Anarchistische Kriminologie: Unterschied zwischen den Versionen

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Der anarchistischen Kriminologie wird - falls man sie überhaupt wahrnimmt - ein Mangel an guten Argumenten und an Realitätsbezug vorgehalten. Eine pauschale Kritik übersieht allerdings die Wahlverwandtschaft neuerer Strömungen in der Kriminalpolitik mit anarchistischen Grundideen. Und sie ignoriert die Existenz von empirisch belegten Zusammenhängen zwischen sozialer Ungleichheit, Kriminalitätsraten und Einsperrungsquoten. Die These, dass Gesellschaften mit größerer Gleichverteilung der Einkommen ein geringeres Ausmaß an Kriminalität und anderen sozialen Problemen aufweisen, gehört damit inzwischen zu den stärksten Argumenten, die sich (nicht nur, aber auch) für die anarchistische Kriminologie finden lassen.
Der anarchistischen Kriminologie wird - falls man sie überhaupt wahrnimmt - ein Mangel an guten Argumenten und an Realitätsbezug vorgehalten. Eine pauschale Kritik übersieht allerdings die Wahlverwandtschaft neuerer Strömungen in der Kriminalpolitik mit anarchistischen Grundideen. Und sie ignoriert die Existenz von empirisch belegten Zusammenhängen zwischen sozialer Ungleichheit, Kriminalitätsraten und Einsperrungsquoten. Die These, dass Gesellschaften mit größerer Gleichverteilung der Einkommen ein geringeres Ausmaß an Kriminalität und anderen sozialen Problemen aufweisen, gehört damit inzwischen zu den stärksten Argumenten, die sich (nicht nur, aber auch) für die anarchistische Kriminologie finden lassen.
Ungleichheit korreliert mit Kriminalität und weiteren sozialen Problemen. Daraus folgt, dass es wirksamer und kostengünstiger wäre, die soziale Ungleichheit zu verringern, als die mit der sozialen Ungleichheit zusammenhängenden Probleme jeweils für sich zu bearbeiten: "Politiker behandeln die sozialen und gesundheitlichen Probleme, die nach unseren Befunden alle ursählich mit der Ungleichverteilung zusammenhängen, zumeist als völlig unabhängige Phänomene, denen man jeweils nur mit ganz spezifischen Maßnahmen beikommen kann. Folglich bezahlen wir für die einen Probleme Ärzte und Krankenschwestern, für die anderen Polizei und Gefängnispersonal, für diese Probleme Nachhilfelehrer und Erziehungspsychologen, für jene Sozialarbeiter und Entziehungskliniken oder Psychiater und Gesundheitsexperten usw. Das ist ein teures und immer nur partiell wirksames Verfahren, um hier mit Krankheit, dort mit Verbrechen, da mit Schulproblemen und da mit psychischen Störungen oder anderen Problemen umzugehen. Tatsächlich hat der Grad sozialer Ungleichheit einen viel größeren Einfluss auf die Lebenserwartung als die Qualität der medizinischen Versorgung. Und selbst wenn die verschiedenen sozialen Einrichtungen ihre Aufgaben erfüllen würden - Resozialisierung von Straftätern, Krebsvorsorge und -therapie, Heilung Drogenabhängiger, Hilfe für Schulversager usw.-, es wird immer so sein, dass von Ungleichverteilung geprägte Gesellschaften von Generation zu Generation mit neuen und anderen gesundheitlichen und sozialen Problemen konfrontiert sind" (Wilkinson/Pickett 2009: 40 f.).


Jeff Ferrell (1997) schrieb zum Thema: "So it is with anarchist criminology. Complete or incomplete, as intellectual critique or failed moment of visceral defiance, anarchist criminology serves if only by standing outside the law, by stopping short of the seductive ideologies of obedience and conformity which undergird it. And in this stance, in this disavowal of legal authority and it destructive effects on social and cultural life, anarchist criminology serves to remind us that human relations and human diversity matter -- and that, in every case, they matter more than the turgid authority of regulation and law."  
Jeff Ferrell (1997) schrieb zum Thema: "So it is with anarchist criminology. Complete or incomplete, as intellectual critique or failed moment of visceral defiance, anarchist criminology serves if only by standing outside the law, by stopping short of the seductive ideologies of obedience and conformity which undergird it. And in this stance, in this disavowal of legal authority and it destructive effects on social and cultural life, anarchist criminology serves to remind us that human relations and human diversity matter -- and that, in every case, they matter more than the turgid authority of regulation and law."  
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Fragen der Selbstregulierung sind freilich kein Monopol des Anarchismus.  
Fragen der Selbstregulierung sind freilich kein Monopol des Anarchismus.  
Ferrell (1997): "Instead, anarchist criminology calls for an ongoing critical conversation among perspectives, for a multi-faceted critique of legal injustice made all the more powerful by its openness to alternatives. Cohen (1988: 232) speaks of his 'lack of commitment to any master plan (such as liberalism, left realism, or abolitionism), a failing, I would like to think, not of my own psyche but of the social world's refusal to correspond to any one theory.' Anarchist criminology shares this lack of commitment to master plans -- including its own -- and embraces instead fluid communities of uncertainty and critique.
Ferrell (1997): "Instead, anarchist criminology calls for an ongoing critical conversation among perspectives, for a multi-faceted critique of legal injustice made all the more powerful by its openness to alternatives. Cohen (1988: 232) speaks of his 'lack of commitment to any master plan (such as liberalism, left realism, or abolitionism), a failing, I would like to think, not of my own psyche but of the social world's refusal to correspond to any one theory.' Anarchist criminology shares this lack of commitment to master plans -- including its own -- and embraces instead fluid communities of uncertainty and critique."




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== Literatur ==
== Literatur ==
*Burnheim, John (1985) Über Demokratie. Alternativen zum Parlamentarismus. Berlin: Wagenbach.
*Burnheim, John (1985) Über Demokratie. Alternativen zum Parlamentarismus. Berlin: Wagenbach.
*Cohen, Stanley (1988) Against Criminology. New Brunswick, NJ: Transaction.
*Pepinsky, Harold E. 1991. "Peacemaking in Criminology." In Brian D. MacLean and Dragan Milovanovic, eds., New Directions in Critical Criminology, pp. 107-110. Vancouver: The Collective Press.
*Pepinsky, Harold E. 1991. "Peacemaking in Criminology." In Brian D. MacLean and Dragan Milovanovic, eds., New Directions in Critical Criminology, pp. 107-110. Vancouver: The Collective Press.


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*Pepinsky, Harold E. and Richard Quinney (eds.). 1991. Criminology as Peacemaking. Bloomington: Indiana.
*Pepinsky, Harold E. and Richard Quinney (eds.). 1991. Criminology as Peacemaking. Bloomington: Indiana.
*Wilkinson, Richard & Kate Pickett (2009) Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind. Berlin: Tolkemitt.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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