Adolphe Quetelet

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Lambert Adolphe Jacques Quételet (geb. am 22. Februar 1796 in Gent; gest. am 17. Februar 1874 in Brüssel) war ein Astronom, Statistiker, Mathematiker und Sozialwissenschaftler, der bemüht war, die Wissenschaft in Belgien derjenigen in anderen europäischen Staaten ebenbürtig zu machen.

Familie

Adolphe Quételets Mutter hieß Anne-Francoise Vandervelde. Sein Vater war der in der Picardie geborene Francois-Augustin-Jacques-Henri Quételet, der eine Zeit lang (als Sekretär eines schottischen Adligen) in Großbritannien gelebt und dort die Staatsbürgerschaft erworben hatte. Damals reiste er mit seinem Arbeitgeber durch Europa und verbrachte viel Zeit in Italien. Im Alter von 31 Jahren (1787) richtete er sich in Gent ein, wo er 1803, als Adolphe gerade sieben Jahre alt war, starb. Adolphe erhielt seine Erziehung auf dem Lyzeum seiner Vaterstadt. Hier zeichnete er sich frühzeitig aus und übernahm, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, bereits mit siebzehn Jahren eine Lehrstelle in Audenarde (Belgien) an. Schon 1814 kehrte er nach Gent zurück und erhielt hier ein Jahr später einen Posten als Mathematiklehrer an dem neu gegründeten Collège municipal. Mit der Gründung der Universität Gent (1817) erhielt Quetelet Gelegenheit, seinem Traum von einer wissenschaftlichen Beschäftigung näher zu kommen. Am 24. Juli 1819 erwarb er den Doktorgrad auf Grund einer mathematischen Dissertation (Kegelschnitte), während sich unter den von ihm verteidigten Thesen bezeichnender Weise auch eine astronomische befand.

Am 20. September 1824 heiratet Adolphe Quételet die Tochter des französischen Künstlers M. Curtet, Cécile Virgine Curtet. Sie hatten einen Sohn, Ernest, und eine Tochter. Ernest wurde Astronom und übernahm schließlich die Rolle seines Vaters als Direktor in der Brüsseler Sternwarte. Adolphe und Cécile liebten Musik und waren ausgezeichnete Musiker. So empfingen und unterhielten sie mit ihrer Musik zahlreiche Gelehrte und Künstler mit internationaler Ausstrahlung in ihrem Heim.

Arbeit

Zeit von 1819 – 1829

Quételets Übersiedlung nach Brüssel im Oktober 1819 zur Übernahme eines ihm angetragenen Lehrstuhles für elementare Mathematik am Athenäum und seine Aufnahme unter die Mitglieder der Königlichen Akademie im Februar 1820, bei der er sich schon im Jahre zuvor durch Einreichungen einer mathematischen Abhandlung eingeführt hatte, leiten die erste Lebensperiode ein.

Beruflich wie literarisch vorwiegend mit der Mathematik beschäftigt, wendet er sich im Laufe der Zeit doch immer mehr der Astronomie zu. Der Aufenthalt in Paris im Jahre 1823, zur Vorbereitung der von ihm angeregten Einrichtung eines astronomischen Observatoriums, bringt ihn in Beziehung zu Poisson und Alexander von Humboldt. Während dieses Aufenthaltes lernte er Astronomie von Arago und Bouvard und die Möglichkeiten der Wahrscheinlichkeitsrechnung von Joseph Fourier und Pierre Laplace. Diese Männer strebten an, mit Hilfe mathematischer Methoden soziale Daten zu analysieren. Durch ihre Versuche angeregt, wandte Quetelet die Wahrscheinlichkeitsrechnung zuerst zur Messung des menschlichen Körpers an. Er wollte versuchen soziale Probleme mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung überschaubar zu machen. Auf die Regelmäßigkeiten in Wuchs des Menschen war er aufmerksam geworden, als er sich als Maler und Bildhauer betätigte. Er versuchte, diese Erkenntnisse auch auf neue Gebiete anzuwenden, wie die Meteorologie und den Erdmagnetismus.

Eine praktische Frage, das Bestreben, die Geschäftstätigkeit der Lebensversicherungsgesellschaften besser zu begründen, führte Quetelet zum ersten Mal in Verbindung mit der Statistik.

