Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität

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Die Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität (AHS), deren Kuratorium aus Jörg Hutter, Klaus Rauschert und Fritz Sack besteht, trat seit 1983 in der Öffentlichkeit als (Mit-) Veranstalterin zahlreicher Fachtagungen in Erscheinung. Nachdem ihre Positionen zunächst auch innerhalb der Humanistischen Union (HU) aufgegriffen worden waren, distanzierte sich die HU später immer deutlicher von der AHS.


Positionspapier

Ein 1998/99 überarbeitetes Positionspapier von 1988 hielt die Verschiedenheit der sexuellen Wünsche von Kindern und Erwachsenen für überbrückbar und forderte einen Teilrückzug des Strafrechts. Man spreche zwar oft von einer "Disparität der Bedürfnisse" oder einer "sexuellen Sprachverwirrung zwischen den Erwachsenen und dem Kind" und meine, dass es zwischen Erwachsenen und Kindern keine sexuelle Einvernehmlichkeit geben könne - doch diese Ansicht verkenne, dass es Erwachsene gebe, "die sich in die Gefühls-, Fantasie- und Wunschwelt von Kindern hineinversetzen können und dem Kind dann die Führungsrolle überlassen. Sind beide Seiten dazu bereit, können dabei auch Erotik und Sexualität eine Rolle spielen." Weiterhin hieß es in dem Papier: "Es gibt Kinder, die ihre Neugier und erotischen Bedürfnisse auch an Erwachsene richten und in bestimmten Situationen sexuelle Kontakte mit ihnen nicht ausschließen oder manchmal sogar suchen. Es gibt Erwachsene (jedweder sexueller Orientierung), die in ihrer Kindheit sexuelle Kontakte mit Erwachsenen hatten und die diese Erlebnisse stets positiv in Erinnerung behielten und nach wie vor als einvernehmlich beurteilen. Diese Personen werden nicht gerne wahrgenommen. Dennoch gibt es sie, und sie bezeugen, dass die Disparität zwischen der kindlichen und erwachsenen Sexualität nicht prinzipiell unüberbrückbar ist, und dass ein gleichberechtigter und einvernehmlicher (vgl. 2.4), verantwortlicher (vgl. 2.5) und kindgemäßer pädophiler Sexualkontakt mit großer Sicherheit primär (d.h. ohne die Einmischung von außen) keinen Schaden mit sich bringt."

Die Rechtslage in Deutschland stellte das Papier folgendermaßen dar: "Mit Freiheitsstrafe bis zu fünfzehn Jahren (bzw. in "minder schweren Fällen" mit Geldstrafe) wird in der Bundesrepublik Deutschland nach dem geltenden Strafgesetzbuch (§§ 176 und 176a StGB) bedroht, wer mit oder vor einem Kind sexuelle Handlungen vornimmt oder zulässt oder auch nur in "anreißerischer" Weise über sie spricht. Dabei ist der Begriff "sexuelle Handlung" sehr unscharf und in der Praxis auslegungsbedürftig; es gibt Gerichte, die selbst eine oberflächliche Berührung über der Kleidung im Bereich einer erogenen Zone bestraft haben. In juristischer Spitzfindigkeit wird manchmal in Zentimetern nachgemessen, von wo an eine Berührung sexuell und erheblich war. Von welcher Seite dabei die Initiative ausging, wie alt das Kind war, ob es sich um einen durch Überredung oder Zwang herbeigeführten oder um einen von dem Jüngeren erwünschten, liebevollen Kontakt handelte, spielt für die Strafbarkeit keine Rolle, allenfalls für die Höhe der Strafe.

  • Der juristische Begriff für alle sexuellen Kontakte mit Kindern heißt "sexueller Missbrauch". Danach gilt jede sexuelle Handlung mit einem unter 14-jährigen Jungen oder Mädchen als Missbrauch, sogar, wenn alle Beteiligten selbst noch Kinder sind; es schützt sie dann nur ihre Strafunmündigkeit vor einer Bestrafung nach dem Strafrecht, nicht aber vor erzieherischen Maßnahmen, die für das Kind eine Missbilligung oder Bestrafung bedeuten.
  • Der Gesetzgeber, der in den §§ 176 und 176a des Strafgesetzbuches solche Kontakte verbietet, behauptet, hiermit den Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Personen unter 14 Jahren sicherzustellen. Deshalb, so dieser Gedanke weiter, sei es auch unerheblich, ob durch den sexuellen Kontakt eine konkrete Gefährdung oder Schädigung tatsächlich gegeben war. Der Gesetzgeber vermutet also, dass jeder sexuelle Kontakt mit einem Menschen unter 14 Jahren etwas ist, was diesen gefährdet.
  • Sexuelle Kontakte Erwachsener mit männlichen und weiblichen Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren sind außerhalb von Abhängigkeitsverhältnissen dagegen nur unter bestimmten Umständen verboten: wenn z.B. der Erwachsene eine Zwangslage des/der 14? bis 16?Jährigen ausnützt, wenn sich der Erwachsene Sex gegen Geld "erkauft" oder wenn er sich eine "mangelnde Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung" zunutze macht (§ 182 StGB). Eltern, Lehrern, Erziehern usw. ist zudem in Abhängigkeitsverhältnissen jede sexuelle Handlung mit Kindern und mit Jugendlichen (= Personen zwischen 14 und 18 Jahren) verboten (§174 StGB)."

