rassenhygienischen“ und sozialen Gesichtspunkten entweder als „rassisch wertvoller, in Not geratenen Volksgenosse“ beurteilt, der als „besserungsfähig“ galt oder als „erheblich minderwertig“ eingestuft. Die konkrete Zuordnung wurde meist willkürlich getroffen und entschied über Leben und Tod.

Vielen Drogenkonsumenten wurde auch eine „geistige Störung“ unterstellt, sodass diesen durch das „Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ vom 18.10.1935 eine Eheschließung untersagt wurde.

Drogenexperimente mit Tieren

Das erste Tierschutzgesetz wurde in Deutschland am 24.11.1933 von den Nationalsozialisten erlassen. Dieses verbot allerdings keine Tierversuche bezüglich Grundlagenforschungen oder der Erforschung medizinischer Präparate. So wurden beispielsweise Kaninchen, Hunde, Fische und Frösche Morphium, Haschisch oder auch Nikotin verabreicht, bis sie starben.

Die Drogenversuche an Tieren gaben jedoch keine zufriedenstellenden Erkenntnisse, da sich die Wirkung psychoaktiver Substanzen anhand der Testobjekte nur unzureichend erforschen lies. Ein Mitarbeiter, der bei den Experimenten mitwirkte stellte fest: „Da der Tierversuch keine ausreichende Wertung zulässt, müssen Versuche am Menschen durchgeführt werden“.


Drogenexperimente mit Menschen

In leistungsfordernden Tätigkeiten, die den menschlichen Körper an seine Belastungsgrenzen bringen kann ein Leistungsabfall des Menschen oftmals gravierende Folgen haben. Die Idee eines Mittels zur Leistungssteigerung der Soldaten und einer Wahrheitsdroge, welche zu Verhörzwecken eingesetzt werden sollte gaben die Richtung der Drogenexperimente in der Zeit des Nationalsozialismus vor.


Drogenversuche mit Soldaten

Gerade in Kriegszeiten ist die dauerhafte, unermüdliche Leistung der Soldaten von großer Bedeutung für erfolgreiche Einsätze mit geringen Verlusten. Um die Leistungsbereitschaft der Soldaten zu verbessern sind gerade im Zweiten Weltkrieg Unmengen an Weckaminen verabreicht worden, wobei die pharmazeutischen Erzeugnisse keinesfalls ausreichend erforscht gewesen sind.

In erster Linie wurde Pervitin (1-Phenyl-2-methylaminopropan, „Amphetamin“) verwendet, welches 1938 von der Firma Temmler auf den Markt gebracht wurde und zunächst rezeptfrei zu bekommen war. Pervitin stieß wegen ihrer erwünschten Wirkungen die Ermüdung zu verzögern, Erschöpfte wieder leistungsfähig zu machen und das Hungergefühl zu unterdrücken auf großes Interesse. So unterdrückte beispielsweise die abendliche Einnahme von 9 oder 12 mg Pervitin das Schlafbedürfnis für die kommende Nacht und den folgenden Tag.

Pervitin wurde in die Truppensanitätsausrüstung aufgenommen und die ersten Jahre nach Markteinführung großzügig an die Soldaten verteilt. Beispielsweise wurden in der Zeit von April bis Juni 1940 30 Millionen Tabletten Pervitin und des identischen Präparates Isophen ausgegeben.

Die Gefahren der Sucht und der regelmäßigen Einnahme wurden jedoch erkannt, sodass das Präparat zunächst am 7.11.1939 unter jedesmaligen Rezeptzwang gestellt wurde und am 1.7.1941 dem Opiumgesetz unterworfen wurde, wodurch die Verabreichung an Soldaten rapide sank. Es wurde nun vermehrt auf die meist ausreichende Wirkung des Bohnenkaffees als Mittel zur Überwindung von Müdigkeit und Schlaf zurückgegriffen. Dennoch wurden während des Zweiten Weltkrieges an deutschen Soldaten zahlreiche Drogenversuche mit Pervitin, Kokain und Mischsubstanzen durchgeführt, dessen Ziel es war, ein Mittel für einen unermüdlichen, leistungsstarken „Supersoldaten“ zu kreieren.

Drogenversuche mit KZ-Häftlingen

Nicht nur mit den Soldaten wurden während des Nationalsozialismus Drogenexperimente durchgeführt. Viele Drogenexperimente fanden gerade in den Konzentrationslagern mit Häftlingen statt, welche zumeist tödlich endeten. Hierzu wurden allerdings viele Forschungsunterlagen zu Kriegsende zerstört, damit die teils unmenschlichen Prozeduren (Drogenverabreichungen bis zum Tod der Häftlinge) und die daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht den „Feinden“ ausgehändigt wurden.

Hellmuth Vetter, ehemaliger Angestellter der Beyer-Gruppe der I.G. Farben testete als SS-Arzt des Konzentrationslagers Auschwitz neue Präparate der Beyer-Gruppe an Häftlingen und nahm den Tod der Probanden seiner Versuchsreihen in Kauf. Ähnliche Versuche führten auch die SS-Ärzte Dr. Kurt Plötner und Walter Neff im KZ-Dachau durch.

Es wurden jedoch nicht nur Experimente mit medizinischen Präparaten, sondern auch Drogenexperimente mit KZ-Häftlingen durchgeführt. Neben der Erforschung der tödlichen Dosis von verschieden Drogen wurden zahlreiche Experimente zur Erforschung eines geeigneten Wahrheitsserums für Verhöre durchgeführt. Hier wurden vor allem Barbiturate, Morphinderivate und Meskalin verabreicht, um die Wirkung eines gefügigen und gesprächigen Häftlings zu erzielen. Die Versuche endeten nicht selten mit tödlichen Folgen für die KZ-Häftlinge. Hier waren in Auschwitz vor allem Dr. Bruno Weber und Dr. Viktor Capesius beteiligt. Die Suche nach einem geeigneten Wahrheitsserum war wenig erfolgreich, wenn auch vereinzelt intimste Geheimnisse unter dem experimentellen Drogeneinfluss preisgegeben wurden.

Bemerkenswert hierzu ist, dass, trotz dieser unmenschlichen Experimente, die US-Geheimdienste spätestens ab 1945 intensiven Gebrauch von den erbeuteten Forschungsunterlagen bezüglich der Drogenexperimente in Konzentrationslagern machten. Auch warben sie einen großen Teil der damals im Dritten Reich an den Experimenten beteiligten Forscher an, um sich dessen Wissen zu Nutze zu machen und Experimente bezüglich der Suche eines geeigneten Wahrheitsserums fortzuführen.

Weblinks

"Focus Online": Drogen an die Front

"Tauss, Martin": Drogen im Nationalsozialismus

"Junge Welt": Menschenversuche für die CIA

"Koch ,Egmont" Wie die CIA das Foltern lernte

Literatur

  • Pieper, W. (Hrsg.): Nazis on Speed.Drogen im 3. Reich, Bd. I und II. Löhrbach, 2002.
  • Streatfeild, Dominic : Gehirnwäsche. Die geheime Geschichte der Gedankenkontrolle
  • Schumacher, Dieter : Das Drogenhandbuch für legale und illegale Genuss- und Rauschmittel. Leipzig, 2005.