Eine kleine Denkschrift des Jahres 1825 über die Gesetze der Geburten und der Sterblichkeit in Brüssel wird 1827 in bedeutend erweiterter Form der Akademie vorgelegt und wächst 1828 zu seinem ersten größeren statistischen Werke, den „Recherches statistique sur le royaume des Pay-Bas“. Die bereits darin ausgesprochene Forderung einer allgemeinen Volkszählung auch schon 1830 unter Quételets persönlicher Mitwirkung nahm im weiten Kreise seiner Interessen doch vorläufig immer nur eine untergeordnete Stellung ein. Sie wäre, genau wie die Mathematik, von der er sich 1829 abwandte, wahrscheinlich noch weiter zurückgetreten, hätte er sich auf dem während der zweiten Periode seines Lebens bevorzugten Felde der Astronomie sogleich frei betätigen können. Dies war aber keineswegs der Fall.


Zeit von 1829 – 1855

Es ist die Periode seines regesten wissenschaftlichen Schaffens in deren erstem Teile jedenfalls die astronomisch – meteorologischen Studien vornehmlich herrschten.

Da sich die tatsächliche Errichtung des Observatoriums noch längere Zeit hinzog, begab er sich auf Reisen, lebte 1829 in Deutschland, wo er mit Goethe zusammentraf, 1830 in Frankreich, der Schweiz und Italien. Als er bei seiner Heimkehr noch alles beim Alten fand, wandte er sich aufs neue anthropologisch-statistischen Studien zu. Diese Studien fanden nach der Veröffentlichung einer Reihe von monografischen Schriften in den Jahren 1831 und 1832, in dem 1835 erschienenden größeren Werke „sur l’homme et le développement de ses facultés ou Essai de physique sociale“, vorläufig ihren Abschluss. Die belgische Revolution hatte maßgeblich Einfluss auf Quetelet’s Interesse an sozialen Belangen.

Die langerwartete Eröffnung des Observatoriums im Jahre 1832 gab Quetelet seinen astronomisch - meteorologischen Studien zurück, auf die er sich während der Jahre 1835 – 1845 fast ausschließlich konzentrierte und die er seit 1836 als Professor der Astronomie und Geodäsie an der „École militaire“ nebenamtlich auch pädagogisch verwertet. Wiederum waren es jetzt äußere Umstände die ihn erneut mit der Sozialwissenschaft in Berührung brachten. So war seine Ernennung zum Präsidenten der statistischen Zentralkommission Belgiens im Jahre 1841, in welcher er eine auf das Jahr 1846 anberaumte neue und umfassende Volkszählung vorbereitete und leitete, sehr wichtig hierfür.

Damit war der Kontakt mit der Sozialstatistik wieder hergestellt, der von jetzt ab nicht mehr verloren gehen sollte. Zahlreiche kleinere Schriften bezeugen dieses neuerwachte sozialwissenschaftliche Interesse. Das im Jahre 1948 veröffentlichte Werk „du systéme social et des lois qui le régissent“, welches eine Fortsetzung und Ergänzung des vorher genannten „sur l’homme“ darstellt, bildet im Verein mit der 1852 erscheinenden meteorologischen Abhandlung „sur le climat de la Belgique“ die wichtigste literarische Frucht dieser Periode.


Zeit von 1855 – 1874

Die letzte Periode seines Lebens wird durch einen Schlaganfall eingeleitet. Hauptsächlich ist diese Periode durch eine Zeit der Sammlung und wissenschaftlich durch die Dominanz sozialstatistischer Interessen charakterisiert.

Nach der Übertragung des Präsidiums (1853) des ersten internationalen statistischen Kongress schien der 1855 erfahrene Schlaganfall sein Leben ernsthaft zu bedrohen. Er hat sich niemals vollkommen von dieser Erkrankung erholt. Ab 1857 beteiligte er sich wieder regelmäßig an den internationalen statistischen Kongressen. Allerdings hatten seine geistigen Kräfte, insbesondere sein Gedächtnis so sehr gelitten, dass alle folgenden Publikationen nach Wert und Inhalt nicht mit denen seiner ersten beiden Schaffensperioden mithalten konnten. Es handelt sich hier im Wesentlichen um Neudrucke, Zusammenfassungen und Ergänzungen früherer Werke ohne originelle Bedeutung. Er starb am 17. Februar 1874 in Brüssel als Gelehrter von Weltruf und mit allerhand wissenschaftlichen Ehren überhäuft. Noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde sein Kausalitätsbegriff und die damit verbunden Frage der Willensfreiheit diskutiert, während seine statischen Ideen und seine Systemkonstruktionen erst in neuer Zeit (wieder) entdeckt wurden.