Zu den Folgen sexueller Kontakte hieß es im Positionspapier, dass "keine primären Schädigungen nachweisbar sind durch Kontakte, in denen die sexuelle Selbstbestimmung des Kindes sowie seine Integrität gewahrt wurden. In diesen Fällen werden im Gegenteil neutrale bis positive Folgen berichtet. Positiv erfahrene sexuelle Kontakte bereichern und sind deshalb schutzwürdig." Negative Folgen hingegen hätten sexuelle Kontakte, in denen die sexuelle Selbstbestimmung des Kindes sowie seine Integrität nicht gewahrt würden.

Kritisch äußerte sich das Papier zur Rolle des Strafrechts: "Das Strafrecht hat seine Berechtigung, soweit es das Kind vor Machtmissbrauch schützt. Dort allerdings, wo auch vom Kind erwünschte, also einvernehmliche und nicht schädigende sexuelle Handlungen unter Strafe gestellt werden, wird Strafrecht zu Unrecht. Es verstößt dann gegen die im Grundgesetz verankerten Persönlichkeitsrechte und stellt eine nicht verantwortbare Einmischung des Staates in den persönlichen und intimen Lebensbereich dar. Dies ist aufgrund fehlender Differenzierungen im derzeit gültigen Strafrecht unzweifelhaft der Fall. Daher müssen dessen Negativfolgen in den Blickpunkt gerückt werden. Das Sexualstrafrecht ist insofern inhuman, als es die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse bestimmter Menschengruppen pauschal unterdrückt, deren Erlebenshorizont einengt und ihr Selbstbestimmungsrecht in schwerwiegender Weise beschneidet, ohne damit das sexuelle Selbstbestimmungsrecht anderer zu sichern. Mit solchen Bestimmungen schafft es nur noch mehr Konflikte und Probleme. Kinder, die durch die sexuelle Handlung selbst nicht geschädigt wurden, sondern die erst aufgrund einer Einmischung von außen, einer Anzeige oder eines Strafverfahrens tatsächlich zu Opfern werden und Schaden erleiden, sind nicht die Ausnahme. Sowohl die Tatsache als auch die Methoden der Polizeiverhöre und die Durchführung von Gerichtsverhandlungen verletzen - trotz aller Bemühungen - die Privatsphäre in unverantwortlicher Weise. Mögliche positive Erfahrungen mit der Sexualität werden dadurch nachträglich ins Gegenteil verkehrt. Aus solchen Verfahren gehen Kinder oft seelisch verletzt und mit tiefen Schuldgefühlen hervor; schuldbewusst, weil sie etwas angeblich Schlimmes selbst mit verübt haben und schuldbewusst, den befreundeten 'Täter' verraten zu haben. Auch wenn die Behörden um Diskretion bemüht sind, dringt erfahrungsgemäß immer etwas nach außen und haftet den 'Opfern' als dauernder Makel an. Das Gesetz, das vorgibt, Kinder zu schützen, schadet ihnen in solchen Fällen. Auch belastet ein solches Strafrecht den Erwachsenen in vielfältiger Weise, ob er nun selbst einen sexuellen Kontakt zu einem Kind hat, oder als Verantwortlicher einen solchen duldet. Er muss mit allen möglichen Sanktionen und persönlichen Katastrophen rechnen. Oft leidet er tief am Widerspruch zwischen seinem Rechts- und Wertebewusstsein und den Maßregelungen durch die Staatsgewalt. Durch das Eingreifen der Justiz kann seine und seiner Familie Existenz gefährdet, wenn nicht zerstört werden. Überdies ist er angesichts solcher Bedrohung unter Umständen nicht in der Lage, sich dem Kind gegenüber unbefangen und behutsam zu verhalten. Da aufgrund der bestehenden Gesetze und der gesellschaftlichen Vorurteile jeder - auch der positivste - sexuelle Kontakt mit einem Kind als Missbrauch gilt und daher geheimgehalten werden muss, wird der Erwachsene (wie auch das Kind) leicht Opfer von Ausbeutung, Diffamierung, Erpressung oder Nötigung. Der Zwang zur Verheimlichung führt in die Isolation und damit in Beziehungsprobleme. So können weder positive Erlebnisse noch Schwierigkeiten mit Eltern oder Freunden angstfrei besprochen werden. Denn wie in jeder Beziehung, so können auch in pädophilen Beziehungen Probleme auftreten, die für das Kind und den Erwachsenen um so belastender wirken, als darüber mit Dritten nicht gesprochen werden darf, wenn nicht die Gefahr bestehen soll, ungewollt eine Strafverfolgung auszulösen. Im Gerichtssaal werden solche Probleme allerdings aus ihrer sozialen Einbettung gerissen und künstlich auf das Sexuelle bezogen und beschränkt. Dies trägt nicht zu einer Lösung oder Prävention von Schwierigkeiten bei, sondern schafft oder vergrößert letztere erst. Das Kernproblem der geltenden Strafrechtsparagraphen gegen den sexuellen Missbrauch liegt darin, dass diese einvernehmliche und verantwortliche Sexualkontakte mit Kindern ignorieren. Wer behutsamen und verantwortlichen Umgang mit kindlicher Sexualität aber ächtet, drängt erotische Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen in den Untergrund und fördert fragwürdige Ausweichstrategien. Das geltende Sexualstrafrecht motiviert einen aktiven Pädophilen nicht, sich an die in dieser Schrift zusammengefassten ethischen Handlungsmaximen zu halten. Diese Demotivation ist aus Sicht des Kinderschutzes kontraproduktiv und hat fatale Wirkungen. An Kinderprostitution und Sextourismus sowie an der Kommerzialisierung von Pornographie zeigt sich dann unter anderem, wie bedenkenlos Sexualität in unserer Gesellschaft in den Dienst von Machtstrukturen gestellt und zur Ware herabgewürdigt werden kann. Bedingungen, unter denen Menschen für andere willkürlich verfügbar werden oder ihre Situation so erleben, sind zu analysieren und zu verändern. Dies schließt notwendigerweise ein, die gängige Sexualmoral und den gesellschaftlich herrschenden Normalitätsbegriff zu hinterfragen."

