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Stumme Gewalt ist der Titel eines 2008 erschienenen Buches der Publizistin Carolin Emcke. Inhaltlich geht es um die Erinnerung an das Attentat auf den ehemaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, der ein enger Freund der Familie von Carolin Emcke war. Neben dem Haupttext, welches den Untertitel Nachdenken über die RAF trägt, beinhaltet das Werk zwei Nachworte, zum einen von dem ehemaligen Vorsitzenden des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, und zum anderen von dem Politologen Wolfgang Kraushaar.

Die Autorin

Carolin Emcke wurde am 18. August 1967 in Mülheim an der Ruhr geboren. Sie studierte Philosophie, Politik und Geschichte in London, Frankfurt a. M. sowie Harvard und promovierte über den Begriff "Kollektive Identitäten". Sie war von 1998 bis 2006 als Redakteurin beim Spiegel tätig und reiste als Auslandsredakteurin in zahlreiche Krisengebiete (so z. B. Afghanistan, Iraq, etc.). Seit 2007 ist sie freie Publizistin u. a. für DIE ZEIT. Sie lebt in Berlin.

2003/2004 war Carolin Emcke als Gastdozentin für Politische Theorie an der Yale University tätig. 2007/2007 beriet sie den Studiengang Journalismus der Hamburg Media School.

Carolin Emcke doziert zu Themen wie Globalisierung, Menschenrechte, Theorien der Gewalt und Zeugenschaft. Seit 2004/2005 moderiert und kuratiert sie an der Schaubühne Berlin die monatliche Veranstaltung Streitraum. Zudem ist sie Mitglied des Stiftungsrats der Radialstiftung, des Beirats der Zeitschrift für internationalen Journalismus, message, sowie in der Mitgliederversammlung der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie wurde mit Preisen wie "Das politische Buch" (2005), dem "Förderpreis des Ernst-Bloch-Preises" (2006) und dem "Hansel Miete Preis" (2012) ausgezeichnet. 2010 wurde sie vom mediummagazin zur "Journalistin des Jahres" ernannt.

Neben Stumme Gewalt existieren von Carolin Emcke folgende Bücher:

  • Kollektive Identitäten. Sozialphilosophische Grundlagen, 2000, Campus: Frankfurt/New York
  • Von den Kriegen. Briefe an Freunde, 2004, Fischer: Frankfurt
  • Echoes of Violence. Letters from a War Reporter, 2007, Princeton Univ. Press: Princeton/Oxford
  • Wie wir begehren, 2012, Fischer: Frankfurt am Main

Inhalt

Carolin Emcke "Stumme Gewalt"

Die Erzählung beginnt mit einer Erinnerung an den 30. November 1989, den Tag, an dem Alfred Herrhausen, damaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank und guter Freund der Eltern von Carolin Emcke, Opfer eines Bombenanschlags wurde. Emcke beschreibt zunächst ihre Ankunft am Ort des Geschehens in Bad Homburg, und wie sie Zeuge eines Bekenneranrufs der RAF bei der Witwe des Opfers, Traudl Herrhausen, wurde. Sie berichtet auch von der Gemeinschaft, die sich in diesen Tagen um die Witwe kümmerte und die der Schmerz sie zusammenhielt (S. 24).

Emcke versucht zu erklären, warum sie erst achtzehn Jahre nach dem Attentat über ihre Erlebnisse hierüber berichten kann.

"Vielleicht gab diese Diskussion .. den Anlass, .. über das Leben der Inhaftierten nachzudenken, über ihre Art, die Taten zu überleben, im wissenden Schweigen, mit dem sie andere noch beschützen", und weiter: "Vielleicht war es an der Zeit, die angesammelten Fragen zu stellen, diesen dauernden inneren Monolog nach außen zu tragen, zu sprechen, als ob es einen Dialog geben könnte", (S. 32).

An späterer Stelle berichtet sie, dass viele aus dem Freundes- und Bekanntenkreis von Emckes freundschaftlichen Verhältnis mit Herrhausen und ihrer Trauer über dessen Tod nichts wussten (S. 59).


Emcke schildert, dass sie jahrelang den einen, wiederkehrenden Alpraum gehabt hat. In diesem Traum erzählten die Terroristen ihr von dem Plan, Alfred Herrhausen ermorden zu wollen. Emcke wiederum habe versucht, den Mördern die Tat auszureden. Sie habe die Polizei nicht informieren, die Gesichter der Personen nicht erinnern wollen. "Alles, was ich versuchte, war, sie zu überzeugen, es nicht zu tun" (S. 25), schreibt sie und stellt fest, dass "das Gewalttätigste an der Gewalt des Terrors .. die Sprachlosigkeit" sei (S. 26.).

