Aggression und Aggressivität

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Aggression und Aggressivität

Aggression: Der Begriff Aggression geht seinen etymologischen Wurzeln zu Folge auf das lateinische Verb „aggredi“ zurück, was soviel bedeutet wie: „herangehen“, „sich annähern“, „auf jemanden zugehen“, „etwas ein- bzw. herausfordern“ oder letztendlich „sich zeigen“ (vgl. DVJJ, 1999 und Ross, 2002). Somit umfasst der Begriff von seiner Wurzel her nicht nur den negativen bzw. destruktiven Aspekt des zu untersuchenden Phänomens, wird aber im Rahmen kriminologischer Abhandlungen oftmals nur so verstanden. Rauchfleisch (1992, S. 11) definiert Aggression „als zielgerichtete Kraft (...), welche die Schädigung eines anderen zum Ziel hat“. In diesem Sinne ist der Terminus „Aggression“ mit Feindseligkeit, Destruktivität und Angriff zu übersetzen (Danzer und Klapp, 1996). Aufgrund des hohen Komplexitätsgrades der beiden Phänomene Aggression und Aggressivität ist eine stringente Einordnung zu bestimmten kriminologische Teilgebieten unmöglich. Aus dieser multi-disziplinaren Zugehörigkeit bzw. aus der Tatsache, dass Aggression und deren internaler „Bruder“- bzw. teilweise sogar „Vater“ - die Aggressivität -, den Schnittpunkt diverser angrenzender Sub-Disziplinen der Psychologie bildet, entwirft Kleiter folgenden meta-theoretischen Definitionsrahmen: „Aggression/Gewalt/Aggressivität ist ein komplexes Phänomen, das sich durch das Merkmal einer intendierten aktuell auszuführenden oder in Wartestellung befindlichen antisozialen Haltung aufweist und aspektiv seine deskriptiven Bestandteile aus der Schnittmenge der Handlungs-, Motivations-, Attribuierungs-, Emotions-, Lern-, und Persönlichkeitspsychologie bezieht sowie darüber hinaus komplex verursacht ist.“ (ebd., S.530)

Insgesamt gibt es eine ganze Reihe an nuancierenden und diskriminativen Charakterisierungen des Aggressionsphänomens in unendlich viele Klassen und Arten. Diese tun in diesem Rahmen recht wenig zur Sache, zumal aus formal-logischen Gegebenheiten heraus eine a priori- Einschränkung auf bestimmte Aggressionsarten vorgenommen werden muss. Zur Veranschaulichung der einschränkenden wie selektiven Behandlung spezifischer Erscheinungsformen des Phänomens, seien an dieser Stelle zwei tabellarische Übersichten hinten angestellt:












Quelle: Petermann, Döpfner und Schmidt (2001, S.3)




Quelle: Kleiter (1997, S. 531, Revision des Ursprungsmodells nach Selg, 1988)


Aggressivität Während mit Aggression zumeist die Performanz, also das beobachtbare aggressive Verhaltensmuster gemeint ist, beschreibt laut Biedermann (1999) sowie laut Kleiter (1997) die Aggressivität hingegen eine Persönlichkeitsvariable, die Eigenschaft oder auch die dispositionelle Gewohnheit, in generalisierter Art und Weise in individuell definierten und interpretierten Situationskontexten aggressiv zu reagieren (Zimbardo, 1999). Haußer und Ulich (1980) sehen Aggressivität gleichfalls als die Bereitschaft an, seinen Mitmenschen Schaden zuzufügen. In Konsequenz könnte man Aggressivität als internalen Standard und - über einen langen Zeitraum betrachtet, geht man von einem stabilen aggressiven Verhaltensmuster aus - gewissermaßen auch als internale Voraussetzung, als unablässige Bedingung, einer Aggression veranschlagen. Die Aggression wäre in diesem Falle das veräußerte Pendant des stabilen internalen Grundmusters. Kleiter (1997) betont vehement das persönlichkeitspsychologische Moment, welcher inhäriert, dass es sich bei besagtem Merkmal um einen relativ stabilen Wesenszug - einen Trait - handelt, welches jedoch nicht in genetisch verankerter Form der Person mit in die Wiege gelegt wird, sondern welcher sich aufgrund vorausgehender lebensgeschichtlicher Erfahrungen herauskristallisierte, konsolidierte und generalisierte.

Oliver Maser

Literatur: Danzer G, Klapp BF (1996) Zur Anthropologie und Tiefenpsychologie der Aggression: Modelle und Konzepte. In: Studt HH (Hrsg.): Aggression und Autoaggression (S. 9-19). Leipzig-Heidelberg: Barth.

Deutsche Vereinigung für Jugendberichte und Jugendgerichtshilfen e. V. (DVJJ) (1999). Kinder und Jugendliche als Opfer und Täter. Prävention und Reaktion. Godesberg: Forum Verlag.

Biedermann, Th. (1999). Aggressive Jugendliche: Fakten, Theorien, Hintergründe und methodische Zugangsweisen. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag GmbH.

Haußer, K. & Ulich, D. (1980). Moralische Sozialisation. In: K. Hurrlemann & D. Ulich (Hrsg.), Handbuch der Sozialisationsforschung, S. 693-716. Weinheim & Basel: Beltz Verlag.

Kleiter, E. F. (1997). Film und Aggression- Aggressionspsychologie. Theorie und empirische Ergebnisse mit einem Beitrag zur Allgemeinen Aggressionspsychologie. Weinheim: Deutscher Studienverlag.

Petermann, F., Döpfner, M. & Schmidt, M. H. (2001). Aggressiv-dissoziale Störungen. Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe.

Rauchfleisch, U. (1992). Allgegenwart von Gewalt. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht.

Ross, T., Lamott, F. und Pfäfflin, F. (2002). Bindungsforschung im forensischen Bereich. In: B. Strauß, A. Buchheim und H. Kächele (Hrsg.), Klinische Bindungsforschung. Theorien - Methoden - Ergebnisse, S. 272-280. Stuttgart: Schattauer.

Zimbardo, P. G. & Gerrig, J. (1999). Psychologie. Berlin; Heidelberg; New York: Springer.