Drogenpolitik im Dritten Reich: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
keine Bearbeitungszusammenfassung
 
(14 dazwischenliegende Versionen von 3 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
''"1945 gab es in der deutschen Geschichte einen heftigen Einschnitt, jedoch nicht in der Drogenpolitik: Drogengesetze, die negative Drogen-Terminologie und der 'Krieg gegen das Rauschgift' wurden von den Nachkriegsdemokraten direkt von den Nazis übernommen und bis heute weitgehend beibehalten."'' [Pieper 2002: 9]
== Verbreitung ==


 
== Bekämpfung ==
== Rauschgiftbekämpfung im Dritten Reich ==
Das ''NS-Regime'' zeichnete sich nicht nur durch eine rigorose ''Rassenpolitik'' aus, sondern richtete ihr Augenmerk auch auf die Volksgesundheit. “Andersartigkeiten“ die zuwider der nationalsozialistischen Auffassung der Volksgesundheit liefen, wie etwa die Homosexualität aber auch der Rauschgiftkonsum wurden zur Staatsaufgabe erklärt.   
Das ''NS-Regime'' zeichnete sich nicht nur durch eine rigorose ''Rassenpolitik'' aus, sondern richtete ihr Augenmerk auch auf die Volksgesundheit. “Andersartigkeiten“ die zuwider der nationalsozialistischen Auffassung der Volksgesundheit liefen, wie etwa die Homosexualität aber auch der Rauschgiftkonsum wurden zur Staatsaufgabe erklärt.   


Zeile 13: Zeile 12:
Vielen Drogenkonsumenten wurde auch eine „geistige Störung“ unterstellt, sodass diesen durch das „Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ vom 18.10.1935 eine Eheschließung untersagt wurde.
Vielen Drogenkonsumenten wurde auch eine „geistige Störung“ unterstellt, sodass diesen durch das „Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ vom 18.10.1935 eine Eheschließung untersagt wurde.


== Drogenexperimente mit Tieren ==
== Experimente ==
=== An Tieren ===
Das erste Tierschutzgesetz wurde in Deutschland am 24.11.1933 von den Nationalsozialisten erlassen. Dieses verbot allerdings keine Tierversuche bezüglich Grundlagenforschungen oder der Erforschung medizinischer Präparate. So wurden beispielsweise Kaninchen, Hunde, Fische und Frösche ''Morphium'', ''Haschisch'' oder auch ''Nikotin'' verabreicht, bis sie starben.  
Das erste Tierschutzgesetz wurde in Deutschland am 24.11.1933 von den Nationalsozialisten erlassen. Dieses verbot allerdings keine Tierversuche bezüglich Grundlagenforschungen oder der Erforschung medizinischer Präparate. So wurden beispielsweise Kaninchen, Hunde, Fische und Frösche ''Morphium'', ''Haschisch'' oder auch ''Nikotin'' verabreicht, bis sie starben.  


Die Drogenversuche an Tieren gaben jedoch keine zufriedenstellenden Erkenntnisse, da sich die Wirkung psychoaktiver Substanzen anhand der Testobjekte nur unzureichend erforschen lies. Ein Mitarbeiter, der bei den Experimenten mitwirkte stellte fest: „Da der Tierversuch keine ausreichende Wertung zulässt, müssen Versuche am Menschen durchgeführt werden“.
Die Drogenversuche an Tieren gaben jedoch keine zufriedenstellenden Erkenntnisse, da sich die Wirkung psychoaktiver Substanzen anhand der Testobjekte nur unzureichend erforschen lies. Ein Mitarbeiter, der bei den Experimenten mitwirkte stellte fest: „Da der Tierversuch keine ausreichende Wertung zulässt, müssen Versuche am Menschen durchgeführt werden“.