"Bis heute ist es das, was ich verlange: ein Gespräch, in dem mir die Gründe auseinandergesetzt werden und in dem sich die Täter Einwänden und Kritik stellen. Bis heute ist es das, was ich unverzeihlich finde: das Schweigen" (S. 28).
"Es schafft einen ganz eigenen Raum um sich herum, dieses Schweigen, in den werden wir eingeschlossen: Täter und Opfer zugleich. Die Stille verfestigt sich wie eine Eisschicht. Darin eingefroren, vergeht die Zeit ohne uns" (S. 49).

So fordert Emcke die Täter auf, sich und ihre Taten zu erklären:

"Ich möchte keine Reue. Ich möchte, dass sie mir ihre Geschichte erzählen. Mit allem, was darin für mich schmerzlich sein mag. Das müsste ich aushalten. Aber dann erst wird der Mord an meinem Freund vorstellbar. Erst dann wird die Phantasie aufhören, mich zu quälen. Ich brauche ihre Geschichte. Denn sie ist auch die meine" (S. 51).

Dabei legt sie die Annahme zugrunde, dass auch die Täter den Wunsch haben, ihre Geschichte tatsächlich erzählen zu wollen. Zugleich räumt sie ein, dass dies möglicherweise nicht der Fall sein wird, dass die Täter schweigen wollen, und fragt:"Aber was wäre schlimmer: Wir gäben ihnen die Möglichkeit zu sprechen, wir lüden sie ein - und sie wollten nicht sprechen, sie schlügen die Offerte aus? Oder: Sie wollten gerne sprechen, aber wir gäben ihnen die Möglichkeit nicht?" (S. 53) und antwortet, dass nur die Zuschreibung einer Subjektivität zu den Tätern, d. h. auch sie seien verletzbare Menschen und suchten die Verständigung, zur Veränderung führe. Dabei deklariert sie diese Annahme klar als "eine normative Erwartung", denn ob das Gegenüber die Möglichkeit zum Gespräch annahmen oder ausschlügen: Schlimmer als die Abweisung durch das Gegenüber sei es, das Angebot erst gar nicht zu machen. "Es käme der Selbstaufgabe gleich" (S. 55.).

Und so bietet sie den Tätern schließlich die "Amnestie für das Ende des Schweigens" (S. 61) an. "Freiheit gegen Aufklärung" (ebenda) sollen die Täter erfahren und


Das Werk trägt den Untertitel Nachdenken über die RAF. Auf Seite 42 schreibt Emcke, dass sie versuche, das "Subjektive zur Sprache zu bringen im Nachdenken über die RAF. Das Besondere und Intime ist dabei selbstverständlich nicht nur relevant, wenn es sich um eine Angehörige oder Betroffene der Opferseite handelt, sondern alle subjektiven Perspektiven, die den anderen zugewandt sind." In der Tat gibt Emcke bei ihrer Erzählung viel von sich und ihrer Art, mit der Tat umzugehen, preis. Dass sie jahrelang von einem Alptraum geplagt wird (S. 25), ihre Einstellung zur Religion (S. 56-58), Blackout, Nikotin, Nasenbluten... Und sie betont auch, dass sie in ihrer Erzählung nur für sich selber sprechen kann, und dass genau dies das "Privileg" von uns ""Individuen"" sei (S. 59), zu offenbaren, was einen bewegt und verletzt. Die ganze Erzählung hindurch stellt Emcke Fragen und stellt gedankliche Hypothesen auf. So möchte Emcke wissen, ob sich die Täter mit ihrem zukünftigen Opfer auseinandergesetzt und die Gegend erkundet hatten. An was sie dachten, als sie die Bombe präpariert haben und ob es "einen einzigen Moment gegeben [hat], an dem jemand unsicher wurde" (S. 34) bzw. die Täter Angst hatten, dass ihnen "die Entschlossenheit schwinden" könne (S. 43).



Forum für Aufklärung (S. 100).

NOT: einen Vorschlag für einen ungewöhnlichen Handel mit den bis heute nicht überführten RAF-Mördern: Die Täter sollen endlich und öffentlich »ihre Geschichte erzählen« und dafür Straffreiheit zugesichert bekommen. Narrativer und gedanklicher Ausgangspunkt für diese erstaunliche Forderung nach Amnestie gegen Aufklärung ist Emckes sehr persönliche Erinnerung an den Tag, an dem ihr Mentor und Freund Alfred Herrhausen ermordet wurde. Emcke entwickelt und begründet ihre These aus dieser in bestechend präziser Sprache reflektierten Erfahrung biographischer Enteignung sowie der analytischen Beschreibung des Schweigens, in das Täter und Opfer seither eingeschlossen sind.


Winfried Hassemer "Wohin mit der RAF"

Wolfgang Kraushaar "Auf der Sucher nach dem Narrativ"

Rezensionen

Kriminologische Relevanz

transitional justice (S. 99).

Quellen

  • Carolin Emcke: Stumme Gewalt, 2008, Fischer: Frankfurt am Main

Weblinks