Die AHS forderte:

"Da der Mensch in jedem Lebensalter sexuelle Empfindungen hat und ausdrücken kann, muss das Recht des Kindes auf sexuelle Selbstbestimmung, also auch auf von ihm gewollte sexuelle Betätigungen, anerkannt und respektiert werden. Kinder müssen selbst entscheiden und mitteilen dürfen, ob und mit wem sie Sexualität erleben wollen. - Da sich das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ebenso auf den Erwachsenen erstreckt, muss auch das Recht pädophiler Männer und Frauen auf ihre Sexualität anerkannt werden. Ebenso wie auf anderen Gebieten darf Erwachsenen auch auf sexuellem Gebiet nicht von vornherein die Ausnutzung einer überlegenen Position zum Nachteil des Kindes unterstellt werden. Die Grenzen des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung sind dort, wo der Machtmissbrauch beginnt. - Vom Gesetzgeber ist zu fordern, dass er sich aus seiner besonderen gesellschaftlichen Verantwortung heraus eingehend und umfassend, das heißt auch bei Sexualforschern und Betroffenenvertretern, informiert und dann durch Aufklärung entsprechende Mehrheiten bildet, statt kurzsichtig und populistisch auf massenmedial hochgepeitschte Stimmungen einzugehen. - Gleichberechtigte, einvernehmliche und verantwortliche sexuelle Handlungen dürfen - weil sie nicht schädigen - auch zwischen Erwachsenen und Kindern nicht mehr strafbar sein. Nur konkreter sexueller Machtmissbrauch ist als strafbare Handlung zu sanktionieren. Dabei muss folgenden Punkten Rechnung getragen werden:

  • einer offenen Grundeinstellung zur Sexualität;
  • dem heutigen Erkenntnisstand der Psychologie, der Sexual- und Gesellschaftswissenschaften über Sexualität und Sexualkontakte;
  • der Vermeidung von (Sekundär-) Schädigungen des Kindes, die durch Kriminalisierung und Strafverfolgung entstehen können;
  • der Verhältnismäßigkeit der Mittel.

