Amok

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Version vom 14. April 2007, 18:21 Uhr von 80.171.51.64 (Diskussion)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Inhalt

1. Begriffserläuterung

2. Herkunft des Amok

3. Formen des Amoks

3.1 Kriegerischer Amok in Gruppen

3.2 Individueller Amok

4. Amok im 20. Jahrhundert

5. Soziodemographischer Hintergrund

6. Täter-Opfer-Beziehungen

7. Tatausgang

8. Literatur


1. Begriffserläuterung

Amok, malaiisch »amuk«, wütend, zornig, vor Wut außer sich sein. Daraus abgeleitet, »mengamuk« einen spontanen, ungeplanten und mörderischen Angriff gegen unbeteiligte Personen und »pengamuk« der Amokläufer.


2. Herkunft des Amok

Der Amoklauf hat seinen Ursprung in Malaysia und anderen Völkern im gesamten malaiischen Archipel. In Europa wurde dieses Phänomen erst sehr viel später bekannt. Europäische Reisende entdeckten und schrieben erstmalig detaillierte Aufzeichnungen Mitte des 16. Jahrhunderts nieder. Auch wird behauptet, dass erst zwei Jahrhunderte später Kapitän Cook als erster Europäer auf seiner Weltumsegelung 1770 dieses Phänomen kennen lernte.


3. Formen des Amoks

Aus dem 14. und 15. Jahrhundert werden zwei Formen des Amoks beschrieben, den Amoklauf von Gruppen, der als kriegerischer Amok bezeichnet wird, und den Amoklauf einer einzelnen Person, den individuellen Amok.


3.1 Kriegerischer Amok in Gruppen

Der malaiische kriegerische Amok beschreibt eine Kampftechnik malaiischer Krieger, die sich mit dem Kampfschrei »Amok, Amok« auf ihre Gegner stürzten. Aus Süd-Indien beschrieb Gaspar Correa, dass überlebende Krieger sich wegen ihrer Schande überlebt zu haben zu »amoucos« erklärten. Adler vermutet, dass »amoucos« eine Elitegruppe des kriegerischen Volkes Nayros gewesen sind, die in Kriegen auf Befehl ihres Königs bedingungslosen Einsatz zeigten.


3.2 Individueller Amoklauf

Der Portugiese Nicolo Conti beschrieb 1430, dass zahlungsunfähige Schuldner aus der Versklavung zu entkommen, Amok liefen und solange töteten bis sie selbst getötet wurden. Ein ähnliches Verhalten wurde ein Jahrhundert später von Duarte Barbosa beschrieben, ein Amoklauf als Danksagung an Gott nach überstandener Krankheit. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts verlor der Amok seinen engen religiös-kriegerischen Bezug, behielt jedoch seine Prägung durch den spezifisch kulturellen Hintergrund.


4. Amok im 20. Jahrhundert

Neben vielen anderen Modellen liefert Schünemann ein differenziertes Phasenmodell des Amoklaufs.

1. intensive Phase des Grübelns bzw. eine Depression mit Isolation von der Umwelt folgt auf Kränkungen, Objektverluste

2. Ausbruch des eigentlichen Amoks mit rücksichtsloser Tötungsbereitschaft. Oftmals beginnt der Amoklauf bei der Familie oder Verwandten und weitet sich dann wahllos auf Fremde aus.

3. Anschließend folgt eine oft mehrstündige anhaltende mörderische Raserei, bis der Amokläufer sich selbst tötet oder von anderen getötet bzw. kampfunfähig gemacht wird.

4. Überlebende Täter geben vor, keine Motive gehabt zu haben, bzw. sich nicht an die Tat erinnern zu können, gelegentlich fallen die Täter in einen terminalen Tiefschlaf.

Durch Schünemann und Adler et al. wird Amok in neueren Studien als eine plötzliche Geistesgestörtheit mit stark aggressivem Bewegungsdrang definiert, kann beim Befallenen wutartige, wahllose Tötungsversuche auslösen, zuerst bei malaiischen Eingeborenen beobachtet. Amok wird als kulturell beeinflusste Sonderform des Selbstmords aus aufgestauter, zur Entladung drängender Aggressivität angesehen. Als Ursache werden Epilepsie, Malaria oder Katatonie angenommen, doch weist der gleichförmige Ablauf bei den verschiedensten Fällen auch auf die Mitwirkung eines psychogenen Faktors hin. Heutige psychologische Erklärungsansätze sehen Amok als eine Konfliktreaktion von Erlebnissen sozialer Degradierung, Verlusterfahrungen oder Nichterfüllung des Geltungsdrangs. Ein soziologisch orientierter Konfliktansatz sieht in Amok ein weltweites Phänomen, das vermehrt in politischen, ökonomischen und soziokulturellen Umbruchphasen auftritt. Veränderungen in diesen Bereichen können in Verbindung mit einer anfälligen Persönlichkeit des Täters das Aufkommen von Amoktaten begünstigen. Lübbert kommt in ihrer geschlechtsspezifisch orientierten Untersuchung zum Schluss, dass Amok dem Täter zur Demonstration von Macht und Wiederherstellung seiner Männlichkeit dient.


5. Soziodemographischer Hintergrund

Anhand der Studie von Adler ist festzuhalten, dass ein Amoklauf von überwiegend jüngeren bis älteren männlichen Tätern begangen wird. In der Mehrzahl der Fälle wird von einer aktuellen Lebensgemeinschaft der Täter berichtet, unabhängig vom formalen Status. Im überwiegenden Maße haben die Amokläufer eine »Blue-Collar«-Qualifikation, wie Handwerker, ungelernte Arbeiter und Andere. Gefolgt von Personen mit »White-Collar«-Qualifikationen, wie Angestellte, Beamte, Akademiker. Das Vorkommen der Amokläufe bezog sich eher auf Städte bis zu 10.000 Einwohner. Bei Untersuchungen zur Gefährlichkeit waren 3 kleinere Subgruppen mit hohen Opferzahlen auffällig. Erstens wurden altersinadäquate, mit der Mutter zusammenlebende, Amokläufer identifiziert, zweitens jüngere, eher altersgemäß bei den Eltern lebende Amokläufer und drittens im Trend ältere Akademiker.


6. Täter-Opfer-Beziehung

Adler beschreibt den Amoklauf, der bei Verwandten, Bekannten oder Konfliktpartner beginnt und sich dann auf Fremde und völlig Unbeteiligte ausweitet. Lübbert berichtet von ausschließlich Fremden als Opfer des Amoklaufs in mehr als einem Drittel der Fälle.


7. Tatausgang

Nach der Studie von Adler wurden 40,1% der Täter nach deren Widerstand entwaffnet, bei 33,5% handelte es sich um einen tödlichen Ausgang durch Suizid und bei 6,6% durch Fremdeinwirkung, 10,8% der Täter ließen sich widerstandslos festnehmen und 5,4% waren Suizidversucher. Unbekannte Ausgänge kommen mit 14,2% hinzu.


8. Literatur

• Adler, Lothar, „Amok- Eine Studie“, Belleville-Verlag, München, 2000

• Lübbert, Monika, „Amok-Lauf der Männlichkeit“, Verlag für Polizeiwissenschaft , Frankfurt 2002

• Weilbach, Karl, „Aktionsmacht Amok“, Hamburger Studien zur Kriminologie und Kriminalpolitik, Lit.Verlag Münster, 2004