 
=== An Menschen===
== Drogenexperimente mit Menschen ==
In leistungsfordernden Tätigkeiten, die den menschlichen Körper an seine Belastungsgrenzen bringen kann ein Leistungsabfall des Menschen oftmals gravierende Folgen haben. Die Idee eines Mittels zur Leistungssteigerung der Soldaten und einer Wahrheitsdroge, welche zu Verhörzwecken eingesetzt werden sollte gaben die Richtung der Drogenexperimente in der Zeit des Nationalsozialismus vor.
In leistungsfordernden Tätigkeiten, die den menschlichen Körper an seine Belastungsgrenzen bringen kann ein Leistungsabfall des Menschen oftmals gravierende Folgen haben. Die Idee eines Mittels zur Leistungssteigerung der Soldaten und einer Wahrheitsdroge, welche zu Verhörzwecken eingesetzt werden sollte gaben die Richtung der Drogenexperimente in der Zeit des Nationalsozialismus vor.


 
==== An Soldaten ====
=== Drogenversuche mit Soldaten ===
Gerade in Kriegszeiten ist die dauerhafte, unermüdliche Leistung der Soldaten von großer Bedeutung für erfolgreiche Einsätze mit geringen Verlusten. Um die Leistungsbereitschaft der Soldaten zu verbessern sind gerade im Zweiten Weltkrieg Unmengen an ''Weckaminen'' verabreicht worden, wobei die pharmazeutischen Erzeugnisse keinesfalls ausreichend erforscht gewesen sind.
Gerade in Kriegszeiten ist die dauerhafte, unermüdliche Leistung der Soldaten von großer Bedeutung für erfolgreiche Einsätze mit geringen Verlusten. Um die Leistungsbereitschaft der Soldaten zu verbessern sind gerade im Zweiten Weltkrieg Unmengen an ''Weckaminen'' verabreicht worden, wobei die pharmazeutischen Erzeugnisse keinesfalls ausreichend erforscht gewesen sind.


Zeile 32: Zeile 30:
Die Gefahren der Sucht und der regelmäßigen Einnahme wurden jedoch erkannt, sodass das Präparat zunächst am 7.11.1939 unter jedesmaligen Rezeptzwang gestellt wurde und am 1.7.1941 dem Opiumgesetz unterworfen wurde, wodurch die Verabreichung an Soldaten rapide sank. Es wurde nun vermehrt auf die meist ausreichende Wirkung des Bohnenkaffees als Mittel zur Überwindung von Müdigkeit und Schlaf zurückgegriffen. Dennoch wurden während des Zweiten Weltkrieges an deutschen Soldaten zahlreiche Drogenversuche mit ''Pervitin'', ''Kokain'' und Mischsubstanzen durchgeführt, dessen Ziel es war, ein Mittel für einen unermüdlichen, leistungsstarken „Supersoldaten“ zu kreieren.
Die Gefahren der Sucht und der regelmäßigen Einnahme wurden jedoch erkannt, sodass das Präparat zunächst am 7.11.1939 unter jedesmaligen Rezeptzwang gestellt wurde und am 1.7.1941 dem Opiumgesetz unterworfen wurde, wodurch die Verabreichung an Soldaten rapide sank. Es wurde nun vermehrt auf die meist ausreichende Wirkung des Bohnenkaffees als Mittel zur Überwindung von Müdigkeit und Schlaf zurückgegriffen. Dennoch wurden während des Zweiten Weltkrieges an deutschen Soldaten zahlreiche Drogenversuche mit ''Pervitin'', ''Kokain'' und Mischsubstanzen durchgeführt, dessen Ziel es war, ein Mittel für einen unermüdlichen, leistungsstarken „Supersoldaten“ zu kreieren.