Von Kommunen und freien Trägern ist zu fordern, dass sie Selbsthilfeeinrichtungen pädophiler Menschen anerkennen und fördern. Diese Gruppen sind eine der wenigen realen Hilfsangebote für Pädophile und ihre Angehörigen. Sie stellen auch einen wirksamen sozialtherapeutischen Rahmen zur Verfügung. In einer repressionsfreien (aber selbstverständlich nicht rechtsfreien) Atmosphäre lernen dort pädophile Menschen über ihre Wünsche, Nöte, Gefühle, Denk- und Handlungsmuster zu sprechen, was ihnen diese bewusst und der Selbstkontrolle zugänglich werden lässt. Für Pädophile stellen solche Gruppen heute schon ansatzweise eine qualifizierte Öffentlichkeit dar (vgl. 2.5). Auch Kindern kommen die pädophilen Selbsthilfegruppen, die den ethischen Grundsätzen der Gleichberechtigung, Einvernehmlichkeit und Verantwortlichkeit als obersten Leitzielen verpflichtet sind, zugute. Sie schützen sie durch ihren Einfluss vor möglichen Gewalttaten und Machtmissbrauch. Diese Selbsthilfegruppen tragen zudem durch ihre Veröffentlichungen aus Betroffenensicht zur Versachlichung der Debatte bei."

Verhältnis zu anderen Gruppierungen

AHS distanziert sich von "Krumme 13" (D. Gieseking)

Im Jahre 2010 distanzierte sich die AHS von einer Gruppe namens Krumme 13 bzw. K13, die alle Berichte über ihre Selbstauflösung im Jahre 2003 wohl überstanden hatte. Die AHS warf der K 13 Verstöße gegen Urheberrecht und Datenschutzbestimmungen vor, darüber hinaus aber auch - und vielleicht in erster Linie - dass sie Pädophile gegen ihren Willen "oute" und zu öffentlichen Bekenntnissen und/oder politischen Aktionen zwingen wolle.

Humanistische Union distanziert sich von AHS

Im Jahre 2000 beschloss der Vorstand der Humanistischen Union einstimmig eine Erklärung zum Sexualstrafrecht, in der sie auf eine seit Mitte der 1990er Jahre zu beobachtende Verpolizeilichung der Gesellschaft im Bereich der Sexualstraftaten sowie eine mediale und öffentliche „Erzeugung moralischer Panik“ hinwies und den Umgang mit Pädophilen als „Lehrstück aus dem ebenso alten wie offenbar aufklärungsresistenten Kapitel der Erzeugung von gesellschaftlichen Sündenböcken und der moralischen Verschiebung und Entäußerung sozialer Probleme“ bezeichnete - insbesondere erklärte die HU, dass die „absolut und relativ außerordentlich raren Fälle sexueller Gewalthandlungen“ keine „kreuzzugartige Kampagne gegen Pädophile“ rechtfertigten. Der Verbandstag der HU lehnte diese Erklärung des Bundesvorstands noch in demselben Jahr mehrheitlich ab. Als später Vorwürfe gegen die HU laut wurden, sie ließe sich durch die AHS instrumentalisieren, veröffentlichte sie 2004 eine Erklärung, in der sich die HU von der AHS förmlich distanzierte: "Die Humanistische Union hat zu keinem Zeitpunkt den sexuellen Missbrauch von Kindern verharmlost oder gebilligt. Die HU ist vielmehr davon überzeugt, dass sexuelle Kontakte von Erwachsenen mit Kindern wegen des inhärenten Machtgefälles nicht einvernehmlich sein können, und daher kein Ausdruck von sexueller Selbstbestimmung sind. Die HU teilt ausdrücklich nicht die innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität (AHS) vertretene Auffassung, dass sexuelle Handlungen von Erwachsenen mit Kindern unter bestimmten Umständen straffrei sein sollten. Eine nähere Prüfung der Positionen der AHS, insbesondere verschiedener Internet- Darstellungen hat ergeben, dass die AHS für die Humanistische Union keine geeignete Kooperationspartnerin in bürgerrechtlichen Fragen sein kann. Bis zu einer Klärung innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität wird die HU nicht mit der AHS zusammenarbeiten."

Als ein Regensburger Bischof (Gerhard Ludwig Müller) der HU eine Förderung oder Begünstigung pädophiler Handlungen unterstellte, bezichtigte sie ihn der Verleumdung und forderte einen öffentlichen Widerruf [1]. Gleichzeitig wandte sie sich gegen eine Dämonisierung von Straftätern und eine Kriminalpolitik der Angst. Das Landgericht Berlin untersagte dem Bischof durch eine Verfügung vom 13. April 2010 die weitere Verbreitung dieser oder ähnlich lautender Erklärungen.

Weblinks