Wirken

Folgende Aussage Quetelet’s über die Gesetze des Verbrechens erschütterten seine Zeitgenossen zutiefst: „Es gibt einen Tribut, den der Mensch regelmäßiger bezahlt als denjenigen, welchen er der Natur oder dem Staatsschatze entrichtet; es ist derjenige, den er dem Verbrechen zollt! – trauriger Zustand des Menschengeschlechtes! Wir können im Voraus aufzählen, wie viele Fälscher, wie viele Giftmischer es geben wird, fast so, wie man im Voraus die Geburten und Todesfälle angeben kann, die einander folgen müssen.“


Soziale Physik

Comte, welcher die Wissenschaft der „Soziologie“ schuf, glaubte einfach mit biologischer Forschung gesellschaftliche Gesetze entdecken zu können. Für seine Wissenschaft sollten die biologischen Methoden, der Versuch, Umfrage und Erfahrung allein gelten. Im Gegensatz zu Comte befragte Quetelet hingegen die „große Zahl“ um die Zufälligkeiten des Individuums ausscheiden zu können. Damit schuf er die Moralstatistik und erhob die Statistik zur Hauptmethode der Gesellschaftswissenschaft.

Seine Moralstatistik (auch als Sozialbehaviorismus zu bezeichnen) war eine Kombination aller drei statistischen Wissenszweige auf höherer Ebene. Von der amtlichen Tabellenstatistik erhielt sie das ziffernmäßige Material, von der politischen Arithmetik übernahm sie die Methode der Wahrscheinlichkeitsrechnung und mit der Universitätsstatistik teilte sie den Beobachtungsgegenstand.

Die Frage die sich Quetelet stellte war wie folgend: „Sind die Handlungen des moralischen und geistigen Menschen Gesetzen unterworfen oder nicht?“ Er entdeckte dabei eine regelmäßige Wiederkehr bestimmter Erscheinungen. Diese Normalverteilung von Eigenschaften fasste Quetelet unter dem Idealtyp des „mittleren Menschen“ (frz. homme moyen) zusammen. Dieses von ihm begründete Wissensgebiet nannte er Sozialphysik. Seine Absicht war es das sittliche Leben in allen seinen Erscheinungen als gesetzmäßig zu verstehen somit statistische Gesetze zu begreifen die Phänomenen wie Verbrechensquoten, Eheraten oder Selbstmordraten unterliegen. Die Frage inwieweit der mittlere Mensch den Strukturbedingungen einer Gesellschaft entspricht hat Quetelet nicht untersucht. Seine statistische Konstruktion des mittleren Menschen soll die Funktionsbedingungen in einer Gesellschaft aufzeigen, sie ist aber kein Funktionselement dieser Gesellschaft.

Mit der Begründung seiner „sozialen Physik“ stellt Quetelet fest, dass es keinen Zufall, sondern nur Gesetzmäßigkeiten gibt und dies auch in den Gebilden gesellschaftlichen Zusammenlebens. Alles bisher als zweckmäßig angenommenen Handeln, alles was bisher als Äußerung des freien Willens betrachtet worden war, lag nun der mathematisch – biologischen Zergliederung frei.

Seiner mit einer pragmatischen Einstellung gepaarten großen Tatkraft ist es zu danken, dass die Statistik auf administrativer (institutioneller) und wissenschaftlicher (funktionaler) Ebene ein gutes Stück vorankam. Auf seine Anregung hin fand der erste internationale statistische Kongress in Brüssel statt, er organisierte die amtliche Statistik Belgiens vorbildlich und wirkte darauf hin, dass das statistische Material auf internationaler Ebene nach einheitlichen Gesichtspunkten gesammelt wurde.