=== Drogenversuche mit KZ-Häftlingen ===
==== An Häftlingen ====
Nicht nur mit den Soldaten wurden während des Nationalsozialismus Drogenexperimente durchgeführt. Viele Drogenexperimente fanden auch und gerade in den Konzentrationslagern mit Häftlingen statt, welche zumeist tödlich endeten. Hierzu wurden allerdings viele Forschungsunterlagen zu Kriegsende zerstört, damit die teils unmenschlichen Prozeduren (Drogenverabreichungen bis zum Tod der Häftlinge) und die daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht den „Feinden“ ausgehändigt wurden.
Nicht nur mit den Soldaten wurden während des Nationalsozialismus Drogenexperimente durchgeführt. Viele Drogenexperimente fanden gerade in den Konzentrationslagern mit Häftlingen statt, welche zumeist tödlich endeten. Hierzu wurden allerdings viele Forschungsunterlagen zu Kriegsende zerstört, damit die teils unmenschlichen Prozeduren (Drogenverabreichungen bis zum Tod der Häftlinge) und die daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht den „Feinden“ ausgehändigt wurden.


'''Hellmuth Vetter''', ehemaliger Angestellter der ''Beyer-Gruppe der I.G. Farben'' testete als SS-Arzt des Konzentrationslagers Auschwitz neue Präparate der ''Beyer-Gruppe'' an Häftlingen und nahm den Tod der Probanden seiner Versuchsreihen in Kauf. Ähnliche Versuche führten auch die SS-Ärzte '''Dr. Kurt Plötner''' und '''Walter Neff''' im KZ-Dachau durch.  
'''Hellmuth Vetter''', ehemaliger Angestellter der ''Beyer-Gruppe der I.G. Farben'' testete als SS-Arzt des Konzentrationslagers Auschwitz neue Präparate der ''Beyer-Gruppe'' an Häftlingen und nahm den Tod der Probanden seiner Versuchsreihen in Kauf. Ähnliche Versuche führten auch die SS-Ärzte '''Dr. Kurt Plötner''' und '''Walter Neff''' im KZ-Dachau durch.  


Es wurden jedoch nicht nur Experimente mit medizinischen Präparaten, sondern auch und vor allem wurden Drogenexperimente mit KZ-Häftlingen durchgeführt. Neben der Erforschung der tödlichen Dosis von verschieden Drogen wurden zahlreiche Experimente zur Erforschung eines geeigneten Wahrheitsserums für Verhöre durchgeführt. Hier wurden vor allem ''Barbiturate'', ''Morphinderivate'' und ''Meskalin'' verabreicht, um die Wirkung eines gefügigen und gesprächigen Häftlings zu erzielen. Die Versuche endeten nicht selten mit tödlichen Folgen für die KZ-Häftlinge. Hier waren in Auschwitz vor allem '''Dr. Bruno Weber''' und '''Dr. Viktor Capesius''' beteiligt. Die Suche nach einem geeigneten Wahrheitsserum war wenig erfolgreich, wenn auch vereinzelt intimste Geheimnisse unter dem experimentellen Drogeneinfluss preisgegeben wurden.
Es wurden jedoch nicht nur Experimente mit medizinischen Präparaten, sondern auch Drogenexperimente mit KZ-Häftlingen durchgeführt. Neben der Erforschung der tödlichen Dosis von verschieden Drogen wurden zahlreiche Experimente zur Erforschung eines geeigneten Wahrheitsserums für Verhöre durchgeführt. Hier wurden vor allem ''Barbiturate'', ''Morphinderivate'' und ''Meskalin'' verabreicht, um die Wirkung eines gefügigen und gesprächigen Häftlings zu erzielen. Die Versuche endeten nicht selten mit tödlichen Folgen für die KZ-Häftlinge. Hier waren in Auschwitz vor allem '''Dr. Bruno Weber''' und '''Dr. Viktor Capesius''' beteiligt. Die Suche nach einem geeigneten Wahrheitsserum war wenig erfolgreich, wenn auch vereinzelt intimste Geheimnisse unter dem experimentellen Drogeneinfluss preisgegeben wurden.


