Akademie der Fäuste

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Akademie der Fäuste war der Name einer geselligen intellektuellen Vereinigung in Mailand in der Zeit von 1761 bis 1765, zu der auch Cesare Beccaria gehörte und die von 1764 bis Mai 1766 eine Zeitschrift namens Il Caffè herausgab. Im Gegensatz zu den Florentiner Sprachpflegern der Accademia della Crusca waren die Mitglieder der Accademia dei Pugnis eher kulturrevolutionär, rationalistisch, ironisch und hedonistisch orientiert.

Die Gruppe bestand aus rund 20 Patriziersöhnen Mailands. Der Älteste war mit 36 Jahren Pietro Verri, Sohn des Senators Gabriele Verri. In seinem Haus fanden die Treffen statt. Weiterhin gehörten dazu: Pietros Bruder Alessandro (26), Cola da li Picirillo, der Abt Marquis Alfonso Longo (26), Graf Giambattista Biffi (28), Luigi Lambertenghi (25), Graf Giuseppe Visconti di Saliceto (Annfang 30) u.a. - sie "wollen etwas anderes, etwa Neues. Sie haben studiert und sind voller Tatendrang. Sie wollen etwas mit ihrem Wissen anfangen. Sie sind Ökonomen, Juristen, Mathematiker. Sie sehen, dass neues, modernes Wissen aus Frankreich und England kommt. Sie wollen frei und offen diskutieren, ohne Zeremonien und alberne akademische Regeln, und sich nicht mit dem in ihren Kreisen üblichen langweiligen Salonleben begnügen, mit flachem Liebesgetändel oder im Theater ewig die gleichen Opern hören, nach bedeutungslosen und trivialen Melodramen von Pietro Metastasio. Sie wollen etwas verändern" (Wolter 2004).

Il Caffè

"Verri, sein Bruder und seine Freunde, schrieben über Geldwirtschaft und Handel, über Landwirtschaft und Politik, über Neuerer, wie Voltaire und Montesquieu, aber auch über Galileo Galilei und andere Naturforscher. Sie befassten sich mit dem Anbau von Leinen und Tabak, mit dem Import von Kakao und, natürlich, mit Kaffee und Cafés. Mit dem Wetter, mit eben erschienenen Büchern, zeitgenössischer Musik, mit Gerüchen, mit der Sprache, mit Steuern und Zöllen, mit den alten Römern und den modernen Kriegen. 'Il Caffè' war unterhaltsam, frech und spöttisch, eine kleine chaotische italienische 'Encyclopédie'. Und genau wie diese versteckte sie ihre ungewöhnlichen und mutigen Gedanken. Nicht in sachlichen Lexikonartikeln wie beim französischen Vorbild, sondern vielmehr in scheinbarer Unterhaltsamkeit und Leichtigkeit. - Der Stil, so schrieb Beccaria in seinem gleichnamigen Artikel 'ist Ausdruck von Passion, von Leidenschaft'. Eben diese Leidenschaft versammelte die Freunde Woche um Woche, von Nummer zu Nummer, zwei Jahre lang. Sie setzten ihre Hoffnungen darauf, dass sich ihre Ideen verbreiten würden, dass es ein neues, aufgeschlossenes Publikum gäbe, mit mehr Bildung und mit mehr Offenheit" (Wolter 2004). Ein Artikel von Alessandro Verri hieß: „Feierlicher und notariell beglaubigter Verzicht der Autoren dieses Blattes auf die Benutzung des Wörterbuchs der Florentiner „Accademia della Crusca”. Da es keinen Beweis dafür gebe, dass die italienische Sprache bereits das Stadium ihrer Vollkommenheit erreicht habe, sei es eine ungerechte Sklaverei zu verbieten sie zu bereichern und zu verbessern. Ein zentrales Thema war die Erziehung. in einem Artikel „Über den Nutzen der Prügelstrafe“ erklärte ein Schulmeister einem Fremden, der über die blauen Flecken der Kinder staunte, dass Prügel ein ganz wunderbares Mittel seien, um Kinder zum Lernen zu bringen: "Die Hände, die falsch geschrieben haben, werden gepeitscht. Der Kopf, der nicht richtig denkt, kriegt Püffe und Kopfnüsse. Das hilft! Das macht gute Laune! Wir haben es immer so gemacht und werden es weiter so machen, und die Gepeitschten und Geprügelten sind damit sehr zufrieden" (Wolter 2004). - Im letzten Heft beschloss Pietro Verri die Zeitschrift mit einem langen Bericht über Pockenimpfung.


Carlo Capra, Ordinarius für die Geschichte der Aufklärung an der Università degli Studi di Milano, hat über „Il Caffè” geforscht:

Zitator 3: Der kleinste gemeinsame Nenner, der Rote Faden, der sich auch wie¬terhin durch das gesamte Werk von Pietro Verri zieht, ist die Idee der Freiheit. Freiheit in der Sprache, Freiheit von den Sprachregeln der Accademia della Crusca, aber auch Freiheit auf dem Gebiet der Ökonomie, Freiheit von den Beschränkungen des Handels, von Monopolen und Zunftvorschriften, Freiheit schließlich im sozialen Leben, in der Erziehung der Kinder, Freiheit von Konventionen und Zwängen und Freiheit auch auf politischem Gebiet – auch wenn ihre einzige Hoffnung das aufgeklärte Fürstentum blieb.

Sprecher: Die „Akademie der Fäuste” ging auseinander, die Freunde trennten sich. Cesare Beccaria wurde Beamter. Alessandro Verri suchte in Rom als Schriftsteller und Übersetzer sein Glück. Pietro Verri übernahm verschiedene Ämter in der lombardischen Verwaltung, wo er unermüdlich und gegen viele Widerstände Veränderungen zu erreichen suchte. Als 1796 das Heer der französischen Republik unter General Bonaparte in Mailand einzog und die Lombardei Teil der Cisalpinischen Republik wurde, stellte er sich der neuen Stadtverwaltung zur Verfügung. Auch zwei weitere Mitglieder der „Akademie der Fäuste”, Alfonso Longo und Luigi Lambertenghi, arbeiteten in den republikanischen Gremien mit.

Sprecherin: Die Brüder Verri blieben durch ihren Briefwechsel bis zu Pietros Tod im Jahr 1797 miteinander eng verbunden. Bis ins hohe Alter erinnerte sich Pietro Verri gerne an die heitere Zeit in Mailand, an die Zusammenkünfte der Freunde, die rebellische „Akademie der Fäuste” und „Il Caffè“:

Zitator 1: Ich glaube, wenn es einen Weg gegeben hat, die damalige Generation zu bessern, dann war es “Il Caffè”. Durch unsere Angriffe und unseren Spott gegen Blödheit und Aufgeblasenheit und all die italienischen Beschränktheiten. Wir waren nur ein kleines Blatt, aber auch das Kleine wirkt auf die Dauer, nicht mit der Darstellung des Schönen und Großen, sondern es wirken die Brennnesseln der Lächerlichkeit – da zittern die andern, sie schweigen, das große Heer zieht sich zurück; die wenigen Neuerer rücken vor - und dann, ja dann folgen andere ihnen nach.

Literatur

Capra, Carlo (2002) I progressi della ragione. Vita di Pietro Verri, Il Mulino, Collezione di testi e di studi. Capra, Carlo, Hg. (1999) Pietro Verri e il suo tempo (Verri, La Milano dei Lumi), Bologna: Cisalpino (2 Bände).

Weblinks