Kriminologie

Quetelet war eine einflussreiche Größe in der Kriminalwissenschaft. Zusammen mit Andre-Michel Guerry half er, die kartografische Schule und positivistische Schule der Kriminalwissenschaft zu etablieren, die umfassenden Gebrauch von statistischen Techniken machte. Durch die statistische Analyse gewann Quetelet Einblick in die Beziehungen zwischen Verbrechen und anderen sozialen Faktoren. Unter seinen Ergebnissen fand er starke Beziehungen zwischen Alter und Verbrechen, sowie Geschlecht und Verbrechen. Andere einflussreiche Faktoren fand er im Klima, Armut, Ausbildung und Alkoholgenuss. Den praktischen Nutzen seiner Arbeit sah Quetelet darin, dass der Gesetzgeber aufgrund des nunmehr möglichen Einblicks in gesellschaftliche Zusammenhänge dem Übel mit adäquaten Gesetzen vorbeugen könne, anstatt es erst Platz greifen zu lassen und nur nachträglich und weniger wirksam durch Gesetze einzudämmen.

Das soziologische Kernstück seiner Arbeit, das ihm noch in der Moderne Bedeutung verleiht, sind die Passagen über die Erfassung der Gesetzmäßigkeiten menschlicher Vergesellschaftung.


Gesundheitswesen

Eine weitere Errungenschaft Quetelet’s war die einfache Berechnung der sogenannten Körpermassezahl, besser bekannt als Body-Mass-Indey. Quetelet wollte damit das Idealgewicht der Menschen in Abhängigkeit ihrer Körpergröße bestimmten. Die Berechnung der Körpermassezahl, welche auch Quételet Index genannt wird, findet in der Medizin bis heute Anwendung.

Quetelet’s Untersuchungen zum menschlichen Körper hatten großen Einfluss auf Alphonse Bertillon, der basierend auf seinen Untersuchungen die Grundlagen seines später Bertillonage genannten Systems zur Personenidentifikation schuf.


Werke

· 1823. Relation d'un voyage fait à la grotte de Han au mois d'août 1822'. 'With M.M. Kickx. · 1826. Astronomie élémentaire, 2 volumes. · 1827. Recherches sur la population, les naissances, les décès, les prisons, les dépôts de mendicité, etc., dans le royaume des Pays-Bas. · 1829. Recherches statistiques sur le royaume des Pays-Bas. · 1831. The Propensity to Crime. · 1934. Astronomie élémentaire. · 1834. ff. Annuaire de l’Observation (Zeitschrift unter Leitung Quételets) · 1834. Positions de Physique, 3 volumes. · 1835. Sur l'homme et le développement de ses facultés, ou Essai de physique sociale. 2 volumes. · 1838. De l'influence des saisons sur la mortalité aux différens âges dans la Belgique. · 1839. Catalogue des principales apparitions d'étoiles filantes. · 1842. A Treatise on Man and the Development of His Faculties. · 1843. Sur l'emploi de la boussole dans les mines. · 1845. Sur le climat de la Belgique. 2 volumes. · 1846. Lettre au duc régnant du Saxe-Coburg sur la théorie des probabilitités. · 1848. Du système social et des lois qui le régissent. · 1848. Sur la statistique morale et les principes qui doivent en former la base. · 1850. Mémoire sur les lois des naissances et de la mortalité à Bruxelles. · 1853. Mémoire sur les variations périodiques et non périodiques de la température, d'après les observations faites, pendant vingt ans, à l'observatoire royal de Bruxelles. · 1864. Histoire des sciences mathématiques et physiques chez les Belges. · 1867. Météorologie de la Belgique comparée à celle du globe. · 1867. Sciences mathématiques et physiques au commencement du XIXe siècle. · 1869. Sur la physique du globe en Belgique. · 1870/71. L’anthropométrie ou le mesure des différentes facultés de l'homme.


Quellen


http://www.bbf.dipf.de/cgi-shl/digibert.pl?id=BBF0732472&c=687

http://www.wikipedia.de

http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/PictDisplay/Quetelet.html.

Adler, Karl (1856) : Zur Naturgeschichte der Gesellschaft von Ad. Quételet, Hoffmann und Campe.

Dorn, Valentine (1914): Soziale Physik oder Abhandlung über die Entwicklung der Fähigkeiten des Menschen von Ad. Quételet, Verlag von Gustav Fischer.

Böhme, Monika (1971): Die Moralstatistik, Böhlau.

Colloque Adolphe Quételet (1997): Actualité et universalité de la pensée scientifique d’Adolphe Quételet, Acad. Royale de Belgique.

Cooper, Brian P. (2007): Family fictions and family facts, Routledge.