Bemerkenswert hierzu ist, dass, trotz dieser unmenschlichen Experimente, die US-Geheimdienste spätestens ab 1945 intensiven Gebrauch von den erbeuteten Forschungsunterlagen bezüglich der Drogenexperimente in Konzentrationslagern machten. Auch warben sie einen großen Teil der damals im Dritten Reich an den Experimenten beteiligten Forscher an, um sich dessen Wissen zu Nutze zu machen und Experimente bezüglich der Suche eines geeigneten Wahrheitsserums fortzuführen.
Bemerkenswert hierzu ist, dass, trotz dieser unmenschlichen Experimente, die US-Geheimdienste spätestens ab 1945 intensiven Gebrauch von den erbeuteten Forschungsunterlagen bezüglich der Drogenexperimente in Konzentrationslagern machten. Auch warben sie einen großen Teil der damals im Dritten Reich an den Experimenten beteiligten Forscher an, um sich dessen Wissen zu Nutze zu machen und Experimente bezüglich der Suche eines geeigneten Wahrheitsserums fortzuführen.


== Kontinuität ==
Die Drogenpolitik gehört zu den Gebieten, auf denen der NS-Staat keine einschneidende Zäsur darstellte. Die Übergänge von Weimar in den NS-Staat verliefen in diesem Bereich bruchlos - und auch die Nachkriegszeit brachte weniger Brüche in Diskurs und Praxis als vielmehr zahlreiche Kontinuitäten mit sich. ''"1945 gab es in der deutschen Geschichte einen heftigen Einschnitt, jedoch nicht in der Drogenpolitik: Drogengesetze, die negative Drogen-Terminologie und der 'Krieg gegen das Rauschgift' wurden von den Nachkriegsdemokraten direkt von den Nazis übernommen und bis heute weitgehend beibehalten."'' (Pieper 2002: 9).
== Weblinks und Literatur ==
*[http://alcoholanddrugshistorysociety.files.wordpress.com/2010/11/shad-22-2-levy.pdf Lewy, Jonathan (2008) The drug policy of the third reich. Social History of Alcohol and Drugs, Volume 22, No 2 (Spring): pp. 144]
*Pieper, W. (Hrsg.): Nazis on Speed.Drogen im 3. Reich, Bd. I und II. Löhrbach, 2002.
*Streatfeild, Dominic : Gehirnwäsche. Die geheime Geschichte der Gedankenkontrolle
*Schumacher, Dieter : Das Drogenhandbuch für legale und illegale Genuss- und Rauschmittel. Leipzig, 2005.
*[http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-30288/04_Haverkamp_Rauschmittel.pdf Haverkamp, Jan: Rauschmittel im Nationalsozialismus]


== Weblinks ==
[http://www.focus.de/politik/deutschland/geschichte-drogen-an-die-front_aid_206179.html "Focus Online": Drogen an die Front]
[http://www.focus.de/politik/deutschland/geschichte-drogen-an-die-front_aid_206179.html "Focus Online": Drogen an die Front]


Zeile 50: Zeile 58:


[http://www.hamburger-fortbildungstage.de/2008/Wie_die_CIA_das_Foltern_lernte.html "Koch ,Egmont" Wie die CIA das Foltern lernte]
[http://www.hamburger-fortbildungstage.de/2008/Wie_die_CIA_das_Foltern_lernte.html "Koch ,Egmont" Wie die CIA das Foltern lernte]
== Literatur ==
*Pieper, W. (Hrsg.): Nazis on Speed.Drogen im 3. Reich, Bd. I und II. Löhrbach, 2002.
*Streatfeild, Dominic : Gehirnwäsche. Die geheime Geschichte der Gedankenkontrolle
*Schumacher, Dieter : Das Drogenhandbuch für legale und illegale Genuss- und Rauschmittel. Leipzig, 2005.
--[[Benutzer:Delay|Delay]] 22:35, 15. Sep. 2010 (CEST)
31.738

Bearbeitungen

Navigationsmenü